Susanne Dugas-Breit, Martin Dugas, Hans-Joachim Schulze
{"title":"黑色素瘤患者在确诊后第一年的就业、工作能力和疾病状况","authors":"Susanne Dugas-Breit, Martin Dugas, Hans-Joachim Schulze","doi":"10.1111/ddg.15560_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Das maligne Melanom der Haut galt noch vor wenigen Jahrzehnten als seltener Tumor, belegte jedoch im Jahr 2015 in Deutschland den fünften Platz der häufigsten soliden Tumorentitäten sowohl bei Männern als auch bei Frauen.<span><sup>1</sup></span> Das Melanom als Hauttumor mit der höchsten Metastasierungsrate ist für mehr als 90% aller Todesfälle durch Hauttumoren verantwortlich. Eine Analyse der Inzidenz in Australien, Neuseeland, Norwegen, Schweden, Großbritannien sowie der weißen Bevölkerung der USA von 1982 bis 2011 ergab einen deutlichen Anstieg von etwa 3% jährlich.<span><sup>2</sup></span> In Deutschland stieg die altersstandardisierte Inzidenzrate im Zeitraum von 1970 bis 2016 von drei auf 21 Fälle pro 100 000 Einwohner und Jahr. Das mediane Erkrankungsalter lag 2020 für Frauen bei 63 Jahren und für Männer bei 69 Jahren.<span><sup>1</sup></span> Die Altersverteilung zeigt zwei Gipfel: Junge Erwachsene bis etwa 30 Jahre sowie ältere Personen über 50 Jahre erkranken besonders häufig am Melanom. Bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren ist das Melanom die häufigste Krebsart in Deutschland, noch häufiger als Brustkrebs.<span><sup>3</sup></span> Berufstätige sind daher besonders häufig von dieser Erkrankung betroffen.<span><sup>1, 4</sup></span></p><p>Im Jahr 2015 führte die Diagnose eines Melanoms bei 335 von 100 000 aktiv Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung zur vorzeitigen Verrentung, davon waren 107 Personen unter 50 Jahre alt.<span><sup>5</sup></span> Daher stellt sich die Frage, ob die Neudiagnose eines Melanoms Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Patienten hat. Bei einer umfangreichen Literaturrecherche mit den Suchbegriffen „workability“, „employment“, „occupation“ oder „sick leave“ konnten wir nur relativ wenige, schlecht vergleichbare Studien zu diesem Thema finden. Eine US-Studie aus dem Jahr 2012 ergab, dass jährlich 3,31 Millionen US-Arbeitnehmer an Krebs erkrankten, was zu etwa 33,4 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen führte. Das Melanom war hier im Vergleich zu anderen Krebsarten mit einer höheren Krankheitslast verbunden.<span><sup>6</sup></span></p><p>Entstellende oder funktionseinschränkende Operationen können zu körperlichen und psychischen Belastungen führen, ebenso wie Nebenwirkungen von Medikamenten. Die medizinische Rehabilitation von Patienten mit Melanom zielt darauf ab, körperliche, geistige, soziale und berufliche Beeinträchtigungen zu verhindern oder zu verringern und die soziale Teilhabe aufrechtzuerhalten. Weitere Ziele sind die Verbesserung der Lebensqualität und eine möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in das Arbeitsleben,<span><sup>7</sup></span> also die Förderung der Arbeitsfähigkeit. Daher sind für komplexe onkologische Symptome nur interdisziplinäre Behandlungsstrategien geeignet. Die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zum Melanom<span><sup>7</sup></span> empfiehlt, Rehabilitationsmaßnahmen bereits im Rahmen der Primärversorgung der Patienten einzuleiten. Die Rehabilitation sollte in einer dermatologischen Abteilung stattfinden, in der die notwendige Expertise vorhanden ist und in der die Patienten auch andere Patienten mit Hautkrebs oder chronisch rezidivierenden Hauterkrankungen treffen, da aktive Bewältigungsstrategien ein zentrales Therapieziel sind. Das Gesamtziel eines spezialisierten dermatoonkologischen Rehabilitationsprogramms sollte darin bestehen, das psychische und körperliche Wohlbefinden der Patienten zu bessern und ihnen eine erfolgreiche Wiedereingliederung in ihr Berufs- und Sozialleben zu ermöglichen. Allerdings stellen Melanompatienten in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen derzeit eine Minderheit dar, fühlen sich oft fehl am Platz und können durch den Kontakt mit schwer kranken Patienten mit anderen Krebsarten verunsichert werden.<span><sup>8, 9</sup></span></p><p>Im Jahr 2020 befanden sich in Deutschland von etwa 25 000 neu diagnostizierten Melanompatienten nur 1887 Patienten in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 22 Tagen.<span><sup>10</sup></span> Mögliche Gründe für diese niedrige Quote (zum Beispiel mangelndes Wissen über Rehabilitationsmöglichkeiten, administrative Probleme oder fehlende spezialisierte Einrichtungen) sind bislang kaum erforscht. Folglich ist das Wissen darüber begrenzt, ob, in welcher Form oder in welchem Stadium der Melanomerkrankung Rehabilitationsmaßnahmen wirksam sein könnten, um die Arbeitsfähigkeit der Patienten zu verbessern. Einzelne Studien zeigen jedoch, dass bis zu zwei Drittel aller Krebspatienten direkt nach der Diagnose (2–5 Monate) einen unerfüllten Wunsch nach Hilfe und Unterstützung haben.<span><sup>11</sup></span> Diese Diskrepanz weist auf weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich Rehabilitationsmaßnahmen für Melanompatienten hin.</p><p>Unsere Studie untersuchte, ob und wie sich Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit bei Melanompatienten im ersten Jahr nach Diagnosestellung verändern. Insbesondere wollten wir auch den Einfluss des Tumorstadiums auf Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit untersuchen. Darüber hinaus ermittelten wir die Inanspruchnahme von Nachsorgeleistungen (stationäre und ambulante Rehabilitation, psychoonkologische Maßnahmen) im ersten Jahr, und ihre Assoziation mit Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit.</p><p>Das maligne Melanom ist ein Tumor, an dem auch jüngere Arbeitnehmer erkranken. Ziel dieser Studie war es daher, Veränderungen der Arbeitsfähigkeit bei Melanompatienten im ersten Jahr nach der Diagnose zu erfassen. Melanom-Überlebende leiden noch lange nach der Behandlung unter anhaltenden Symptomen, insbesondere Angstzuständen, und äußern den Bedarf an psychosozialer Unterstützung.<span><sup>26</sup></span> Daher waren wir daran interessiert, inwieweit Patienten solche Angebote tatsächlich in Anspruch nehmen und welche Vorteile sie danach berichten.</p><p>Im Verlauf eines Jahres nahmen 221 Patienten im Alter von 19 bis 65 Jahren teil. Patienten mit Stadium IIB und höher hatten im Jahr nach Diagnose eine hochsignifikante verlängerte Krankenzeit. Bereits im Tumorstadium IB/IIA, also ohne Metastasierung, konnte eine signifikant höhere Krankenzeit beobachtet werden. Dies könnte daran liegen, dass Patienten ab Stadium IB eine Sentinel-Lymphknoten-Dissektion angeboten wird, welche einen umfangreicheren chirurgischer Eingriff darstellt, der auch psychisch belastender sein kann. In unserer Studie wurde im Verlauf des Jahres bei Patienten mit Tumoren im Stadium 0 oder IA keine Veränderung der Krankenzeit beobachtet. Patienten ab dem Tumorstadium IB sollten daher verstärkt rehabilitativ und psychoonkologisch betreut werden, um längere Krankheitsphasen zu vermeiden, da die Gesamtprognose dieser Patienten relativ gut ist (94% melanomspezifische 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit).<span><sup>27</sup></span></p><p>Der Anteil der Patienten mit Tumorstadium IIIA oder höher nahm im Beobachtungszeitraum von 5,1% auf 13,2% zu (Tabelle 1, Summe der Stadien IIIA bis IV). Eine reduzierte Arbeitsfähigkeit dieser Patienten ist naturgemäß zu erwarten und Rehabilitationsmöglichkeiten zur Besserung der Arbeitsfähigkeit sind eingeschränkt.</p><p>Im Laufe des Erhebungsjahres nahmen 24% der Patienten an einer psychoonkologischen Beratung teil, nur 18% der Patienten erhielten Rehabilitationsmaßnahmen. Die Inanspruchnahme der psychoonkologischen Beratung nimmt mit steigendem Tumorstadium signifikant zu, was eine Bewertung der Wirksamkeit erschwert. Der Nutzen der Rehabilitation ist in den Stadien IIA und IIB am höchsten, also in Stadien mit dickeren Primärtumoren ohne Metastasen. Patienten, die eine Rehabilitation erhielten, waren etwas älter, etwas häufiger männlich, hatten fast dreimal so dicke Melanome und ein Drittel mehr Begleiterkrankungen. Passend zu den prognostisch ungünstigeren Tumordaten zeigte sich bei Patienten mit Rehabilitation im Jahresverlauf trotz der Maßnahmen eine deutlich schlechtere Selbsteinschätzung der beruflichen Zukunft und Arbeitsfähigkeit. Unsere Studie zeigt diesen Zusammenhang. Eine randomisierte Studie müsste klären, ob dies mit der Krankheitsentwicklung zusammenhängt oder der Wirksamkeit der Rehabilitationsmaßnahmen.</p><p>Probleme an der Operationsstelle könnten ein Kofaktor für eine verminderte Arbeitsfähigkeit sein. In unserer Untersuchung berichteten 58% der Patienten über sensorische Störungen und 26% über Schwellungen an der Operationsstelle noch ein Jahr später (Daten nicht gezeigt). Die Datenlage zu langfristigen Wundkomplikationen nach Operationen des primären Melanom ist begrenzt: In einer Metaanalyse, die Studien von 1966 bis 2002 untersuchte, wurden Wundkomplikationen nur in einer Studie überhaupt erwähnt.<span><sup>28</sup></span> Andere Studien konzentrierten sich nur auf Patienten mit Melanom, die sich einer Sentinel-Lymphknotenbiopsie und/oder -dissektion unterzogen<span><sup>29</sup></span> oder während der Operation eine systemische Behandlung erhielten.<span><sup>30</sup></span> Kretschmer et al. untersuchten das Ausmaß einer Schwellung bei primärer Exzisionsstelle am Bein im Durchschnitt 30 Monate nach Operation. Interessanterweise konnte er zeigen, dass doppelt so viele Patienten subjektiv eine Schwellung empfanden, als von ihren Ärzten diagnostiziert wurde (31% vs. 15%).<span><sup>31</sup></span></p><p>In unserer Studie waren 20 Patienten mit initialem Tumorstadium ≤ IIA nach einem Jahr länger als 7 Wochen arbeitsunfähig. Nur sieben dieser Patienten hatten einen Progress in fortgeschrittene Stadien – bei diesen Patienten wird der Erhalt der Arbeitsfähigkeit nicht im Vordergrund stehen. Für Patienten ohne Progress können jedoch Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit sinnvoll sein.</p><p>Unseres Wissens gibt es bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen von Hautmelanomen auf Arbeitsfähigkeit und Beschäftigung. Nach Durchführung dieser Untersuchung wurde eine Studie mit Real-World-Daten zu Melanomen im Stadium IIIB/IIIC in Frankreich, Deutschland und Großbritannien durchgeführt.<span><sup>32</sup></span> In 22,5% der Fälle wurde eine Änderung des Beschäftigungsstatus aufgrund des Melanoms angegeben. Bemerkenswert ist, dass wir in unserer Kohorte bereits bei Patienten in früheren Tumorstadien (IB/IIA) längere Krankheitsdauern beobachtet haben. In einer Studie aus Kanada arbeiteten 20 von 29 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom nicht.<span><sup>33</sup></span> Eine Umfrage in Norwegen unter jungen Langzeitüberlebenden von Krebs (Brust- oder Dickdarmkrebs, Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphom, Melanom) zeigte, dass 25% arbeitslos waren und 38% eine geringe Arbeitsfähigkeit hatten;<span><sup>34</sup></span> dieses Patientenkollektiv ist jedoch weniger mit unserer Kohorte vergleichbar. Eine chinesische Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Einkommensverlust und anderen Auswirkungen der COVID-Epidemie mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Melanompatienten. Die Studie zeigte, dass 17,04% der Melanompatienten seit der COVID-19-Epidemie arbeitslos waren. Diese Studie unterschied jedoch nicht zwischen Arbeitslosigkeit durch die Erkrankung Melanom oder durch die Pandemie.<span><sup>35</sup></span> Auch eine kürzlich veröffentlichte US-Studie über die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Melanom in der Vorgeschichte auf die Lebensqualität untersuchte nicht, ob die Arbeitslosigkeit durch die Krankheit selbst verursacht wurde.<span><sup>36</sup></span></p><p>Diese Studie weist Limitationen auf: Es handelt sich um eine Kohortenstudie an einem Standort, daher könnte ein Selektionsbias vorliegen, da es sich um eine Kohorte aus einer auf Melanombehandlung spezialisierten Klinik handelt. Art und weitere Details der psychoonkologischen Beratungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen (allgemeine medizinische Rehabilitation oder spezifische berufsorientierte Maßnahmen) mit Ausnahme von stationär versus ambulant wurden nicht erfasst. Ein weiterer potenzieller Bias besteht darin, dass bei Patienten, die die Studie nicht abgeschlossen haben, tendenziell höhere Tumorstadien diagnostiziert wurden. Einige gaben an, dass die Belastung durch die Tumorerkrankung so groß war, dass sie die zusätzlichen Fragebögen nicht beantworten wollten. Aufgrund der geringeren Fallzahl in höheren Tumorstadien ist die Aussagekraft von Subgruppenanalysen zur Erkennung von Unterschieden geringer. Darüber hinaus wurde in der Befragung nicht zwischen Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Melanomen oder aufgrund anderer Erkrankungen differenziert. Da sich jedoch alle Patienten zum Zeitpunkt ihrer Erstvorstellung kürzlich einer Operation unterzogen hatten, kann davon ausgegangen werden, dass sie zumindest zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Melanomen arbeitsunfähig waren.</p><p>Die Daten wurden zwischen 2016 und 2018 erhoben. Zu Beginn wurde die AJCC-Version 2009 zur Klassifizierung von Melanomen verwendet. Um die Vergleichbarkeit über den Zeitraum zu wahren, wurde die Version von 2017 während der laufenden Studie nicht verändert. Effektive adjuvante Behandlungsmöglichkeiten stehen für Stadium III seit 2018 und für Stadium IIB und IIC seit 2022 zur Verfügung. Seitdem ist in den entsprechenden Stadien mit zusätzlichen signifikanten Veränderungen der Arbeitsfähigkeit und der Krankheitstage im ersten Jahr nach Erstdiagnose zu rechnen.</p><p>Insgesamt schätzten 72,9% der Patienten ihre Arbeitsfähigkeit nach dem akuten Ereignis der Melanomdiagnose als „mäßig“ oder geringer ein. Diese Einschätzung war durchweg schlechter bei kränkeren Patienten, die im Verlauf des Studienjahres eine psychoonkologische Beratung oder Rehabilitation erhielten, und blieb auch nach einem Jahr noch schlecht. Auch Patienten, bei denen ein dickeres Melanom ohne Lymphknotenbefall diagnostiziert wurde, waren im ersten Jahr nach der Diagnose länger arbeitsunfähig. Da das Melanom junge Erwachsene betrifft, sollte dem Thema Arbeitsfähigkeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Weitere Forschung, einschließlich konfirmatorischer Studien sowie die Untersuchung des Einflusses adjuvanter Therapie, ist sinnvoll, um zu beurteilen, welche Maßnahmen in früheren Tumorstadien wirksam sind, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.</p><p>Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>Keiner.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 2","pages":"151-160"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2025-02-06","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15560_g","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Erwerbstätigkeit, Arbeitsfähigkeit und Krankenstand bei Patienten mit Melanom im ersten Jahr nach der Diagnose\",\"authors\":\"Susanne Dugas-Breit, Martin Dugas, Hans-Joachim Schulze\",\"doi\":\"10.1111/ddg.15560_g\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"<p>Das maligne Melanom der Haut galt noch vor wenigen Jahrzehnten als seltener Tumor, belegte jedoch im Jahr 2015 in Deutschland den fünften Platz der häufigsten soliden Tumorentitäten sowohl bei Männern als auch bei Frauen.<span><sup>1</sup></span> Das Melanom als Hauttumor mit der höchsten Metastasierungsrate ist für mehr als 90% aller Todesfälle durch Hauttumoren verantwortlich. 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Das Melanom war hier im Vergleich zu anderen Krebsarten mit einer höheren Krankheitslast verbunden.<span><sup>6</sup></span></p><p>Entstellende oder funktionseinschränkende Operationen können zu körperlichen und psychischen Belastungen führen, ebenso wie Nebenwirkungen von Medikamenten. Die medizinische Rehabilitation von Patienten mit Melanom zielt darauf ab, körperliche, geistige, soziale und berufliche Beeinträchtigungen zu verhindern oder zu verringern und die soziale Teilhabe aufrechtzuerhalten. Weitere Ziele sind die Verbesserung der Lebensqualität und eine möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in das Arbeitsleben,<span><sup>7</sup></span> also die Förderung der Arbeitsfähigkeit. Daher sind für komplexe onkologische Symptome nur interdisziplinäre Behandlungsstrategien geeignet. Die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zum Melanom<span><sup>7</sup></span> empfiehlt, Rehabilitationsmaßnahmen bereits im Rahmen der Primärversorgung der Patienten einzuleiten. Die Rehabilitation sollte in einer dermatologischen Abteilung stattfinden, in der die notwendige Expertise vorhanden ist und in der die Patienten auch andere Patienten mit Hautkrebs oder chronisch rezidivierenden Hauterkrankungen treffen, da aktive Bewältigungsstrategien ein zentrales Therapieziel sind. Das Gesamtziel eines spezialisierten dermatoonkologischen Rehabilitationsprogramms sollte darin bestehen, das psychische und körperliche Wohlbefinden der Patienten zu bessern und ihnen eine erfolgreiche Wiedereingliederung in ihr Berufs- und Sozialleben zu ermöglichen. Allerdings stellen Melanompatienten in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen derzeit eine Minderheit dar, fühlen sich oft fehl am Platz und können durch den Kontakt mit schwer kranken Patienten mit anderen Krebsarten verunsichert werden.<span><sup>8, 9</sup></span></p><p>Im Jahr 2020 befanden sich in Deutschland von etwa 25 000 neu diagnostizierten Melanompatienten nur 1887 Patienten in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 22 Tagen.<span><sup>10</sup></span> Mögliche Gründe für diese niedrige Quote (zum Beispiel mangelndes Wissen über Rehabilitationsmöglichkeiten, administrative Probleme oder fehlende spezialisierte Einrichtungen) sind bislang kaum erforscht. Folglich ist das Wissen darüber begrenzt, ob, in welcher Form oder in welchem Stadium der Melanomerkrankung Rehabilitationsmaßnahmen wirksam sein könnten, um die Arbeitsfähigkeit der Patienten zu verbessern. Einzelne Studien zeigen jedoch, dass bis zu zwei Drittel aller Krebspatienten direkt nach der Diagnose (2–5 Monate) einen unerfüllten Wunsch nach Hilfe und Unterstützung haben.<span><sup>11</sup></span> Diese Diskrepanz weist auf weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich Rehabilitationsmaßnahmen für Melanompatienten hin.</p><p>Unsere Studie untersuchte, ob und wie sich Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit bei Melanompatienten im ersten Jahr nach Diagnosestellung verändern. Insbesondere wollten wir auch den Einfluss des Tumorstadiums auf Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit untersuchen. Darüber hinaus ermittelten wir die Inanspruchnahme von Nachsorgeleistungen (stationäre und ambulante Rehabilitation, psychoonkologische Maßnahmen) im ersten Jahr, und ihre Assoziation mit Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit.</p><p>Das maligne Melanom ist ein Tumor, an dem auch jüngere Arbeitnehmer erkranken. Ziel dieser Studie war es daher, Veränderungen der Arbeitsfähigkeit bei Melanompatienten im ersten Jahr nach der Diagnose zu erfassen. Melanom-Überlebende leiden noch lange nach der Behandlung unter anhaltenden Symptomen, insbesondere Angstzuständen, und äußern den Bedarf an psychosozialer Unterstützung.<span><sup>26</sup></span> Daher waren wir daran interessiert, inwieweit Patienten solche Angebote tatsächlich in Anspruch nehmen und welche Vorteile sie danach berichten.</p><p>Im Verlauf eines Jahres nahmen 221 Patienten im Alter von 19 bis 65 Jahren teil. Patienten mit Stadium IIB und höher hatten im Jahr nach Diagnose eine hochsignifikante verlängerte Krankenzeit. Bereits im Tumorstadium IB/IIA, also ohne Metastasierung, konnte eine signifikant höhere Krankenzeit beobachtet werden. Dies könnte daran liegen, dass Patienten ab Stadium IB eine Sentinel-Lymphknoten-Dissektion angeboten wird, welche einen umfangreicheren chirurgischer Eingriff darstellt, der auch psychisch belastender sein kann. In unserer Studie wurde im Verlauf des Jahres bei Patienten mit Tumoren im Stadium 0 oder IA keine Veränderung der Krankenzeit beobachtet. Patienten ab dem Tumorstadium IB sollten daher verstärkt rehabilitativ und psychoonkologisch betreut werden, um längere Krankheitsphasen zu vermeiden, da die Gesamtprognose dieser Patienten relativ gut ist (94% melanomspezifische 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit).<span><sup>27</sup></span></p><p>Der Anteil der Patienten mit Tumorstadium IIIA oder höher nahm im Beobachtungszeitraum von 5,1% auf 13,2% zu (Tabelle 1, Summe der Stadien IIIA bis IV). Eine reduzierte Arbeitsfähigkeit dieser Patienten ist naturgemäß zu erwarten und Rehabilitationsmöglichkeiten zur Besserung der Arbeitsfähigkeit sind eingeschränkt.</p><p>Im Laufe des Erhebungsjahres nahmen 24% der Patienten an einer psychoonkologischen Beratung teil, nur 18% der Patienten erhielten Rehabilitationsmaßnahmen. Die Inanspruchnahme der psychoonkologischen Beratung nimmt mit steigendem Tumorstadium signifikant zu, was eine Bewertung der Wirksamkeit erschwert. Der Nutzen der Rehabilitation ist in den Stadien IIA und IIB am höchsten, also in Stadien mit dickeren Primärtumoren ohne Metastasen. Patienten, die eine Rehabilitation erhielten, waren etwas älter, etwas häufiger männlich, hatten fast dreimal so dicke Melanome und ein Drittel mehr Begleiterkrankungen. Passend zu den prognostisch ungünstigeren Tumordaten zeigte sich bei Patienten mit Rehabilitation im Jahresverlauf trotz der Maßnahmen eine deutlich schlechtere Selbsteinschätzung der beruflichen Zukunft und Arbeitsfähigkeit. Unsere Studie zeigt diesen Zusammenhang. Eine randomisierte Studie müsste klären, ob dies mit der Krankheitsentwicklung zusammenhängt oder der Wirksamkeit der Rehabilitationsmaßnahmen.</p><p>Probleme an der Operationsstelle könnten ein Kofaktor für eine verminderte Arbeitsfähigkeit sein. In unserer Untersuchung berichteten 58% der Patienten über sensorische Störungen und 26% über Schwellungen an der Operationsstelle noch ein Jahr später (Daten nicht gezeigt). Die Datenlage zu langfristigen Wundkomplikationen nach Operationen des primären Melanom ist begrenzt: In einer Metaanalyse, die Studien von 1966 bis 2002 untersuchte, wurden Wundkomplikationen nur in einer Studie überhaupt erwähnt.<span><sup>28</sup></span> Andere Studien konzentrierten sich nur auf Patienten mit Melanom, die sich einer Sentinel-Lymphknotenbiopsie und/oder -dissektion unterzogen<span><sup>29</sup></span> oder während der Operation eine systemische Behandlung erhielten.<span><sup>30</sup></span> Kretschmer et al. untersuchten das Ausmaß einer Schwellung bei primärer Exzisionsstelle am Bein im Durchschnitt 30 Monate nach Operation. Interessanterweise konnte er zeigen, dass doppelt so viele Patienten subjektiv eine Schwellung empfanden, als von ihren Ärzten diagnostiziert wurde (31% vs. 15%).<span><sup>31</sup></span></p><p>In unserer Studie waren 20 Patienten mit initialem Tumorstadium ≤ IIA nach einem Jahr länger als 7 Wochen arbeitsunfähig. Nur sieben dieser Patienten hatten einen Progress in fortgeschrittene Stadien – bei diesen Patienten wird der Erhalt der Arbeitsfähigkeit nicht im Vordergrund stehen. Für Patienten ohne Progress können jedoch Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit sinnvoll sein.</p><p>Unseres Wissens gibt es bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen von Hautmelanomen auf Arbeitsfähigkeit und Beschäftigung. Nach Durchführung dieser Untersuchung wurde eine Studie mit Real-World-Daten zu Melanomen im Stadium IIIB/IIIC in Frankreich, Deutschland und Großbritannien durchgeführt.<span><sup>32</sup></span> In 22,5% der Fälle wurde eine Änderung des Beschäftigungsstatus aufgrund des Melanoms angegeben. Bemerkenswert ist, dass wir in unserer Kohorte bereits bei Patienten in früheren Tumorstadien (IB/IIA) längere Krankheitsdauern beobachtet haben. In einer Studie aus Kanada arbeiteten 20 von 29 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom nicht.<span><sup>33</sup></span> Eine Umfrage in Norwegen unter jungen Langzeitüberlebenden von Krebs (Brust- oder Dickdarmkrebs, Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphom, Melanom) zeigte, dass 25% arbeitslos waren und 38% eine geringe Arbeitsfähigkeit hatten;<span><sup>34</sup></span> dieses Patientenkollektiv ist jedoch weniger mit unserer Kohorte vergleichbar. Eine chinesische Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Einkommensverlust und anderen Auswirkungen der COVID-Epidemie mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Melanompatienten. Die Studie zeigte, dass 17,04% der Melanompatienten seit der COVID-19-Epidemie arbeitslos waren. Diese Studie unterschied jedoch nicht zwischen Arbeitslosigkeit durch die Erkrankung Melanom oder durch die Pandemie.<span><sup>35</sup></span> Auch eine kürzlich veröffentlichte US-Studie über die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Melanom in der Vorgeschichte auf die Lebensqualität untersuchte nicht, ob die Arbeitslosigkeit durch die Krankheit selbst verursacht wurde.<span><sup>36</sup></span></p><p>Diese Studie weist Limitationen auf: Es handelt sich um eine Kohortenstudie an einem Standort, daher könnte ein Selektionsbias vorliegen, da es sich um eine Kohorte aus einer auf Melanombehandlung spezialisierten Klinik handelt. Art und weitere Details der psychoonkologischen Beratungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen (allgemeine medizinische Rehabilitation oder spezifische berufsorientierte Maßnahmen) mit Ausnahme von stationär versus ambulant wurden nicht erfasst. Ein weiterer potenzieller Bias besteht darin, dass bei Patienten, die die Studie nicht abgeschlossen haben, tendenziell höhere Tumorstadien diagnostiziert wurden. Einige gaben an, dass die Belastung durch die Tumorerkrankung so groß war, dass sie die zusätzlichen Fragebögen nicht beantworten wollten. Aufgrund der geringeren Fallzahl in höheren Tumorstadien ist die Aussagekraft von Subgruppenanalysen zur Erkennung von Unterschieden geringer. Darüber hinaus wurde in der Befragung nicht zwischen Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Melanomen oder aufgrund anderer Erkrankungen differenziert. Da sich jedoch alle Patienten zum Zeitpunkt ihrer Erstvorstellung kürzlich einer Operation unterzogen hatten, kann davon ausgegangen werden, dass sie zumindest zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Melanomen arbeitsunfähig waren.</p><p>Die Daten wurden zwischen 2016 und 2018 erhoben. Zu Beginn wurde die AJCC-Version 2009 zur Klassifizierung von Melanomen verwendet. Um die Vergleichbarkeit über den Zeitraum zu wahren, wurde die Version von 2017 während der laufenden Studie nicht verändert. Effektive adjuvante Behandlungsmöglichkeiten stehen für Stadium III seit 2018 und für Stadium IIB und IIC seit 2022 zur Verfügung. Seitdem ist in den entsprechenden Stadien mit zusätzlichen signifikanten Veränderungen der Arbeitsfähigkeit und der Krankheitstage im ersten Jahr nach Erstdiagnose zu rechnen.</p><p>Insgesamt schätzten 72,9% der Patienten ihre Arbeitsfähigkeit nach dem akuten Ereignis der Melanomdiagnose als „mäßig“ oder geringer ein. Diese Einschätzung war durchweg schlechter bei kränkeren Patienten, die im Verlauf des Studienjahres eine psychoonkologische Beratung oder Rehabilitation erhielten, und blieb auch nach einem Jahr noch schlecht. Auch Patienten, bei denen ein dickeres Melanom ohne Lymphknotenbefall diagnostiziert wurde, waren im ersten Jahr nach der Diagnose länger arbeitsunfähig. Da das Melanom junge Erwachsene betrifft, sollte dem Thema Arbeitsfähigkeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Weitere Forschung, einschließlich konfirmatorischer Studien sowie die Untersuchung des Einflusses adjuvanter Therapie, ist sinnvoll, um zu beurteilen, welche Maßnahmen in früheren Tumorstadien wirksam sind, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.</p><p>Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>Keiner.</p>\",\"PeriodicalId\":14758,\"journal\":{\"name\":\"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft\",\"volume\":\"23 2\",\"pages\":\"151-160\"},\"PeriodicalIF\":5.5000,\"publicationDate\":\"2025-02-06\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15560_g\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft\",\"FirstCategoryId\":\"3\",\"ListUrlMain\":\"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15560_g\",\"RegionNum\":4,\"RegionCategory\":\"医学\",\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"Q1\",\"JCRName\":\"DERMATOLOGY\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15560_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
Erwerbstätigkeit, Arbeitsfähigkeit und Krankenstand bei Patienten mit Melanom im ersten Jahr nach der Diagnose
Das maligne Melanom der Haut galt noch vor wenigen Jahrzehnten als seltener Tumor, belegte jedoch im Jahr 2015 in Deutschland den fünften Platz der häufigsten soliden Tumorentitäten sowohl bei Männern als auch bei Frauen.1 Das Melanom als Hauttumor mit der höchsten Metastasierungsrate ist für mehr als 90% aller Todesfälle durch Hauttumoren verantwortlich. Eine Analyse der Inzidenz in Australien, Neuseeland, Norwegen, Schweden, Großbritannien sowie der weißen Bevölkerung der USA von 1982 bis 2011 ergab einen deutlichen Anstieg von etwa 3% jährlich.2 In Deutschland stieg die altersstandardisierte Inzidenzrate im Zeitraum von 1970 bis 2016 von drei auf 21 Fälle pro 100 000 Einwohner und Jahr. Das mediane Erkrankungsalter lag 2020 für Frauen bei 63 Jahren und für Männer bei 69 Jahren.1 Die Altersverteilung zeigt zwei Gipfel: Junge Erwachsene bis etwa 30 Jahre sowie ältere Personen über 50 Jahre erkranken besonders häufig am Melanom. Bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren ist das Melanom die häufigste Krebsart in Deutschland, noch häufiger als Brustkrebs.3 Berufstätige sind daher besonders häufig von dieser Erkrankung betroffen.1, 4
Im Jahr 2015 führte die Diagnose eines Melanoms bei 335 von 100 000 aktiv Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung zur vorzeitigen Verrentung, davon waren 107 Personen unter 50 Jahre alt.5 Daher stellt sich die Frage, ob die Neudiagnose eines Melanoms Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Patienten hat. Bei einer umfangreichen Literaturrecherche mit den Suchbegriffen „workability“, „employment“, „occupation“ oder „sick leave“ konnten wir nur relativ wenige, schlecht vergleichbare Studien zu diesem Thema finden. Eine US-Studie aus dem Jahr 2012 ergab, dass jährlich 3,31 Millionen US-Arbeitnehmer an Krebs erkrankten, was zu etwa 33,4 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen führte. Das Melanom war hier im Vergleich zu anderen Krebsarten mit einer höheren Krankheitslast verbunden.6
Entstellende oder funktionseinschränkende Operationen können zu körperlichen und psychischen Belastungen führen, ebenso wie Nebenwirkungen von Medikamenten. Die medizinische Rehabilitation von Patienten mit Melanom zielt darauf ab, körperliche, geistige, soziale und berufliche Beeinträchtigungen zu verhindern oder zu verringern und die soziale Teilhabe aufrechtzuerhalten. Weitere Ziele sind die Verbesserung der Lebensqualität und eine möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in das Arbeitsleben,7 also die Förderung der Arbeitsfähigkeit. Daher sind für komplexe onkologische Symptome nur interdisziplinäre Behandlungsstrategien geeignet. Die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zum Melanom7 empfiehlt, Rehabilitationsmaßnahmen bereits im Rahmen der Primärversorgung der Patienten einzuleiten. Die Rehabilitation sollte in einer dermatologischen Abteilung stattfinden, in der die notwendige Expertise vorhanden ist und in der die Patienten auch andere Patienten mit Hautkrebs oder chronisch rezidivierenden Hauterkrankungen treffen, da aktive Bewältigungsstrategien ein zentrales Therapieziel sind. Das Gesamtziel eines spezialisierten dermatoonkologischen Rehabilitationsprogramms sollte darin bestehen, das psychische und körperliche Wohlbefinden der Patienten zu bessern und ihnen eine erfolgreiche Wiedereingliederung in ihr Berufs- und Sozialleben zu ermöglichen. Allerdings stellen Melanompatienten in onkologischen Rehabilitationseinrichtungen derzeit eine Minderheit dar, fühlen sich oft fehl am Platz und können durch den Kontakt mit schwer kranken Patienten mit anderen Krebsarten verunsichert werden.8, 9
Im Jahr 2020 befanden sich in Deutschland von etwa 25 000 neu diagnostizierten Melanompatienten nur 1887 Patienten in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 22 Tagen.10 Mögliche Gründe für diese niedrige Quote (zum Beispiel mangelndes Wissen über Rehabilitationsmöglichkeiten, administrative Probleme oder fehlende spezialisierte Einrichtungen) sind bislang kaum erforscht. Folglich ist das Wissen darüber begrenzt, ob, in welcher Form oder in welchem Stadium der Melanomerkrankung Rehabilitationsmaßnahmen wirksam sein könnten, um die Arbeitsfähigkeit der Patienten zu verbessern. Einzelne Studien zeigen jedoch, dass bis zu zwei Drittel aller Krebspatienten direkt nach der Diagnose (2–5 Monate) einen unerfüllten Wunsch nach Hilfe und Unterstützung haben.11 Diese Diskrepanz weist auf weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich Rehabilitationsmaßnahmen für Melanompatienten hin.
Unsere Studie untersuchte, ob und wie sich Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit bei Melanompatienten im ersten Jahr nach Diagnosestellung verändern. Insbesondere wollten wir auch den Einfluss des Tumorstadiums auf Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit untersuchen. Darüber hinaus ermittelten wir die Inanspruchnahme von Nachsorgeleistungen (stationäre und ambulante Rehabilitation, psychoonkologische Maßnahmen) im ersten Jahr, und ihre Assoziation mit Beschäftigungsstatus und Arbeitsfähigkeit.
Das maligne Melanom ist ein Tumor, an dem auch jüngere Arbeitnehmer erkranken. Ziel dieser Studie war es daher, Veränderungen der Arbeitsfähigkeit bei Melanompatienten im ersten Jahr nach der Diagnose zu erfassen. Melanom-Überlebende leiden noch lange nach der Behandlung unter anhaltenden Symptomen, insbesondere Angstzuständen, und äußern den Bedarf an psychosozialer Unterstützung.26 Daher waren wir daran interessiert, inwieweit Patienten solche Angebote tatsächlich in Anspruch nehmen und welche Vorteile sie danach berichten.
Im Verlauf eines Jahres nahmen 221 Patienten im Alter von 19 bis 65 Jahren teil. Patienten mit Stadium IIB und höher hatten im Jahr nach Diagnose eine hochsignifikante verlängerte Krankenzeit. Bereits im Tumorstadium IB/IIA, also ohne Metastasierung, konnte eine signifikant höhere Krankenzeit beobachtet werden. Dies könnte daran liegen, dass Patienten ab Stadium IB eine Sentinel-Lymphknoten-Dissektion angeboten wird, welche einen umfangreicheren chirurgischer Eingriff darstellt, der auch psychisch belastender sein kann. In unserer Studie wurde im Verlauf des Jahres bei Patienten mit Tumoren im Stadium 0 oder IA keine Veränderung der Krankenzeit beobachtet. Patienten ab dem Tumorstadium IB sollten daher verstärkt rehabilitativ und psychoonkologisch betreut werden, um längere Krankheitsphasen zu vermeiden, da die Gesamtprognose dieser Patienten relativ gut ist (94% melanomspezifische 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit).27
Der Anteil der Patienten mit Tumorstadium IIIA oder höher nahm im Beobachtungszeitraum von 5,1% auf 13,2% zu (Tabelle 1, Summe der Stadien IIIA bis IV). Eine reduzierte Arbeitsfähigkeit dieser Patienten ist naturgemäß zu erwarten und Rehabilitationsmöglichkeiten zur Besserung der Arbeitsfähigkeit sind eingeschränkt.
Im Laufe des Erhebungsjahres nahmen 24% der Patienten an einer psychoonkologischen Beratung teil, nur 18% der Patienten erhielten Rehabilitationsmaßnahmen. Die Inanspruchnahme der psychoonkologischen Beratung nimmt mit steigendem Tumorstadium signifikant zu, was eine Bewertung der Wirksamkeit erschwert. Der Nutzen der Rehabilitation ist in den Stadien IIA und IIB am höchsten, also in Stadien mit dickeren Primärtumoren ohne Metastasen. Patienten, die eine Rehabilitation erhielten, waren etwas älter, etwas häufiger männlich, hatten fast dreimal so dicke Melanome und ein Drittel mehr Begleiterkrankungen. Passend zu den prognostisch ungünstigeren Tumordaten zeigte sich bei Patienten mit Rehabilitation im Jahresverlauf trotz der Maßnahmen eine deutlich schlechtere Selbsteinschätzung der beruflichen Zukunft und Arbeitsfähigkeit. Unsere Studie zeigt diesen Zusammenhang. Eine randomisierte Studie müsste klären, ob dies mit der Krankheitsentwicklung zusammenhängt oder der Wirksamkeit der Rehabilitationsmaßnahmen.
Probleme an der Operationsstelle könnten ein Kofaktor für eine verminderte Arbeitsfähigkeit sein. In unserer Untersuchung berichteten 58% der Patienten über sensorische Störungen und 26% über Schwellungen an der Operationsstelle noch ein Jahr später (Daten nicht gezeigt). Die Datenlage zu langfristigen Wundkomplikationen nach Operationen des primären Melanom ist begrenzt: In einer Metaanalyse, die Studien von 1966 bis 2002 untersuchte, wurden Wundkomplikationen nur in einer Studie überhaupt erwähnt.28 Andere Studien konzentrierten sich nur auf Patienten mit Melanom, die sich einer Sentinel-Lymphknotenbiopsie und/oder -dissektion unterzogen29 oder während der Operation eine systemische Behandlung erhielten.30 Kretschmer et al. untersuchten das Ausmaß einer Schwellung bei primärer Exzisionsstelle am Bein im Durchschnitt 30 Monate nach Operation. Interessanterweise konnte er zeigen, dass doppelt so viele Patienten subjektiv eine Schwellung empfanden, als von ihren Ärzten diagnostiziert wurde (31% vs. 15%).31
In unserer Studie waren 20 Patienten mit initialem Tumorstadium ≤ IIA nach einem Jahr länger als 7 Wochen arbeitsunfähig. Nur sieben dieser Patienten hatten einen Progress in fortgeschrittene Stadien – bei diesen Patienten wird der Erhalt der Arbeitsfähigkeit nicht im Vordergrund stehen. Für Patienten ohne Progress können jedoch Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit sinnvoll sein.
Unseres Wissens gibt es bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen von Hautmelanomen auf Arbeitsfähigkeit und Beschäftigung. Nach Durchführung dieser Untersuchung wurde eine Studie mit Real-World-Daten zu Melanomen im Stadium IIIB/IIIC in Frankreich, Deutschland und Großbritannien durchgeführt.32 In 22,5% der Fälle wurde eine Änderung des Beschäftigungsstatus aufgrund des Melanoms angegeben. Bemerkenswert ist, dass wir in unserer Kohorte bereits bei Patienten in früheren Tumorstadien (IB/IIA) längere Krankheitsdauern beobachtet haben. In einer Studie aus Kanada arbeiteten 20 von 29 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom nicht.33 Eine Umfrage in Norwegen unter jungen Langzeitüberlebenden von Krebs (Brust- oder Dickdarmkrebs, Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphom, Melanom) zeigte, dass 25% arbeitslos waren und 38% eine geringe Arbeitsfähigkeit hatten;34 dieses Patientenkollektiv ist jedoch weniger mit unserer Kohorte vergleichbar. Eine chinesische Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Einkommensverlust und anderen Auswirkungen der COVID-Epidemie mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Melanompatienten. Die Studie zeigte, dass 17,04% der Melanompatienten seit der COVID-19-Epidemie arbeitslos waren. Diese Studie unterschied jedoch nicht zwischen Arbeitslosigkeit durch die Erkrankung Melanom oder durch die Pandemie.35 Auch eine kürzlich veröffentlichte US-Studie über die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Melanom in der Vorgeschichte auf die Lebensqualität untersuchte nicht, ob die Arbeitslosigkeit durch die Krankheit selbst verursacht wurde.36
Diese Studie weist Limitationen auf: Es handelt sich um eine Kohortenstudie an einem Standort, daher könnte ein Selektionsbias vorliegen, da es sich um eine Kohorte aus einer auf Melanombehandlung spezialisierten Klinik handelt. Art und weitere Details der psychoonkologischen Beratungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen (allgemeine medizinische Rehabilitation oder spezifische berufsorientierte Maßnahmen) mit Ausnahme von stationär versus ambulant wurden nicht erfasst. Ein weiterer potenzieller Bias besteht darin, dass bei Patienten, die die Studie nicht abgeschlossen haben, tendenziell höhere Tumorstadien diagnostiziert wurden. Einige gaben an, dass die Belastung durch die Tumorerkrankung so groß war, dass sie die zusätzlichen Fragebögen nicht beantworten wollten. Aufgrund der geringeren Fallzahl in höheren Tumorstadien ist die Aussagekraft von Subgruppenanalysen zur Erkennung von Unterschieden geringer. Darüber hinaus wurde in der Befragung nicht zwischen Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Melanomen oder aufgrund anderer Erkrankungen differenziert. Da sich jedoch alle Patienten zum Zeitpunkt ihrer Erstvorstellung kürzlich einer Operation unterzogen hatten, kann davon ausgegangen werden, dass sie zumindest zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Melanomen arbeitsunfähig waren.
Die Daten wurden zwischen 2016 und 2018 erhoben. Zu Beginn wurde die AJCC-Version 2009 zur Klassifizierung von Melanomen verwendet. Um die Vergleichbarkeit über den Zeitraum zu wahren, wurde die Version von 2017 während der laufenden Studie nicht verändert. Effektive adjuvante Behandlungsmöglichkeiten stehen für Stadium III seit 2018 und für Stadium IIB und IIC seit 2022 zur Verfügung. Seitdem ist in den entsprechenden Stadien mit zusätzlichen signifikanten Veränderungen der Arbeitsfähigkeit und der Krankheitstage im ersten Jahr nach Erstdiagnose zu rechnen.
Insgesamt schätzten 72,9% der Patienten ihre Arbeitsfähigkeit nach dem akuten Ereignis der Melanomdiagnose als „mäßig“ oder geringer ein. Diese Einschätzung war durchweg schlechter bei kränkeren Patienten, die im Verlauf des Studienjahres eine psychoonkologische Beratung oder Rehabilitation erhielten, und blieb auch nach einem Jahr noch schlecht. Auch Patienten, bei denen ein dickeres Melanom ohne Lymphknotenbefall diagnostiziert wurde, waren im ersten Jahr nach der Diagnose länger arbeitsunfähig. Da das Melanom junge Erwachsene betrifft, sollte dem Thema Arbeitsfähigkeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Weitere Forschung, einschließlich konfirmatorischer Studien sowie die Untersuchung des Einflusses adjuvanter Therapie, ist sinnvoll, um zu beurteilen, welche Maßnahmen in früheren Tumorstadien wirksam sind, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
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