{"title":"Kollektive als Zurechnungssubjekte","authors":"J. Renzikowski","doi":"10.5771/9783748908692-75","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748908692-75","url":null,"abstract":"Auf den ersten Blick scheint das Thema nicht viel mit der Normentheorie zu tun zu haben. Schließlich wird etwa die Frage, ob und inwieweit juristische Personen bestraft werden können, bislang nicht im Kontext der Unterscheidung von primären Verhaltensund sekundären Sanktionsnormen diskutiert. Ein Bezug ergibt sich aus dem Begriff der „Zurechnung“. Denn alle Normen richten sich an Personen, d.h. Subjekte, deren „Handlungen einer Zurechnung fähig sind“.1 Der hierbei angesprochene Begriff der Zurechnung, wie er in einer bis auf Aristoteles zurückreichenden Tradition in der praktischen Philosophie der Aufklärung ausgearbeitet wurde,2 ist streng zu unterscheiden von der heute in der Strafrechtsdogmatik üblichen Verwendung dieses Ausdrucks. So bezeichnet die sog. „objektive Zurechnung“ die Verwirklichung eines unerlaubten Risikos in einem rechtlich missbilligten Erfolg und beschreibt damit nichts anderes als einen unerwünschten Geschehensablauf, in den ein Mensch als potentieller Täter involviert ist, und der daher grundsätzlich Gegenstand von Verhaltensnormen sein kann. Aber die „objektive Zurechnung“ sagt nach ihrem Selbstverständnis nichts darüber aus, ob der Normadressat diesen Geschehensablauf auch hätte vermeiden können, denn das Schuldurteil kommt ja erst nach der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Davon abgesehen knüpft sie an ein Verständnis von Kausalität als Äquivalenz aller Bedingungen an, welches etwa die Geburt eines Kindes zugleich als Verursachung seines Todes ansieht, so dass man sich fragen kann, ob es sich überhaupt um einen sinnvollen Begriff handelt.3 I.","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"3 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2021-03-25","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"114881736","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Mitgegangen – mitgehangen? Die Beteiligung an gefährlichen Gruppen i.S.d. § 184j StGB","authors":"Stefanie Bock","doi":"10.5771/9783748908692-49","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748908692-49","url":null,"abstract":"Die Silvesternacht 2015/2016 ist mittlerweile zum Inbegriff kollektiver, geschlechtsspezifischer Gewalthandlungen geworden. Nach Informationen von „Der Spiegel“ berichteten allein in Köln 661 Frauen, Opfer von sexuellen Übergriffen geworden zu sein; insgesamt seien bei den Kölner Justizbehörden 1.304 Anzeigen eingegangen, die neben Sexualdelikten insbesondere Diebstahlsund Raubtaten zum Gegenstand hatten. Nach Einschätzung der Bundespolizei haben die betroffenen Frauen einen wahren „Spießrutenlauf durch die stark alkoholisierten Männermassen“ durchlaufen müssen.1 Dies im Zusammenhang mit einer nachdrücklichen medialen Berichterstattung ließ in der Öffentlichkeit den Ruf nach schnellen strafrechtlichen Sanktionen laut werden. Selbst die Kanzlerin schaltete sich ein und verlangte „nach einer harten Antwort des Rechtsstaats“.2 Gemessen an diesen hohen Erwartungen fiel die tatsächliche Bilanz der Strafjustiz eher enttäuschend aus: die Kölner Staatsanwaltschaft hat nur gegen 52 Personen Anklage erhoben; in 32 Fällen kam es zu Verurteilungen, die sich aber überwiegend auf Eigentumsund Vermögensdelikte bezogen, nicht hingegen auf sexuelle Übergriffe. Der Sprecher des Amtsgerichts Köln führte dieses „ernüchternd[e]“ Ergebnis auf die „tumultartige SituatiI.","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"131266907","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Verzeichnis der Autor/-innen und Herausgeber/-innen","authors":"","doi":"10.5771/9783845283760-209","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845283760-209","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"80 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"132840714","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Der Rechtsgrund der Inanspruchnahme des Einen zugunsten des Anderen im sog. Aggressivnotstand","authors":"Luna Rösinger","doi":"10.5771/9783748908692-129","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748908692-129","url":null,"abstract":"Warum darf eine Person in der Not in die Rechtssphäre einer anderen Person eingreifen, auch wenn letztere für die Gefahr in keiner Weise verantwortlich ist? Aus welchem Rechtsgrund dürfen Gefahren also gleichsam „kollektiviert“ (oder umverteilt) werden? Diese Fragestellung, die hier anhand des sog. Aggressivnotstandes diskutiert werden soll, verspricht sowohl in Hinblick auf das Tagungsthema der „Kollektivierung“ als auch unter dem Aspekt der normentheoretischen Betrachtung des Strafrechts weiterführende Hinweise liefern zu können: Zum einen geht es materiell um das für die Notrechte unentbehrliche Verständnis des Einzelnen in der Gemeinschaft (dazu II. 1.). Zum anderen können zwei Legitimationsmodelle von Eingriffen aufgezeigt werden (dazu II. 2.-4.), deren Unterscheidung die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Handelns im Aggressivnotstand vorstrukturieren kann (dazu III.). Zunächst erscheint jedoch eine kurze Erläuterung geboten, warum es überhaupt notwendig ist, in der Begründung des Instituts des Aggressivnotstandes einen Schritt zurückzugehen, wird der Weg doch allzu oft mit dem Verweis auf eine vermeintlich selbsterklärende Interessenabwägung abzukürzen gesucht (dazu I.)","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"22 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"114589485","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Die Kollektivierung der Norm und kollektive Normen","authors":"Inês Fernandes Godinho","doi":"10.5771/9783748908692-117","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748908692-117","url":null,"abstract":"Das Thema der Kollektivierung setzt, insbesondere wenn eine Ausländerin versucht, dazu etwas Logisches zu sagen, eine Verständigung über den Begriff voraus. In einem Rechtslexikon2 steht der Begriff nicht, also handelt es sich wohl nicht um einen Rechtsbegriff. Suchen wir in einem allgemeinen Wörterbuch3, finden wir zwei Deutungen: die ältere, traditionelle, und die alltägliche, »normale«. Der normale Gebrauch des Wortes meint die Überführung privater Produktionsmittel in die Gemeinwirtschaft, üblicherweise im landwirtschaftlichen Kontext. Für unser Thema in einem juristischen Arbeitskreis fällt es allerdings schwer, dies als die ausschlaggebende Bedeutung zu akzeptieren, was uns dann zu der zweiten, vom lateinischen collectivus abstammenden Bedeutung führt, nämlich der des organisierten Zusammenschlusses von Menschen zu Gemeinschaften, Vereinen oder Genossenschaften. Mit dieser Bedeutung werde ich im Folgenden arbeiten. Dieser organisierte Zusammenschluss muss sich dennoch im Rahmen des Themas als eine Herausforderung für das Strafrecht darstellen, besonders aus der Perspektive der Normentheorie. Es stellt sich hier keine einfache Aufgabe, deswegen nähere ich mich ihr in mehreren Schritten. Auf der einen Seite wird das Problem der Kollektivierung der Norm behandelt, nämlich die Frage, inwiefern dieser Zusammenschluss von Menschen zu Gemeinschaften etwas mit dem Individuationsprozess bzw. Entstehungsprozess der Norm zu tun hat. Auf der anderen Seite wenden wir uns I.","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"130112735","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Pflichtverletzung bei gemeinschaftlicher Tatbegehung: Semantische Probleme der Beteiligungslehre","authors":"Urs Kindhäuser","doi":"10.5771/9783748908692-9","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748908692-9","url":null,"abstract":"§ 47 RStGB lautete: „Wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird jeder als Täter bestraft.“ Interessant an dieser Vorschrift ist zunächst ihre systematische Stellung: Mit ihr begann der Abschnitt über die Teilnahme im RStGB. Der Gesetzgeber griff damit auf die gemeinrechtliche Doktrin zurück, neben Anstiftung und Beihilfe die – im preußischen Strafrecht nicht genannte – Mittäterschaft als dritte Form der Teilnahme zu stellen.1 Kriterium der als Mittäterschaft bezeichneten Teilnahme ist die Gemeinschaftlichkeit der Tatausführung, also der Idee nach eine qualifizierte Beihilfe. Während der die Haupttat durch intellektuelle Beeinflussung veranlassende Teilnehmer unter der Bezeichnung „Anstifter“ dem ausführenden Akteur im Strafrahmen gleichgestellt wird, wird bei der physischen Teilnahme differenziert: Erschöpft sich die Hilfe in der Unterstützung einer Tatbestandsverwirklichung durch einen anderen, so ist eine Beihilfe im technischen Sinne gegeben. Wenn dagegen durch wechselseitige Hilfe ein tatbestandsverwirklichendes Geschehen gemeinsam realisiert wird, dann wird der jeweilige Tatbeitrag unter der Bezeichnung „Mittäterschaft“ (oder Miturheberschaft) der Alleintäterschaft gleichgestellt. Da für alle Beteiligungsformen mit Ausnahme der Beihilfe im technischen Sinne derselbe Strafrahmen vorgesehen ist, erscheint die Klassifikation in Täterschaft, Mittäterschaft und Anstiftung auf den ersten Blick nur als formale Nomenklatur ohne qualitative Differenzierung. Dementsprechend charakterisiert auch v. Liszt in der ersten Auflage seines Lehrbuchs die Mittäterschaft allein durch das formale Kriterium der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandsmerkmals. Er verdeutlicht dies anhand der insoweit als anschauliche Beispiele dienenden zweiaktigen Delikte, bei deI.","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"20 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"133080786","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Grenzüberschreitende Beteiligung","authors":"A. Schneider","doi":"10.5771/9783748908692-25","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748908692-25","url":null,"abstract":"Eine klassische Form der Kollektivierung im Strafrecht ist das Zusammenwirken Mehrerer an der Tatbegehung. Wann und in welcher Form eine Tatbeteiligung strafbar ist, ist Gegenstand der Beteiligungslehre. Im deutschen Strafrecht gilt gem. §§ 25 ff. StGB zumindest für Vorsatztaten ein restriktiver Täterbegriff.1 Täter ist daher nur, wer eine der im Gesetz enthaltenen Täterschaftsformen erfüllt. Das Gesetz unterscheidet zwischen Täterschaft und Teilnahme (vgl. § 28 StGB). Die Beteiligungslehre ist an sich schon kompliziert und in vielen Details umstritten. Besondere Schwierigkeiten entstehen aber, wenn die Strafbarkeit der Beteiligten nicht nur anhand einer Rechtsordnung zu bestimmen ist, sondern wenn der Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug hat. Hier sind vor allem jene Fälle problematisch, in denen sich die Wertungen der einzelnen Rechtsordnungen eklatant voneinander unterscheiden. Solche Fälle sind in der Praxis verbreitet, wie anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden kann:","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"23 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"116749258","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Titelei/Inhaltsverzeichnis","authors":"Ernst Peter Fischer","doi":"10.17104/9783406747311-2","DOIUrl":"https://doi.org/10.17104/9783406747311-2","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":130562,"journal":{"name":"Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"124992473","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}