{"title":"那是什么","authors":"P. Sprengel","doi":"10.1515/anab-2015-0109","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"König Maximilian II. von Bayern setzte während seiner Regierungszeit (1848–1864) die klassizistische Kunstpolitik seines Vaters Ludwig I. mit verändertem Schwerpunkt fort, indem er – nach der architektonischen Ausgestaltung der Landeshauptstadt durch Leo von Klenze – nun vor allem Dichter um seinen Hof scharte. Mit der spektakulären Berufung des blutjungen Paul Heyse (1854, auf Empfehlung Emanuel Geibels) nach München gab er den entscheidenden Impuls zur Entstehung des Münchner Dichterkreises «Die Krokodile», dem neben Geibel und Heyse seinerzeit so populäre Namen wie Friedrich Bodenstedt, Wilhelm Hertz, Hermann Lingg und Adolf Friedrich von Schack angehörten.1 Als Vorbild diente – bis hin zur Anlehnung an eine förderwillige Residenz – zweifellos die bildungsgesättigte Formkunst des Weimarer Klassizismus, und so haftete den Münchner Aktivitäten der 1850er bis 1870er Jahre auch von Anfang an der Ruch des Epigonalen an. Dass die «Krokodile» und die ihnen nahestehenden bildenden Künstler durchaus einen – um im Bilde zu bleiben – eigenen Biss und einen charakteristischen Zugang zur Antike besaßen, der in seiner inneren Konsequenz auch zukunftsfähige Aspekte aufweist, ist im Folgenden an Beispielen aus dem Schaffen Heyses und des Malers und Zeichners Bonaventura Genelli zu zeigen. Heyses bekannte Novelle Der letzte Centaur ist in drei verschiedenen Fassungen überliefert: der Buchfassung von 1871, einem unmittelbar vorangehenden Zeitungsdruck von 1870 und der stark abweichenden, noch nicht als Rahmengeschichte angelegten Erstveröffentlichung (unter dem Titel Der Centaur) in der Berliner Zeitschrift Argo 1859.2 Die Erstfassung, auf die wir uns zunächst beschränken, inszeniert das Zusammentreffen eines aus der Antike übrig gebliebenen Kentauren3 mit der Zivilisation des 19. Jahrhunderts als im wahrsten Sinne ‹unmögliche› Begegnung. In zyklischer Komposition lässt sie das Fabelwesen am Schluss in dieselbe ewige Bergwelt zurückkehren, aus der es am Anfang niedergestiegen ist, um mit wachsendem Befremden die Veränderungen zu registrieren, die die Fortschritte der Religion und der Wissenschaft der Menschenwelt (hier in ihrer oberbayrischen Variante vorgeführt) gebracht haben. Eine Schlüsselfunktion nimmt dabei die Konfrontation mit dem Christentum bzw. 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期刊介绍:
The ANTIKE UND ABENDLAND yearbook was founded immediately after the Second World War by Bruno Snell as a forum for interdisciplinary discussion of topics from Antiquity and the history of their later effects. The Editorial Board contains representatives from the disciplines of Classical Studies, Ancient History, Germanic Studies, Romance Studies and English Studies. Articles are published on classical literature and its reception, the history of science, Greek myths, classical mythology and its European heritage; in addition, there are contributions on Ancient history, art, philosophy, science, religion and their significance for the history of European culture and thought.