{"title":"口技比赛靠说话","authors":"P. Knopp","doi":"10.1515/9783110586770-009","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Bauchreden hat eine lange Tradition und wird bereits aus der antiken Welt berichtet. Es wird vermutet, dass Orakel und Priester diese Form der Sprachproduktion nutzten, um Äußerungen zu generieren, die Göttern und Geistern zugeschrieben werden sollten. In den Schriften von Hippocrates, Plato und Plutarch finden sich bereits Hinweise auf diese als Gastromantie bezeichnete Anwendung des Bauchredens (Vox 1993: 18–21). Andere Quellen beobachten Vergleichbares in Kulturen der Inuit, Zulu sowie in Guinea und auf den Fidschi-Inseln. Im Mittelalter wird Bauchreden oft mit Hexerei und Besessenheit in Verbindung gebracht. Ab dem 18. Jahrhundert entwickelt sich dann das Bauchreden als Unterhaltungsform und wird in zunehmend größeren Rahmen dargeboten. Heute sind Bauchredner wie Sascha Grammel, Benjamin Tomkins oder Jörg Jará regelmäßig im Fernsehen (z. B. Quatsch Comedy Club, SWR Spätschicht, NDR Intensiv Station), auf ihren eigenen Tourneen und im Internet zu sehen. Frühe Formen des kabarettistischen Bauchredens arbeiten dabei ohne Puppen und schaffen die Illusion eines weiteren Sprechers an entfernten und „unsichtbaren“ Orten. Die vermeintlichen Sprecher waren z. B. der Schornsteinfeger im Kamin oder eine SprecherIn im Publikum, unter der Bühne oder in einer Kiste. Diese heute wenig verbreitete Form wird als distant voice ventriloquism bezeichnet (Vox 1993). Heutzutage ist der Ort der vorgeblichen Sprachproduktion in der Regel eine Handpuppe, die von der BauchrednerIn gesteuert wird und mit der sie interagiert. Diese Variante des Bauchredens wird als near ventriloquism bezeichnet (Vox 1993). Beiden Formen ist gemein, dass die BauchrednerInnenstimme ein deutlich anderes sprechsprachliches Profil aufweisen muss als die SprecherIn, um die Illusion mehrerer SprecherInnen zu erzeugen.","PeriodicalId":300405,"journal":{"name":"Sprach-Spiel-Kunst","volume":"5 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-01-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Bauchreden – das Spiel mit dem Sprechen\",\"authors\":\"P. Knopp\",\"doi\":\"10.1515/9783110586770-009\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Bauchreden hat eine lange Tradition und wird bereits aus der antiken Welt berichtet. Es wird vermutet, dass Orakel und Priester diese Form der Sprachproduktion nutzten, um Äußerungen zu generieren, die Göttern und Geistern zugeschrieben werden sollten. In den Schriften von Hippocrates, Plato und Plutarch finden sich bereits Hinweise auf diese als Gastromantie bezeichnete Anwendung des Bauchredens (Vox 1993: 18–21). Andere Quellen beobachten Vergleichbares in Kulturen der Inuit, Zulu sowie in Guinea und auf den Fidschi-Inseln. Im Mittelalter wird Bauchreden oft mit Hexerei und Besessenheit in Verbindung gebracht. Ab dem 18. Jahrhundert entwickelt sich dann das Bauchreden als Unterhaltungsform und wird in zunehmend größeren Rahmen dargeboten. Heute sind Bauchredner wie Sascha Grammel, Benjamin Tomkins oder Jörg Jará regelmäßig im Fernsehen (z. B. Quatsch Comedy Club, SWR Spätschicht, NDR Intensiv Station), auf ihren eigenen Tourneen und im Internet zu sehen. Frühe Formen des kabarettistischen Bauchredens arbeiten dabei ohne Puppen und schaffen die Illusion eines weiteren Sprechers an entfernten und „unsichtbaren“ Orten. Die vermeintlichen Sprecher waren z. B. der Schornsteinfeger im Kamin oder eine SprecherIn im Publikum, unter der Bühne oder in einer Kiste. Diese heute wenig verbreitete Form wird als distant voice ventriloquism bezeichnet (Vox 1993). Heutzutage ist der Ort der vorgeblichen Sprachproduktion in der Regel eine Handpuppe, die von der BauchrednerIn gesteuert wird und mit der sie interagiert. Diese Variante des Bauchredens wird als near ventriloquism bezeichnet (Vox 1993). Beiden Formen ist gemein, dass die BauchrednerInnenstimme ein deutlich anderes sprechsprachliches Profil aufweisen muss als die SprecherIn, um die Illusion mehrerer SprecherInnen zu erzeugen.\",\"PeriodicalId\":300405,\"journal\":{\"name\":\"Sprach-Spiel-Kunst\",\"volume\":\"5 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2019-01-14\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Sprach-Spiel-Kunst\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.1515/9783110586770-009\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Sprach-Spiel-Kunst","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110586770-009","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Bauchreden hat eine lange Tradition und wird bereits aus der antiken Welt berichtet. Es wird vermutet, dass Orakel und Priester diese Form der Sprachproduktion nutzten, um Äußerungen zu generieren, die Göttern und Geistern zugeschrieben werden sollten. In den Schriften von Hippocrates, Plato und Plutarch finden sich bereits Hinweise auf diese als Gastromantie bezeichnete Anwendung des Bauchredens (Vox 1993: 18–21). Andere Quellen beobachten Vergleichbares in Kulturen der Inuit, Zulu sowie in Guinea und auf den Fidschi-Inseln. Im Mittelalter wird Bauchreden oft mit Hexerei und Besessenheit in Verbindung gebracht. Ab dem 18. Jahrhundert entwickelt sich dann das Bauchreden als Unterhaltungsform und wird in zunehmend größeren Rahmen dargeboten. Heute sind Bauchredner wie Sascha Grammel, Benjamin Tomkins oder Jörg Jará regelmäßig im Fernsehen (z. B. Quatsch Comedy Club, SWR Spätschicht, NDR Intensiv Station), auf ihren eigenen Tourneen und im Internet zu sehen. Frühe Formen des kabarettistischen Bauchredens arbeiten dabei ohne Puppen und schaffen die Illusion eines weiteren Sprechers an entfernten und „unsichtbaren“ Orten. Die vermeintlichen Sprecher waren z. B. der Schornsteinfeger im Kamin oder eine SprecherIn im Publikum, unter der Bühne oder in einer Kiste. Diese heute wenig verbreitete Form wird als distant voice ventriloquism bezeichnet (Vox 1993). Heutzutage ist der Ort der vorgeblichen Sprachproduktion in der Regel eine Handpuppe, die von der BauchrednerIn gesteuert wird und mit der sie interagiert. Diese Variante des Bauchredens wird als near ventriloquism bezeichnet (Vox 1993). Beiden Formen ist gemein, dass die BauchrednerInnenstimme ein deutlich anderes sprechsprachliches Profil aufweisen muss als die SprecherIn, um die Illusion mehrerer SprecherInnen zu erzeugen.