{"title":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten: Chancen und Herausforderungen für Arbeitsbeziehungen, Arbeitsgestaltung und Organisation","authors":"Thomas Haipeter, Fabian Hoose, Sophie Rosenbohm","doi":"10.5771/9783748923046-9","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-9","url":null,"abstract":"Digitalisierung gilt seit einigen Jahren als Megatrend von Wirtschaft und Arbeit. Der Digitalisierung werden nicht weniger als revolutionäre und radikale Auswirkungen auf die bestehenden Strukturen von Wirtschaftssektoren, Beschäftigung, Qualifikationsbedarfen oder Arbeitszeiten zugesprochen. Im Zentrum der damit verbundenen Visionen und Leitbilder steht häufig der Gedanke der Vernetzung von physischer (oder digitaler) Produktion über das Internet, welche neuartige Möglichkeiten der Verbindung und Koordinierung physischer und informationeller Prozesse – Maschinen, Güter, Menschen und Informationen – bereithält und damit Echtzeitsteuerung, die Nutzung algorithmische Verfahren und die Verfügbarmachung von Big Data verspricht. Postuliert wird dabei eine neue Qualität dieser Veränderungsprozesse, die sich damit von bisherigen Informatisierungsprozessen deutlich unterscheiden. Diese Zusammenhänge werden in Deutschland vor allem unter der Überschrift Industrie 4.0 diskutiert. Darüber hinaus gibt es mit Blick auf die Entwicklung von Arbeit aber auch weitere Schwerpunkte der Aufmerksamkeit, vor allem die Plattformökonomie sowie Digitalisierungsprozesse im Dienstleistungsbereich oder der Verwaltung. Zwar wird in diesen Zusammenhang kritisch angemerkt, dass es sich bei den Diskursen um Digitalisierung nicht zuletzt um einen durch Agenda-Setting hervorgerufenen Hype handelt und von Akteuren wie Verbänden, Manager*innen, Berater*innen und Wissenschaftler*innen, jeweils mit durchaus eigenen wirtschaftlichen oder politischen Interessen, erfolgreich inszeniert wurde. Die aktuelle Reichweite der Durchdringung der Unternehmen mit digitalen Technologien – vor allem in Hinblick auf selbstständig über das Internet kommunizierender Güter und Maschinen oder dem Einsatz smarter Arbeitsmittel – liegt demnach noch weit hinter den kursierenden Leitbildern und Visionen zurück (Howaldt, Kopp und Schultze 2018; Pfeiffer 2015; Urban 2016). Aber ist daraus zu schließen, 1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"32 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2021-01-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"122706795","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Flexibel in Zeit und Raum – Gelingensbedingungen von Homeoffice und mobiler Arbeit in KMU","authors":"Jennifer Kaczynska, Angelika Kümmerling","doi":"10.5771/9783748923046-83","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-83","url":null,"abstract":"Spätestens mit der durch die COVID-19 Pandemie kurzfristig ausgelösten Veränderungen der Arbeitswelt sind die Themen Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten endgültig im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Bedingt durch die Möglichkeiten und zunehmende Verwendung der digitalen Informationsund Kommunikationstechnologien und verstärkt durch ein größeres Interesse an Themen wie der Work-Life-Balance oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht ortsflexibles Arbeiten bereits seit einigen Jahren auf der Agenda sowohl der Arbeitnehmerals auch der Arbeitgeberseite. Trotz einer grundsätzlich positiven Einschätzung beider Seiten (Bonin et al. 2020), konnte sich mobiles Arbeiten oder das Arbeiten im Homeoffice jedoch vor dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie nicht durchsetzen. So gab in Deutschland im Jahr 2019 nicht einmal jeder zehnte abhängig Beschäftigte an, in den letzten vier Wochen zumindest einmal von zu Hause gearbeitet zu haben; dies ist im europäischen Vergleich ein unterdurchschnittlicher Wert (Eurostat 2020). Dabei variiert die Möglichkeit mobil oder im Homeoffice zu arbeiten stark zwischen Beschäftigtengruppen und unterscheidet sich nach Betriebsmerkmalen und Branchenzugehörigkeit: Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen arbeiten häufiger im Homeoffice als Beschäftigte des Verarbeitenden Gewerbes, Höherqualifizierte und insbesondere Beschäftigte mit Führungsverantwortung wiederum häufiger als geringer Qualifizierte und Arbeitnehmer*innen ohne Führungsposition. Beschäftigte mit kognitiven Tätigkeiten haben häufiger Zugang zu Homeoffice als diejenigen, die überwiegend mit manuellen Tätigkeiten betraut sind. Und nicht zuletzt ist das betriebsunabhängige Arbeiten in Großunternehmen verbreiteter als in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – wobei eine neuere Analyse von Mergener (2020) zeigt, dass der Einfluss der Betriebsgröße quer zum Einfluss der Tätigkeiten liegt (siehe auch Brenke 2016). Das heißt, auch bei gleicher Tätigkeit ist die Wahrscheinlichkeit, diese (auch) arbeitsstättenfern ausüben zu können, in Großunternehmen höher als in KMU. Dieser Befund bildet 1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"50 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2021-01-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"130063071","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Die Rolle digitaler Mobilisierung im Rahmen von transnationalen Protestaktionen in multinationalen Unternehmen","authors":"Christine Üyük","doi":"10.5771/9783748923046-179","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-179","url":null,"abstract":"Im Zentrum des Beitrags steht die digitale Mobilisierung zu transnationalen Protestaktionen in multinationalen Unternehmen (MNU). Es wird danach gefragt, inwieweit digitale Medien neue Möglichkeiten der Vernetzung und des Austauschs, sowohl zwischen den Beschäftigten als auch zwischen den Arbeitnehmervertreter*innen und damit neue Potentiale für die Mobilisierung zu grenzüberschreitenden Protestaktionen in MNU schaffen. In der sozialen Bewegungsforschung werden schon seit einigen Jahren die „ermöglichenden Eigenheiten“ (Dolata 2017, S. 269) der digitalen Medien für die Protestformierung und Mobilisierung zu gemeinsamen Aktionen betrachtet. Welche Bedeutung das Internet und insbesondere die sozialen Medien für die Protestformierung sowie für die Mobilisierung der Teilnehmer*innen haben können, wird häufig anhand neuer sozialer Bewegungen, wie zum Beispiel des Arabischen Frühlings im Jahr 2010, belegt (Bennett und Segerberg 2012; Gerbaudo 2012). Beispiele wie Occupy Wallstreet zeigen zudem, dass die Vernetzung und Mobilisierung auch über die Ländergrenzen hinweg funktioniert (Castells 2012; Tan, Ponnam, Gillham, Edwards und Johnson 2013). Auch in MNU gibt es transnationale Protestaktionen, sodass sich hier ebenfalls die Frage stellt, welche Rolle die digitalen Medien bei der Protestformierung und Mobilisierung spielen können. Hintergrund für die Fragestellung bildet der Umstand, dass der Bedarf an grenzüberschreitender Solidarität und gemeinsamen Interessenvertretungsstrategien steigt, denn Arbeitnehmervertreter*innen in MNU sind zunehmend mit grenzüberschreitenden Restrukturierungsund Fusionsplänen und interner Konkurrenz durch Verlagerungsund OutsourcingEntscheidungen konfrontiert (Ehmke, Simon und Simon 2009). Diese Entwicklungen bergen die Gefahr einer Abwärtsspirale hinsichtlich der Arbeitsstandards, ausgelöst durch einen Unterbietungswettbewerb um Standorte und Arbeitsplätze (Marginson 2016). Um der Machtasymmetrie zwi1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"134 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"115083518","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Arbeiten ohne Betrieb? Digitalisierungsprozesse und ihre Konsequenzen für die Gestaltung und Regulierung von Arbeit","authors":"Erich Latniak, Sophie Rosenbohm","doi":"10.5771/9783748923046-45","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-45","url":null,"abstract":"Gegenwärtig rückt sowohl in der wissenschaftlichen als auch politischen Diskussion die Frage nach der Auflösung von Betriebsgrenzen und des Bedeutungsverlustes des Betriebs als zentraler Organisationseinheit von Erwerbsarbeit verstärkt in den Fokus. So wird in der gegenwärtigen Debatte um die Digitalisierung von Produktion und Arbeit die These vertreten, dass die weitere Verbreitung und Nutzung elektronischer Informationsund Kommunikationstechnologien zu einer zunehmenden ‚Entbetrieblichung’ der Arbeitsverhältnisse und ihrer Regulierung führen könne (BMAS 2016; Bialeck und Hanau 2018; Haipeter, Latniak und Lehndorff 2015; Hanau und Matiaske 2019; Jürgens, Hoffmann und Schildmann 2017). Damit wird die gängige Vorstellung vom Betrieb als einer Einheit, in der Produkte hergestellt oder Dienstleistungen erbracht werden, grundlegend in Frage gestellt. Insbesondere die Nutzung von selbstständigen Beschäftigungsformen – beispielsweise durch Crowdwork – und von Telearbeit bzw. mobilem Arbeiten werden als Indikatoren einer solchen Entwicklung gewertet, wonach der Betrieb nicht mehr die prägende Form der Organisation von Erwerbsarbeit darstelle. Die wissenschaftliche Diskussion über den Wandel betrieblicher Produktion und dessen Form, Qualität und Richtung ist nicht neu (siehe für einen Überblick Pries 1991). So stellt auch Franzen (2019, S. 187) fest: „Über die Erosion des Betriebsbegriffs spricht man, seit es ihn gibt. Und gleichwohl gibt es immer noch Betriebe und Betriebsräte.“ Gerade im Kontext der Debatte um die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeit wird die Frage nach einer ‚Entbetrieblichung’ allerdings neu fokussiert. Mit Blick auf die Mitbestimmungsdebatte der vergangenen Jahre, die auf eine Dezentralisierung der Tarifpolitik und die damit einhergehende ‚Verbetrieblichung’ der Arbeitsbeziehungen verwiesen hat (Amlinger und Bispinck 2016; Haipeter 2010) scheinen dabei nun andere, nicht minder widersprüchliche Entwicklungen in den Fokus zu rücken. 1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"25 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"133915414","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"„Arbeit 2020“ – neue Ansatzpunkte der kollektiven Regulierung der Digitalisierung durch Aktivierung der Betriebsräte","authors":"Thomas Haipeter","doi":"10.5771/9783748923046-109","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-109","url":null,"abstract":"Digitalisierung ist derzeit der zentrale Topos zur Beschreibung des Wandels der Arbeit. Für den industriellen Exportsektor in Deutschland wird Digitalisierung vor allem unter dem Leitbild der „Industrie 4.0“ diskutiert, das nicht weniger als einen radikalen technologischen Bruch und eine damit einhergehende „vierte industrielle Revolution“ unterstellt, die zugleich eine neue Ära der Industriearbeit beruhend auf qualifizierter Steuerungstätigkeit einläuten soll (Arbeitskreis Industrie 4.","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"39 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"129902866","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Individualisierte Plattformarbeit und kollektive Interessenartikulation","authors":"Fabian Hoose, Thomas Haipeter","doi":"10.5771/9783748923046-143","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-143","url":null,"abstract":"Welche Ansatzpunkte bietet Plattformarbeit für die Entwicklung kollektiver Interessen der Beschäftigten? Unter welchen Bedingungen artikulieren Plattformbeschäftigte gemeinsame Interessen? Welche Beispiele lassen sich dafür finden? Und was lässt sich aus diesen Beispielen lernen? Diese Fragen sind für die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Gewerkschaften und der Institutionen der deutschen Arbeitsbeziehungen von einiger Bedeutung. Denn viel spricht dafür, dass sie als Ausdruck der Individualisierung der Arbeitsbedingungen und der Digitalisierung von Tätigkeiten ein Menetekel sind für den strukturellen Wandel durch Digitalisierung, der die entwickelten Volkswirtschaften in den nächsten Jahren erfassen könnte (Schramm und Tietgen-Simonsen 2019). Die Fähigkeit der Artikulation kollektiver Beschäftigteninteressen auf diesem Terrain kann deshalb als eine der wichtigsten Vorbedingungen dafür betrachtet werden, dass Gewerkschaften, Betriebsräte und die mit ihnen verbundenen Institutionen der Arbeitsbeziehungen auch in der digitalen Arbeitswelt eine Zukunft haben. Der Einsatz digitaler Plattforminfrastrukturen bei der Organisation und Verteilung von Arbeit verändert traditionelle Beschäftigung und lässt darüber hinaus auch gänzlich neue Formen von Erwerbsarbeit entstehen. Durch diese Entwicklungen wird mitunter eine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen befürchtet. Dies ist nicht zuletzt deswegen der Fall, weil die Einführung bzw. Anwendung digitaler Technologien bei der Arbeit als vor allem durch Arbeitgeber forcierte Rationalisierungsstrategien angesehen werden. Arbeitnehmer*innen sehen sich durch den Einsatz digitaler Technologien bei der Ausführung ihrer Arbeit damit konfrontiert, dass der Arbeitsprozess und damit ihr Handeln während der Arbeit vollständig überwacht und aufgezeichnet wird und es zudem durch die gesteigerten Möglichkeiten der Datenverarbeitung auch zu einer Vereinzelung der Arbeitnehmerbetrachtung durch den Arbeitgeber kommt (Wedde 2017). Diese Informationsvorsprünge der Arbeitgeber durch die Analyse von Ar1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"141 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"132152811","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Präventive Arbeitsgestaltung in der digitalen Produktion: Ein Blick in die Kulissen","authors":"A. Gerlmaier","doi":"10.5771/9783748923046-215","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-215","url":null,"abstract":"Gegenwärtig planen immer mehr Industrieunternehmen smarte Formen von Automatisierung einzuführen, um individualisierte Produkte, erweiterte Geschäftsmodelle, kleine Losgrößen oder marktinduzierte starke Auftragsschwankungen anzugehen. Mit digitalen, zum Teil auf künstlicher Intelligenz basierenden, Fertigungsverfahren, Servicerobotern oder dem verstärkten Einsatz von Sensorik wird in der Regel das Ziel verfolgt, eine neue Stufe der Rationalisierung und hierdurch erhebliche Flexibilitätsund Kostenvorteile im globalen Wettbewerb zu erzielen. Ein Blick hinter die Kulissen der Industrie 4.0-Kulisse zeigt, dass viele Industrieunternehmen bei der Einführung neuer digitaler Technologien derzeit oft keinen Bruch der gewachsenen technisch-organisatorischen und personellen Strukturen vollziehen (Hirsch-Kreinsen 2018). Anstelle cyberphysischer Systeme werden in den meisten Produktionsbereichen Insellösungen vorgefunden, in denen etwa mit fahrerlosen Transportsystemen, RFID-Technik oder KI-gestützten Planungsund Steuerungssystemen experimentiert wird (Georg, Katenkamp und Guhlemann 2017). Die Technikeinführung gestaltet sich hierbei nicht selten als „Operation am offenen Herzen“, weil bewährte Produktionsprozesse und -routinen mit ungewissem Ausgang teilweise in der laufenden Produktion durchbrochen werden. Dies stellt nicht nur eine technische, sondern auch eine erhebliche Herausforderung für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der davon betroffenen Beschäftigten dar: neben neuartigen Unfallgefahren können durch veränderte Rollenund Aufgabenzuschnitte bzw. Qualifikationsanforderungen Fehlbeanspruchungen wie Stress oder Monotonie resultieren, wenn Kriterien menschengerechter Arbeitsgestaltung nicht berücksichtigt werden. Digitale Transformationen bergen aber auch erhebliche Chancen für eine humanzentrierte Gestaltung von Arbeit: der Einsatz adaptiver Assistenzsysteme bietet etwa die Möglichkeit der Berücksichtigung unterschiedlicher Qualifikationsniveaus und physiologischer Leistungsvoraussetzungen unterschiedlicher Beschäftigtengruppen. Mobile ITK-Geräte können 1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"8 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"125323591","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Arbeits- und prozessorientierte Digitalisierung in Industrieunternehmen: Über die Anwendung eines interventionsorientierten und soziotechnischen Forschungs- und Gestaltungsansatzes","authors":"Alexander Bendel","doi":"10.5771/9783748923046-247","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783748923046-247","url":null,"abstract":"Vor dem Hintergrund der breit diskutierten Konzepte der Industrie 4.0 bzw. Arbeit 4.0 ist vielfach von einer neuen technischen Revolution, die in disruptiven Sprüngen der Technikentwicklung und -implementierung mündet, die Rede. Als smart factories würden Unternehmen demnach zukünftig aus cyber-physischen Systemen, also miteinander kommunizierenden Arbeitsmitteln und -gegenständen, bestehen, dabei hochindividuelle Endprodukte an die Kund*innen bringen (Losgröße 1) und über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg mit ihrer Zuliefererund Kundenumwelt vernetzt sein. Gleichwohl zahlreiche Prozesse des technischen Wandels entgegen solcher Szenarien eher in einer Kontinuität permanenter arbeitsbezogener Umbrüche stehen (Butollo und Nuss 2019), es sich dabei also nicht um Disruptionen handelt, lassen sich doch konkrete mit der Digitalisierung einhergehende Herausforderungen für die betrieblichen Akteur*innen identifizieren. So scheinen sich beispielsweise gegenwärtige Veränderungsund Innovationsmaßnahmen in den Unternehmen in immer kürzeren Zyklen zu vollziehen, die keine Phasen der organisationalen Routinebildung und Stabilisierung mehr erlauben. Die sich anbahnenden Vernetzungsprozesse zwischen den Unternehmen führen zudem dazu, dass sich arbeitsgestalterische Maßnahmen nicht mehr nur auf einen (örtlich) abgrenzbaren Betrieb beziehen können und damit wesentlich komplexer zu werden drohen (siehe Latniak und Rosenbohm in diesem Band). Diese Umstände sowie das Vorhandensein neuer digitaler Arbeitsund Kommunikationsmittel bedeuten neue Anforderungen für die Beschäftigten, an die sie sich flexibel anpassen müssen. Derartige technische Entwicklungen treffen in den Betrieben wiederum auf Konzepte der Arbeitsgestaltung, die eine marktgerechte Verschlankung des gesamten Unternehmens und auf Kennzahlen basierende Steuerungslogiken propagieren (wie im Fall von lean production). Inwiefern in Anbetracht der Verkopplungen 1","PeriodicalId":262215,"journal":{"name":"Arbeitspolitik in digitalen Zeiten","volume":"1031 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"123126146","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}