多样化 "的多元思维

Christoph Rehmann-Sutter
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(ii) Pluralität innerhalb der dritten Geschlechtskategorie ist ethisch erforderlich, weil andere in sozialen Beziehungen ein Recht darauf haben, darüber anerkannt zu werden, als was sie gesehen werden wollen. Dieses Argument ergibt sich aus einer Rekonstruktion von Emmanuel Lévinas’ phänomenologische Ethik der Intersubjektivität. (iii) Aus der Dekonstruktion von Geschlechtsidentitäten in Werken von Judith Butler, Gundula Ludwig und Finn Mackay ist zu lernen, dass Geschlechtsidentitäten eine soziale Funktion haben: Sie machen Subjekte intelligibel, d. h. sie ermöglichen es anderen, sie zu ‚lesen‘. 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摘要

除了 "女性 "和 "男性","第三 "性别选项还能意味着什么?德国联邦宪法法院于 2017 年做出裁决,要求明确承认第三种性别类别 "多元化",本文以此为基础,讨论了非二元性别类别的社会功能。文章认为,第三种选择不仅是一个否定传统性别的负面术语。它还必须被视为一个积极的类别(或类别家族),是通过对摆脱传统性别认同和性别规范的认同而形成的。因此,"多元化 "不能是一个统一的认同类别。相反,"多元化 "本身应被视为一个固有的多元化范畴--一个开放的可能性空间。但是,性别认同的多样化能走多远呢?文章主张性别认同的分类多元性。这一立场包含两点陈述:(a) 社会的、主体间的性别认可确实需要分类;性别的完全个体化,即使是在 "主体间 "领域,也是不可能的,也是不可取的。(b) 社会应允许性别矩阵动态扩展,而不仅仅局限于两个(或三个)类别。这一立场的理由分三步解释: (i) 第三空间内性别身份的多元性是一个社会事实,必须首先得到承认。(ii) 第三性别类别中的多元性在伦理上是必要的,因为社会关系中的其他人有权被承认为他们希望被视为的人。这一论点源于对埃马纽埃尔-列维纳斯(Emmanuel Lévinas)的主体间性现象学伦理学的重构。(iii) 从朱迪斯-巴特勒(Judith Butler)、冈杜拉-路德维格(Gundula Ludwig)和芬恩-麦凯(Finn Mackay)的著作中对性别认同的解构中,我们可以了解到性别认同具有社会功能:它们使主体具有可理解性,即使他人能够 "读懂 "他们。因此,性别认同也必须在变异的个人生活中事先得到承认,而且必须构成大多数人的共性。
本文章由计算机程序翻译,如有差异,请以英文原文为准。
‘Divers’ divers denken
Was kann die ‚dritte‘ Geschlechtsoption jenseits von ‚weiblich‘ und ‚männlich‘ bedeuten? Auf der Grundlage der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts von 2017, welche die explizite Anerkennung einer dritten Geschlechtskategorie ‚divers‘ forderte, diskutiert dieser Beitrag die soziale Funktion von nichtbinären Geschlechtskategorien. Es argumentiert, dass die dritte Option nicht nur ein negativer Begriff ist, der beide traditionellen Geschlechter verneint. Sie muss auch als positive Kategorie (oder als Familie von Kategorien) gedacht werden, welche über eine Identifikation mit der Freiheit von traditionellen Geschlechtsidentitäten und Geschlechternormen gebildet ist. Die Kategorie ‚divers‘ kann deshalb keine einheitliche Identifikationskategorie sein. ‚Divers‘ soll vielmehr selbst als eine in sich diverse Kategorie gedacht werden – als ein offener Möglichkeitsraum. Wie weit kann aber die Diversifizierung der Geschlechtsidentität gehen? Der Beitrag argumentiert für eine kategorielle Pluralität der Geschlechtsanerkennung. Diese Position beinhaltet zwei Aussagen: (a) Die soziale, intersubjektive Geschlechteranerkennung braucht in der Tat Kategorien; eine vollständige Individualisierung von Geschlecht auch in dem Bereich ‚inter‘ ist nicht möglich und wäre auch nicht wünschbar. (b) Gesellschaften sollten es zulassen, dass die Geschlechtermatrix dynamisch erweitert wird, über nur zwei (oder nur drei) Kategorien hinaus. Die Gründe für diese Position werden in drei Schritten erklärt: (i) Die Pluralität von Geschlechtsidentitäten innerhalb des dritten Raumes ist eine soziale Tatsache, die zuerst einmal anerkannt werden muss. (ii) Pluralität innerhalb der dritten Geschlechtskategorie ist ethisch erforderlich, weil andere in sozialen Beziehungen ein Recht darauf haben, darüber anerkannt zu werden, als was sie gesehen werden wollen. Dieses Argument ergibt sich aus einer Rekonstruktion von Emmanuel Lévinas’ phänomenologische Ethik der Intersubjektivität. (iii) Aus der Dekonstruktion von Geschlechtsidentitäten in Werken von Judith Butler, Gundula Ludwig und Finn Mackay ist zu lernen, dass Geschlechtsidentitäten eine soziale Funktion haben: Sie machen Subjekte intelligibel, d. h. sie ermöglichen es anderen, sie zu ‚lesen‘. Deshalb müssen Geschlechtsidentitäten dem Leben des Individuums in Varianten auch vorgängig anerkannt sein und sie müssen eine Gemeinsamkeit für eine Mehrzahl von Menschen konstituieren.
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