{"title":"Cold Moves: Cryogenics in Indo-German Research Networks**","authors":"Roland Wittje","doi":"10.1002/bewi.202300028","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300028","url":null,"abstract":"<p>By unravelling the complexities and dynamics of a collaboration between scientists in India and West Germany to establish a cryogenic network, this paper intends to contribute to our understanding of the transnational movement of research technologies during the Cold War. In 1971, a cryogenic laboratory including a helium and a nitrogen liquefier was set up at the physics department of the Indian Institute of Technology (IIT) Madras as part of the Indo-German partnership at IIT Madras between 1959 and 1974. As a generic research technology with many applications, cryogenics became crucial for a solid state research agenda for semiconductor development. After initial difficulties, Ramaswami Srinivasan at IIT Madras and Gustav Klipping of the Fritz Haber Institute in Berlin built a successful collaboration based on mutual trust and on Indian and German scientists travelling and working in each other's laboratories. If the initial motivation of the Indo-German partnership was informed by the logic of Cold War development policy, Klipping and Srinivasan developed their collaboration into a vibrant cryogenic research network around different actors, instruments, and skills moving between India and the Federal Republic of Germany.</p>","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 4","pages":"466-482"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-07-22","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300028","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141735733","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Nature in Seclusion. The Monastic Republic of Letters in Southern Germany**","authors":"Julia Bloemer","doi":"10.1002/bewi.202300010","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300010","url":null,"abstract":"<p>Monasteries were famous for their extensive libraries and richly decorated churches. Less well known are their observatories and their mathematical-physical collections with telescopes, air pumps, and friction machines. But how did the way of life in the monastery and scientific practices influence each other? This paper examines the interaction of scientific practices and religious way of life using the example of southern German monasteries in the second half of the eighteenth century. It shows how the monks pragmatically linked monastic life and research practice, thereby forming their own specific scientific culture. This closes an important gap in the understanding of scholarship in the eighteenth century by foregrounding the monasteries as places of knowledge production, which have so far received little attention alongside universities and academies.</p>","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 3","pages":"215-241"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-07-22","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300010","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141735734","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Ehren und Erinnern (re-)konstruieren – ein Kommentar.","authors":"Priv.-Doz. Dr. Alexander Pinwinkler","doi":"10.1002/bewi.202300027","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300027","url":null,"abstract":"<p>Das Themenfeld „Erinnern“ und „Gedächtnis“ und die damit verknüpften Praktiken und Diskurse werden seit vielen Jahren breit bearbeitet und diskutiert. Stellvertretend für den enormen Korpus an Studien und Veröffentlichungen sei hier nur auf die wegweisenden Arbeiten von Jan und Aleida Assmann zum kulturellen Gedächtnis und zur Erinnerungskultur verwiesen.<sup>1</sup> Das vorliegende Themenheft bewegt sich damit zwar in einem sehr gut erforschten Arbeitsbereich, es vermittelt aber zugleich weiterführende Anregungen und Impulse. Diese beziehen sich vor allem auf akademische Ehrungen und deren Relevanz und symbolische Bedeutung für Wissenschaft, Gesellschaft und Politik.</p><p>Thorsten Halling und Anne Oommen-Halbach heben denn auch in ihrer Einführung zum Themenheft als einen wesentlichen Ausgangspunkt ihrer Überlegungen hervor, dass gesellschaftliche und wissenschaftliche „Gedächtniskulturen“ wechselseitig stark aufeinander bezogen sind.<sup>2</sup> Die Beiträge des Themenhefts greifen diese Feststellung auf und fragen danach, inwiefern es zu „Erinnerungstransfers“ zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit kommt. Welche Bedeutung der (Re−)Produktion und Dekonstruktion der Memoria von Wissenschaftler:innen für gesellschaftliche Identitätsentwürfe wie auch der historisch informierten Selbstdarstellung von wissenschaftlichen Fachdisziplinen, akademischen Institutionen und Fachverbänden zukommt, bildet einen weiteren Gegenstand der hier veröffentlichten Artikel.</p><p>Mit dem skizzierten konzeptionellen Ansatz leisten die Studien des Themenhefts einen wesentlichen Beitrag zu einer Verknüpfung von Gedächtniskulturforschung und Wissenschaftsgeschichte. Der vorliegende Kommentar bezieht sich auf die im Themenheft vorgestellten Fallbeispiele und stellt weitere Beispiele von Wissenschaftlern vor, deren Biografien und wissenschaftliche Memoria in den vergangenen Jahren öffentlich stark diskutiert wurden. Der Kommentar fragt danach, welche individuellen und institutionellen Akteur:innen sich an diesen Debatten beteiligten und welche Interessen und Motive diese jeweils verfolgten. Welche allgemeinen Muster sich dabei abzeichnen, und welche Fragen vorerst offenbleiben, bildet den Gegenstand abschließender Überlegungen und Reflexionen.</p>","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 1-2","pages":"151-170"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-04-19","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300027","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140635276","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Forscher:innen in wissenschaftlichen und öffentlichen Erinnerungskulturen. Konjunkturen und Transformationsprozesse","authors":"Thorsten Halling, Anne Oommen-Halbach","doi":"10.1002/bewi.202300024","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300024","url":null,"abstract":"<p>Forscher:innen sind im öffentlichen Gedächtnis als Namensgeber:innen von Straßen, Plätzen und Institutionen weit über den Kontext von Universitäten und Forschungseinrichtungen hinaus allgegenwärtig. Insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Kolonialpolitik, des Nationalsozialismus und der SED-Herrschaft sind jedoch viele dieser Benennungen zunehmend umstritten.<sup>1</sup> Gerade erinnerungspolitische Debatten führ(t)en oft zu wissenschaftshistorischen (Auftrags-)Studien und einer veränderten öffentlichen Wahrnehmung historischer Persönlichkeiten. Dieses Wechselverhältnis ist in der Wissenschaftsgeschichte vor allem für den deutschen Sprachraum bislang nur punktuell beleuchtet worden.</p><p>Gedächtnis und Erinnerung als individuelle und soziale Phänomene verbinden Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften wie wenige andere, so konstatiert die Literaturwissenschaftlerin Astrid Erll in ihrer Einführung <i>Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen</i>.<sup>2</sup> Inzwischen wird dieser als kulturwissenschaftliches Paradigma bezeichnete Forschungsansatz einer andauernden (Selbst-)Historisierung unterzogen.<sup>3</sup> Im deutschen Sprachraum sind es vor allem die Arbeiten von Aleida und Jan Assmann, die sich seit den 1990er Jahren in vielen Studien als anschlussfähig erwiesen haben, gleichwohl sie konzeptuell kritisch hinterfragt wurden.<sup>4</sup> Aleida Assmann selbst wies darauf hin, dass die Einzeldisziplinen ihre jeweils spezifischen Perspektiven auf das Gedächtnis entwickelt haben.<sup>5</sup></p><p>Anhand zentraler Themenfelder der <i>Memory Studies</i> möchten wir in dieser Einleitung entsprechende Ansätze in der Wissenschaftsgeschichte skizzieren. Der im anglo-amerikanischen Sprachraum geprägte Begriff wird hier bewusst genutzt, da er den Forschungsansatz betont, den die seit 2008 erscheinende gleichnamige Zeitschrift prägnant definiert hat:</p><p>Memory Studies examine[s] the social, cultural, cognitive, political and technological shifts affecting how, what and why individuals, groups and societies remember, and forget. The journal responds to and seeks to shape public and academic discourses on the nature, manipulation, and contestation of memory in the contemporary era.<sup>6</sup></p><p>Der deutsche Begriff der Erinnerungskultur umfasst verschiedene Bedeutungsebenen: Analysekategorie, Forschungsgegenstand sowie einen intentionalen Aspekt, der auch als Erinnerungspolitik bezeichnet wird.<sup>7</sup></p><p>Ausführlich diskutiert wurden die Schnittmengen von Erinnerungskultur zur <i>Public History</i>, verstanden als angewandte Geschichtswissenschaft, zu der Oral History, Museen, Gedenkstätten, Medien und Archive zählen.<sup>8</sup> Traditionelle wissenschafts- und medizinhistorische Sammlungen an den Universitäten, interaktive Wissenschafts- und Technikmuseen sowie Industriedenkmale sind Bestandteil dieser Geschichtsvermittlung, die immer auch einzelne Forscher:innen ins öffentliche Gedächtnis rückt: Jüngst präsentierte die","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 1-2","pages":"7-26"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-04-12","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300024","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140710697","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Die Robert-Rössle-Straße in Berlin-Pankow. Zum Streit um die ehrende Erinnerung an einen „relativ belasteten“ Pathologen in der NS-Zeit","authors":"Thomas Beddies","doi":"10.1002/bewi.202300021","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300021","url":null,"abstract":"<p>Die Medizinhistoriographie weiß seit langem, dass die Medizin im „Dritten Reich“ nicht auf das kriminelle Vorgehen und die Taten einer kleinen Zahl wahlweise „verführter“ oder „verbrecherischer“ Medizinerinnen und Mediziner zu beschränken ist. Die umstandslose Anerkennung von „Machtübernahme“, „Gleichschaltung“ und „Führerprinzip“, die rücksichtslose Ausschaltung politisch oder „rassisch“ unliebsamer Kolleginnen und Kollegen, die bereitwillige Anpassung an das NS-Gesundheitssystem und die konsequente Anwendung rassenhygienischer Grundsätze und Maßnahmen durch den überwiegenden Teil der Ärzte- und Hochschullehrerschaft nach 1933 spricht gegen die Sichtweise, dass lediglich eine radikalisierte Minderheit an der NS-Medizin und ihren strafwürdigen Auswüchsen Anteil gehabt hätte. Um die Schattierungen von Täterschaft, Teilhabe, Mitläufertum und gewolltem Nichtwissen ausleuchten zu können, müssen individuelle wie auch kollektive Handlungen und Handlungsspielräume von Ärztinnen und Ärzten in der Krankenversorgung und der medizinischen Forschung im NS-Staat in den Blick genommen werden. In zahlreichen Untersuchungen, die sich auf Einzelpersonen ebenso bezogen wie auf Krankenhäuser, medizinische Fakultäten, Forschungseinrichtungen, Fachverbände und andere mehr, ist diese Arbeit in den vergangenen Jahren bereits umfangreich geleistet worden.<sup>1</sup></p><p>Die für den vorliegenden Beitrag relevanten Forschungen zur Pathologie (und zu den Pathologen) im Nationalsozialismus wurden vornehmlich in Aachen und in Düsseldorf geleistet. In Aachen, wo bereits umfangreich zu den medizinischen Fachgesellschaften im NS gearbeitet wurde,<sup>2</sup> identifizierte man (im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, kurz DGP) in zwei Projektphasen nicht nur die Opfer von Verfolgung, Vertreibung und Entrechtung unter den Pathologen, sondern nahm auch die Fachvertreter in den Blick, die in der NS-Zeit Verantwortung innerhalb der DGP übernommen hatten.<sup>3</sup> Aus dem Kontext dieser Forschungen gingen auch Publikationen hervor, die sich mit der Rolle des Berliner Pathologen Robert Rössle (1876–1956) im Nationalsozialismus auseinandersetzten.<sup>4</sup> In Düsseldorf untersuchte Timo Baumann (mit Unterstützung des Bundesverbandes Deutscher Pathologen) wissenschaftliche Inhalte und Forschungsschwerpunkte der medizinischen Spezialdisziplin Pathologie in der Zeit des Nationalsozialismus; dazu gehörten auch die Schwerpunktsetzungen „Wehrpathologie“ und „Erbpathologie“.<sup>5</sup> Auf der Grundlage der genannten und weiterer Arbeiten soll im vorliegenden Beitrag der Streit um die Person Rössles, Ordinarius für Pathologie der Berliner Universität und Direktor des Pathologischen Instituts der Charité, in der konkurrierenden Erinnerungs- und Gedächtniskultur zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit in den Vordergrund gestellt werden. Anlass dazu gibt eine seit längerem anhaltende Umbenennungsdebatte um die Robert-Rössle-Straße im Berliner Ortsteil Buch.</p><p>Rob","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 1-2","pages":"106-127"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-04-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300021","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140730074","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Before Mnemosyne: Wilhelmine Cultural History Exhibitions and the Genesis of Warburg's Picture Atlas**","authors":"Matthew Vollgraff","doi":"10.1002/bewi.202300014","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300014","url":null,"abstract":"<p>Aby Warburg's <i>Bilderatlas Mnemosyne</i>, left unfinished in 1929, has attracted significant interest in recent decades. This essay offers a new interpretation of Warburg's “picture atlas,” not in relation to modernist collage and photomontage, but as an heir to scientific pedagogical exhibitions of the late Wilhelmine period. It deals in particular with two “public enlightenment” shows curated by the Leipzig medical historian Karl Sudhoff, whose work Warburg admired and employed: the first on with the history of hygiene in Dresden in 1911, the second in Leipzig, three years later, on the development of scientific images. Like Warburg, Sudhoff appreciated artworks and artifacts as sources for the history of science and medicine. His exhibitions consisted of assemblages of photographic reproductions—some of which were provided by Warburg himself—and uncannily anticipate <i>Mnemosyne</i> in both form and content. By examining the exchange of materials and display methods between the two scholars, the article explores how their respective visual projects reflected deeper disagreements over the public role of science, the epistemic power of images, and the persistence of the irrational in the human psyche.</p>","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 4","pages":"432-465"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-04-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300014","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140564552","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Transformation von Gedächtnis zwischen wissenschaftlicher Rezeption und Popularisierung: Die posthume Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Janusz Korczak","authors":"Anne Oommen-Halbach, Thorsten Halling","doi":"10.1002/bewi.202300022","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300022","url":null,"abstract":"<p>Im Jahr 1972 gerieten Leben und Werk von Janusz Korczak (1878/79–1942) für einige Monate in den Fokus der bundesrepublikanischen Feuilletons und damit einer interessierten Öffentlichkeit in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft. Der Hintergrund für dieses plötzliche Interesse an dem aus Warschau stammenden Arzt<sup>1</sup>, Pädagogen und Schriftsteller war die posthume Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Mit dieser vielfältig symbolisch aufgeladenen<sup>2</sup> und öffentlichkeitswirksam inszenierten<sup>3</sup> Auszeichnung wird bereits seit 1950 jährlich eine Persönlichkeit geehrt,<sup>4</sup> die zur Verwirklichung des Gedankens des „Friedens, der Menschlichkeit und der Verständigung unter den Völkern“<sup>5</sup> beigetragen hat. Wie umstritten der hier formulierte Anspruch, die Auswahl der jeweiligen Preisträger:innen und auch ihrer Laudator:innen in der Vergangenheit gewesen sind, belegt die 2009 erschienene Chronik des Friedenspreises mit dem bezeichnenden Titel <i>Widerreden</i>.<sup>6</sup> Gerade wegen dieser permanenten kritischen Auseinandersetzung räumte Aleida Assmann (geb. 1947) im gleichen Band dem Friedenspreis einen festen Platz „im kulturellen Gedächtnis der Deutschen“ ein.<sup>7</sup> Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin prägte zusammen mit ihrem Ehemann Jan Assmann (1938–2024) im deutschsprachigen Diskurs seit den 1990er Jahren den Begriff des „kulturellen Gedächtnisses“, beide wurden im Jahr 2018 selbst mit dem Friedenspreis ausgezeichnet.<sup>8</sup> In der Preisbegründung wurde betont: „Angesichts einer wachsenden politischen Instrumentalisierung der jüngeren deutschen Geschichte leistet sie [Aleida Assmann] in hohem Maße Aufklärung zu Fragen eines kulturellen Gedächtnisses einer Nation.“<sup>9</sup> Ein wesentlicher Aspekt ihres Forschungsansatzes ist die Analyse jenes Transformationsprozesses von unmittelbar oder zumindest mittelbar selbst Erlebtem und Erinnertem (kommunikatives Gedächtnis) zu einem von zeitgenössischen Berichten losgelösten Erinnern (kulturelles Gedächtnis).<sup>10</sup></p><p>Für die Konjunktur von Erinnerung an Gelehrte, wie Korczak, sind Jubiläen, Jahrestage und selten auch die Verleihung von Preisen von großer Bedeutung. In den mit ihnen verbundenen öffentlichen und fachinternen Diskursen lassen sich nicht nur spezifische (erinnerungspolitische) Interessen der jeweiligen Akteure erkennen, sondern sie vermitteln auch wirkmächtige Narrative und spiegeln Aushandlungsprozesse.<sup>11</sup> Letztere werden insbesondere im Kontext von Erinnerungen an den Holocaust oftmals als Konflikte wahrgenommen,<sup>12</sup> die es zu reflektieren gilt. Ein zentraler Aspekt in der Analyse erinnerungskultureller Phänomene ist der virulente Gegenwartsbezug: „Erinnerungen drehen sich nicht um Vergangenheit, sondern um die Gegenwart. Die Dissonanzen der Erinnerung erklären sich weniger aus der Konfliktträchtigkeit von Vergangenheit, sondern aus Konfliktlagen und Bedürfnissen der Gegenwart.“","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 1-2","pages":"46-76"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-04-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300022","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140564401","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Gelehrte als Identifikationsfiguren? Vom Umgang mit fachkultureller Erinnerung in medizinischen Fächern","authors":"Matthis Krischel, Julia Nebe, Timo Baumann","doi":"10.1002/bewi.202300018","DOIUrl":"10.1002/bewi.202300018","url":null,"abstract":"<p>Medizinische Fachgesellschaften, Berufsverbände und Standesvertretungen verfügen über eine ausgeprägte fachkulturelle Erinnerung mit langen Traditionen. Solche Institutionen richten Jubiläums- und Gedenkveranstaltungen aus, haben historische Arbeitskreise – und neben externen Historiker:innen publizieren auch Mitglieder in wissenschaftlich-klinischen sowie berufspolitischen Zeitschriften über die Geschichte des jeweiligen medizinisches Fachs. Die parallel zu fast jedem Fach existierenden wissenschaftlichen Gesellschaften, Berufsverbände und Standesvertretungen beschäftigen sich nicht zuletzt auch mit der Benennung von Preisen und betreiben „Aufarbeitungsprojekte“, etwa zur Medizin im Nationalsozialismus. Viele wissenschaftliche Auszeichnungen, die insbesondere Fachgesellschaften verleihen, tragen den Namen einer Identifikationsfigur, typischerweise eines bekannten früheren Mitglieds; darüber hinaus sind auch oft ganze Institutionen nach einer solchen Person benannt. Mittels Beispielen aus den Fächern Humangenetik, Kreislaufforschung, Urologie und Zahnheilkunde möchten wir in diesem Beitrag schlaglichtartig aufzeigen, nach welchen Kriterien Fachvertreter:innen als Identifikationsfiguren ausgewählt werden, um Preise und Institutionen zu benennen – oder eben auch nicht; und, warum andere Personen eine solche Rolle erst erlangten, mittlerweile aber wieder verloren haben. Einleitend stellen wir dar, wie sich die Beschäftigung mit der (nationalsozialistischen) Geschichte der Medizin und Lebenswissenschaften historisch verändert hat und reflektieren kritisch die Aufarbeitungsforschung, die im Spannungsfeld zwischen historischem Erkenntnisinteresse, historisch-politischer Bildung, Geschichtspolitik und Auftragsforschung verortet ist.</p><p>Die gewählten Fallbeispiele stammen insbesondere aus unseren eigenen Forschungen zur Medizingeschichte und der Erinnerungskultur in medizinischen Institutionen mit Bezug zum Nationalsozialismus und deren Reflexion in der Nachkriegszeit. Die Frage nach einer Verstrickung in den Nationalsozialismus („NS-Belastung“) ist relevant, weil sie noch immer schwerer zu wiegen scheint als die nach dem Verhalten von Akteuren in anderen (Unrechts-)Kontexten.<sup>1</sup> In diesem Beitrag werden nun Bezüge zu diesem Themenkomplex eröffnet, um das Spektrum von möglichen Konjunkturen von Erinnerungskultur und Geschichtspolitik von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart exemplarisch zu illustrieren.<sup>2</sup> Gleichzeitig versuchen wir, durch den Vergleich übergreifende Trends aufzufinden.</p><p>Um als Identifikationsfigur dienen zu können, nach der etwa ein Preis oder eine Institution benannt sein kann, muss die Person sowohl <i>nach innen</i>, also für die benennende Körperschaft, eine Projektionsfläche für Identität und Gemeinschaft bieten als auch geeignet sein, diese Körperschaft <i>nach außen</i> hin zu repräsentieren. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich u. a. durch generationellen Wandel und das damit verbundene Wegfal","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 1-2","pages":"77-105"},"PeriodicalIF":0.6,"publicationDate":"2024-04-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300018","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140613651","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"OA","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}