{"title":"东方和西方的宗教原教旨主义:宗教身份政治及其与民主的关系","authors":"Georg Stauth","doi":"10.14361/9783839400470-006","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"I Das Phänomen »Fundamentalismus« ist mit dem modernen Schicksal der Weltreligionen auf das engste verknüpft. Re-Ideologisierung und -Politisierung der Religion spiegeln ein ungelöstes Problem der Moderne wider, das selbst der »neuen Linken« wieder zum Thema wurde: die »politische Theologie« (Telos 1987). Denn auch in der säkularen, modernen Demokratie können Politik und Wissenschaft nicht gänzlich des religiösen Kerns entkleidet werden, mit dem einst ihre besondere Stellung im Wesen des modernen Nationalstaats begründet wurde. Fundamentalismus ist auch Ausdruck der Globalisierung dieses Widerspruchs. Es ist dies in einen noch breiteren Rahmen zu stellen. Selbst wenn wir sie uns ohne den christlich-abendländischen Hintergrund denken, so sind die Dynamiken, die heute »Weltgesellschaft« formen, doch auf jenes soziale Segment der Aufklärung zurückzuführen, das sich unter der Prämisse der allgemeinen Gleichheit der menschlichen Natur und der Ziele des Menschen bildete und seither paradoxerweise kontinuierlich die Vielfalt partikularer Ausformungen von Kultur und Gesellschaft auch in der nicht-westlichen Welt weiterentwickelte. Die konventionelle Soziologie, die Gesellschaft als nationalstaatliche soziale Ordnung versteht, tut sich schwer, globale Ordnungsprobleme und Gesellschafts-Dynamiken zu erfassen. Im allgemeinen herrscht in den herkömmlichen Sozialwissenschaften die Vorstellung von einer tintenklecksartigen Ausbreitung der in der westlichen Moderne entwickelten Gleichheitsidee vor. Man vergißt dabei die kulturgeschichtliche Besonderheit der Entstehungsgeschichte Europas, die Dumont (1986) noch betont. 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Religiöser Fundamentalismus zwischen Orient und Okzident: Religiöse Identitätspolitik und ihr Verhältnis zur Demokratie
I Das Phänomen »Fundamentalismus« ist mit dem modernen Schicksal der Weltreligionen auf das engste verknüpft. Re-Ideologisierung und -Politisierung der Religion spiegeln ein ungelöstes Problem der Moderne wider, das selbst der »neuen Linken« wieder zum Thema wurde: die »politische Theologie« (Telos 1987). Denn auch in der säkularen, modernen Demokratie können Politik und Wissenschaft nicht gänzlich des religiösen Kerns entkleidet werden, mit dem einst ihre besondere Stellung im Wesen des modernen Nationalstaats begründet wurde. Fundamentalismus ist auch Ausdruck der Globalisierung dieses Widerspruchs. Es ist dies in einen noch breiteren Rahmen zu stellen. Selbst wenn wir sie uns ohne den christlich-abendländischen Hintergrund denken, so sind die Dynamiken, die heute »Weltgesellschaft« formen, doch auf jenes soziale Segment der Aufklärung zurückzuführen, das sich unter der Prämisse der allgemeinen Gleichheit der menschlichen Natur und der Ziele des Menschen bildete und seither paradoxerweise kontinuierlich die Vielfalt partikularer Ausformungen von Kultur und Gesellschaft auch in der nicht-westlichen Welt weiterentwickelte. Die konventionelle Soziologie, die Gesellschaft als nationalstaatliche soziale Ordnung versteht, tut sich schwer, globale Ordnungsprobleme und Gesellschafts-Dynamiken zu erfassen. Im allgemeinen herrscht in den herkömmlichen Sozialwissenschaften die Vorstellung von einer tintenklecksartigen Ausbreitung der in der westlichen Moderne entwickelten Gleichheitsidee vor. Man vergißt dabei die kulturgeschichtliche Besonderheit der Entstehungsgeschichte Europas, die Dumont (1986) noch betont. Wie schwer es aber ist, diese Besonderheit zurückzustellen, zeigt sich in den vielen höchst konträren Schattierungen, in denen im Zeitalter der postkolonialen Transformation die Staatsform der nationalen Demokratie heute weltweit verfaßt ist.