华德福、蒙台梭利和裴斯泰洛齐的炒作?- 教育史上的学校名称

IF 0.6 2区 哲学 Q2 HISTORY & PHILOSOPHY OF SCIENCE
Sebastian Engelmann, Katharina Weiand
{"title":"华德福、蒙台梭利和裴斯泰洛齐的炒作?- 教育史上的学校名称","authors":"Sebastian Engelmann,&nbsp;Katharina Weiand","doi":"10.1002/bewi.202300020","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>In der Bundesrepublik Deutschland gibt es aktuell über 32.000 allgemeinbildende Schulen – und jede dieser Schulen hat einen Namen. Mit Blick auf ihre Namensgebung unterscheiden sich die Schulen aber deutlich. Zahlreiche von ihnen sind nach ihrer geographischen Verortung benannt. Einige Namen beziehen sich beispielweise auf eine regionale Besonderheit („Schule an der Donauschleife“). Andere Schulen verweisen mit ihrem Namen auf eine lokale Gegebenheit, wie die „Turmbergschule in Weingarten“, die am Fuß des Turmbergs des kleinen Ortes in Baden-Württemberg liegt. Und wiederum andere tragen den Namen der Straße, in der sie liegen, wie die „Grundschule an der Zunftmeisterstraße“ in Mülheim an der Ruhr. Neben diesen regional- oder lokalspezifischen Namen tragen zahlreiche Schulen in Deutschland aber auch Namen bekannter Personen des öffentlichen Lebens, die in einer Verbindung zur Geschichte der Literatur, der Kunst, der Philosophie oder der Politik stehen, wie Astrid Lindgren, Friedrich Schiller oder die Geschwister Scholl. Beliebte Namenspat:innen, in der Mehrheit Namenspaten, sind auch Anne Frank, Albert Einstein, Albert Schweitzer, Alexander von Humboldt, Erich Kästner, Freiherr vom Stein, Johann Wolfgang von Goethe oder Theodor Heuss – die meisten kennen sicher eine Schule, die nach einer dieser Personen benannt ist. Aber auch die Namen mehr oder weniger bekannter Pädagog:innen finden sich an allgemeinbildenden Schulen in allen Bundesländern wieder, wie Adolf Reichwein, Friedrich Fröbel, Johann Heinrich Pestalozzi oder Maria Montessori.</p><p>Diese kurze Darstellung sagt zunächst wenig über Erinnerungsgemeinschaften oder die Identifikation von Mustern des Erinnerns aus. Relevant werden Schulnamen in diesem Sinne erst dann, wenn man sie in ein Verhältnis zu einer Referenzgröße setzt. In diesem Beitrag ist die Referenzgröße nicht etwa die in den <i>critical place-name studies</i><sup>1</sup> schon als Hintergrundfolie für Benennungspraktiken ausgewiesene erinnerte Geschichte der Nationalstaaten, in denen die Schulen liegen. Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass durch die Benennung öffentlicher Institutionen eine Geografie der Erinnerung entsteht, die zumeist eine Heldengeschichte von denen transportiert, die die Nation geschaffen haben oder einen essenziellen Part zur politischen Ordnung dieser Nation beigetragen haben. Gerade bei anhaltenden Kämpfen um die Benennung von Straßen wird dies deutlich.<sup>2</sup> In unserem Fall ist die Referenzgröße die Geschichte der Pädagogik, verstanden als über Tradition und Rezeption hergestellter Kanon.<sup>3</sup> Dieser Kanon – und seine Repräsentation in der Öffentlichkeit – ist unweigerlich auch für die Wissenschaftsgeschichte (der Pädagogik) von Interesse, denn die aufgerufenen Personen sind zugleich Vorreiter:innen und Stichwortgeber:innen der wissenschaftlichen Pädagogik und später auch der Erziehungswissenschaft. Personen wie Johann Heinrich Pestalozzi als einer der Begründer der modernen Didaktik oder Friedrich Fröbel wirken in der Erziehungswissenschaft nach und erhalten in der Forschung bis heute Beachtung. Zugleich sind sie im Entstehungsprozess der wissenschaftlichen Pädagogik über ihr prominentes Erscheinen im disziplinprägenden Genre Geschichte(n) der Pädagogik auch ein Teil der Verwissenschaftlichung der Pädagogik. Sie nehmen in der Genese der Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin eine identitätsstiftende und normierende Funktion ein.<sup>4</sup> Die im 19. und 20. Jahrhundert präsenten Ideen der reformpädagogischen Bewegung mitsamt ihren Vorläufern wirken bis in die Gegenwart und prägen die moderne Pädagogik unweigerlich mit.<sup>5</sup></p><p>Wir werden in diesem Beitrag anhand des Bundeslandes Thüringen exemplarisch die Frage beantworten, ob sich Geschichte der Pädagogik in den Schulnamen spiegelt, welche Geschichte der Pädagogik abgebildet wird, und ob die Schulnamen eine andere als die in der Erziehungswissenschaft kanonische Geschichte erzählen. Die These, die wir in diesem Beitrag plausibilisieren werden, ist die, dass Schulen insbesondere nach praktisch wirkenden Pädagog:innen benannt sind, die wiederum mit alternativen Vorstellungen von Schule verknüpft sind, welche in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion unter dem Oberbegriff der Reformpädagogik zusammengefasst werden. Diese These ist als Ergänzung zur allgemeinen – und mittlerweile für z. B. Schulnamen in Rumänien vollständig empirisch gesicherten<sup>6</sup> – Annahme zu verstehen, dass insbesondere die Erinnerungskultur des Nationalstaats mitsamt identitätsstiftender Narrative in der Bezeichnung von Institutionen im öffentlichen Raum Form findet. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland neben dieser Form der Erinnerung auch eine daran anschließende spezifische Erinnerung an die Geschichte der Pädagogik erfolgt, die zwar Ähnlichkeiten zur erinnerten Geschichte des Nationalstaats aufweist, aber dann doch eine andere ist.</p><p>Auf diese Art reproduzieren die Schulnamen in Deutschland auch disziplinäre Sichtbarkeitsregime.<sup>7</sup> Sie tragen im öffentlichen Raum einerseits zu einer Stabilisierung und Homogenisierung der Wahrnehmung der Geschichte der Pädagogik bei, denn strittige Fälle – streitbare Pädagog:innen, als problematisch markierte Konzepte etc. – tauchen in der Gesamtheit der Schulnamen nur selten auf. Andererseits werden mit Regelmäßigkeit aber auch Pädagog:innen erwähnt, die in der Geschichte der Pädagogik wohl eher als Außenseiter:innen oder zumindest als Randerscheinungen gelten müssen, im öffentlichen Raum der Erziehungs- und Bildungsinstitutionen aber einen festen Platz haben. Ein prominentes Beispiel ist Janusz Korczak, der im Bundesland Thüringen drei Schulen und deutschlandweit auch anderen Bildungseinrichtungen seinen Namen leiht.</p>","PeriodicalId":55388,"journal":{"name":"Berichte zur Wissenschaftsgeschichte","volume":"47 1-2","pages":"27-45"},"PeriodicalIF":0.6000,"publicationDate":"2024-04-04","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/bewi.202300020","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Waldorf, Montessori und Pestalozzi-Hype? – Schulnamen im Spiegel der Geschichte der Pädagogik\",\"authors\":\"Sebastian Engelmann,&nbsp;Katharina Weiand\",\"doi\":\"10.1002/bewi.202300020\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"<p>In der Bundesrepublik Deutschland gibt es aktuell über 32.000 allgemeinbildende Schulen – und jede dieser Schulen hat einen Namen. Mit Blick auf ihre Namensgebung unterscheiden sich die Schulen aber deutlich. 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Beliebte Namenspat:innen, in der Mehrheit Namenspaten, sind auch Anne Frank, Albert Einstein, Albert Schweitzer, Alexander von Humboldt, Erich Kästner, Freiherr vom Stein, Johann Wolfgang von Goethe oder Theodor Heuss – die meisten kennen sicher eine Schule, die nach einer dieser Personen benannt ist. Aber auch die Namen mehr oder weniger bekannter Pädagog:innen finden sich an allgemeinbildenden Schulen in allen Bundesländern wieder, wie Adolf Reichwein, Friedrich Fröbel, Johann Heinrich Pestalozzi oder Maria Montessori.</p><p>Diese kurze Darstellung sagt zunächst wenig über Erinnerungsgemeinschaften oder die Identifikation von Mustern des Erinnerns aus. Relevant werden Schulnamen in diesem Sinne erst dann, wenn man sie in ein Verhältnis zu einer Referenzgröße setzt. In diesem Beitrag ist die Referenzgröße nicht etwa die in den <i>critical place-name studies</i><sup>1</sup> schon als Hintergrundfolie für Benennungspraktiken ausgewiesene erinnerte Geschichte der Nationalstaaten, in denen die Schulen liegen. Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass durch die Benennung öffentlicher Institutionen eine Geografie der Erinnerung entsteht, die zumeist eine Heldengeschichte von denen transportiert, die die Nation geschaffen haben oder einen essenziellen Part zur politischen Ordnung dieser Nation beigetragen haben. Gerade bei anhaltenden Kämpfen um die Benennung von Straßen wird dies deutlich.<sup>2</sup> In unserem Fall ist die Referenzgröße die Geschichte der Pädagogik, verstanden als über Tradition und Rezeption hergestellter Kanon.<sup>3</sup> Dieser Kanon – und seine Repräsentation in der Öffentlichkeit – ist unweigerlich auch für die Wissenschaftsgeschichte (der Pädagogik) von Interesse, denn die aufgerufenen Personen sind zugleich Vorreiter:innen und Stichwortgeber:innen der wissenschaftlichen Pädagogik und später auch der Erziehungswissenschaft. Personen wie Johann Heinrich Pestalozzi als einer der Begründer der modernen Didaktik oder Friedrich Fröbel wirken in der Erziehungswissenschaft nach und erhalten in der Forschung bis heute Beachtung. Zugleich sind sie im Entstehungsprozess der wissenschaftlichen Pädagogik über ihr prominentes Erscheinen im disziplinprägenden Genre Geschichte(n) der Pädagogik auch ein Teil der Verwissenschaftlichung der Pädagogik. Sie nehmen in der Genese der Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin eine identitätsstiftende und normierende Funktion ein.<sup>4</sup> Die im 19. und 20. Jahrhundert präsenten Ideen der reformpädagogischen Bewegung mitsamt ihren Vorläufern wirken bis in die Gegenwart und prägen die moderne Pädagogik unweigerlich mit.<sup>5</sup></p><p>Wir werden in diesem Beitrag anhand des Bundeslandes Thüringen exemplarisch die Frage beantworten, ob sich Geschichte der Pädagogik in den Schulnamen spiegelt, welche Geschichte der Pädagogik abgebildet wird, und ob die Schulnamen eine andere als die in der Erziehungswissenschaft kanonische Geschichte erzählen. Die These, die wir in diesem Beitrag plausibilisieren werden, ist die, dass Schulen insbesondere nach praktisch wirkenden Pädagog:innen benannt sind, die wiederum mit alternativen Vorstellungen von Schule verknüpft sind, welche in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion unter dem Oberbegriff der Reformpädagogik zusammengefasst werden. Diese These ist als Ergänzung zur allgemeinen – und mittlerweile für z. B. Schulnamen in Rumänien vollständig empirisch gesicherten<sup>6</sup> – Annahme zu verstehen, dass insbesondere die Erinnerungskultur des Nationalstaats mitsamt identitätsstiftender Narrative in der Bezeichnung von Institutionen im öffentlichen Raum Form findet. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland neben dieser Form der Erinnerung auch eine daran anschließende spezifische Erinnerung an die Geschichte der Pädagogik erfolgt, die zwar Ähnlichkeiten zur erinnerten Geschichte des Nationalstaats aufweist, aber dann doch eine andere ist.</p><p>Auf diese Art reproduzieren die Schulnamen in Deutschland auch disziplinäre Sichtbarkeitsregime.<sup>7</sup> Sie tragen im öffentlichen Raum einerseits zu einer Stabilisierung und Homogenisierung der Wahrnehmung der Geschichte der Pädagogik bei, denn strittige Fälle – streitbare Pädagog:innen, als problematisch markierte Konzepte etc. – tauchen in der Gesamtheit der Schulnamen nur selten auf. Andererseits werden mit Regelmäßigkeit aber auch Pädagog:innen erwähnt, die in der Geschichte der Pädagogik wohl eher als Außenseiter:innen oder zumindest als Randerscheinungen gelten müssen, im öffentlichen Raum der Erziehungs- und Bildungsinstitutionen aber einen festen Platz haben. 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摘要

德国的学校经常以人名命名。因此,这些人在公共领域被铭记。本文回答了图林根联邦州的学校名称在多大程度上与科学教育史相吻合的问题。为此,首先介绍了有关教育学和教育史关键人物的争议性讨论。第二步,考虑图林根州所有学校的名称,并对个别结果进行讨论。通常情况下,为学校命名的不是教育家,而是作家、艺术家和政治人物。在所有以人名命名的学校中,只有五分之一是以教育家命名的。人们发现,教育学的关键人物很少能作为命名人,而在实践中,成功的学校创办人则是命名人的首选。因此,学校名称中的教育学历史是经过筛选的。基于这些结果,我们为学校名称研究提出了进一步的研究视角。
本文章由计算机程序翻译,如有差异,请以英文原文为准。
Waldorf, Montessori und Pestalozzi-Hype? – Schulnamen im Spiegel der Geschichte der Pädagogik

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es aktuell über 32.000 allgemeinbildende Schulen – und jede dieser Schulen hat einen Namen. Mit Blick auf ihre Namensgebung unterscheiden sich die Schulen aber deutlich. Zahlreiche von ihnen sind nach ihrer geographischen Verortung benannt. Einige Namen beziehen sich beispielweise auf eine regionale Besonderheit („Schule an der Donauschleife“). Andere Schulen verweisen mit ihrem Namen auf eine lokale Gegebenheit, wie die „Turmbergschule in Weingarten“, die am Fuß des Turmbergs des kleinen Ortes in Baden-Württemberg liegt. Und wiederum andere tragen den Namen der Straße, in der sie liegen, wie die „Grundschule an der Zunftmeisterstraße“ in Mülheim an der Ruhr. Neben diesen regional- oder lokalspezifischen Namen tragen zahlreiche Schulen in Deutschland aber auch Namen bekannter Personen des öffentlichen Lebens, die in einer Verbindung zur Geschichte der Literatur, der Kunst, der Philosophie oder der Politik stehen, wie Astrid Lindgren, Friedrich Schiller oder die Geschwister Scholl. Beliebte Namenspat:innen, in der Mehrheit Namenspaten, sind auch Anne Frank, Albert Einstein, Albert Schweitzer, Alexander von Humboldt, Erich Kästner, Freiherr vom Stein, Johann Wolfgang von Goethe oder Theodor Heuss – die meisten kennen sicher eine Schule, die nach einer dieser Personen benannt ist. Aber auch die Namen mehr oder weniger bekannter Pädagog:innen finden sich an allgemeinbildenden Schulen in allen Bundesländern wieder, wie Adolf Reichwein, Friedrich Fröbel, Johann Heinrich Pestalozzi oder Maria Montessori.

Diese kurze Darstellung sagt zunächst wenig über Erinnerungsgemeinschaften oder die Identifikation von Mustern des Erinnerns aus. Relevant werden Schulnamen in diesem Sinne erst dann, wenn man sie in ein Verhältnis zu einer Referenzgröße setzt. In diesem Beitrag ist die Referenzgröße nicht etwa die in den critical place-name studies1 schon als Hintergrundfolie für Benennungspraktiken ausgewiesene erinnerte Geschichte der Nationalstaaten, in denen die Schulen liegen. Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass durch die Benennung öffentlicher Institutionen eine Geografie der Erinnerung entsteht, die zumeist eine Heldengeschichte von denen transportiert, die die Nation geschaffen haben oder einen essenziellen Part zur politischen Ordnung dieser Nation beigetragen haben. Gerade bei anhaltenden Kämpfen um die Benennung von Straßen wird dies deutlich.2 In unserem Fall ist die Referenzgröße die Geschichte der Pädagogik, verstanden als über Tradition und Rezeption hergestellter Kanon.3 Dieser Kanon – und seine Repräsentation in der Öffentlichkeit – ist unweigerlich auch für die Wissenschaftsgeschichte (der Pädagogik) von Interesse, denn die aufgerufenen Personen sind zugleich Vorreiter:innen und Stichwortgeber:innen der wissenschaftlichen Pädagogik und später auch der Erziehungswissenschaft. Personen wie Johann Heinrich Pestalozzi als einer der Begründer der modernen Didaktik oder Friedrich Fröbel wirken in der Erziehungswissenschaft nach und erhalten in der Forschung bis heute Beachtung. Zugleich sind sie im Entstehungsprozess der wissenschaftlichen Pädagogik über ihr prominentes Erscheinen im disziplinprägenden Genre Geschichte(n) der Pädagogik auch ein Teil der Verwissenschaftlichung der Pädagogik. Sie nehmen in der Genese der Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin eine identitätsstiftende und normierende Funktion ein.4 Die im 19. und 20. Jahrhundert präsenten Ideen der reformpädagogischen Bewegung mitsamt ihren Vorläufern wirken bis in die Gegenwart und prägen die moderne Pädagogik unweigerlich mit.5

Wir werden in diesem Beitrag anhand des Bundeslandes Thüringen exemplarisch die Frage beantworten, ob sich Geschichte der Pädagogik in den Schulnamen spiegelt, welche Geschichte der Pädagogik abgebildet wird, und ob die Schulnamen eine andere als die in der Erziehungswissenschaft kanonische Geschichte erzählen. Die These, die wir in diesem Beitrag plausibilisieren werden, ist die, dass Schulen insbesondere nach praktisch wirkenden Pädagog:innen benannt sind, die wiederum mit alternativen Vorstellungen von Schule verknüpft sind, welche in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion unter dem Oberbegriff der Reformpädagogik zusammengefasst werden. Diese These ist als Ergänzung zur allgemeinen – und mittlerweile für z. B. Schulnamen in Rumänien vollständig empirisch gesicherten6 – Annahme zu verstehen, dass insbesondere die Erinnerungskultur des Nationalstaats mitsamt identitätsstiftender Narrative in der Bezeichnung von Institutionen im öffentlichen Raum Form findet. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland neben dieser Form der Erinnerung auch eine daran anschließende spezifische Erinnerung an die Geschichte der Pädagogik erfolgt, die zwar Ähnlichkeiten zur erinnerten Geschichte des Nationalstaats aufweist, aber dann doch eine andere ist.

Auf diese Art reproduzieren die Schulnamen in Deutschland auch disziplinäre Sichtbarkeitsregime.7 Sie tragen im öffentlichen Raum einerseits zu einer Stabilisierung und Homogenisierung der Wahrnehmung der Geschichte der Pädagogik bei, denn strittige Fälle – streitbare Pädagog:innen, als problematisch markierte Konzepte etc. – tauchen in der Gesamtheit der Schulnamen nur selten auf. Andererseits werden mit Regelmäßigkeit aber auch Pädagog:innen erwähnt, die in der Geschichte der Pädagogik wohl eher als Außenseiter:innen oder zumindest als Randerscheinungen gelten müssen, im öffentlichen Raum der Erziehungs- und Bildungsinstitutionen aber einen festen Platz haben. Ein prominentes Beispiel ist Janusz Korczak, der im Bundesland Thüringen drei Schulen und deutschlandweit auch anderen Bildungseinrichtungen seinen Namen leiht.

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Berichte zur Wissenschaftsgeschichte
Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 社会科学-科学史与科学哲学
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期刊介绍: Die Geschichte der Wissenschaften ist in erster Linie eine Geschichte der Ideen und Entdeckungen, oft genug aber auch der Moden, Irrtümer und Missverständnisse. Sie hängt eng mit der Entwicklung kultureller und zivilisatorischer Leistungen zusammen und bleibt von der politischen Geschichte keineswegs unberührt.
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