{"title":"这个右派是“Knotenpunkt”","authors":"S. Korioth","doi":"10.5771/9783748911883-276","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Als Paul Laband, der sich nach bedeutenden Forschungen im Zivilrecht in den 1860er Jahren erstmals dem Verfassungsrecht zugewandt hatte, nach der Begründung des Deutschen Reiches daran ging, dessen Staatsrecht umfassend und systematisch darzustellen, griff er auf zwei dem Zivilrecht entstammende Grundbegriffe zurück, mit denen er sein gesamtes System aufbaute: Person1 und Willen. Das Reich, aber auch die »Bundesstaaten« (Länder) seien juristische Personen (des öffentlichen Rechts).2 Sie haben, wie jede juristische Person, Organe. Der Monarch ist ein Organ. Der Bundesrat als Versammlung der verbündeten Monarchen ist ein Organ. Das Parlament ist – hier zögerte Laband länger – ebenfalls ein Organ, nicht nur die Vertretung des Volkes bei »seinem« Monarchen. Die Organe bilden und äußern nach den Regeln der Verfassung den Willen des Staates. Jedes Gesetz, jedes Verwaltungshandeln, jedes Gerichtsurteil ist eine Willensäußerung des Staates – auch übrigens die Verfassung, die für Laband gegenüber dem Gesetz keinen besonderen Rang hatte. Der Staat als Person – das war nicht die Erfindung Labands, das hatte bereits 1837 Eduard Albrecht in einer Rezension postuliert3 und dabei auf den älteren, auch im Staatsrecht gebräuchlichen, ursprünglich kanonistischen Begriff der persona moralis Bezug genommen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte dies einen unverkennbar liberalen und kritischen Unterton – jedenfalls konnte der Monarch nicht Inhaber der Souveränitätsrechte sein und schon gar nicht (krypto)absolutistisch mit dem Staat identifiziert werden; im Jahr des Erscheinens der Rezension 1837 gehörte Albrecht zu den Göttinger Sieben, die sich gegen eine einseitige Rücknahme der Verfassung durch den Monarchen in Hannover wehrten und entlassen wurden. Das Verdienst Labands war es, aus der Staatsperson ein System zu bilden – wenn auch kein widerspruchsfreies und eines, das eine deutliche Tendenz zur Hervorhebung des Organs Monarch und seiner Exekutive hatte. Von Mitgliedern der juristischen Person Staat brauchte Laband nach seiner Konstruktion nicht","PeriodicalId":149068,"journal":{"name":"Recht auf Nicht-Recht","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Die Rechtsperson als »Knotenpunkt«\",\"authors\":\"S. 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Als Paul Laband, der sich nach bedeutenden Forschungen im Zivilrecht in den 1860er Jahren erstmals dem Verfassungsrecht zugewandt hatte, nach der Begründung des Deutschen Reiches daran ging, dessen Staatsrecht umfassend und systematisch darzustellen, griff er auf zwei dem Zivilrecht entstammende Grundbegriffe zurück, mit denen er sein gesamtes System aufbaute: Person1 und Willen. Das Reich, aber auch die »Bundesstaaten« (Länder) seien juristische Personen (des öffentlichen Rechts).2 Sie haben, wie jede juristische Person, Organe. Der Monarch ist ein Organ. Der Bundesrat als Versammlung der verbündeten Monarchen ist ein Organ. Das Parlament ist – hier zögerte Laband länger – ebenfalls ein Organ, nicht nur die Vertretung des Volkes bei »seinem« Monarchen. Die Organe bilden und äußern nach den Regeln der Verfassung den Willen des Staates. Jedes Gesetz, jedes Verwaltungshandeln, jedes Gerichtsurteil ist eine Willensäußerung des Staates – auch übrigens die Verfassung, die für Laband gegenüber dem Gesetz keinen besonderen Rang hatte. Der Staat als Person – das war nicht die Erfindung Labands, das hatte bereits 1837 Eduard Albrecht in einer Rezension postuliert3 und dabei auf den älteren, auch im Staatsrecht gebräuchlichen, ursprünglich kanonistischen Begriff der persona moralis Bezug genommen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte dies einen unverkennbar liberalen und kritischen Unterton – jedenfalls konnte der Monarch nicht Inhaber der Souveränitätsrechte sein und schon gar nicht (krypto)absolutistisch mit dem Staat identifiziert werden; im Jahr des Erscheinens der Rezension 1837 gehörte Albrecht zu den Göttinger Sieben, die sich gegen eine einseitige Rücknahme der Verfassung durch den Monarchen in Hannover wehrten und entlassen wurden. Das Verdienst Labands war es, aus der Staatsperson ein System zu bilden – wenn auch kein widerspruchsfreies und eines, das eine deutliche Tendenz zur Hervorhebung des Organs Monarch und seiner Exekutive hatte. Von Mitgliedern der juristischen Person Staat brauchte Laband nach seiner Konstruktion nicht