{"title":"Mit MarxVac gegen Verschwörungserzählungen?","authors":"Steffen Göths","doi":"10.22613/zfpp/9.2.9","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.9","url":null,"abstract":"Verschwörungserzählungen erleben im Zuge der Corona-Krise eine breite gesellschaftliche Beachtung und Anschlussfähigkeit. Dabei bleibt es nicht bei bloßen Agitationsversuchen seitens ihrer Anhänger:innen, sondern es kam zu Übergriffen auf vermeintlich an der Pandemie Schuldige sowie einer versuchten Stürmung des Reichstagsgebäudes im Kontext einer Querdenken-Demonstration. Von Verschwörungsgläubigen kann also tatsächlich eine konkrete Gefahr für diejenigen ausgehen, die innerhalb der Verschwörungserzählung als das Böse markiert werden. Es stellt sich also die Frage, auf welchem Wege hier bereits präventiv gewirkt werden kann. In seinen Überlegungen zur conspiracy theory of society kam Karl Popper zu dem Schluss, dass es sich bei Karl Marx aufgrund seiner Analyse der Gesellschaft um einen wichtigen Akteur gegen Verschwörungserzählungen handele. Popper begründete dies damit, dass Marx den Fokus auf gesellschaftliche Strukturen als Ursache für konkrete Entwicklungen lege, anstatt diese auf das Handeln von Individuen zurückzuführen. Sofern der Bezug auf das individuelle, geheime Handeln verborgener Personen eine Grundstruktur von Verschwörungserzählungen ist, ließe sich also ableiten, dass politische Akteure, deren Gesellschaftsanalyse sich in einer marxistischen Tradition bewegt, deutlich seltener auf Verschwörungserzählungen zurückgreifen dürften. Die Ergebnisse der Leipziger Autoritarismusstudie 2020 bestätigen diese Überlegung insofern, als der Verschwörungsglaube stark mit menschenverachtenden Einstellungen und rechtsradikalen Positionen korreliert. Gleichzeitig konnte bei den Querdenken-Demonstrationen eine breite Beteiligung von Personen jenseits der radikalen Rechten beobachtet werden, was durch Oliver Nachtwey mit den Worten „von links kommend, nach rechts gehend“ beschrieben wurde. Die mögliche Anschlussfähigkeit von Verschwörungserzählungen auch für Personen aus einem sich selbst als links definierenden Spektrum stellt das immunisierende Potential marxistischer Gesellschaftskritik gegenüber dem Verschwörungsglauben in Frage. Der Aufsatz unternimmt den Versuch, die Vereinbarkeit einer marxistischen Gesellschaftsanalyse mit dem Glauben an Verschwörungserzählungen zu prüfen. Dazu werden grundlegende Strukturen von Verschwörungserzählungen, wie etwa das manichäische Weltbild oder der Glaube an die absolute menschliche Handlungsmacht, mit den Prinzipien Marx’schen Denkens kontrastiert. Hierbei soll geprüft werden, welchen Beitrag eine marxistische Analyse zur Kritik an Verschwörungserzählungen leisten kann.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"48878595","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Einleitung: Redefreiheit und Kritik: Müssen wir alles tolerieren, was andere sagen?","authors":"Christine Turza","doi":"10.22613/zfpp/9.2.10","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.10","url":null,"abstract":"Nicht selten wird zum Beispiel in Diskussionen um „Political Correctness“ oder „Cancel Culture“ Kritik an bestimmten Positionen geübt und im Namen der Meinungsfreiheit zugleich Kritik an der eigenen Meinung zurückgewiesen. Offenbar besteht Klärungsbedarf in Bezug darauf, ob und, wenn ja, wann Kritik ebenso wie ihre Zurückweisung berechtigt sind. Hierzu gilt es insbesondere den Zusammenhang eingehender zu betrachten zwischen dem universellen Recht auf Redefreiheit, dessen gesetzlicher Kodifizierung und den ethischen Anforderungen, denen Redebeiträge und deren Kritik unterstehen. In sieben Beiträgen wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln das Thema des Schwerpunkts „Redefreiheit und Kritik: Müssen wir alles tolerieren, was andere sagen?“ beleuchtet. Dabei soll auch die öffentliche und nicht nur die akademische Debatte über das Recht auf Rede- bzw. Meinungsfreiheit sowie die normativen Grenzen von Kritik bereichert werden.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"45373825","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
N. Baratella, A. Bauer, Helena Esther Grass, Stephan Kornmesser
{"title":"Einleitung: Verschwörungserzählungen","authors":"N. Baratella, A. Bauer, Helena Esther Grass, Stephan Kornmesser","doi":"10.22613/zfpp/9.2.4","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.4","url":null,"abstract":"Verschwörungserzählungen sind ein fortdauernd prominentes Thema in der nachrichtlichen Berichterstattung und treten immer wieder in Zusammenhang mit Bewegungen auf, die demokratische Strukturen zu untergraben versuchen. In der aktuellen Diskussion um Verschwörungserzählungen dominieren psychologische, politische, kultur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven. Philosophische Zugänge hingegen scheinen dabei unterrepräsentiert zu sein. Der hier vorliegende Schwerpunkt „Verschwörungserzählungen“ soll einen Beitrag dazu leisten, diesem Mangel abzuhelfen, und das Phänomen der Verschwörungserzählungen aus verschiedenen Perspektiven insbesondere der Praktischen Philosophie zu beleuchten.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"44655439","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Gegenrede","authors":"Silvia Donzelli","doi":"10.22613/zfpp/9.2.13","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.13","url":null,"abstract":"Als informelle Reaktion auf Hassrede kann Gegenrede (counterspeech) von jeder Bürgerin und jedem Bürger in alltäglichen Kontexten praktiziert werden. Sind Individuen auch moralisch gefordert, die eigene Stimme gegen Hassrede zu erheben? In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie sich eine individuelle moralische Pflicht zur Gegenrede begründen lässt. Zuerst soll gezeigt werden, dass das Rettungs- und Hilfspflichtmodell zu kurz greift. Es wird dann vorgeschlagen, die individuelle moralische Forderung nach Gegenrede als Solidaritätspflicht aufzufassen, die im Ziel, sozio-politische Ungerechtigkeit zu kontern, begründet ist. Zudem wird die fundamentale Rolle des Publikums angesichts von Hassrede untersucht, und speziell auf die normativen Implikationen der Idee, dass Schweigen die schädigende Wirkung von Hassrede verstärken kann, eingegangen.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"41787410","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"(Un)Moralische Emotionen & Westernsplaining","authors":"C. Pape","doi":"10.22613/zfpp/9.2.3","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.3","url":null,"abstract":"Viele moralphilosophische Konzepte haben sich aus kolonialen Legitimationsdiskursen heraus entwickelt. Um diesbezüglich Philosophie als Selbstkritik zu praktizieren, werde ich das Begriffspaar „Scham(kulturen) und Schuld(- kulturen)“ als konkretes Beispiel diskutieren und die (un)moralischen Emotionen Scham und Schuld in der deutsch- und englischsprachigen Philosophie von Immanuel Kant bis hin zur Debatte um die moral emotions kritisch beleuchten. Der diesem Begriffspaar zugrundeliegende Ethnozentrismus kann durch einen interkulturellen Polylog zwischen Nordamerika, Europa und Japan aufgedeckt werden. Der Blick auf japanische Scham- und Schuldphänomene sowie der japanische Blick auf europäische Varianten deckt eine ethnozentrische Verkürzung der europäischen Begriffe auf. Dadurch kann nicht nur das kolonialistische Konzept der „Scham- und Schuldkulturen“ korrigiert, sondern auch das eigene moralphilosophische Vokabular präzisiert werden.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"49242130","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Redefreiheit als Befähigung zur öffentlichen Rede","authors":"Christoph J. Merdes","doi":"10.22613/zfpp/9.2.12","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.12","url":null,"abstract":"Redefreiheit ist häufig als negatives Abwehrrecht aufgefasst worden, und wird dies auch heute noch in vielen Kontexten. Ein solches negatives Abwehrrecht ist jedoch ungeeignet, die der Freiheit zugrundeligenden normativen Gründe vollständig zu realisieren. In diesem Aufsatz wird ein Befähigungsansatz in Stellung gebracht, um eine substanziellere Freiheit zur öffentlichen Rede zu formulieren. Ein zentrales Ergebnis ist die Feststellung, dass die Befähigung zum öffentlichen Sprechen eine korrespsoniderende Befähigung zum Hören verlant; Hören bedeutet dabei nicht nur die sensorische und linguistische Fähigkeit, sprachliche Äußerungen zu verstehen, sondern die Vermögen zu verstehen, wohlwollend zu rezipieren und kritisch zu antworten.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"43280516","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Grundzüge einer demokratischen Ethik der freien (Wider-)Rede","authors":"M. Frick","doi":"10.22613/zfpp/9.2.11","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.11","url":null,"abstract":"Die Frage moralischer und/oder rechtlicher Grenzen der Meinungsfreiheit, der Grenzen des Sagbaren und Tolerierbaren, stellt zunehmend eine gesellschaftliche und politische Metadebatte dar, in der Versuche, komplexe Phänomene des Aushandelns von Grenzen des Zulässigen bzw. Notwendigen semantisch zu fixieren, von erheblichem Lagerdenken zeugen. Wer von „Politischer Korrektheit“, „Cancel Culture“, „Meinungsdiktatur“ oder „Kontaktschuld“ spricht, steht klar auf der einen Seite, so scheint es; wer von „Diskriminierung“, „Rassismus“, „Hassrede“ oder „weißen Privilegien“ spricht, auf der anderen. Vor dem Hintergrund solch verfestigter Diskursbahnen stellt die Frage, ob wir alles tolerieren müssen, was andere sagen, eine Erwägungsaufgabe dar, die nur mit einem Schritt zurück überhaupt adressierbar ist, will man nicht mit dem Jargon der einen Seite die Anliegen der anderen ausschließen und damit den ungeprüften Eindruck befördern, es handle sich hier tatsächlich um eine unversöhnliche Polarisierung, der die Philosophie nichts hinzuzufügen habe, außer vielleicht ein Lamento oder eine moralische Geste. Der Umweg, über den ich im Folgenden die von dieser Schwerpunktausgabe gestellte Frage behandeln möchte, führt zunächst zu einer Analyse der Ansprüche, die plurale Demokratien an ihre Mitglieder stellen. Diese sind nicht nur grundsätzlich hoch, sondern mitunter auch in sich konfliktträchtig. Konkret betrifft dies die Anforderung an Mitglieder demokratischer Gemeinwesen, sowohl bürgerliche Toleranz zu üben als auch diskursives Engagement als Vorbedingung qualitätsvoller demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung an den Tag zu legen. Die jeweils ‚richtige Mitte‘ lässt sich dann am besten finden, wenn die Risiken zweier Extreme bewusstgemacht werden, die daran geknüpft sind, dass einerseits ein zu hohes Maß an ziviler Toleranz zulasten diskursiven Engagements geht und andererseits ein Mangel an bürgerlicher Toleranz diskursives Engagement gefährdet. Entlang dieser beiden Formen einer verhängnisvollen Dysbalance des demokratischen Ethos möchte ich Grundzüge einer demokratischen Ethik der freien Rede und freien Widerrede herausarbeiten und Implikationen für Grenzen von Meinungsfreiheit bzw. Kritik beleuchten. ","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"44969652","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Sind „vulnerable Gruppen“ vor Kritik zu schützen?","authors":"Maria-Sybilla Lotter","doi":"10.22613/zfpp/9.2.16","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.16","url":null,"abstract":"Der Artikel verteidigt den Wert und die Unverzichtbarkeit der freien Debatte gegen neuere Tendenzen, gewisse kontroverse Beiträge zur öffentlichen Diskussion als Schädigungen vulnerabler Menschen zu delegitimieren. In den Abschnitten 1–2 werden zwei elementare Funktionen der Redefreiheit für eine liberale Demokratie vorgestellt: Erstens ist die Möglichkeit zum gewaltfreien politischen Widerspruch gegen Mehrheitsentscheidungen eine Bedingung ihrer Geltung auch für Andersdenkende. Zweitens ist sie eine notwendige Bedingung für die Erzeugung der politischen Kompetenz, die eine Demokratie am Leben hält und vernünftige politische Entscheidungen ermöglicht. In Abschnitt 3 erläutere ich, welche individuellen und sozialen Schwierigkeiten auftreten, und welche Tugenden daher entwickelt werden müssen, damit sich in einer freien Debatte kollektive Kompetenz entwickeln kann. Ausgehend von der Frage nach den Grenzen der Redefreiheit geht der 4. Abschnitt auf neuere Debatten über Hate Speech ein und hinterfragt deren tendenzielle Gleichsetzung mit physischer Gewalt. Der 5. Abschnitt führt die suggestive Kraft der Rhetorik der Vulnerabilität auf Concept Creep zurück und beschreibt die ideologische Nutzung dieser Rhetorik für die Ziele von Interessengruppen, wodurch reale Macht- und Interessenkonflikte als moralische Fragen ausgegeben werden.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"48871752","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Demokratie und Verschwörungstheorien","authors":"Lucas von Ramin","doi":"10.22613/zfpp/9.2.8","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.8","url":null,"abstract":"Gegenwärtig wird das Wiedererstarken von Verschwörungstheorien explizit als Gefahr für die westlichen Demokratien begriffen. Einerseits, weil Verschwörungstheoretiker*innen die heutige Demokratie als manipuliert betrachten. Für sie wird Demokratie nur vorgespielt, die eigentlichen Entscheidungen werden an anderer Stelle getroffen. Andererseits, weil die Verbreitung genau jenes Glaubens ein Kernelement von Demokratien verunmöglicht: den fairen Streit um das beste Argument. Dabei stehen Verschwörungstheorien der Idee von Demokratie nicht diametral gegenüber, sondern bedienen sich dieser bisweilen als Inspirationsquelle, beispielsweise wenn das Volk sich gegen die Machenschaften einer korrupten Elite wehren soll. Der Beitrag untersucht deshalb, welche Verbindungen zwischen Verschwörungstheorien und Demokratie bestehen. Gibt es eine undurchdringbare Beziehung zwischen beiden Bereichen, die den Umgang mit ihnen zu einem fortdauernden normativen Problem werden lässt? Jener Beziehung wird auf zwei Wegen nachgegangen. Der eine Weg kann als Postfaktizitätsstrang bezeichnet werden. Die These lautet, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, die grob als Poststrukturalismus zusammengefasst werden, ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber etablierten epistemischen und politischen Strukturen transportieren. Diese eigentlich demokratische Öffnung ist dann als Einfallstor für absurde Theorien aller Art zu verstehen. Anhand der Theorien radikaler Demokratie wird diskutiert, weshalb gerade die epistemischen Grundlagen der Demokratie Verschwörungstheorien einen berechtigen Platz im demokratischen Diskurs einräumen sollen und wie sie sich wiederum von dem Diskurs abgrenzen lassen. Der Ideologiestrang dagegen betont nicht eine Auflösung von Gewissheit und damit eine relativistische Grundhaltung, sondern die Rückkehr zu ideologisch aufgeladenen Weltbildern, beispielsweise in völkischen Semantiken. Verschwörungstheorien, so lässt es sich in den Analysen Kritischer Theorie nachlesen, kreieren durch Komplexitätsreduzierung ein Verständnis der Welt, in dem sich entgegen aller globaler Vernetzung wirkliche demokratische Selbstbestimmung zurückerobern lässt. Als Elitenkritik antworten sie so auf Entfremdungsprozesse moderner Gesellschaften. Beide Stränge ergeben eine eigentümliche Gemengelage. Während einerseits der Aufstieg von Verschwörungstheorien auf Komplexitätssteigerung und dem damit verbundenen Zusammenbruch traditioneller und epistemischer Autorität zurückgeführt wird, werden Verschwörungstheorien andererseits als bloße Form der Komplexitätsreduktion verstanden. Folgend gilt zu zeigen, wie sich beide Stränge zueinander verhalten, um einerseits die erneute Popularität von Verschwörungstheorien zu verstehen und anderseits der Gefahr einer Instrumentalisierung demokratischer Semantiken etwas entgegenzuhalten. ","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"45890645","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Verschwörungserzählungen im Kontext der Wissenschaftsleugnung","authors":"Thomas Heichele","doi":"10.22613/zfpp/9.2.5","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.5","url":null,"abstract":"Der Aufsatz untersucht aus wissenschaftstheoretischer Warte Verschwörungserzählungen im Kontext der Wissenschaftsleugnung und stellt sowohl diesbezügliche Merkmale als auch angemessene Kritikverfahren heraus. Zu diesem Zweck werden zu Beginn die jeweiligen Charakteristika von Wissenschaft und Pseudowissenschaft herausgearbeitet. Daran anschließend wird Wissenschaftsleugnung als eine spezifische Form der Pseudowissenschaft vorgestellt, bei der es sich losgelöst von den Kriterien legitimer Kritik um ein Bestreiten wissenschaftlichen Wissens handelt. In diesem Zusammenhang werden sieben Strategien der Wissenschaftsleugnung erläutert und mit den rational begründeten Methoden zur Erlangung wissenschaftlicher Überzeugungen kontrastiert. Als eine der sieben Taktiken werden Verschwörungserzählungen im nächsten Schritt einer gesonderten Analyse unterzogen. Hierbei findet eine Explikation der in diesem Zusammenhang relevanten Begriffe „Verschwörung“, „Verschwörungserzählung“ und „Verschwörungstheorie“ statt, die sich als operationalisierbar für Anwendungen mit Blick auf Verfahren der Wissenschaftsleugnung erweist. Im Anschluss daran werden zehn Begründungsstrategien unplausibler Verschwörungserzählungen erarbeitet und mit den Methoden der Wissenschaftsleugnung in Verbindung gesetzt. Den Schluss bildet ein Anriss praktischer Herausforderungen, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern, wobei noch einmal die besondere Rolle der Philosophie bei der Bewältigung der Gefahren einer Kultur des Postfaktischen betont wird.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"42594407","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}