{"title":"媒体道德与圣灵想要幽暗延伸可以","authors":"T. Zeilinger","doi":"10.5771/9783748905158-291","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Ausgehend von einer kurzen Skizze theologischer Beiträge zur deutschsprachigen Medienethik wird die Leistungskraft der Rede vom Heiligen Geist für ein interdisziplinäres Verständnis des digitalen Wandels und die sich entwickelnde Kultur der Digitalität erkundet. An ausgewählten Beispielen beschreibt der Beitrag das Miteinander von institutionellen, personellen und konzeptionellen Impulsen der Theologie – katholisch wie evangelisch – für die Entwicklung der Medienethik. Dabei kommen normative und hermeneutische Verständnisse der Ethik in den Blick. Vor dem Hintergrund der mit Felix Stalder und Dirk Baecker skizzierten Kultur der Digitalität entwickelt der Autor die von Helmut Gorski formulierte These der Relevanz der christlichen Rede vom Heiligen Geist für die digitale Gegenwart weiter. Unter Rückgriff auf medientheoretische und ethische Arbeiten der Theologen Philipp Stoellger und Johannes Fischer werden zehn Impulse zehn Impulse der Rede vom Heiligen Geist für Medien, Religion und Kultur in digitalen Zeiten entfaltet. Die Figur des Heiligen Geistes impliziert dabei sowohl kritische wie konstruktive Potentiale für eine der dynamischen Realität des digitalen Zeitalters angemessene Medienethik. Personen – Orte – Konzepte: Der historische Beitrag der Theologie zur deutschsprachigen Medienethik Am Anfang steht die historische Perspektive: Was hat die Theologie zur Entwicklung der Medienethik beigetragen und wie hat sie dies getan? Meine These hierzu schlägt einen ersten Bogen von der Medienethik zum Heiligen Geist und lautet: Ohne das Kraftfeld des Heiligen Geistes wäre die Geschichte der deutschsprachigen Medienethik nur unvollständig begrif1. 1 Antrittsvorlesung als apl. Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 19. Juli 2019. Eine Vorfassung des Beitrags wurde im Februar vorgetragen auf der Jahrestagung „Kommunikationsund Medienethik – reloaded“ in Köln. 293 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. fen. Institutionen, Personen und Konzepte lassen sich zwar unterscheiden, aber nicht voneinander trennen. Wenn man auf die jüngere Geschichte der Medienethik im deutschsprachigen Raum blickt, hängt das eine mit dem anderen eng zusammen. Gleich ob man auf die handelnden Personen, die diskutierten Konzepte oder die Orte des Geschehens blickt: Theologie und Kirche waren auf jeden Fall vielfach beteiligt, als die Medienethik aus der Taufe gehoben wurde. Ohne die Beiträge von Publizisten wie Hermann Boventer oder Michael Schibilsky,2 ohne die Verankerung des Netzwerks Medienethik an der Hochschule für Philosophie des Jesuitenordens in München mit der Person Rüdiger Funioks oder die Beiträge des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik in den Anfangsjahren des Netzwerks gäbe es die Medienethik so wie wir sie kennen wohl nicht.3 Aus Erlanger Sicht sind dabei die Abteilung Christliche Publizistik am Fachbereich Theologie der Philosophischen Fakultät der FriedrichAlexander-Universität und die Person von Johanna Haberer eigens zu nennen.4 Der theologische Bezug gilt dabei nicht nur für die Orte und Personen, sondern auch für die konzeptionellen Grundlagen. Besonders deutlich scheint dies bei den Begriffen von Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit: Natürlich sind diese Begriffe und Konzepte keineswegs exklusiv theologisch grundiert, die philosophische Tradition benötigt nicht notwendig eine theologische Begründung. Unabhängig davon sind die Konzepte jedoch verkürzt verstanden, wenn ihre theologischen Wurzeln nicht im Blick sind. Es ist hier nicht der Ort, dies für die in der Medienethik etablierten Termini ausführlich aufzuzeigen. Ich verweise nur knapp auf einige dazu vorliegende Beiträge: In der Medienethik werden theologische Beiträge häufig in ihrer normativen Funktion wahrgenommen. So erscheint der Begriff der Verantwortung bei Rüdiger Funiok als Leitbegriff einer gleichermaßen theologisch wie philosophisch instruierten Medienethik (vgl. Funiok 2007). Johanna Haberer akzentuiert in ihren Überlegungen den Begriff der Freiheit auf dem Hintergrund der reformatorischen Aufbrüche hinsichtlich der Medien als Instrumenten der Freiheit (vgl. Haberer 2016: 35ff.) An anderer Stelle plädiert sie mit Roland Rosenstock in der biblischen Perspektive des Schalom dafür, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeit als Kenn2 Vgl. Boventer 1984; zu Schibilsky: Rosenstock 2006. 3 Vgl. zu den institutionellen Beiträgen: Wunden 2001. 4 www.theologie.fau.de/institut-pt-landing/professur-fuer-christliche-publizistik. (Abruf 26.8.2019). Thomas Zeilinger 294 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. zeichen einer „Medienethik aus christlich-jüdischer Perspektive“ zu sehen (Haberer/Rosenstock 2010: 120f.). Jüngst hat Gotlind Ulshöfer die Begriffe von Wahrheit und Wahrhaftigkeit in ihrer Relevanz für die aktuellen Diskurse um Wahrheit und Täuschung hervorgehoben (vgl. Ulshöfer 2018). Der theologische Beitrag wäre freilich seiner Pointe beraubt, würde er ausschließlich normativ entfaltet oder gesehen. Ein Beitrag der Theologie zu einer Medienethik im digitalen Zeitalter versteht sich vielmehr auch als hermeneutisches Konzept, das zu einem zeitgemäßen Weltund Selbstverständnis beiträgt. Insofern es mit der Ethik um ein orientierendes Verstehen geht, ist die Ethik stets komplementär an anthropologische und kosmologische Perspektiven gewiesen. Gerade theologische Impulse für die Medienethik können dabei an vorliegende hermeneutische Beiträge anknüpfen: Auf die konstitutive Interaktion von Religion und Medien weisen die mediengeschichtlichen und medienwissenschaftlichen Analysen von Jochen Hörisch ebenso hin wie die praktisch-theologischen Beiträge von Wilhelm Gräb (z.B. Hörisch 2004; Gräb 2002). Aber auch die Hinweise von Alexander Filipović zur medienethischen Relevanz von Beteiligungsgerechtigkeit im Horizont öffentlicher Kommunikation einer Wissensgesellschaft bergen eine die normativen Horizonte überschreitende hermeneutische Dimension (vgl. Filipović 2007: 170ff.). In praktisch-theologischer Perspektive hat jüngst Horst Gorski vorgeschlagen, die Lehre vom Heiligen Geist für das digitale Zeitalter neu zu bedenken, seien in ihr doch Wirksamkeit und Entzogenheit, Individualität und Gemeinschaft, Präsenz und Distanz, Virtualität und Realität gemeinsam gedacht und aufeinander bezogen (vgl. Gorski 2018). Diese Spur werden die folgenden Überlegungen aufnehmen. Die Kultur der Digitalität als Signatur der Gegenwart Wie im Untertitel formuliert, versuche ich mit diesem Beitrag, theologische Impulse für eine \"Kultur der Digitalität\" zu geben. – Der Schweizer Kulturund Medienwissenschaftler Felix Stalder hat in seinem gleichnamigen Buch den grundlegenden Wandel kultureller Ordnungen beschrieben, der mit dem Prozess der Digitalisierung einhergeht (Stalder 2016). Er sieht drei kulturelle Formen der Digitalität am Werk, „die trotz der verwirrenden Vielfalt an Bestrebungen, Konflikten und Widersprüchen dieser kulturellen Umwelt als Ganze ihre spezifische Gestalt verleihen: Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität.“ (ebd.: 95) Die im Hyperlink ihren symbolischen Ausdruck findende Referentialität ermöglicht es den Individuen, sich selbst nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Pro2. Die Medienethik und der Heilige Geist. 295 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. duzenten in kulturellen Prozessen zu beteiligen. Globale und jederzeitige Kommunikation ermöglicht Ausdruck und Beteiligung, produziert zugleich jedoch eine in allen Bereichen der Kultur zu beobachtende Unordnung. Beheimatung in temporären und freiwillig gewählten Gemeinschaften ist das zweite von Stalder konstatierte Merkmal der Kultur der Digitalität. Netzwerkdynamiken konfigurieren die Pole von Freiwilligkeit und Zwang, Autonomie und Fremdbestimmung in neuer Weise. Möglich wird diese neue Konfiguration ihrerseits überhaupt nur durch technische Verfahren automatisierter Entscheidungen. Erst durch die Algorithmizität wird die von Maschinen produzierte Datenfülle zu einer für die menschliche Wahrnehmung zugänglichen Information: „Angesichts der von Menschen und Maschinen generierten riesigen Datenmengen wären wir ohne Algorithmen blind.“ (ebd.: 13).5 Stalder sieht zwei mögliche Ausgänge der sich abzeichnenden Kultur der Digitalität, die er mit den Stichworten „Postdemokratie“ und „Commons“ bezeichnet: Die Entwicklungslinie hin zur Postdemokratie schaffe eine im Kern autoritäre Gesellschaft, in der die Menschen zwar an der Oberfläche eine kulturell reiches und selbstverantwortliches Leben führen, jedoch die politischen und ökonomischen Strukturen unter denen dies passiert, kaum mehr beeinflussen könnten. Demgegenüber stehe die Entwicklungslinie zu den Commons (vgl. Creative Commons usw.), die eine Erneuerung der Demokratie verheiße, „aufbauend auf Institutionen jenseits von Markt und Staat“ (ebd.: 280). Durch datenintensive Beteiligungsverfahren werde eine neue Verbindung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen des Alltags möglich. So zeige sich, dass die Zukunft nicht alternativlos auf einen Ausgang festgelegt, sondern offen sei: „Unser Handeln bestimmt, ob wir in einer postdemokratischen Welt der Überwachung und der Wissensmonopole oder in einer Kultur der Commons und der Partizipation leben werden.“ (ebd.: Klappentext) Welchen Beitrag kann und soll nun eine Theologie des Heiligen Geistes zu dem mit der digitalen Welt einhergehenden Kulturwandel beisteuern? 5 Vgl. hierzu auch den Hinweis von Andreas Hepp: „Medien sind zunehmend nicht einfach ‚nur‘ Mittel der Kommunikation mit anderen Menschen. In dem Moment, in dem diese Medien dig","PeriodicalId":431613,"journal":{"name":"Kommunikations- und Medienethik reloaded?","volume":"48 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-10-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Die Medienethik und der Heilige Geist. Theologische Impulse für eine Kultur der Digitalität\",\"authors\":\"T. Zeilinger\",\"doi\":\"10.5771/9783748905158-291\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Ausgehend von einer kurzen Skizze theologischer Beiträge zur deutschsprachigen Medienethik wird die Leistungskraft der Rede vom Heiligen Geist für ein interdisziplinäres Verständnis des digitalen Wandels und die sich entwickelnde Kultur der Digitalität erkundet. 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Personen – Orte – Konzepte: Der historische Beitrag der Theologie zur deutschsprachigen Medienethik Am Anfang steht die historische Perspektive: Was hat die Theologie zur Entwicklung der Medienethik beigetragen und wie hat sie dies getan? Meine These hierzu schlägt einen ersten Bogen von der Medienethik zum Heiligen Geist und lautet: Ohne das Kraftfeld des Heiligen Geistes wäre die Geschichte der deutschsprachigen Medienethik nur unvollständig begrif1. 1 Antrittsvorlesung als apl. Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 19. Juli 2019. Eine Vorfassung des Beitrags wurde im Februar vorgetragen auf der Jahrestagung „Kommunikationsund Medienethik – reloaded“ in Köln. 293 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. fen. Institutionen, Personen und Konzepte lassen sich zwar unterscheiden, aber nicht voneinander trennen. Wenn man auf die jüngere Geschichte der Medienethik im deutschsprachigen Raum blickt, hängt das eine mit dem anderen eng zusammen. Gleich ob man auf die handelnden Personen, die diskutierten Konzepte oder die Orte des Geschehens blickt: Theologie und Kirche waren auf jeden Fall vielfach beteiligt, als die Medienethik aus der Taufe gehoben wurde. Ohne die Beiträge von Publizisten wie Hermann Boventer oder Michael Schibilsky,2 ohne die Verankerung des Netzwerks Medienethik an der Hochschule für Philosophie des Jesuitenordens in München mit der Person Rüdiger Funioks oder die Beiträge des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik in den Anfangsjahren des Netzwerks gäbe es die Medienethik so wie wir sie kennen wohl nicht.3 Aus Erlanger Sicht sind dabei die Abteilung Christliche Publizistik am Fachbereich Theologie der Philosophischen Fakultät der FriedrichAlexander-Universität und die Person von Johanna Haberer eigens zu nennen.4 Der theologische Bezug gilt dabei nicht nur für die Orte und Personen, sondern auch für die konzeptionellen Grundlagen. Besonders deutlich scheint dies bei den Begriffen von Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit: Natürlich sind diese Begriffe und Konzepte keineswegs exklusiv theologisch grundiert, die philosophische Tradition benötigt nicht notwendig eine theologische Begründung. Unabhängig davon sind die Konzepte jedoch verkürzt verstanden, wenn ihre theologischen Wurzeln nicht im Blick sind. Es ist hier nicht der Ort, dies für die in der Medienethik etablierten Termini ausführlich aufzuzeigen. Ich verweise nur knapp auf einige dazu vorliegende Beiträge: In der Medienethik werden theologische Beiträge häufig in ihrer normativen Funktion wahrgenommen. So erscheint der Begriff der Verantwortung bei Rüdiger Funiok als Leitbegriff einer gleichermaßen theologisch wie philosophisch instruierten Medienethik (vgl. Funiok 2007). Johanna Haberer akzentuiert in ihren Überlegungen den Begriff der Freiheit auf dem Hintergrund der reformatorischen Aufbrüche hinsichtlich der Medien als Instrumenten der Freiheit (vgl. Haberer 2016: 35ff.) An anderer Stelle plädiert sie mit Roland Rosenstock in der biblischen Perspektive des Schalom dafür, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeit als Kenn2 Vgl. Boventer 1984; zu Schibilsky: Rosenstock 2006. 3 Vgl. zu den institutionellen Beiträgen: Wunden 2001. 4 www.theologie.fau.de/institut-pt-landing/professur-fuer-christliche-publizistik. (Abruf 26.8.2019). Thomas Zeilinger 294 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. zeichen einer „Medienethik aus christlich-jüdischer Perspektive“ zu sehen (Haberer/Rosenstock 2010: 120f.). Jüngst hat Gotlind Ulshöfer die Begriffe von Wahrheit und Wahrhaftigkeit in ihrer Relevanz für die aktuellen Diskurse um Wahrheit und Täuschung hervorgehoben (vgl. Ulshöfer 2018). Der theologische Beitrag wäre freilich seiner Pointe beraubt, würde er ausschließlich normativ entfaltet oder gesehen. Ein Beitrag der Theologie zu einer Medienethik im digitalen Zeitalter versteht sich vielmehr auch als hermeneutisches Konzept, das zu einem zeitgemäßen Weltund Selbstverständnis beiträgt. Insofern es mit der Ethik um ein orientierendes Verstehen geht, ist die Ethik stets komplementär an anthropologische und kosmologische Perspektiven gewiesen. Gerade theologische Impulse für die Medienethik können dabei an vorliegende hermeneutische Beiträge anknüpfen: Auf die konstitutive Interaktion von Religion und Medien weisen die mediengeschichtlichen und medienwissenschaftlichen Analysen von Jochen Hörisch ebenso hin wie die praktisch-theologischen Beiträge von Wilhelm Gräb (z.B. Hörisch 2004; Gräb 2002). Aber auch die Hinweise von Alexander Filipović zur medienethischen Relevanz von Beteiligungsgerechtigkeit im Horizont öffentlicher Kommunikation einer Wissensgesellschaft bergen eine die normativen Horizonte überschreitende hermeneutische Dimension (vgl. Filipović 2007: 170ff.). In praktisch-theologischer Perspektive hat jüngst Horst Gorski vorgeschlagen, die Lehre vom Heiligen Geist für das digitale Zeitalter neu zu bedenken, seien in ihr doch Wirksamkeit und Entzogenheit, Individualität und Gemeinschaft, Präsenz und Distanz, Virtualität und Realität gemeinsam gedacht und aufeinander bezogen (vgl. Gorski 2018). Diese Spur werden die folgenden Überlegungen aufnehmen. Die Kultur der Digitalität als Signatur der Gegenwart Wie im Untertitel formuliert, versuche ich mit diesem Beitrag, theologische Impulse für eine \\\"Kultur der Digitalität\\\" zu geben. – Der Schweizer Kulturund Medienwissenschaftler Felix Stalder hat in seinem gleichnamigen Buch den grundlegenden Wandel kultureller Ordnungen beschrieben, der mit dem Prozess der Digitalisierung einhergeht (Stalder 2016). Er sieht drei kulturelle Formen der Digitalität am Werk, „die trotz der verwirrenden Vielfalt an Bestrebungen, Konflikten und Widersprüchen dieser kulturellen Umwelt als Ganze ihre spezifische Gestalt verleihen: Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität.“ (ebd.: 95) Die im Hyperlink ihren symbolischen Ausdruck findende Referentialität ermöglicht es den Individuen, sich selbst nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Pro2. Die Medienethik und der Heilige Geist. 295 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. duzenten in kulturellen Prozessen zu beteiligen. Globale und jederzeitige Kommunikation ermöglicht Ausdruck und Beteiligung, produziert zugleich jedoch eine in allen Bereichen der Kultur zu beobachtende Unordnung. Beheimatung in temporären und freiwillig gewählten Gemeinschaften ist das zweite von Stalder konstatierte Merkmal der Kultur der Digitalität. Netzwerkdynamiken konfigurieren die Pole von Freiwilligkeit und Zwang, Autonomie und Fremdbestimmung in neuer Weise. Möglich wird diese neue Konfiguration ihrerseits überhaupt nur durch technische Verfahren automatisierter Entscheidungen. Erst durch die Algorithmizität wird die von Maschinen produzierte Datenfülle zu einer für die menschliche Wahrnehmung zugänglichen Information: „Angesichts der von Menschen und Maschinen generierten riesigen Datenmengen wären wir ohne Algorithmen blind.“ (ebd.: 13).5 Stalder sieht zwei mögliche Ausgänge der sich abzeichnenden Kultur der Digitalität, die er mit den Stichworten „Postdemokratie“ und „Commons“ bezeichnet: Die Entwicklungslinie hin zur Postdemokratie schaffe eine im Kern autoritäre Gesellschaft, in der die Menschen zwar an der Oberfläche eine kulturell reiches und selbstverantwortliches Leben führen, jedoch die politischen und ökonomischen Strukturen unter denen dies passiert, kaum mehr beeinflussen könnten. Demgegenüber stehe die Entwicklungslinie zu den Commons (vgl. Creative Commons usw.), die eine Erneuerung der Demokratie verheiße, „aufbauend auf Institutionen jenseits von Markt und Staat“ (ebd.: 280). Durch datenintensive Beteiligungsverfahren werde eine neue Verbindung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen des Alltags möglich. So zeige sich, dass die Zukunft nicht alternativlos auf einen Ausgang festgelegt, sondern offen sei: „Unser Handeln bestimmt, ob wir in einer postdemokratischen Welt der Überwachung und der Wissensmonopole oder in einer Kultur der Commons und der Partizipation leben werden.“ (ebd.: Klappentext) Welchen Beitrag kann und soll nun eine Theologie des Heiligen Geistes zu dem mit der digitalen Welt einhergehenden Kulturwandel beisteuern? 5 Vgl. hierzu auch den Hinweis von Andreas Hepp: „Medien sind zunehmend nicht einfach ‚nur‘ Mittel der Kommunikation mit anderen Menschen. 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Die Medienethik und der Heilige Geist. Theologische Impulse für eine Kultur der Digitalität
Ausgehend von einer kurzen Skizze theologischer Beiträge zur deutschsprachigen Medienethik wird die Leistungskraft der Rede vom Heiligen Geist für ein interdisziplinäres Verständnis des digitalen Wandels und die sich entwickelnde Kultur der Digitalität erkundet. An ausgewählten Beispielen beschreibt der Beitrag das Miteinander von institutionellen, personellen und konzeptionellen Impulsen der Theologie – katholisch wie evangelisch – für die Entwicklung der Medienethik. Dabei kommen normative und hermeneutische Verständnisse der Ethik in den Blick. Vor dem Hintergrund der mit Felix Stalder und Dirk Baecker skizzierten Kultur der Digitalität entwickelt der Autor die von Helmut Gorski formulierte These der Relevanz der christlichen Rede vom Heiligen Geist für die digitale Gegenwart weiter. Unter Rückgriff auf medientheoretische und ethische Arbeiten der Theologen Philipp Stoellger und Johannes Fischer werden zehn Impulse zehn Impulse der Rede vom Heiligen Geist für Medien, Religion und Kultur in digitalen Zeiten entfaltet. Die Figur des Heiligen Geistes impliziert dabei sowohl kritische wie konstruktive Potentiale für eine der dynamischen Realität des digitalen Zeitalters angemessene Medienethik. Personen – Orte – Konzepte: Der historische Beitrag der Theologie zur deutschsprachigen Medienethik Am Anfang steht die historische Perspektive: Was hat die Theologie zur Entwicklung der Medienethik beigetragen und wie hat sie dies getan? Meine These hierzu schlägt einen ersten Bogen von der Medienethik zum Heiligen Geist und lautet: Ohne das Kraftfeld des Heiligen Geistes wäre die Geschichte der deutschsprachigen Medienethik nur unvollständig begrif1. 1 Antrittsvorlesung als apl. Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 19. Juli 2019. Eine Vorfassung des Beitrags wurde im Februar vorgetragen auf der Jahrestagung „Kommunikationsund Medienethik – reloaded“ in Köln. 293 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. fen. Institutionen, Personen und Konzepte lassen sich zwar unterscheiden, aber nicht voneinander trennen. Wenn man auf die jüngere Geschichte der Medienethik im deutschsprachigen Raum blickt, hängt das eine mit dem anderen eng zusammen. Gleich ob man auf die handelnden Personen, die diskutierten Konzepte oder die Orte des Geschehens blickt: Theologie und Kirche waren auf jeden Fall vielfach beteiligt, als die Medienethik aus der Taufe gehoben wurde. Ohne die Beiträge von Publizisten wie Hermann Boventer oder Michael Schibilsky,2 ohne die Verankerung des Netzwerks Medienethik an der Hochschule für Philosophie des Jesuitenordens in München mit der Person Rüdiger Funioks oder die Beiträge des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik in den Anfangsjahren des Netzwerks gäbe es die Medienethik so wie wir sie kennen wohl nicht.3 Aus Erlanger Sicht sind dabei die Abteilung Christliche Publizistik am Fachbereich Theologie der Philosophischen Fakultät der FriedrichAlexander-Universität und die Person von Johanna Haberer eigens zu nennen.4 Der theologische Bezug gilt dabei nicht nur für die Orte und Personen, sondern auch für die konzeptionellen Grundlagen. Besonders deutlich scheint dies bei den Begriffen von Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit: Natürlich sind diese Begriffe und Konzepte keineswegs exklusiv theologisch grundiert, die philosophische Tradition benötigt nicht notwendig eine theologische Begründung. Unabhängig davon sind die Konzepte jedoch verkürzt verstanden, wenn ihre theologischen Wurzeln nicht im Blick sind. Es ist hier nicht der Ort, dies für die in der Medienethik etablierten Termini ausführlich aufzuzeigen. Ich verweise nur knapp auf einige dazu vorliegende Beiträge: In der Medienethik werden theologische Beiträge häufig in ihrer normativen Funktion wahrgenommen. So erscheint der Begriff der Verantwortung bei Rüdiger Funiok als Leitbegriff einer gleichermaßen theologisch wie philosophisch instruierten Medienethik (vgl. Funiok 2007). Johanna Haberer akzentuiert in ihren Überlegungen den Begriff der Freiheit auf dem Hintergrund der reformatorischen Aufbrüche hinsichtlich der Medien als Instrumenten der Freiheit (vgl. Haberer 2016: 35ff.) An anderer Stelle plädiert sie mit Roland Rosenstock in der biblischen Perspektive des Schalom dafür, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeit als Kenn2 Vgl. Boventer 1984; zu Schibilsky: Rosenstock 2006. 3 Vgl. zu den institutionellen Beiträgen: Wunden 2001. 4 www.theologie.fau.de/institut-pt-landing/professur-fuer-christliche-publizistik. (Abruf 26.8.2019). Thomas Zeilinger 294 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. zeichen einer „Medienethik aus christlich-jüdischer Perspektive“ zu sehen (Haberer/Rosenstock 2010: 120f.). Jüngst hat Gotlind Ulshöfer die Begriffe von Wahrheit und Wahrhaftigkeit in ihrer Relevanz für die aktuellen Diskurse um Wahrheit und Täuschung hervorgehoben (vgl. Ulshöfer 2018). Der theologische Beitrag wäre freilich seiner Pointe beraubt, würde er ausschließlich normativ entfaltet oder gesehen. Ein Beitrag der Theologie zu einer Medienethik im digitalen Zeitalter versteht sich vielmehr auch als hermeneutisches Konzept, das zu einem zeitgemäßen Weltund Selbstverständnis beiträgt. Insofern es mit der Ethik um ein orientierendes Verstehen geht, ist die Ethik stets komplementär an anthropologische und kosmologische Perspektiven gewiesen. Gerade theologische Impulse für die Medienethik können dabei an vorliegende hermeneutische Beiträge anknüpfen: Auf die konstitutive Interaktion von Religion und Medien weisen die mediengeschichtlichen und medienwissenschaftlichen Analysen von Jochen Hörisch ebenso hin wie die praktisch-theologischen Beiträge von Wilhelm Gräb (z.B. Hörisch 2004; Gräb 2002). Aber auch die Hinweise von Alexander Filipović zur medienethischen Relevanz von Beteiligungsgerechtigkeit im Horizont öffentlicher Kommunikation einer Wissensgesellschaft bergen eine die normativen Horizonte überschreitende hermeneutische Dimension (vgl. Filipović 2007: 170ff.). In praktisch-theologischer Perspektive hat jüngst Horst Gorski vorgeschlagen, die Lehre vom Heiligen Geist für das digitale Zeitalter neu zu bedenken, seien in ihr doch Wirksamkeit und Entzogenheit, Individualität und Gemeinschaft, Präsenz und Distanz, Virtualität und Realität gemeinsam gedacht und aufeinander bezogen (vgl. Gorski 2018). Diese Spur werden die folgenden Überlegungen aufnehmen. Die Kultur der Digitalität als Signatur der Gegenwart Wie im Untertitel formuliert, versuche ich mit diesem Beitrag, theologische Impulse für eine "Kultur der Digitalität" zu geben. – Der Schweizer Kulturund Medienwissenschaftler Felix Stalder hat in seinem gleichnamigen Buch den grundlegenden Wandel kultureller Ordnungen beschrieben, der mit dem Prozess der Digitalisierung einhergeht (Stalder 2016). Er sieht drei kulturelle Formen der Digitalität am Werk, „die trotz der verwirrenden Vielfalt an Bestrebungen, Konflikten und Widersprüchen dieser kulturellen Umwelt als Ganze ihre spezifische Gestalt verleihen: Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität.“ (ebd.: 95) Die im Hyperlink ihren symbolischen Ausdruck findende Referentialität ermöglicht es den Individuen, sich selbst nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Pro2. Die Medienethik und der Heilige Geist. 295 https://doi.org/10.5771/9783748905158-291 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 09.12.2020, 13:41:35. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. duzenten in kulturellen Prozessen zu beteiligen. Globale und jederzeitige Kommunikation ermöglicht Ausdruck und Beteiligung, produziert zugleich jedoch eine in allen Bereichen der Kultur zu beobachtende Unordnung. Beheimatung in temporären und freiwillig gewählten Gemeinschaften ist das zweite von Stalder konstatierte Merkmal der Kultur der Digitalität. Netzwerkdynamiken konfigurieren die Pole von Freiwilligkeit und Zwang, Autonomie und Fremdbestimmung in neuer Weise. Möglich wird diese neue Konfiguration ihrerseits überhaupt nur durch technische Verfahren automatisierter Entscheidungen. Erst durch die Algorithmizität wird die von Maschinen produzierte Datenfülle zu einer für die menschliche Wahrnehmung zugänglichen Information: „Angesichts der von Menschen und Maschinen generierten riesigen Datenmengen wären wir ohne Algorithmen blind.“ (ebd.: 13).5 Stalder sieht zwei mögliche Ausgänge der sich abzeichnenden Kultur der Digitalität, die er mit den Stichworten „Postdemokratie“ und „Commons“ bezeichnet: Die Entwicklungslinie hin zur Postdemokratie schaffe eine im Kern autoritäre Gesellschaft, in der die Menschen zwar an der Oberfläche eine kulturell reiches und selbstverantwortliches Leben führen, jedoch die politischen und ökonomischen Strukturen unter denen dies passiert, kaum mehr beeinflussen könnten. Demgegenüber stehe die Entwicklungslinie zu den Commons (vgl. Creative Commons usw.), die eine Erneuerung der Demokratie verheiße, „aufbauend auf Institutionen jenseits von Markt und Staat“ (ebd.: 280). Durch datenintensive Beteiligungsverfahren werde eine neue Verbindung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen des Alltags möglich. So zeige sich, dass die Zukunft nicht alternativlos auf einen Ausgang festgelegt, sondern offen sei: „Unser Handeln bestimmt, ob wir in einer postdemokratischen Welt der Überwachung und der Wissensmonopole oder in einer Kultur der Commons und der Partizipation leben werden.“ (ebd.: Klappentext) Welchen Beitrag kann und soll nun eine Theologie des Heiligen Geistes zu dem mit der digitalen Welt einhergehenden Kulturwandel beisteuern? 5 Vgl. hierzu auch den Hinweis von Andreas Hepp: „Medien sind zunehmend nicht einfach ‚nur‘ Mittel der Kommunikation mit anderen Menschen. In dem Moment, in dem diese Medien dig