Joachim Dissemond, Julian-Dario Rembe, Bernd Assenheimer, Marjam Barysch-Bonderer, Veronika Gerber, Jan Kottner, Peter Kurz, Martin Motzkus, Eva-Maria Panfil, Sebastian Probst, Robert Strohal, Jürg Traber, Andreas Schwarzkopf
{"title":"慢性伤口感染的系统学、诊断与治疗:WundDach的立场文件。","authors":"Joachim Dissemond, Julian-Dario Rembe, Bernd Assenheimer, Marjam Barysch-Bonderer, Veronika Gerber, Jan Kottner, Peter Kurz, Martin Motzkus, Eva-Maria Panfil, Sebastian Probst, Robert Strohal, Jürg Traber, Andreas Schwarzkopf","doi":"10.1111/ddg.15649_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Die frühzeitige Diagnostik und adäquate Behandlung von Wundinfektionen sind bei Menschen mit chronischen Wunden weiterhin eine interdisziplinär und interprofessionell relevante Herausforderung. Gerade ältere Menschen mit chronischen Wunden haben durch Grunderkrankungen, Mikrozirkulationsstörungen und altersbedingt verminderte Proteinsynthese ein besonders hohes Risiko für Blutstrominfektionen oder Sepsis mit möglicherweise nachfolgenden schwerwiegenden Komplikationen.<span><sup>1, 2</sup></span> Darüber hinaus wird diskutiert, dass bei bis zu 40% der Betroffenen eine Wundinfektion die Ursache eines prolongierten beziehungsweise chronischen Heilungsverlaufs ist.<span><sup>3</sup></span></p><p>WundDACH ist die Dachorganisation der deutschsprachigen Wundheilungsgesellschaften und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in den deutschsprachigen Ländern die Wundversorgung in Theorie und Praxis zu verbessern. Durch den Vorstand von WundDACH wurde daher eine interdisziplinäre und interprofessionelle Expertengruppe beauftragt, in einem modifizierten Delphi-Verfahren die aktuell empfohlenen Definitionen (Tabelle 1) und Vorgehensweisen für Nomenklatur, Diagnostik sowie Therapie von Wundinfektionen bei Menschen mit chronischen Wunden in einem Positionspapier zusammenzufassen beziehungsweise zu überarbeiten oder neu zu entwickeln.</p><p>Durch Mikroorganismen können die komplexen Vorgänge der Wundheilung unterschiedlich beeinflusst werden. Nur in seltenen Fällen wie beispielsweise Mykobakteriosen sind Mikroorganismen die Ursache chronischer Wunden; viel häufiger verursachen sie Komplikation wie Wundinfektionen. Hierfür sind dann meist Bakterien verantwortlich. In seltenen Fällen können aber auch Wundinfektionen durch Parasiten oder Pilze entstehen. Viren können zwar durch Verletzung in die Haut eindringen und Hautveränderungen verursachen, gelten aber im engeren Sinne nicht als Wundinfektionserreger. Daher wird in diesem Positionspapier vorrangig auf bakteriell verursache Wundinfektionen fokussiert.</p><p>Die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf und in Menschen leben, wird als Mikrobiom bezeichnet. Auch wenn man heute noch nicht alle Interaktionen kennt, so ist doch bekannt, dass das Mikrobiom für die Ausbildung und Aufrechterhaltung des humanen Immunsystems wichtig ist.<span><sup>4</sup></span> Dies gilt auch unter anderem für die Abwehrfunktion der Haut.<span><sup>5</sup></span> Die dauerhafte und vollständige Eradikation von Bakterien in Wunden ist somit nicht physiologisch. Wenn es aber zu einer übermäßigen Vermehrung von Bakterien kommt, können Wundinfektionen entstehen.<span><sup>6, 7</sup></span> Hierfür können unterschiedliche Bakterienspezies verantwortlich sein (Tabelle 2). In einer klinischen Untersuchung konnte in Deutschland gezeigt werden, dass sich das Keimspektrum bei Patienten mit unterschiedlichen Ursachen chronischer Wunden nicht signifikant unterschied.<span><sup>8</sup></span> Dies ist naheliegend, da mit Ausnahme von <i>Pseudomonas aeruginosa</i> sowie anderen Wasser- und Umweltkeimen wie <i>Acinetobacter baumannii</i>, alle genannten Bakterien Mensch-assoziiert sind und somit fast immer von den Patienten selbst kommen.</p><p>Zumeist ist ein Bakterium führend für eine Wundinfektion verantwortlich.<span><sup>9</sup></span> Insbesondere die Rolle der anaeroben Bakterien, die unter Ausschluss von Sauerstoff überleben können, ist in Wunden noch weitgehend ungeklärt.<span><sup>10</sup></span> Ein im klinischen Alltag relevantes Problem sind multiresistente Erreger (MRE). Mit diesem Begriff werden Bakterien zusammengefasst, die eine ausgeprägte Resistenz gegen Antibiotika aufweisen. Aufgrund von Antibiotika-Resistenzen sterben jährlich circa 1,2 Millionen Menschen weltweit.<span><sup>11</sup></span> Im Kontext der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden sind Methicillin-resistente <i>Staphylococcus (S.) aureus</i> (MRSA) von großer klinischer Bedeutung, insbesondere als Verursacher von nosokomialen Infektionen.<span><sup>12</sup></span> Bei Menschen ist bevorzugt der Nasen-Rachen-Raum mit MRSA besiedelt. Es konnte aktuell gezeigt werden, dass Menschen mit diabetischem Fußulkus (DFU) und MRSA-Nachweis im Gegensatz zu Menschen mit DFU und ausschließlich Nachweis von Methicillin-sensiblen <i>S. aureus</i> (MSSA) eine längere Abheilungsdauer der Wunden, längere Krankenhausverweildauer haben sowie höhere Krankenhauskosten verursachen.<span><sup>13</sup></span> In Deutschland wurde 2012 zudem eine neue Klassifikation für multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) eingeführt. Bei den MRGN werden Bakterien, die gegen vier (4MRGN) oder gegen drei (3MRGN) Gruppen definierter Antibiotika resistent sind, unterschieden. Seit 2019 werden auch Carbapenemase-Bildner zu den 4MRGN gezählt. Bei Menschen sind bevorzugt Darm sowie Perianal- und Leistenbereich mit 3MRGN beziehungsweise 4MRGN besiedelt.<span><sup>14</sup></span></p><p>Der Begriff Infektionskontinuum wurde durch das <i>International Wound Infection Institute</i> (IWII) geprägt und international etabliert. Hier werden die verschiedenen Stadien von der grundsätzlich harmlosen bakteriellen Kontamination bis zu einer potenziell lebensgefährlichen systemischen Infektion differenziert beschrieben. In diesem 2022 zuletzt überarbeiteten internationalen Konsensus werden die verschiedenen klinischen Zustände sowie deren Behandlung spezifiziert.<span><sup>6</sup></span></p><p>Im Rahmen dieses Positionspapiers haben sich die Experten für den deutschsprachigen Raum auf eine vereinfachte Einteilung in Kontamination, Kolonisation, lokale und systemische Wundinfektion geeinigt (Abbildung 1). In jeder Wunde, unabhängig ob sie akut oder chronisch ist, kann man Mikroorganismen des Hautmikrobioms finden; dies wird als Kontamination bezeichnet. Mit zunehmender Vermehrung und/oder erhöhter Virulenz der vorherrschenden Mikroorganismen bilden sich Kolonien aus, was als Kolonisation bezeichnet wird. Bei unkontrolliertem Fortschreiten der Kolonisation können zunehmend Hinweise für eine sich entwickelnde lokale Wundinfektion auftreten. Klinisch kennzeichnend dafür sind unter anderem Exsudatzunahme, stagnierende oder verzögerte Wundheilung sowie neu auftretende oder zunehmende Schmerzen und Wundgeruch. Bei fortschreitender Zunahme der mikrobiellen Last mit begleitender Lokalreaktion wurde dieser Zustand in der Vergangenheit auch als kritische Kolonisation bezeichnen.<span><sup>6</sup></span> Es wird im Rahmen dieses Positionspapiers empfohlen, den Begriff der kritischen Kolonisation nicht mehr zu verwenden, da der genaue Umschlagpunkt, wann eine Kolonisation als kritisch anzusehen ist, nicht ausreichend sicher festgelegt werden kann.<span><sup>15</sup></span> Es gibt eine Vielzahl potenzieller Einflussfaktoren, die das Fortschreiten einer lokalen Wundinfektion beeinflussen können. Beispielsweise sind Menge und Virulenz der Erreger oder Immunkompetenz des Wirts und Wundlokalisation wichtige Faktoren.<span><sup>16</sup></span></p><p>International wurde in der im Jahr 2022 aktualisierten Version des Wundinfektionskontinuums die lokale Wundinfektion in offen (<i>engl.: overt</i>) und verdeckt (<i>engl.: covert</i>) unterteilt, sowie die sich ausbreitende Lokalinfektion (<i>engl.: spreading infection</i>) neu aufgenommen.<span><sup>6</sup></span> Hintergrund für diese Differenzierung war, dass eine beginnende lokale Wundinfektion sich oft nicht mit dem vollen Ausmaß der typischen, offenkundigen klinischen Infektionszeichen präsentiert. Dies gilt insbesondere für Menschen mit eingeschränkter oder gestörter Immunabwehr und bei chronischen, wiederkehrenden biofilmassoziierten Infektionen. Bei der sich ausbreitenden Lokalinfektion handelt es sich um eine weitere Unterteilung, die den nächsten Schritt von der lokalen hin zur systemischen Infektion darstellen soll, sofern keine adäquaten Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden.<span><sup>6</sup></span> Da die weitere Unterteilung der lokalen Wundinfektion keine spezifische therapeutische Konsequenz hat und eher zur Verwirrung führen kann, wurde in diesem Konsensus auf diesen Begriff verzichtet.</p><p>Lokale Wundinfektionen können anhand der klinischen Infektionszeichen sowie unterstützend mit dem therapeutischen Index für lokale Infektionen (TILI)-Score diagnostiziert werden.<span><sup>17</sup></span> Wenn systemische Zeichen wie Fieber, Schüttelfrost oder allgemeine Abgeschlagenheit auftreten, können dies Symptome einer systemischen Infektion sein.<span><sup>1, 6</sup></span> Für die weiterführende Diagnostik sollten dann auch serologische Parameter wie (Differenzial-)Blutbild, C-reaktives Protein (CRP) oder Procalcitonin (PCT) bestimmt und Blutkulturen abgenommen werden. Während diese inhaltlichen Überlegungen, insbesondere an den Übergangsschwellen zwischen Kolonisation und lokaler Wundinfektion sowie lokaler Infektion und systemischer Infektion essenziell wichtig für die korrekte Behandlung und Einschätzung sind, waren die Experten von WundDACH der Meinung, dass eine Klassifizierung innerhalb des Wundkontinuums möglichst simpel und alltagstauglich sein sollte, so dass sie hier eine vereinfachte Übersichtsdarstellung ohne Verlust der inhaltlichen Relevanz für am besten praktikabel halten.</p><p>Die strikte Unterscheidung zwischen Inflammation und Wundinfektion ist bei Menschen mit chronischen Wunden klinisch nicht immer eindeutig möglich, aber wegen der therapeutischen Konsequenzen wichtig. Die Inflammation beschreibt eine Reaktion des Organismus auf einen potenziell schädigenden Reiz. Ursachen können bakterielle Infektionen, aber auch nichtinfektiöse Faktoren sein. Nichtinfektiöse Ursachen können beispielsweise autoimmunologische Krankheiten wie Vaskulitiden und Vaskulopathien oder auch Ekzeme sein. Bei deren Diagnostik sind Biopsien oft sehr wichtig. Im Gegensatz zu den unter anderem mittels Vitalparametern und Serologie diagnostizierten Wundinfektionen kommen hier rheologische oder immunsupprimierende Medikamente therapeutisch zum Einsatz.<span><sup>18</sup></span> Bei der Behandlung einer Wundinfektion sind hingegen meist antimikrobiell wirksame, lokal applizierte Substanzen wie Antiseptika oder gegebenenfalls systemische Antibiotika wichtig. Zudem sind auch weitere Maßnahmen wie Wundspülung und Débridement sinnvoll, um die Anzahl der Mikroorganismen zu reduzieren.<span><sup>19</sup></span></p><p>Für den Nachweis von Bakterien können je nach Indikation unterschiedliche Verfahren und Vorgehensweisen genutzt werden (Tabelle 3).<span><sup>20</sup></span></p><p>Ein moderner Behandlungsplan chronischer Wunden, kann sich heute an M.O.I.S.T. oder anderen Konzepten wie TIME oder TIMERS orientieren (Tabelle 6).<span><sup>27</sup></span> Der Buchstabe „T“ (<i>tissue management</i>) beschreibt in diesen Konzepten das Gewebemanagement. Hier sind insbesondere Wundspülung und Débridement zentral wichtige Aspekte.</p><p>Wundinfektionen können insbesondere bei Menschen mit chronischen Wunden zu zahlreichen Komplikationen führen. Es ist daher ein wichtiges Ziel moderner Wundbehandlungskonzepte Wundinfektionen möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln. Therapeutisch können viele Bakterien in Wunden bereits durch wiederholte Wundreinigung mit Wundspülung und Débridement entfernt werden. Es stehen heute zahlreiche effektive antimikrobiell wirksame Substanzen und Wundtherapeutika zur Verfügung, die individuell ausgewählt und eingesetzt werden können. Die Indikation zur antimikrobiellen Wundtherapie sollte aber spätestens nach 10–14 Tagen kritisch überprüft werden.</p><p>Dieses Positionspapier wurde durch folgende Firmen durch nicht zweckgebundene Zuschüsse (<i>unresticted grants</i>) unterstützt: B. Braun Austria, ConvaTec Germany, Essity/BSN medical, Paul Hartmann AG, Lohmann & Rauscher, Smith & Nephew und Urgo.</p><p>Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>Honorare für Beratungen, Vorträge/Schulungen und/oder Studien, die im potenziellen Kontext zu der hier vorgestellten Thematik stehen, haben folgende Autoren erhalten.</p><p>Dissemond: Aurealis, Biomonde, Coloplast, Convatec, Curea, Flen Pharma, Hartmann, Lohmann & Rauscher, Mölnlycke, Urgo, Piomic; Rembe: Serag-Wiessner, DEBx medical; Assenheimer: keine; Barysch-Bonderer: keine; Gerber: keine; Kottner: keine; Kurz: Essity, Coloplast, Convatec, Mölnlycke, Sorbion Austria, Publicare, Fidiapharma; Motzkus: Serag Wiessner, Coloplast, Mölnlycke, Hartmann; Panfil: keine; Probst: Curea, Hartmann, Convatec, Solventum, Smith&Nephew, Polaroid Therapeutics, Urgo; Strohal: Urgo; Traber: Urgo, Piomic; Schwarzkopf: keine.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 5","pages":"565-575"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2025-05-19","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15649_g","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Systematik, Diagnostik und Therapie von Wundinfektionen chronischer Wunden: Ein Positionspapier von WundDACH\",\"authors\":\"Joachim Dissemond, Julian-Dario Rembe, Bernd Assenheimer, Marjam Barysch-Bonderer, Veronika Gerber, Jan Kottner, Peter Kurz, Martin Motzkus, Eva-Maria Panfil, Sebastian Probst, Robert Strohal, Jürg Traber, Andreas Schwarzkopf\",\"doi\":\"10.1111/ddg.15649_g\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"<p>Die frühzeitige Diagnostik und adäquate Behandlung von Wundinfektionen sind bei Menschen mit chronischen Wunden weiterhin eine interdisziplinär und interprofessionell relevante Herausforderung. Gerade ältere Menschen mit chronischen Wunden haben durch Grunderkrankungen, Mikrozirkulationsstörungen und altersbedingt verminderte Proteinsynthese ein besonders hohes Risiko für Blutstrominfektionen oder Sepsis mit möglicherweise nachfolgenden schwerwiegenden Komplikationen.<span><sup>1, 2</sup></span> Darüber hinaus wird diskutiert, dass bei bis zu 40% der Betroffenen eine Wundinfektion die Ursache eines prolongierten beziehungsweise chronischen Heilungsverlaufs ist.<span><sup>3</sup></span></p><p>WundDACH ist die Dachorganisation der deutschsprachigen Wundheilungsgesellschaften und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in den deutschsprachigen Ländern die Wundversorgung in Theorie und Praxis zu verbessern. Durch den Vorstand von WundDACH wurde daher eine interdisziplinäre und interprofessionelle Expertengruppe beauftragt, in einem modifizierten Delphi-Verfahren die aktuell empfohlenen Definitionen (Tabelle 1) und Vorgehensweisen für Nomenklatur, Diagnostik sowie Therapie von Wundinfektionen bei Menschen mit chronischen Wunden in einem Positionspapier zusammenzufassen beziehungsweise zu überarbeiten oder neu zu entwickeln.</p><p>Durch Mikroorganismen können die komplexen Vorgänge der Wundheilung unterschiedlich beeinflusst werden. Nur in seltenen Fällen wie beispielsweise Mykobakteriosen sind Mikroorganismen die Ursache chronischer Wunden; viel häufiger verursachen sie Komplikation wie Wundinfektionen. Hierfür sind dann meist Bakterien verantwortlich. In seltenen Fällen können aber auch Wundinfektionen durch Parasiten oder Pilze entstehen. Viren können zwar durch Verletzung in die Haut eindringen und Hautveränderungen verursachen, gelten aber im engeren Sinne nicht als Wundinfektionserreger. Daher wird in diesem Positionspapier vorrangig auf bakteriell verursache Wundinfektionen fokussiert.</p><p>Die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf und in Menschen leben, wird als Mikrobiom bezeichnet. Auch wenn man heute noch nicht alle Interaktionen kennt, so ist doch bekannt, dass das Mikrobiom für die Ausbildung und Aufrechterhaltung des humanen Immunsystems wichtig ist.<span><sup>4</sup></span> Dies gilt auch unter anderem für die Abwehrfunktion der Haut.<span><sup>5</sup></span> Die dauerhafte und vollständige Eradikation von Bakterien in Wunden ist somit nicht physiologisch. Wenn es aber zu einer übermäßigen Vermehrung von Bakterien kommt, können Wundinfektionen entstehen.<span><sup>6, 7</sup></span> Hierfür können unterschiedliche Bakterienspezies verantwortlich sein (Tabelle 2). In einer klinischen Untersuchung konnte in Deutschland gezeigt werden, dass sich das Keimspektrum bei Patienten mit unterschiedlichen Ursachen chronischer Wunden nicht signifikant unterschied.<span><sup>8</sup></span> Dies ist naheliegend, da mit Ausnahme von <i>Pseudomonas aeruginosa</i> sowie anderen Wasser- und Umweltkeimen wie <i>Acinetobacter baumannii</i>, alle genannten Bakterien Mensch-assoziiert sind und somit fast immer von den Patienten selbst kommen.</p><p>Zumeist ist ein Bakterium führend für eine Wundinfektion verantwortlich.<span><sup>9</sup></span> Insbesondere die Rolle der anaeroben Bakterien, die unter Ausschluss von Sauerstoff überleben können, ist in Wunden noch weitgehend ungeklärt.<span><sup>10</sup></span> Ein im klinischen Alltag relevantes Problem sind multiresistente Erreger (MRE). Mit diesem Begriff werden Bakterien zusammengefasst, die eine ausgeprägte Resistenz gegen Antibiotika aufweisen. Aufgrund von Antibiotika-Resistenzen sterben jährlich circa 1,2 Millionen Menschen weltweit.<span><sup>11</sup></span> Im Kontext der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden sind Methicillin-resistente <i>Staphylococcus (S.) aureus</i> (MRSA) von großer klinischer Bedeutung, insbesondere als Verursacher von nosokomialen Infektionen.<span><sup>12</sup></span> Bei Menschen ist bevorzugt der Nasen-Rachen-Raum mit MRSA besiedelt. Es konnte aktuell gezeigt werden, dass Menschen mit diabetischem Fußulkus (DFU) und MRSA-Nachweis im Gegensatz zu Menschen mit DFU und ausschließlich Nachweis von Methicillin-sensiblen <i>S. aureus</i> (MSSA) eine längere Abheilungsdauer der Wunden, längere Krankenhausverweildauer haben sowie höhere Krankenhauskosten verursachen.<span><sup>13</sup></span> In Deutschland wurde 2012 zudem eine neue Klassifikation für multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) eingeführt. Bei den MRGN werden Bakterien, die gegen vier (4MRGN) oder gegen drei (3MRGN) Gruppen definierter Antibiotika resistent sind, unterschieden. Seit 2019 werden auch Carbapenemase-Bildner zu den 4MRGN gezählt. Bei Menschen sind bevorzugt Darm sowie Perianal- und Leistenbereich mit 3MRGN beziehungsweise 4MRGN besiedelt.<span><sup>14</sup></span></p><p>Der Begriff Infektionskontinuum wurde durch das <i>International Wound Infection Institute</i> (IWII) geprägt und international etabliert. Hier werden die verschiedenen Stadien von der grundsätzlich harmlosen bakteriellen Kontamination bis zu einer potenziell lebensgefährlichen systemischen Infektion differenziert beschrieben. In diesem 2022 zuletzt überarbeiteten internationalen Konsensus werden die verschiedenen klinischen Zustände sowie deren Behandlung spezifiziert.<span><sup>6</sup></span></p><p>Im Rahmen dieses Positionspapiers haben sich die Experten für den deutschsprachigen Raum auf eine vereinfachte Einteilung in Kontamination, Kolonisation, lokale und systemische Wundinfektion geeinigt (Abbildung 1). In jeder Wunde, unabhängig ob sie akut oder chronisch ist, kann man Mikroorganismen des Hautmikrobioms finden; dies wird als Kontamination bezeichnet. Mit zunehmender Vermehrung und/oder erhöhter Virulenz der vorherrschenden Mikroorganismen bilden sich Kolonien aus, was als Kolonisation bezeichnet wird. Bei unkontrolliertem Fortschreiten der Kolonisation können zunehmend Hinweise für eine sich entwickelnde lokale Wundinfektion auftreten. Klinisch kennzeichnend dafür sind unter anderem Exsudatzunahme, stagnierende oder verzögerte Wundheilung sowie neu auftretende oder zunehmende Schmerzen und Wundgeruch. Bei fortschreitender Zunahme der mikrobiellen Last mit begleitender Lokalreaktion wurde dieser Zustand in der Vergangenheit auch als kritische Kolonisation bezeichnen.<span><sup>6</sup></span> Es wird im Rahmen dieses Positionspapiers empfohlen, den Begriff der kritischen Kolonisation nicht mehr zu verwenden, da der genaue Umschlagpunkt, wann eine Kolonisation als kritisch anzusehen ist, nicht ausreichend sicher festgelegt werden kann.<span><sup>15</sup></span> Es gibt eine Vielzahl potenzieller Einflussfaktoren, die das Fortschreiten einer lokalen Wundinfektion beeinflussen können. Beispielsweise sind Menge und Virulenz der Erreger oder Immunkompetenz des Wirts und Wundlokalisation wichtige Faktoren.<span><sup>16</sup></span></p><p>International wurde in der im Jahr 2022 aktualisierten Version des Wundinfektionskontinuums die lokale Wundinfektion in offen (<i>engl.: overt</i>) und verdeckt (<i>engl.: covert</i>) unterteilt, sowie die sich ausbreitende Lokalinfektion (<i>engl.: spreading infection</i>) neu aufgenommen.<span><sup>6</sup></span> Hintergrund für diese Differenzierung war, dass eine beginnende lokale Wundinfektion sich oft nicht mit dem vollen Ausmaß der typischen, offenkundigen klinischen Infektionszeichen präsentiert. Dies gilt insbesondere für Menschen mit eingeschränkter oder gestörter Immunabwehr und bei chronischen, wiederkehrenden biofilmassoziierten Infektionen. Bei der sich ausbreitenden Lokalinfektion handelt es sich um eine weitere Unterteilung, die den nächsten Schritt von der lokalen hin zur systemischen Infektion darstellen soll, sofern keine adäquaten Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden.<span><sup>6</sup></span> Da die weitere Unterteilung der lokalen Wundinfektion keine spezifische therapeutische Konsequenz hat und eher zur Verwirrung führen kann, wurde in diesem Konsensus auf diesen Begriff verzichtet.</p><p>Lokale Wundinfektionen können anhand der klinischen Infektionszeichen sowie unterstützend mit dem therapeutischen Index für lokale Infektionen (TILI)-Score diagnostiziert werden.<span><sup>17</sup></span> Wenn systemische Zeichen wie Fieber, Schüttelfrost oder allgemeine Abgeschlagenheit auftreten, können dies Symptome einer systemischen Infektion sein.<span><sup>1, 6</sup></span> Für die weiterführende Diagnostik sollten dann auch serologische Parameter wie (Differenzial-)Blutbild, C-reaktives Protein (CRP) oder Procalcitonin (PCT) bestimmt und Blutkulturen abgenommen werden. Während diese inhaltlichen Überlegungen, insbesondere an den Übergangsschwellen zwischen Kolonisation und lokaler Wundinfektion sowie lokaler Infektion und systemischer Infektion essenziell wichtig für die korrekte Behandlung und Einschätzung sind, waren die Experten von WundDACH der Meinung, dass eine Klassifizierung innerhalb des Wundkontinuums möglichst simpel und alltagstauglich sein sollte, so dass sie hier eine vereinfachte Übersichtsdarstellung ohne Verlust der inhaltlichen Relevanz für am besten praktikabel halten.</p><p>Die strikte Unterscheidung zwischen Inflammation und Wundinfektion ist bei Menschen mit chronischen Wunden klinisch nicht immer eindeutig möglich, aber wegen der therapeutischen Konsequenzen wichtig. Die Inflammation beschreibt eine Reaktion des Organismus auf einen potenziell schädigenden Reiz. Ursachen können bakterielle Infektionen, aber auch nichtinfektiöse Faktoren sein. Nichtinfektiöse Ursachen können beispielsweise autoimmunologische Krankheiten wie Vaskulitiden und Vaskulopathien oder auch Ekzeme sein. Bei deren Diagnostik sind Biopsien oft sehr wichtig. Im Gegensatz zu den unter anderem mittels Vitalparametern und Serologie diagnostizierten Wundinfektionen kommen hier rheologische oder immunsupprimierende Medikamente therapeutisch zum Einsatz.<span><sup>18</sup></span> Bei der Behandlung einer Wundinfektion sind hingegen meist antimikrobiell wirksame, lokal applizierte Substanzen wie Antiseptika oder gegebenenfalls systemische Antibiotika wichtig. Zudem sind auch weitere Maßnahmen wie Wundspülung und Débridement sinnvoll, um die Anzahl der Mikroorganismen zu reduzieren.<span><sup>19</sup></span></p><p>Für den Nachweis von Bakterien können je nach Indikation unterschiedliche Verfahren und Vorgehensweisen genutzt werden (Tabelle 3).<span><sup>20</sup></span></p><p>Ein moderner Behandlungsplan chronischer Wunden, kann sich heute an M.O.I.S.T. oder anderen Konzepten wie TIME oder TIMERS orientieren (Tabelle 6).<span><sup>27</sup></span> Der Buchstabe „T“ (<i>tissue management</i>) beschreibt in diesen Konzepten das Gewebemanagement. Hier sind insbesondere Wundspülung und Débridement zentral wichtige Aspekte.</p><p>Wundinfektionen können insbesondere bei Menschen mit chronischen Wunden zu zahlreichen Komplikationen führen. Es ist daher ein wichtiges Ziel moderner Wundbehandlungskonzepte Wundinfektionen möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln. Therapeutisch können viele Bakterien in Wunden bereits durch wiederholte Wundreinigung mit Wundspülung und Débridement entfernt werden. Es stehen heute zahlreiche effektive antimikrobiell wirksame Substanzen und Wundtherapeutika zur Verfügung, die individuell ausgewählt und eingesetzt werden können. Die Indikation zur antimikrobiellen Wundtherapie sollte aber spätestens nach 10–14 Tagen kritisch überprüft werden.</p><p>Dieses Positionspapier wurde durch folgende Firmen durch nicht zweckgebundene Zuschüsse (<i>unresticted grants</i>) unterstützt: B. 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Systematik, Diagnostik und Therapie von Wundinfektionen chronischer Wunden: Ein Positionspapier von WundDACH
Die frühzeitige Diagnostik und adäquate Behandlung von Wundinfektionen sind bei Menschen mit chronischen Wunden weiterhin eine interdisziplinär und interprofessionell relevante Herausforderung. Gerade ältere Menschen mit chronischen Wunden haben durch Grunderkrankungen, Mikrozirkulationsstörungen und altersbedingt verminderte Proteinsynthese ein besonders hohes Risiko für Blutstrominfektionen oder Sepsis mit möglicherweise nachfolgenden schwerwiegenden Komplikationen.1, 2 Darüber hinaus wird diskutiert, dass bei bis zu 40% der Betroffenen eine Wundinfektion die Ursache eines prolongierten beziehungsweise chronischen Heilungsverlaufs ist.3
WundDACH ist die Dachorganisation der deutschsprachigen Wundheilungsgesellschaften und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in den deutschsprachigen Ländern die Wundversorgung in Theorie und Praxis zu verbessern. Durch den Vorstand von WundDACH wurde daher eine interdisziplinäre und interprofessionelle Expertengruppe beauftragt, in einem modifizierten Delphi-Verfahren die aktuell empfohlenen Definitionen (Tabelle 1) und Vorgehensweisen für Nomenklatur, Diagnostik sowie Therapie von Wundinfektionen bei Menschen mit chronischen Wunden in einem Positionspapier zusammenzufassen beziehungsweise zu überarbeiten oder neu zu entwickeln.
Durch Mikroorganismen können die komplexen Vorgänge der Wundheilung unterschiedlich beeinflusst werden. Nur in seltenen Fällen wie beispielsweise Mykobakteriosen sind Mikroorganismen die Ursache chronischer Wunden; viel häufiger verursachen sie Komplikation wie Wundinfektionen. Hierfür sind dann meist Bakterien verantwortlich. In seltenen Fällen können aber auch Wundinfektionen durch Parasiten oder Pilze entstehen. Viren können zwar durch Verletzung in die Haut eindringen und Hautveränderungen verursachen, gelten aber im engeren Sinne nicht als Wundinfektionserreger. Daher wird in diesem Positionspapier vorrangig auf bakteriell verursache Wundinfektionen fokussiert.
Die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf und in Menschen leben, wird als Mikrobiom bezeichnet. Auch wenn man heute noch nicht alle Interaktionen kennt, so ist doch bekannt, dass das Mikrobiom für die Ausbildung und Aufrechterhaltung des humanen Immunsystems wichtig ist.4 Dies gilt auch unter anderem für die Abwehrfunktion der Haut.5 Die dauerhafte und vollständige Eradikation von Bakterien in Wunden ist somit nicht physiologisch. Wenn es aber zu einer übermäßigen Vermehrung von Bakterien kommt, können Wundinfektionen entstehen.6, 7 Hierfür können unterschiedliche Bakterienspezies verantwortlich sein (Tabelle 2). In einer klinischen Untersuchung konnte in Deutschland gezeigt werden, dass sich das Keimspektrum bei Patienten mit unterschiedlichen Ursachen chronischer Wunden nicht signifikant unterschied.8 Dies ist naheliegend, da mit Ausnahme von Pseudomonas aeruginosa sowie anderen Wasser- und Umweltkeimen wie Acinetobacter baumannii, alle genannten Bakterien Mensch-assoziiert sind und somit fast immer von den Patienten selbst kommen.
Zumeist ist ein Bakterium führend für eine Wundinfektion verantwortlich.9 Insbesondere die Rolle der anaeroben Bakterien, die unter Ausschluss von Sauerstoff überleben können, ist in Wunden noch weitgehend ungeklärt.10 Ein im klinischen Alltag relevantes Problem sind multiresistente Erreger (MRE). Mit diesem Begriff werden Bakterien zusammengefasst, die eine ausgeprägte Resistenz gegen Antibiotika aufweisen. Aufgrund von Antibiotika-Resistenzen sterben jährlich circa 1,2 Millionen Menschen weltweit.11 Im Kontext der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden sind Methicillin-resistente Staphylococcus (S.) aureus (MRSA) von großer klinischer Bedeutung, insbesondere als Verursacher von nosokomialen Infektionen.12 Bei Menschen ist bevorzugt der Nasen-Rachen-Raum mit MRSA besiedelt. Es konnte aktuell gezeigt werden, dass Menschen mit diabetischem Fußulkus (DFU) und MRSA-Nachweis im Gegensatz zu Menschen mit DFU und ausschließlich Nachweis von Methicillin-sensiblen S. aureus (MSSA) eine längere Abheilungsdauer der Wunden, längere Krankenhausverweildauer haben sowie höhere Krankenhauskosten verursachen.13 In Deutschland wurde 2012 zudem eine neue Klassifikation für multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) eingeführt. Bei den MRGN werden Bakterien, die gegen vier (4MRGN) oder gegen drei (3MRGN) Gruppen definierter Antibiotika resistent sind, unterschieden. Seit 2019 werden auch Carbapenemase-Bildner zu den 4MRGN gezählt. Bei Menschen sind bevorzugt Darm sowie Perianal- und Leistenbereich mit 3MRGN beziehungsweise 4MRGN besiedelt.14
Der Begriff Infektionskontinuum wurde durch das International Wound Infection Institute (IWII) geprägt und international etabliert. Hier werden die verschiedenen Stadien von der grundsätzlich harmlosen bakteriellen Kontamination bis zu einer potenziell lebensgefährlichen systemischen Infektion differenziert beschrieben. In diesem 2022 zuletzt überarbeiteten internationalen Konsensus werden die verschiedenen klinischen Zustände sowie deren Behandlung spezifiziert.6
Im Rahmen dieses Positionspapiers haben sich die Experten für den deutschsprachigen Raum auf eine vereinfachte Einteilung in Kontamination, Kolonisation, lokale und systemische Wundinfektion geeinigt (Abbildung 1). In jeder Wunde, unabhängig ob sie akut oder chronisch ist, kann man Mikroorganismen des Hautmikrobioms finden; dies wird als Kontamination bezeichnet. Mit zunehmender Vermehrung und/oder erhöhter Virulenz der vorherrschenden Mikroorganismen bilden sich Kolonien aus, was als Kolonisation bezeichnet wird. Bei unkontrolliertem Fortschreiten der Kolonisation können zunehmend Hinweise für eine sich entwickelnde lokale Wundinfektion auftreten. Klinisch kennzeichnend dafür sind unter anderem Exsudatzunahme, stagnierende oder verzögerte Wundheilung sowie neu auftretende oder zunehmende Schmerzen und Wundgeruch. Bei fortschreitender Zunahme der mikrobiellen Last mit begleitender Lokalreaktion wurde dieser Zustand in der Vergangenheit auch als kritische Kolonisation bezeichnen.6 Es wird im Rahmen dieses Positionspapiers empfohlen, den Begriff der kritischen Kolonisation nicht mehr zu verwenden, da der genaue Umschlagpunkt, wann eine Kolonisation als kritisch anzusehen ist, nicht ausreichend sicher festgelegt werden kann.15 Es gibt eine Vielzahl potenzieller Einflussfaktoren, die das Fortschreiten einer lokalen Wundinfektion beeinflussen können. Beispielsweise sind Menge und Virulenz der Erreger oder Immunkompetenz des Wirts und Wundlokalisation wichtige Faktoren.16
International wurde in der im Jahr 2022 aktualisierten Version des Wundinfektionskontinuums die lokale Wundinfektion in offen (engl.: overt) und verdeckt (engl.: covert) unterteilt, sowie die sich ausbreitende Lokalinfektion (engl.: spreading infection) neu aufgenommen.6 Hintergrund für diese Differenzierung war, dass eine beginnende lokale Wundinfektion sich oft nicht mit dem vollen Ausmaß der typischen, offenkundigen klinischen Infektionszeichen präsentiert. Dies gilt insbesondere für Menschen mit eingeschränkter oder gestörter Immunabwehr und bei chronischen, wiederkehrenden biofilmassoziierten Infektionen. Bei der sich ausbreitenden Lokalinfektion handelt es sich um eine weitere Unterteilung, die den nächsten Schritt von der lokalen hin zur systemischen Infektion darstellen soll, sofern keine adäquaten Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden.6 Da die weitere Unterteilung der lokalen Wundinfektion keine spezifische therapeutische Konsequenz hat und eher zur Verwirrung führen kann, wurde in diesem Konsensus auf diesen Begriff verzichtet.
Lokale Wundinfektionen können anhand der klinischen Infektionszeichen sowie unterstützend mit dem therapeutischen Index für lokale Infektionen (TILI)-Score diagnostiziert werden.17 Wenn systemische Zeichen wie Fieber, Schüttelfrost oder allgemeine Abgeschlagenheit auftreten, können dies Symptome einer systemischen Infektion sein.1, 6 Für die weiterführende Diagnostik sollten dann auch serologische Parameter wie (Differenzial-)Blutbild, C-reaktives Protein (CRP) oder Procalcitonin (PCT) bestimmt und Blutkulturen abgenommen werden. Während diese inhaltlichen Überlegungen, insbesondere an den Übergangsschwellen zwischen Kolonisation und lokaler Wundinfektion sowie lokaler Infektion und systemischer Infektion essenziell wichtig für die korrekte Behandlung und Einschätzung sind, waren die Experten von WundDACH der Meinung, dass eine Klassifizierung innerhalb des Wundkontinuums möglichst simpel und alltagstauglich sein sollte, so dass sie hier eine vereinfachte Übersichtsdarstellung ohne Verlust der inhaltlichen Relevanz für am besten praktikabel halten.
Die strikte Unterscheidung zwischen Inflammation und Wundinfektion ist bei Menschen mit chronischen Wunden klinisch nicht immer eindeutig möglich, aber wegen der therapeutischen Konsequenzen wichtig. Die Inflammation beschreibt eine Reaktion des Organismus auf einen potenziell schädigenden Reiz. Ursachen können bakterielle Infektionen, aber auch nichtinfektiöse Faktoren sein. Nichtinfektiöse Ursachen können beispielsweise autoimmunologische Krankheiten wie Vaskulitiden und Vaskulopathien oder auch Ekzeme sein. Bei deren Diagnostik sind Biopsien oft sehr wichtig. Im Gegensatz zu den unter anderem mittels Vitalparametern und Serologie diagnostizierten Wundinfektionen kommen hier rheologische oder immunsupprimierende Medikamente therapeutisch zum Einsatz.18 Bei der Behandlung einer Wundinfektion sind hingegen meist antimikrobiell wirksame, lokal applizierte Substanzen wie Antiseptika oder gegebenenfalls systemische Antibiotika wichtig. Zudem sind auch weitere Maßnahmen wie Wundspülung und Débridement sinnvoll, um die Anzahl der Mikroorganismen zu reduzieren.19
Für den Nachweis von Bakterien können je nach Indikation unterschiedliche Verfahren und Vorgehensweisen genutzt werden (Tabelle 3).20
Ein moderner Behandlungsplan chronischer Wunden, kann sich heute an M.O.I.S.T. oder anderen Konzepten wie TIME oder TIMERS orientieren (Tabelle 6).27 Der Buchstabe „T“ (tissue management) beschreibt in diesen Konzepten das Gewebemanagement. Hier sind insbesondere Wundspülung und Débridement zentral wichtige Aspekte.
Wundinfektionen können insbesondere bei Menschen mit chronischen Wunden zu zahlreichen Komplikationen führen. Es ist daher ein wichtiges Ziel moderner Wundbehandlungskonzepte Wundinfektionen möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln. Therapeutisch können viele Bakterien in Wunden bereits durch wiederholte Wundreinigung mit Wundspülung und Débridement entfernt werden. Es stehen heute zahlreiche effektive antimikrobiell wirksame Substanzen und Wundtherapeutika zur Verfügung, die individuell ausgewählt und eingesetzt werden können. Die Indikation zur antimikrobiellen Wundtherapie sollte aber spätestens nach 10–14 Tagen kritisch überprüft werden.
Dieses Positionspapier wurde durch folgende Firmen durch nicht zweckgebundene Zuschüsse (unresticted grants) unterstützt: B. Braun Austria, ConvaTec Germany, Essity/BSN medical, Paul Hartmann AG, Lohmann & Rauscher, Smith & Nephew und Urgo.
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