{"title":"他讨厌宗教宗教早期基督教拉丁语诗人的观察","authors":"S. Freund","doi":"10.1515/anab-2014-0107","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Apud poetas omnia indigna, quia turpia (Tert. nat. 2,1,13) – mit solchen oder ähnlichen Worten wird den Dichtern in der christlichen lateinischen Literatur immer wieder vorgeworfen, dass sie Schändliches darstellen, lügen, Gott lästern und Kinderseelen verderben.2 Der neue Glaube scheint also dem Poetischen distanziert gegenüber zu stehen. Freilich gibt schon Plinius als Aussage der Christen wieder, sie träfen sich, um ein carmen zum Lob Christi zu singen.3 Zudem erlebt die christliche Dichtung im lateinischen Westen vom späten vierten Jahrhundert an bekanntlich eine glanzvolle Blütezeit – man denke etwa an Prudentius, Paulinus von Nola, die Hymnen des Ambrosius oder die Bibelepiker – und steht am Anfang einer bis in die Neuzeit lebendigen christlichen Dichtungstradition.4 Somit muss man sich fragen: Wie kann sich trotz der Kritik oder auch aus der Kritik an der paganen Dichtung eine eigene christliche Poesie herausbilden? In welchem Selbstverständnis entwickelt sich eine christliche poetische Tradition? Wie wird deren Entstehung reflektiert? Um darauf eine Antwort zu finden, sollen im Folgenden die Aussagen früher christlicher lateinischer Autoren über das Wesen der Dichtung im Allgemeinen und über die christliche Dichtung im Besonderen untersucht werden. Jedoch findet sich in den somit hier zu besprechenden Texten zwischen Tertullian und Hilarius von Poitiers, also etwa zwischen 200 und 350, (natürlich) keine systematische Poetik. Wenn daher von «Poetologie» die Rede ist, ist damit wörtlich die «Rede über Dichtung» gemeint. Als «Dichtung» wiederum werden im Folgenden auch Erscheinungen in den Blick kommen, die man vielleicht üblicherweise eher der Gebrauchsliteratur oder dem Lied (das heißt der Musik) zuordnen würde,","PeriodicalId":42033,"journal":{"name":"ANTIKE UND ABENDLAND","volume":"60 1","pages":"70 - 89"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2014-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/anab-2014-0107","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Prolectet aures religiosa mulcedo. Beobachtungen zur frühchristlichen lateinischen Poetologie\",\"authors\":\"S. 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Freilich gibt schon Plinius als Aussage der Christen wieder, sie träfen sich, um ein carmen zum Lob Christi zu singen.3 Zudem erlebt die christliche Dichtung im lateinischen Westen vom späten vierten Jahrhundert an bekanntlich eine glanzvolle Blütezeit – man denke etwa an Prudentius, Paulinus von Nola, die Hymnen des Ambrosius oder die Bibelepiker – und steht am Anfang einer bis in die Neuzeit lebendigen christlichen Dichtungstradition.4 Somit muss man sich fragen: Wie kann sich trotz der Kritik oder auch aus der Kritik an der paganen Dichtung eine eigene christliche Poesie herausbilden? In welchem Selbstverständnis entwickelt sich eine christliche poetische Tradition? Wie wird deren Entstehung reflektiert? Um darauf eine Antwort zu finden, sollen im Folgenden die Aussagen früher christlicher lateinischer Autoren über das Wesen der Dichtung im Allgemeinen und über die christliche Dichtung im Besonderen untersucht werden. 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Prolectet aures religiosa mulcedo. Beobachtungen zur frühchristlichen lateinischen Poetologie
Apud poetas omnia indigna, quia turpia (Tert. nat. 2,1,13) – mit solchen oder ähnlichen Worten wird den Dichtern in der christlichen lateinischen Literatur immer wieder vorgeworfen, dass sie Schändliches darstellen, lügen, Gott lästern und Kinderseelen verderben.2 Der neue Glaube scheint also dem Poetischen distanziert gegenüber zu stehen. Freilich gibt schon Plinius als Aussage der Christen wieder, sie träfen sich, um ein carmen zum Lob Christi zu singen.3 Zudem erlebt die christliche Dichtung im lateinischen Westen vom späten vierten Jahrhundert an bekanntlich eine glanzvolle Blütezeit – man denke etwa an Prudentius, Paulinus von Nola, die Hymnen des Ambrosius oder die Bibelepiker – und steht am Anfang einer bis in die Neuzeit lebendigen christlichen Dichtungstradition.4 Somit muss man sich fragen: Wie kann sich trotz der Kritik oder auch aus der Kritik an der paganen Dichtung eine eigene christliche Poesie herausbilden? In welchem Selbstverständnis entwickelt sich eine christliche poetische Tradition? Wie wird deren Entstehung reflektiert? Um darauf eine Antwort zu finden, sollen im Folgenden die Aussagen früher christlicher lateinischer Autoren über das Wesen der Dichtung im Allgemeinen und über die christliche Dichtung im Besonderen untersucht werden. Jedoch findet sich in den somit hier zu besprechenden Texten zwischen Tertullian und Hilarius von Poitiers, also etwa zwischen 200 und 350, (natürlich) keine systematische Poetik. Wenn daher von «Poetologie» die Rede ist, ist damit wörtlich die «Rede über Dichtung» gemeint. Als «Dichtung» wiederum werden im Folgenden auch Erscheinungen in den Blick kommen, die man vielleicht üblicherweise eher der Gebrauchsliteratur oder dem Lied (das heißt der Musik) zuordnen würde,
期刊介绍:
The ANTIKE UND ABENDLAND yearbook was founded immediately after the Second World War by Bruno Snell as a forum for interdisciplinary discussion of topics from Antiquity and the history of their later effects. The Editorial Board contains representatives from the disciplines of Classical Studies, Ancient History, Germanic Studies, Romance Studies and English Studies. Articles are published on classical literature and its reception, the history of science, Greek myths, classical mythology and its European heritage; in addition, there are contributions on Ancient history, art, philosophy, science, religion and their significance for the history of European culture and thought.