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Abstract
Pilze sind seit Jahrtausenden ein integraler Bestandteil der menschlichen Ernährung, wobei ihre Fruchtkörper heute großflächig unter kontrollierten Bedingungen für den Verzehr angebaut werden. Der technologische Fortschritt ermöglicht die Kultivierung von Myzel, dem vegetativen Teil der Pilze, unter stehlen Bedingungen in flüssigem Nährmedium. Diese Methode bietet im Kontext des Klimawandels und des globalen Bevölkerungswachstums Vorteile, darunter ein verringerter Flächenbedarf, saisonale Unabhängigkeit und kürzere Produktionszeiten. Zudem können Nebenströme der Agrarindustrie oder der Lebensmittelproduktion als Substrate für die Kultivierung genutzt werden, womit ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft geleistet werden kann.
Die Markteinführung von Quorn, ein in Flüssigkultur produziertes Myzel von Fusarium venenatum und die Prägung des Begriffs „Mykoprotein” erfolgten bereits vor 40 Jahren. Trotz der genannten Vorteile sind weitere Produkte auf Pilzmyzel-basis immer noch spärlich gesät. In der Europäischen Union (EU) fallen submers kultivierte Myzelien, die von Speisepilzen stammen, unter die Verordnung 2015/2283 über neuartige Lebensmittel. Im Gegensatz zu den Fruchtkörpern erfordern Produkte auf Basis von vegetativem Myzel daher umfassende Sicherheitsbewertungen, bevor sie auf den Markt kommen dürfen. Dies wirft eine wichtige Frage auf: Sind die Fruchtkörper und das Myzel derselben Spezies so grundlegend verschieden, dass dies eine umfangreiche toxikologische Bewertung nach der Novel-Food-Verordnung erfordert? Obwohl sie dieselbe genetische Information teilen, können Myzelien und Fruchtkörper desselben Stammes signifikante biochemische Unterschiede aufweisen, da unterschiedliche Umwelt- oder Kultivierungsbedingungen die Genexpression beeinflussen, was zu unterschiedlichen Sekundärmetabolitprofilen führen kann. Dies gilt jedoch auch für Fruchtkörper verschiedener Reifestadien.
Interessanterweise sind einige Schimmelpilze von der Regelung ausgenommen und werden für die kommerzielle Herstellung von alternativen Proteinen eingesetzt. Während sich die regulatorische Landschaft für Myzel als Nahrungsquelle weiterentwickelt, bleiben Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit oberstes Gebot. Das Potenzial von Myzelien als nachhaltige Nahrungsquellen ist unbestritten vielversprechend und spiegelt sich in laufenden Anträgen auf Zulassung und Sicherheitsbewertungen weltweit.