{"title":"Caveat usor: Vertrauen und epistemische Wachsamkeit gegenüber künstlicher Intelligenz","authors":"Rico Hauswald","doi":"10.22613/zfpp/11.1.15","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.15","url":null,"abstract":"Die aktuelle Diskussion zu künstlicher Intelligenz und Vertrauen ist einerseits durch etwas geprägt, was man „Vertrauens-Enthusiasmus“ nennen könnte. Dabei wird Vertrauen als eine Einstellung konzeptualisiert, die wir gegenüber KI-Systemen prinzipiell ausbilden können und – sofern und sobald diese Systeme entsprechend ausgereift sind – auch ausbilden sollten. Auf der anderen Seite wird diese Verwendungsweise des Vertrauens-Begriffs in einem signifikanten Teil der philosophischen Literatur mit großer Skepsis betrachtet. Zwei der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Argumente lauten, erstens, dass ein Vertrauen in KI-Systeme nicht mit der für diese Systeme charakteristischen Intransparenz kompatibel sei, und zweitens, dass es auf eine Art Kategorienfehler hinauslaufe, zu sagen, man könne solchen Systemen „vertrauen“. Ich möchte in diesem Aufsatz für die Auffassung argumentieren, dass sowohl die enthusiastische als auch die skeptische Position problematisch sind. Gegen die skeptische Position wende ich ein, dass weder das Intransparenz- noch das Kategorienfehler-Argument letztlich überzeugen, und argumentiere, dass es zumindest eine natürliche Verwendungsweise des Vertrauensbegriffs gibt – Vertrauen als Haltung des Nicht-Hinterfragens –, die auch auf die Beziehung zu KI-Systemen angewandt werden kann. Andererseits wende ich gegen den Vertrauens-Enthusiasmus ein, dass dieser ein zu unkritisches Bild von Vertrauen zeichnet und dazu tendiert, dessen Risiken und Schattenseiten zu vernachlässigen. Ich setze dem enthusiastischen Bild das Prinzip Caveat usor entgegen und argumentiert, dass vernünftig dosiertes Vertrauen in KI-Systeme stets mit epistemischer Wachsamkeit einhergehen sollte.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"125 13","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141811539","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Begrenzte Öffentlichkeit","authors":"Schotte Dietrich","doi":"10.22613/zfpp/11.1.12","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.12","url":null,"abstract":"Kants Konzeption der „Aufklärung“ als gemeinsamer öffentlicher Gebrauch der Vernunft wird häufig nicht nur als unhintergehbares Lehrstück der Philosophie der Aufklärung, sondern darüber hinaus als notwendiger Bestandteil freiheitlicher Gesellschaften als solcher betrachtet. Dagegen wird seltener zur Kenntnis genommen, dass in Kants Vorstellung einer „Öffentlichkeit“ diese ihre Integrität nicht allein durch die epistemischen und politischen Tugenden ihrer Teilnehmer:innen erhält, sondern letztere vor allem durch ein Gatekeeping sicherstellt. Dies führt, wie dieser Aufsatz zeigen möchte, in ein Dilemma: Auf die erwähnten Tugenden zu verzichten hieße, offen politische Unruhen in Kauf zu nehmen; sie durch Gatekeeping sicherzustellen hieße, ähnlich offen den Ausschluss von Minderheiten hinzunehmen.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"108 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141812153","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Vertrauen (in Technik), Vertrauenswürdigkeit (von Technik), Vertrauensadjustierung (gegenüber Technik)","authors":"A. Sonar, C. Herzog","doi":"10.22613/zfpp/11.1.16","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.16","url":null,"abstract":"Ziel dieses Beitrags ist es, die Bedeutung der zunehmend kommunikativen und damit einhergehenden kooperativen Fähigkeiten von innovativen, z.B. auf KI-Verfahren basierenden, technischen Anwendungen für die Triade aus Vertrauen (in Technologie), Vertrauenswürdigkeit (von Technologie) und Vertrauensadjustierung (gegenüber Technologie) zu diskutieren. Zudem wird die Frage aufgeworfen, inwiefern die Rolle der Vertrautheit (mit Technologie) in diesem Spannungsverhältnis einzuordnen ist. Vertrauen an sich ist ein essenzielles Moment von Beziehungs- und Interaktionsstrukturen, sowohl im zwischenmenschlichen Miteinander, als auch für die spezifischen Vorgänge der Mensch-Technik-Interaktion. Insbesondere neue Möglichkeiten in der Ausgestaltung kommunikativer Leistungsmerkmale technischer Anwendungen in der unmittelbaren Interaktion mit Nutzer:innen können dabei das auf Vertrauen gegründete, kooperative Miteinander von Mensch und Technik in gänzlich neuen Formen fördern. Anwendungen, die beispielsweise unmittelbare und auf die individuellen Fähigkeiten der Nutzer:innen eingehende Rückmeldungen zu ihren Funktionen, als auch möglichen Unsicherheiten — z.B. bei diagnostischen Empfehlungen — geben können, könnten nicht nur das grundlegende Vertrauen in die Technik an sich stärken. Als spezifische Komponenten in der Mensch-Technik-Interaktion könnte diesen zugleich zugesprochen werden, den Anspruch der Vertrauenswürdigkeit von Applikationen (und der Entwickler:innen), ebenso wie die Zuweisung dieser seitens der Nutzer:innen fördern. Daneben können sie aber auch einen, für die Interaktion mit Technik ebenso essenziellen als auch kritischen Punkt unterstützen: Das kontinuierliche Adjustieren von Vertrauensgraden seitens der Nutzer:innen den Applikationen gegenüber kann einer Gewöhnung an ein gewisses Leistungsniveau einer Applikation im alltäglichen Gebrauch und dem damit einhergehenden Verlust kritischer Distanz, gerade durch ein ungerechtfertigtes allgemeines Zuweisen von Vertrauenswürdigkeit, vorbeugen. Hervorzuheben ist daher letztlich auch die unmittelbare Bedeutung des Faktors der Vertrautheit (mit Technologie) für die triadisch Beziehung zwischen dem Vertrauen (in Technologie), der Vertrauenswürdigkeit (von Technologie) und der Vertrauensadjustierung (gegenüber Technologie).","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"124 14","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141811603","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Die politische Natur menschlichen Lebens","authors":"Markus Gante","doi":"10.22613/zfpp/11.1.2","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.2","url":null,"abstract":"Die These dieses Aufsatzes besteht darin, dass menschliches Leben als genuin politisch begriffen werden sollte. Dieser Gedanke wird in Form einer aristotelischen Kritik am ethischen Naturalismus entwickelt. (1) Zunächst rekonstruiere ich den ethischen Naturalismus vor der Frage, was genau naturalistisch an dieser Position ist. Es wird gezeigt, dass es sich nicht um ein naturalistisches Begründungsprogramm von Normativität handelt, das Normativität in einem außerethischen Bereich begründen will. Naturalistisch ist der ethische Naturalismus, insofern die Position vertreten wird, der natürliche Vollzug menschlichen Lebens impliziere praktische Rationalität und Tugenden. (2) In einem zweiten Schritt wird mit Aristoteles argumentiert, dass die besonderen Realisierungsformen dieser praktischen Rationalität in Genese und Geltung stark lokale Aspekte aufweisen und von Aristoteles zirkulär bestimmt werden. Ich rekonstruiere dies als polis- statt lebensformrelative Normativität. (3) Der dritte Abschnitt diskutiert Implikationen dieser Umstellung vor dem Hintergrund älterer Fassungen des Neoaristotelismus, die durch die Leitbegriffe von Brauchtum und Tradition die Lokalität von Normativität explizit herausstellen. Gegen diese Theorien versuche ich abschließend vorzuschlagen, die aristotelische Zirkularität des menschlich Guten als Offenheit der menschlichen Lebensform zu begreifen, die nicht zwingenderweise durch Rekurs auf Natur oder Tradition geschlossen werden muss.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"105 23","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141812462","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Inversion der Aufklärung","authors":"Daniel Stader","doi":"10.22613/zfpp/11.1.10","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.10","url":null,"abstract":"Mit seinem Begriff der Aufklärung konterkariert Kant das Verständnis seiner Zeitgenossen. An die Stelle der Auffindung und Verbreitung wahrer Erkenntnisse sowie des Ausmerzens von Irrtümern und Vorurteilen setzt er den Fortschritt des selbständigen Vermögensgebrauchs der Menschen. Der Beitrag zeigt, dass Kant seinen Begriff der Unmündigkeit zwar aus dem Vorurteilsdiskurs der Aufklärung entwickelt, aber dabei eine Inversion ihrer Herrschaftsmetaphorik vornimmt. Die nur übertragen verstandene innere Herrschaft der Vorurteile der aufklärerischen Tradition kehrt Kant zur ganz tatsächlichen Herrschaftsbeziehung von Vormundschaft und Unmündigkeit um, und somit einen epistemischen Diskurs in einen sozialen. Diese Sozialphilosophie ist systematisch in Kants Anthropologie zu verorten, die sich nicht in erster Linie mit der praktischen Vernunft auseinandersetzt, sondern mit den faktischen Beziehungen von Menschen und dem Einfluss ihres Vermögensgebrauchs aufeinander. Die Unmündigkeit als ontogenetische conditio humana hält hierbei die systematische Erkenntnis bereit, dass Beherrschbarkeit ganz zentral mit der Temporalität des menschlichen Lebens zusammenhängt.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"22 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141813744","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"„Trustless trust?“ – Zum Begriff des Vertrauens im Rahmen von Blockchainanwendungen","authors":"Katja Stoppenbrink, Eva Pöll","doi":"10.22613/zfpp/11.1.19","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.19","url":null,"abstract":"Gegen die in der Literatur zu Blockchainanwendungen verbreitete These, diese erforderten kein nutzerseitiges Vertrauen oder generierten ein neuartiges „vertrauenloses Vertrauen“, wird in diesem Beitrag zunächst gezeigt, dass auch in der Nutzung von Blockchainanwendungen Vertrauensbeziehungen eine Rolle spielen. Es wird dafür argumentiert, Vertrauen im Rahmen von Blockchainanwendungen als ‚Institutionenvertrauen‘ zu verstehen. Das klassische bilaterale interpersonale Vertrauensverständnis von Vertrauenssubjekt und Vertrauensobjekt bleibt dabei strukturell erhalten, die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit durch das Vertrauenssubjekt erfolgt in einem default-and-challenge Modell. Dabei zeigt sich bereits aus begrifflichen Gründen: Je ‚sicherer‘ das System, desto weniger bedarf es nutzerseitigen Vertrauens. Vertrauen setzt Vulnerabilität voraus. Diese ist mit Blick auf Blockchainanwendungen bei den meisten Nutzer:innen in hohem Maße vorhanden.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"141 37","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141810855","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Würde versus Unrecht","authors":"Bastian Klug","doi":"10.22613/zfpp/11.1.3","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.3","url":null,"abstract":"Dieser Aufsatz präsentiert die funktionalistische Theorie der Würde, die in der Tradition Arnd Pollmanns steht und eine modifizierende Weiterentwicklung vorschlägt. Die funktionalistische Theorie der Würde stellt die historisch bedingte Funktion von Würde innerhalb der wichtigen modernen (Menschen-) Rechtsdokumente in den Vordergrund: Würde markiert die Abkehr zu den Verbrechen des Nationalsozialismus. Daraus lässt sich eine Schutzfunktion ableiten: Menschen sollten „Nie Wieder!“ – so der ablehnende moralische Standpunkt – in gravierenden Notsituationen leben, wie jene in welche die Nationalsozialisten ihre Opfer brachten. Menschenrechte haben zum Ziel, Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Im Kontext historischer Lernprozesse lässt sich die funktionalistische Theorie der Würde demnach auch auf zeitgenössische Unrechtssituationen anwenden. Die Eigenschaften dieses Würdebegriffs werden dabei ebenfalls aus der Funktion abgeleitet. Grundlage der funktionalistischen Theorie der Würde sind die Zeugnisse von Menschen in gravierenden Notsituationen und nicht primär die Einstellungen und Handlungen von möglichen Täter*innen.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"33 29","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141814134","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Gelingender Alltag und seine Voraussetzungen","authors":"J. Müller-Salo","doi":"10.22613/zfpp/11.1.4","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.4","url":null,"abstract":"Der weitaus größte Teil des menschlichen Lebens besteht aus Alltäglichem, aus eingespielten Abläufen und praktischen Routinen in wohlvertrauten Kontexten und Umwelten. Umso überraschender ist es, dass die Frage nach den spezifischen Strukturen und Gelingensbedingungen alltäglichen Lebens in den breiten Debatten um Theorien des guten Lebens kaum eine Rolle spielt. Der vorliegende Aufsatz enthält einen Vorschlag zur Konzeptualisierung gelingenden Alltags und seiner Voraussetzungen. Dazu führe ich zunächst eine politische Theorie des Guten ein, den capability approach in der von Martha Nussbaum entwickelten Fassung (Abschnitt 1), und argumentiere anschließend für die These, dass Alltag als routinierter Lebensvollzug in der je eigenen Lebenswelt verstanden werden sollte (Abschnitt 2). Auf Grundlage dieser Überlegungen kann die Leitfrage beantwortet werden: Wie gelingt Alltag (Abschnitt 3)? Dabei gehe ich davon aus, dass das Gelingen individuellen Alltags maßgeblich von gesellschaftlichen Voraussetzungen abhängt, die sich im Rahmen einer politischen Theorie des Guten analysieren und kritisieren lassen.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"13 5","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141810339","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Künstliche Intelligenz und Vertrauen im medizinischen Kontext","authors":"Christian Budnik","doi":"10.22613/zfpp/11.1.17","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.17","url":null,"abstract":"KI-Anwendungen stellen bereits heute einen wichtigen Bestandteil der medizinischen Praxis dar. Ihr Einsatz verbindet sich allerdings mit einer Reihe von Problemen. In dem Aufsatz wird ein spezifisches dieser Probleme diskutiert – die Frage, wie Vertrauen im medizinischen Kontext durch den Einsatz von KI-Technologien betroffen ist. In einem ersten Schritt wird hierzu rekonstruiert, worin die philosophische Herausforderung besteht, die sich mit Vertrauen verbindet, und es wird zweitens erläutert, welche Rolle ein plausibel verstandenes Vertrauen im Verhältnis zwischen Patient:innen und Ärzt:innen spielt. In diesem Zusammenhang wird dafür plädiert, Vertrauen konsequent von bloßem Sich-Verlassen abzugrenzen und es als eine genuin personale Beziehungsform zu interpretieren, in der Personen sich auf eine spezifische Weise aufeinander beziehen. Für das Verhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen bedeutet dies, dass Patient:innen, die Vertrauen als Wert zu realisieren versuchen, nicht nur daran interessiert sind, dass Ärzt:innen sie auf eine medizinisch kompetente Weise behandeln, sondern dass sie von ihnen als individuelle Personen betrachtet werden möchten und dabei erwarten, dass sie so gut wie möglich ihre Perspektive einnehmen. Im Hauptteil des Textes wird die Frage diskutiert, ob KI-Technologien vertraut werden kann. Diese Frage ist zentral: Beantwortet man sie positiv, könnte das Ärzt:innen-Patient:innen-Verhältnis als Vertrauensbeziehung überflüssig werden; beantwortet man sie negativ, könnte dies die Vertrauensbeziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen direkt schädigen, weil wir davon ausgehen müssten, dass unsere Ärzt:innen sich einer Technologie bedienen, der man nicht vertrauen kann. In diesem Zusammenhang werden zwei wichtige Positionen diskutiert, die in der jüngsten Zeit von der These ausgehen, dass man KI-Anwendungen im medizinischen Bereich vertrauen kann – die Ansätze von Ferrario et al. (2021) und von Philip Nickel (2022). Es wird dafür argumentiert, dass diese Ansätze scheitern, weil sie unterstellen, dass Vertrauen überhaupt die richtige Kategorie im Hinblick auf eine Technologie wie KI ist. Abschließend wird angedeutet, inwiefern die Kategorie der Verlässlichkeit angemessener für unseren Umgang mit KI in der Medizin ist und uns dabei helfen könnte, Vertrauen zwischen Ärzt:innen und Patient:innen zu stärken.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"14 5","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141810496","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"‘Divers’ divers denken","authors":"Christoph Rehmann-Sutter","doi":"10.22613/zfpp/11.1.5","DOIUrl":"https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.5","url":null,"abstract":"Was kann die ‚dritte‘ Geschlechtsoption jenseits von ‚weiblich‘ und ‚männlich‘ bedeuten? Auf der Grundlage der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts von 2017, welche die explizite Anerkennung einer dritten Geschlechtskategorie ‚divers‘ forderte, diskutiert dieser Beitrag die soziale Funktion von nichtbinären Geschlechtskategorien. Es argumentiert, dass die dritte Option nicht nur ein negativer Begriff ist, der beide traditionellen Geschlechter verneint. Sie muss auch als positive Kategorie (oder als Familie von Kategorien) gedacht werden, welche über eine Identifikation mit der Freiheit von traditionellen Geschlechtsidentitäten und Geschlechternormen gebildet ist. Die Kategorie ‚divers‘ kann deshalb keine einheitliche Identifikationskategorie sein. ‚Divers‘ soll vielmehr selbst als eine in sich diverse Kategorie gedacht werden – als ein offener Möglichkeitsraum. Wie weit kann aber die Diversifizierung der Geschlechtsidentität gehen? Der Beitrag argumentiert für eine kategorielle Pluralität der Geschlechtsanerkennung. Diese Position beinhaltet zwei Aussagen: (a) Die soziale, intersubjektive Geschlechteranerkennung braucht in der Tat Kategorien; eine vollständige Individualisierung von Geschlecht auch in dem Bereich ‚inter‘ ist nicht möglich und wäre auch nicht wünschbar. (b) Gesellschaften sollten es zulassen, dass die Geschlechtermatrix dynamisch erweitert wird, über nur zwei (oder nur drei) Kategorien hinaus. Die Gründe für diese Position werden in drei Schritten erklärt: (i) Die Pluralität von Geschlechtsidentitäten innerhalb des dritten Raumes ist eine soziale Tatsache, die zuerst einmal anerkannt werden muss. (ii) Pluralität innerhalb der dritten Geschlechtskategorie ist ethisch erforderlich, weil andere in sozialen Beziehungen ein Recht darauf haben, darüber anerkannt zu werden, als was sie gesehen werden wollen. Dieses Argument ergibt sich aus einer Rekonstruktion von Emmanuel Lévinas’ phänomenologische Ethik der Intersubjektivität. (iii) Aus der Dekonstruktion von Geschlechtsidentitäten in Werken von Judith Butler, Gundula Ludwig und Finn Mackay ist zu lernen, dass Geschlechtsidentitäten eine soziale Funktion haben: Sie machen Subjekte intelligibel, d. h. sie ermöglichen es anderen, sie zu ‚lesen‘. Deshalb müssen Geschlechtsidentitäten dem Leben des Individuums in Varianten auch vorgängig anerkannt sein und sie müssen eine Gemeinsamkeit für eine Mehrzahl von Menschen konstituieren.","PeriodicalId":194298,"journal":{"name":"Zeitschrift für Praktische Philosophie","volume":"115 20","pages":""},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141811965","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}