{"title":"»的心理学——这一科学的Weltbezugs«?","authors":"Gerhard Benetka, T. Slunecko","doi":"10.30820/0942-2285-2023-1-38","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Davon ausgehend, dass die psychologische Forschung nur wenig alltagstaugliches Wissen hervorzubringen vermag, wird im ersten Teil des Textes das naturwissenschaftliche Selbstverständnis des Faches einer prinzipiellen Kritik unterzogen: Weil das Weltbild der Naturwissenschaften letztlich auf der Abstraktion von personalen Bezügen basiert, entstehen für eine sich als Naturwissenschaft verstehende Psychologie notwendigerweise Schwierigkeiten, sinnstrukturiertes Alltagshandeln adäquat zu erfassen. Dies wird in der Folge erkenntnistheoretisch argumentiert. Mit der Durchsetzung des naturwissenschaftlichen Weltbilds geht die Durchsetzung einer Erkenntnistheorie einher, die wir mit Dreyfus und Taylor als vermittlungsgebunden bezeichnen: Die physikalische Welt wird erkannt, indem wir sie mental repräsentieren. In der Folge wird gezeigt, dass und wie die gegenwärtig das Fach dominierende kognitiv-neurowissenschaftliche Psychologie sich diesem epistemologischen und ontologischen Dualismus verbunden hat. Gegen diese epistemologischen Vorannahmen der Mainstream-Psychologie wird mit Bezug auf Heidegger und Merleau-Ponty für ein nicht-dualistisches Grundverständnis plädiert, das von einer unmittelbaren Eingebundenheit der Menschen in die Welt, in der sie »leben, weben und sind«, ausgeht. Am Schluss wird eine Art Synthese angedeutet: Der Repräsentationalismus ist zur Beschreibung von Situationen geeignet, bei denen wir uns angesichts von Störungen aus unserer Alltagsverhaftetheit, aus einem ursprünglichen Engagiert-Sein mit der Welt lösen und unser Verhältnis zur Welt neu adjustieren. Die Reflexion dieses Vorgangs vermag die lebensweltlichen Voraussetzungen unserer alltäglichen Handlungsvollzüge sichtbar zu machen – ohne dabei jedoch den gestörten Weltbezug epistemologisch auf Dauer stellen zu müssen.","PeriodicalId":246367,"journal":{"name":"Journal für Psychologie","volume":"57 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2023-07-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Psychologie – eine Wissenschaft des »gestörten Weltbezugs«?\",\"authors\":\"Gerhard Benetka, T. 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Psychologie – eine Wissenschaft des »gestörten Weltbezugs«?
Davon ausgehend, dass die psychologische Forschung nur wenig alltagstaugliches Wissen hervorzubringen vermag, wird im ersten Teil des Textes das naturwissenschaftliche Selbstverständnis des Faches einer prinzipiellen Kritik unterzogen: Weil das Weltbild der Naturwissenschaften letztlich auf der Abstraktion von personalen Bezügen basiert, entstehen für eine sich als Naturwissenschaft verstehende Psychologie notwendigerweise Schwierigkeiten, sinnstrukturiertes Alltagshandeln adäquat zu erfassen. Dies wird in der Folge erkenntnistheoretisch argumentiert. Mit der Durchsetzung des naturwissenschaftlichen Weltbilds geht die Durchsetzung einer Erkenntnistheorie einher, die wir mit Dreyfus und Taylor als vermittlungsgebunden bezeichnen: Die physikalische Welt wird erkannt, indem wir sie mental repräsentieren. In der Folge wird gezeigt, dass und wie die gegenwärtig das Fach dominierende kognitiv-neurowissenschaftliche Psychologie sich diesem epistemologischen und ontologischen Dualismus verbunden hat. Gegen diese epistemologischen Vorannahmen der Mainstream-Psychologie wird mit Bezug auf Heidegger und Merleau-Ponty für ein nicht-dualistisches Grundverständnis plädiert, das von einer unmittelbaren Eingebundenheit der Menschen in die Welt, in der sie »leben, weben und sind«, ausgeht. Am Schluss wird eine Art Synthese angedeutet: Der Repräsentationalismus ist zur Beschreibung von Situationen geeignet, bei denen wir uns angesichts von Störungen aus unserer Alltagsverhaftetheit, aus einem ursprünglichen Engagiert-Sein mit der Welt lösen und unser Verhältnis zur Welt neu adjustieren. Die Reflexion dieses Vorgangs vermag die lebensweltlichen Voraussetzungen unserer alltäglichen Handlungsvollzüge sichtbar zu machen – ohne dabei jedoch den gestörten Weltbezug epistemologisch auf Dauer stellen zu müssen.