{"title":"能源转型应该是环境、资源还是气候问题?","authors":"Dr. Otto Machhammer","doi":"10.1002/cite.202400073","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Liebe Leserinnen und Leser,\num diese Frage zu beantworten, muss man sich meines Erachtens vorher klar werden, ob es sich bei den einzelnen Themen um eine Aufgabenstellung oder eine Problemstellung handelt. Per definitionem ist bei einer Aufgabenstellung der Lösungsweg bekannt. Eine Problemstellung hingegen ist eine unerwünschte Abweichung einer Ist- von einer Soll-Situation. Der Lösungsweg zur Reduzierung der Abweichung ist dabei (noch) nicht bekannt.</p><p>Fangen wir mit der Umwelt an: Egal, ob die Umweltbelastung durch Wasser- oder Luftverschmutzung oder durch Oberflächenversiegelung entsteht – sie zu reduzieren ist eine <i>Aufgabe</i>, die die Menschheit meistern kann – wenn sie will. Auch die Schonung begrenzter Ressourcen, wie z. B. der fossilen Energieträger, ist nach oben getroffener Definition eine Aufgabenstellung, weil wir wissen, was wir dafür tun müssen.</p><p>Der Klimawandel ist jedoch ein Problem. Das Klima ist ein hochkomplexes System mit Rückkopplungen und Einflüssen, von denen einige heute noch ungenügend bekannt sind. So ist z. B. das Wissen über die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre noch lückenhaft. Der kürzlich gestartete Erdbeobachtungssatellit „Earthcare“ soll dazu neue Daten liefern.</p><p>Nach heutiger Lehrmeinung ist hauptsächlich die steigende Konzentration an Treibhausgasen – vorwiegend CO<sub>2</sub> – in der Atmosphäre der Haupttreiber für den Klimawandel. Um dem Problem Klimawandel Herr zu werden, wurden deshalb CO<sub>2</sub>-Ziele vereinbart.</p><p>Doch treten wir einmal zur Seite und betrachten die Dinge von außen: Wie stark sich ein einzelner Einflussparameter auf ein komplexes, rückgekoppeltes System auswirkt, kann nur in Vergleichsversuchen ermittelt werden. Um also zu wissen, wie sich z. B. eine Veränderung der CO<sub>2</sub>-Konzentration zukünftig auf den Klimawandel auswirken wird, bräuchten wir eine Vergleichserde, auf der alles völlig identisch ist wie auf der Unsrigen und müssten dann das Geschehen im Zeitraffer beobachten können, wenn man auf der Vergleichserde lediglich die CO<sub>2</sub>-Konzentration verändert.</p><p>Diese Vergleichserde gibt es leider nicht. So sind wir allein auf die Klimamodelle angewiesen. Die Klimamodelle können aber nur die bekannten Effekte berücksichtigen. Nehmen wir z. B. die Ergrünung der Sahelzone aufgrund des Klimawandels. Dieser Vorgang kann mit entsprechend hoher Rechnerleistung gut simuliert werden. Diese Simulationen konnten aber erst dann angestellt werden, nachdem man dieses Phänomen beobachtet hatte.</p><p>All das sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir unsere Zukunft positiv gestalten wollen. Ohne Zweifel müssen wir von der Verbrennung fossiler Energieträger wegkommen, schon allein deshalb, weil sie begrenzt sind. Egal ob man die Energiewende als Lösung für die Ressourcenbegrenztheit oder für das Klimaproblem sieht – in beiden Fällen kommt man zu den gleichen Anforderungen an neue Technologien.</p><p>Meiner Meinung nach sollte die Energiewende durch die Ressourcenbegrenztheit gesteuert werden. Daraus abgeleitete Aufgabenstellungen für die Energiewende sind lösbar. Aufgrund des dann geringeren Zeitdrucks könnten wir die Umsetzung besser abstimmen und die erforderlichen finanziellen Mittel dafür leichter generieren. So sollte man die E-Mobilität und die Wasserstoffwirtschaft zum Beispiel nur so schnell hochfahren, wie dafür auch genug grüner Strom und Wasserstoff sowie die entsprechenden Netze inklusive notwendiger Speicher verfügbar sind. Beiträge in diesem Heft beschäftigen sich mit diesen Themen.</p>","PeriodicalId":1,"journal":{"name":"Accounts of Chemical Research","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":16.4000,"publicationDate":"2024-07-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/cite.202400073","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Sollte die Energiewende ein Umwelt-, ein Ressourcen- oder ein Klimathema sein?\",\"authors\":\"Dr. Otto Machhammer\",\"doi\":\"10.1002/cite.202400073\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"<p>Liebe Leserinnen und Leser,\\num diese Frage zu beantworten, muss man sich meines Erachtens vorher klar werden, ob es sich bei den einzelnen Themen um eine Aufgabenstellung oder eine Problemstellung handelt. Per definitionem ist bei einer Aufgabenstellung der Lösungsweg bekannt. Eine Problemstellung hingegen ist eine unerwünschte Abweichung einer Ist- von einer Soll-Situation. Der Lösungsweg zur Reduzierung der Abweichung ist dabei (noch) nicht bekannt.</p><p>Fangen wir mit der Umwelt an: Egal, ob die Umweltbelastung durch Wasser- oder Luftverschmutzung oder durch Oberflächenversiegelung entsteht – sie zu reduzieren ist eine <i>Aufgabe</i>, die die Menschheit meistern kann – wenn sie will. Auch die Schonung begrenzter Ressourcen, wie z. B. der fossilen Energieträger, ist nach oben getroffener Definition eine Aufgabenstellung, weil wir wissen, was wir dafür tun müssen.</p><p>Der Klimawandel ist jedoch ein Problem. Das Klima ist ein hochkomplexes System mit Rückkopplungen und Einflüssen, von denen einige heute noch ungenügend bekannt sind. So ist z. B. das Wissen über die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre noch lückenhaft. Der kürzlich gestartete Erdbeobachtungssatellit „Earthcare“ soll dazu neue Daten liefern.</p><p>Nach heutiger Lehrmeinung ist hauptsächlich die steigende Konzentration an Treibhausgasen – vorwiegend CO<sub>2</sub> – in der Atmosphäre der Haupttreiber für den Klimawandel. Um dem Problem Klimawandel Herr zu werden, wurden deshalb CO<sub>2</sub>-Ziele vereinbart.</p><p>Doch treten wir einmal zur Seite und betrachten die Dinge von außen: Wie stark sich ein einzelner Einflussparameter auf ein komplexes, rückgekoppeltes System auswirkt, kann nur in Vergleichsversuchen ermittelt werden. Um also zu wissen, wie sich z. B. eine Veränderung der CO<sub>2</sub>-Konzentration zukünftig auf den Klimawandel auswirken wird, bräuchten wir eine Vergleichserde, auf der alles völlig identisch ist wie auf der Unsrigen und müssten dann das Geschehen im Zeitraffer beobachten können, wenn man auf der Vergleichserde lediglich die CO<sub>2</sub>-Konzentration verändert.</p><p>Diese Vergleichserde gibt es leider nicht. So sind wir allein auf die Klimamodelle angewiesen. Die Klimamodelle können aber nur die bekannten Effekte berücksichtigen. Nehmen wir z. B. die Ergrünung der Sahelzone aufgrund des Klimawandels. Dieser Vorgang kann mit entsprechend hoher Rechnerleistung gut simuliert werden. Diese Simulationen konnten aber erst dann angestellt werden, nachdem man dieses Phänomen beobachtet hatte.</p><p>All das sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir unsere Zukunft positiv gestalten wollen. Ohne Zweifel müssen wir von der Verbrennung fossiler Energieträger wegkommen, schon allein deshalb, weil sie begrenzt sind. Egal ob man die Energiewende als Lösung für die Ressourcenbegrenztheit oder für das Klimaproblem sieht – in beiden Fällen kommt man zu den gleichen Anforderungen an neue Technologien.</p><p>Meiner Meinung nach sollte die Energiewende durch die Ressourcenbegrenztheit gesteuert werden. Daraus abgeleitete Aufgabenstellungen für die Energiewende sind lösbar. Aufgrund des dann geringeren Zeitdrucks könnten wir die Umsetzung besser abstimmen und die erforderlichen finanziellen Mittel dafür leichter generieren. So sollte man die E-Mobilität und die Wasserstoffwirtschaft zum Beispiel nur so schnell hochfahren, wie dafür auch genug grüner Strom und Wasserstoff sowie die entsprechenden Netze inklusive notwendiger Speicher verfügbar sind. Beiträge in diesem Heft beschäftigen sich mit diesen Themen.</p>\",\"PeriodicalId\":1,\"journal\":{\"name\":\"Accounts of Chemical Research\",\"volume\":null,\"pages\":null},\"PeriodicalIF\":16.4000,\"publicationDate\":\"2024-07-23\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/cite.202400073\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Accounts of Chemical Research\",\"FirstCategoryId\":\"5\",\"ListUrlMain\":\"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cite.202400073\",\"RegionNum\":1,\"RegionCategory\":\"化学\",\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"Q1\",\"JCRName\":\"CHEMISTRY, MULTIDISCIPLINARY\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Accounts of Chemical Research","FirstCategoryId":"5","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cite.202400073","RegionNum":1,"RegionCategory":"化学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"CHEMISTRY, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
Sollte die Energiewende ein Umwelt-, ein Ressourcen- oder ein Klimathema sein?
Liebe Leserinnen und Leser,
um diese Frage zu beantworten, muss man sich meines Erachtens vorher klar werden, ob es sich bei den einzelnen Themen um eine Aufgabenstellung oder eine Problemstellung handelt. Per definitionem ist bei einer Aufgabenstellung der Lösungsweg bekannt. Eine Problemstellung hingegen ist eine unerwünschte Abweichung einer Ist- von einer Soll-Situation. Der Lösungsweg zur Reduzierung der Abweichung ist dabei (noch) nicht bekannt.
Fangen wir mit der Umwelt an: Egal, ob die Umweltbelastung durch Wasser- oder Luftverschmutzung oder durch Oberflächenversiegelung entsteht – sie zu reduzieren ist eine Aufgabe, die die Menschheit meistern kann – wenn sie will. Auch die Schonung begrenzter Ressourcen, wie z. B. der fossilen Energieträger, ist nach oben getroffener Definition eine Aufgabenstellung, weil wir wissen, was wir dafür tun müssen.
Der Klimawandel ist jedoch ein Problem. Das Klima ist ein hochkomplexes System mit Rückkopplungen und Einflüssen, von denen einige heute noch ungenügend bekannt sind. So ist z. B. das Wissen über die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre noch lückenhaft. Der kürzlich gestartete Erdbeobachtungssatellit „Earthcare“ soll dazu neue Daten liefern.
Nach heutiger Lehrmeinung ist hauptsächlich die steigende Konzentration an Treibhausgasen – vorwiegend CO2 – in der Atmosphäre der Haupttreiber für den Klimawandel. Um dem Problem Klimawandel Herr zu werden, wurden deshalb CO2-Ziele vereinbart.
Doch treten wir einmal zur Seite und betrachten die Dinge von außen: Wie stark sich ein einzelner Einflussparameter auf ein komplexes, rückgekoppeltes System auswirkt, kann nur in Vergleichsversuchen ermittelt werden. Um also zu wissen, wie sich z. B. eine Veränderung der CO2-Konzentration zukünftig auf den Klimawandel auswirken wird, bräuchten wir eine Vergleichserde, auf der alles völlig identisch ist wie auf der Unsrigen und müssten dann das Geschehen im Zeitraffer beobachten können, wenn man auf der Vergleichserde lediglich die CO2-Konzentration verändert.
Diese Vergleichserde gibt es leider nicht. So sind wir allein auf die Klimamodelle angewiesen. Die Klimamodelle können aber nur die bekannten Effekte berücksichtigen. Nehmen wir z. B. die Ergrünung der Sahelzone aufgrund des Klimawandels. Dieser Vorgang kann mit entsprechend hoher Rechnerleistung gut simuliert werden. Diese Simulationen konnten aber erst dann angestellt werden, nachdem man dieses Phänomen beobachtet hatte.
All das sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir unsere Zukunft positiv gestalten wollen. Ohne Zweifel müssen wir von der Verbrennung fossiler Energieträger wegkommen, schon allein deshalb, weil sie begrenzt sind. Egal ob man die Energiewende als Lösung für die Ressourcenbegrenztheit oder für das Klimaproblem sieht – in beiden Fällen kommt man zu den gleichen Anforderungen an neue Technologien.
Meiner Meinung nach sollte die Energiewende durch die Ressourcenbegrenztheit gesteuert werden. Daraus abgeleitete Aufgabenstellungen für die Energiewende sind lösbar. Aufgrund des dann geringeren Zeitdrucks könnten wir die Umsetzung besser abstimmen und die erforderlichen finanziellen Mittel dafür leichter generieren. So sollte man die E-Mobilität und die Wasserstoffwirtschaft zum Beispiel nur so schnell hochfahren, wie dafür auch genug grüner Strom und Wasserstoff sowie die entsprechenden Netze inklusive notwendiger Speicher verfügbar sind. Beiträge in diesem Heft beschäftigen sich mit diesen Themen.
期刊介绍:
Accounts of Chemical Research presents short, concise and critical articles offering easy-to-read overviews of basic research and applications in all areas of chemistry and biochemistry. These short reviews focus on research from the author’s own laboratory and are designed to teach the reader about a research project. In addition, Accounts of Chemical Research publishes commentaries that give an informed opinion on a current research problem. Special Issues online are devoted to a single topic of unusual activity and significance.
Accounts of Chemical Research replaces the traditional article abstract with an article "Conspectus." These entries synopsize the research affording the reader a closer look at the content and significance of an article. Through this provision of a more detailed description of the article contents, the Conspectus enhances the article's discoverability by search engines and the exposure for the research.