{"title":"Welcome to the Jungle im Spannungsfeld spezifischer und unspezifischer gesundheitsbezogener Angaben","authors":"S. Naumann, C. Kotyczka, J. Wüst","doi":"10.1002/lemi.202559178","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Bei der Beurteilung von gesundheitsbezogenen Angaben (gbA) nach VO (EG) Nr. 1924/2006 (Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben) ist es oft ausschlaggebend, ob eine Angabe als sog. unspezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 3 zum gesundheitsbezogenen Wohlbefinden oder als spezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 eingeordnet wird. Einer unspezifischen Angabe muss eine zugelassene, spezifische Angabe in Übereinstimmung mit dem EuGH-Urteil C-524/18 beigefügt werden. Zugelassene, spezifische Angaben dürfen nicht umformuliert, verkürzt oder erweitert werden, wenn sich dabei der Bedeutungsgehalt der Angabe ändert.</p><p>Diese Einstufung gestaltet sich jedoch häufig als herausfordernd und kann weitreichende Auswirkungen auf die Beurteilung haben. In den fast 20 Jahren, in denen die Verordnung in Kraft ist, sind in Deutschland zahlreiche Gerichtsurteile zu diesem Thema ergangen. Die grafische Auswertung von etwa 40 gbA zeigt, ob diese gerichtlich als spezifische oder unspezifische gesundheitsbezogene Angabe eingestuft wurden.</p><p>Als Orientierung für die Einstufung können gemäß rechtlicher Kommentarliteratur zugelassene spezifische Angaben herangezogen werden. Damit eine zu beurteilende gbA als spezifisch eingestuft werden kann, muss der insgesamt übermittelte Informationsgehalt ausreichend präzise sein, sodass sie grundsätzlich auch selbst als spezifische gbA zugelassen werden könnte. Idealerweise ist der behauptete Endpunkt durch wissenschaftliche Analysen überprüfbar. Allerdings sind selbst zugelassene, spezifische gbA z.T. sehr unspezifisch formuliert (z.B. „Zink trägt zur Erhaltung normaler Haut bei”), was die Anwendung dieser Hilfestellung erschwert. Grundsätzlich vermittelt eine spezifische gbA entsprechend der auf dem Poster formulierten Leitfrage „Welche Substanz wirkt worauf?” drei grundlegende Informationen: 1. den Stoff oder die Verbindung, 2. die Funktion oder den Einfluss sowie 3. die betroffene Körperfunktion oder das Organ.</p><p>Die Anwendung der formulierten Leitfrage auf die gerichtlich eingestuften gbA eröffnet in der grafischen Auswertung eine zusätzliche Dimension, die es ermöglicht, die gerichtlichen Einstufungen aus dieser Perspektive neu einzuordnen. Dass eine klare Abgrenzung zwischen spezifischen und unspezifischen Angaben oft schwerfällt, spiegelt sich in den ergangenen Gerichtsurteilen wider, welche diesbezüglich einen wegweisenden roten Faden missen lassen.</p><p>Zusammenfassend zeigt eine Vielzahl von Beispielen aus der Rechtsprechung, dass es aufgrund der unterschiedlichen gerichtlichen Einstufungen in der Praxis oft schwierig bleibt, eine klare und konsistente Unterscheidung zwischen spezifischen und unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben zu treffen. Die formulierte Leitfrage sowie die Gegenüberstellung zahlreicher gerichtlicher Einordnungen soll hier eine ergänzende Hilfestellung für die Beurteilungspraxis bieten. Letztlich bleibt jede Einstufung eine Einzelfallentscheidung, bei der auch die Gesamtaufmachung der Kennzeichnung bzw. Bewerbung zu beachten ist.</p>","PeriodicalId":17952,"journal":{"name":"Lebensmittelchemie","volume":"79 S3","pages":""},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2025-09-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Lebensmittelchemie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/lemi.202559178","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Bei der Beurteilung von gesundheitsbezogenen Angaben (gbA) nach VO (EG) Nr. 1924/2006 (Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben) ist es oft ausschlaggebend, ob eine Angabe als sog. unspezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 3 zum gesundheitsbezogenen Wohlbefinden oder als spezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 eingeordnet wird. Einer unspezifischen Angabe muss eine zugelassene, spezifische Angabe in Übereinstimmung mit dem EuGH-Urteil C-524/18 beigefügt werden. Zugelassene, spezifische Angaben dürfen nicht umformuliert, verkürzt oder erweitert werden, wenn sich dabei der Bedeutungsgehalt der Angabe ändert.
Diese Einstufung gestaltet sich jedoch häufig als herausfordernd und kann weitreichende Auswirkungen auf die Beurteilung haben. In den fast 20 Jahren, in denen die Verordnung in Kraft ist, sind in Deutschland zahlreiche Gerichtsurteile zu diesem Thema ergangen. Die grafische Auswertung von etwa 40 gbA zeigt, ob diese gerichtlich als spezifische oder unspezifische gesundheitsbezogene Angabe eingestuft wurden.
Als Orientierung für die Einstufung können gemäß rechtlicher Kommentarliteratur zugelassene spezifische Angaben herangezogen werden. Damit eine zu beurteilende gbA als spezifisch eingestuft werden kann, muss der insgesamt übermittelte Informationsgehalt ausreichend präzise sein, sodass sie grundsätzlich auch selbst als spezifische gbA zugelassen werden könnte. Idealerweise ist der behauptete Endpunkt durch wissenschaftliche Analysen überprüfbar. Allerdings sind selbst zugelassene, spezifische gbA z.T. sehr unspezifisch formuliert (z.B. „Zink trägt zur Erhaltung normaler Haut bei”), was die Anwendung dieser Hilfestellung erschwert. Grundsätzlich vermittelt eine spezifische gbA entsprechend der auf dem Poster formulierten Leitfrage „Welche Substanz wirkt worauf?” drei grundlegende Informationen: 1. den Stoff oder die Verbindung, 2. die Funktion oder den Einfluss sowie 3. die betroffene Körperfunktion oder das Organ.
Die Anwendung der formulierten Leitfrage auf die gerichtlich eingestuften gbA eröffnet in der grafischen Auswertung eine zusätzliche Dimension, die es ermöglicht, die gerichtlichen Einstufungen aus dieser Perspektive neu einzuordnen. Dass eine klare Abgrenzung zwischen spezifischen und unspezifischen Angaben oft schwerfällt, spiegelt sich in den ergangenen Gerichtsurteilen wider, welche diesbezüglich einen wegweisenden roten Faden missen lassen.
Zusammenfassend zeigt eine Vielzahl von Beispielen aus der Rechtsprechung, dass es aufgrund der unterschiedlichen gerichtlichen Einstufungen in der Praxis oft schwierig bleibt, eine klare und konsistente Unterscheidung zwischen spezifischen und unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben zu treffen. Die formulierte Leitfrage sowie die Gegenüberstellung zahlreicher gerichtlicher Einordnungen soll hier eine ergänzende Hilfestellung für die Beurteilungspraxis bieten. Letztlich bleibt jede Einstufung eine Einzelfallentscheidung, bei der auch die Gesamtaufmachung der Kennzeichnung bzw. Bewerbung zu beachten ist.