{"title":"英语理解","authors":"Maja Soboleva","doi":"10.23963/cnp.2021.6.1.1","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":",Heimat‘ ist ein polyvalentes Wort, das man im offentlichen Raum in letzter Zeit immer ofter horen kann. Es taucht in verschiedenen Kontexten auf: Landeskunde, Werbung in Zusammenhang mit der Herstellung von idyllischen Stimmungsillusionen, Sozialpolitik, Fluchtlingsproblematik, Integrationsprozesse, Identitatsbildung, etc. Dementsprechend kommen verschiedene Aspekte des Begriffs ,Heimat‘ zum Vorschein. \nEinen Grund fur die Auseinandersetzung mit diesem Begriff bietet nicht zuletzt das Bedurfnis, sich selbst in seiner Eigenart zu begreifen und von dem Anderen als Fremden abzugrenzen. Im Spiegel der Heimatvorstellungen sich selbst zu erkennen bildet eines der verbreiteten Motive fur die Zuwendung zu diesem Thema. Die Heimat-Diskurse scheinen auserdem ein Mittel zu sein, die existenziellen Sorgen, die manche haben, direkter zur Sprache zu bringen: die Angst vor dem Verlust traditioneller Lebensordnungen, vor den Veranderungen, vor der Verschlechterung der Lebensbedingungen usw. In der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema ,Heimat‘ zeigt sich eine Doppelstruktur: Sie ist sowohl geschichtsorientierte Vergewisserung eines Vergangenen, eines Schicksals (wenn man will), wie auch Gegenwartsdiagnose. Die Heimatproblematik ruft Interesse auf verschiedenen sozialen Ebenen hervor: Auf der Seite des Individuums bildet Heimat eine alltagsweltliche Bezugsgrose zum direkten Lebens- und sozialen Umfeld, die Bestandteil einer Biografie sind und den Menschen einen gewissen Halt geben. Auf der anderen Seite ist sie ein Thema in der Politik und hier kann man nicht selten beobachten, dass ,Heimat‘ durch Konservative und Rechtspopulist*innen in einen problematischen Kontext ruckt. \nEin oberflachlicher Blick auf gegenwartige Heimatdiskussionen und Heimatsdiskurse wurde bereits genugen, um festzustellen, dass der Heimatbegriff ein ambivalenter ist – ob Heimat als bereits bestehende Herkunfts- oder noch kollektiv zu schaffende Ankunftsheimat verstanden wird. Dieser Ambivalenz scheint die Vorstellung zugrunde zu liegen, dass Heimat grundsatzlich ein Raum – Ort, Territorium, Wohnsitz, Umgebung – ist. Mit dem Raum werden dann verschiedene symbolische Gehalte assoziiert und verschiedene funktionale Bestimmungen verbunden, die das Konzept ,Heimat‘ bilden. \nVor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob es zu der Vorstellung von Heimat als einem raumlichen Objekt mit bestimmten ,sekundaren‘ symbolischen Eigenschaften wie Identitatsgrose, Lebensordnung, Traditionsressource etc. eine Alternative gibt. Vor allem zwei Aspekte sollen dabei ins Zentrum rucken: 1) Wo siedelt sich ,Heimat‘ ontologisch, das heist zwischen Realitat und Imaginarem an? 2) Inwieweit kann ,Heimat‘ als Mythos betrachtet werden? \nDie ,Realitat‘ oder zumindest ,Wirklichkeit‘ der Heimat kann problematisiert werden, ausgehend beispielsweise von der Annahme, dass das Wort ,Heimat‘ – sei es retro- oder prospektiv betrachtet – unter anderem ein Erlebnisausdruck ist. Als Erinnerung erweist sich Heimat als ein utopischer Lokus der Sehnsucht – ein identitatsstiftender, aber nie real da gewesener. Als zukunftsgerichteter Traum oder Plan ist Heimat eine Projektion des Wunsches nach Geborgenheit. Auch in der Gegenwart ist Heimat nicht auf eine Summe von Gegenstanden reduzierbar: ,Heimat‘ ist und bleibt wesentlich individuelle Wahrnehmung der Gegenstande, die allerdings kollektiv bzw. politisch und vor allem kulturell (Dichtung, Musik, Film etc.) immer neu inszeniert bzw. dekonstruiert und dennoch als eine Art Container unabanderlicher Traditionen beschworen werden. \nBei der Analyse, inwiefern Heimat ein Mythos ist, erstreckt sich die Untersuchung auf die genauere Bestimmung des Mythos, auf die Prasenz der mythischen Denkstrukturen in der alltaglichen Erfahrung sowie auf das Verhaltnis zwischen Imaginarem und Mythischem insbesondere in der politischen Kultur. So kann eine Untersuchung des Heimatbegriffs zur weiteren Klarung des Verhaltnisses zwischen personlicher und kollektiver Identitat, zwischen politischem Mythos und politischem Imaginarem beitragen. Dahinter steht die Frage, warum mythische Erfahrungsformen fur das gegenwartige Denken uberhaupt attraktiv sind: Stellt der Mythos etwa einen anderen Typus von Vernunft als das rationale Denken dar und ermoglicht anderes, dem Massenbewusstsein konformes Begreifen von Wirklichkeit? Zu fragen ist auserdem, ob es alternative Analysewerkzeuge zu den sozial-geographischen und sozial-psychologischen Interpretationen von ,Heimat‘ gibt. In diesem Zusammenhang kann beispielsweise auf das Spezifische des Heimat-Narratives aus einer hermeneutischen Perspektive, die die Begriffe ,mytho-poetische‘ (Giambattista Vico) und ,evozierende‘ (Georg Misch) Rede verwendet, eingegangen werden. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Mythos ,Heimat‘ soll im Allgemeinem dazu beitragen, ihn einerseits dank der Aspektanalyse zu verstehen und andererseits seine einseitige Vereinnahmung durch Identitatspolitiken zu problematisieren. \nDies sind nur einige wenige Fragen, die die Autoren dieses Sonderheftes seit langerem beschaftigen. Das Gesprach erfolgt interdisziplinar. Es ist auf keinen Fall abgeschlossen und ladt zum weiteren Nachdenken ein. \nGanz besonders mochte ich mich bei Frau Bettina Kumpan fur die tatkraftige und engagierte Unterstutzung bei der Organisation der Tagung und der Vorbereitung dieses Sonderheftes bedanken.","PeriodicalId":375431,"journal":{"name":"Colloquium: New Philologies","volume":"37 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-06-25","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\",Heimat‘: eine Begriffsanalyse\",\"authors\":\"Maja Soboleva\",\"doi\":\"10.23963/cnp.2021.6.1.1\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\",Heimat‘ ist ein polyvalentes Wort, das man im offentlichen Raum in letzter Zeit immer ofter horen kann. 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In der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema ,Heimat‘ zeigt sich eine Doppelstruktur: Sie ist sowohl geschichtsorientierte Vergewisserung eines Vergangenen, eines Schicksals (wenn man will), wie auch Gegenwartsdiagnose. Die Heimatproblematik ruft Interesse auf verschiedenen sozialen Ebenen hervor: Auf der Seite des Individuums bildet Heimat eine alltagsweltliche Bezugsgrose zum direkten Lebens- und sozialen Umfeld, die Bestandteil einer Biografie sind und den Menschen einen gewissen Halt geben. Auf der anderen Seite ist sie ein Thema in der Politik und hier kann man nicht selten beobachten, dass ,Heimat‘ durch Konservative und Rechtspopulist*innen in einen problematischen Kontext ruckt. \\nEin oberflachlicher Blick auf gegenwartige Heimatdiskussionen und Heimatsdiskurse wurde bereits genugen, um festzustellen, dass der Heimatbegriff ein ambivalenter ist – ob Heimat als bereits bestehende Herkunfts- oder noch kollektiv zu schaffende Ankunftsheimat verstanden wird. 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,Heimat‘ ist ein polyvalentes Wort, das man im offentlichen Raum in letzter Zeit immer ofter horen kann. Es taucht in verschiedenen Kontexten auf: Landeskunde, Werbung in Zusammenhang mit der Herstellung von idyllischen Stimmungsillusionen, Sozialpolitik, Fluchtlingsproblematik, Integrationsprozesse, Identitatsbildung, etc. Dementsprechend kommen verschiedene Aspekte des Begriffs ,Heimat‘ zum Vorschein.
Einen Grund fur die Auseinandersetzung mit diesem Begriff bietet nicht zuletzt das Bedurfnis, sich selbst in seiner Eigenart zu begreifen und von dem Anderen als Fremden abzugrenzen. Im Spiegel der Heimatvorstellungen sich selbst zu erkennen bildet eines der verbreiteten Motive fur die Zuwendung zu diesem Thema. Die Heimat-Diskurse scheinen auserdem ein Mittel zu sein, die existenziellen Sorgen, die manche haben, direkter zur Sprache zu bringen: die Angst vor dem Verlust traditioneller Lebensordnungen, vor den Veranderungen, vor der Verschlechterung der Lebensbedingungen usw. In der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema ,Heimat‘ zeigt sich eine Doppelstruktur: Sie ist sowohl geschichtsorientierte Vergewisserung eines Vergangenen, eines Schicksals (wenn man will), wie auch Gegenwartsdiagnose. Die Heimatproblematik ruft Interesse auf verschiedenen sozialen Ebenen hervor: Auf der Seite des Individuums bildet Heimat eine alltagsweltliche Bezugsgrose zum direkten Lebens- und sozialen Umfeld, die Bestandteil einer Biografie sind und den Menschen einen gewissen Halt geben. Auf der anderen Seite ist sie ein Thema in der Politik und hier kann man nicht selten beobachten, dass ,Heimat‘ durch Konservative und Rechtspopulist*innen in einen problematischen Kontext ruckt.
Ein oberflachlicher Blick auf gegenwartige Heimatdiskussionen und Heimatsdiskurse wurde bereits genugen, um festzustellen, dass der Heimatbegriff ein ambivalenter ist – ob Heimat als bereits bestehende Herkunfts- oder noch kollektiv zu schaffende Ankunftsheimat verstanden wird. Dieser Ambivalenz scheint die Vorstellung zugrunde zu liegen, dass Heimat grundsatzlich ein Raum – Ort, Territorium, Wohnsitz, Umgebung – ist. Mit dem Raum werden dann verschiedene symbolische Gehalte assoziiert und verschiedene funktionale Bestimmungen verbunden, die das Konzept ,Heimat‘ bilden.
Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob es zu der Vorstellung von Heimat als einem raumlichen Objekt mit bestimmten ,sekundaren‘ symbolischen Eigenschaften wie Identitatsgrose, Lebensordnung, Traditionsressource etc. eine Alternative gibt. Vor allem zwei Aspekte sollen dabei ins Zentrum rucken: 1) Wo siedelt sich ,Heimat‘ ontologisch, das heist zwischen Realitat und Imaginarem an? 2) Inwieweit kann ,Heimat‘ als Mythos betrachtet werden?
Die ,Realitat‘ oder zumindest ,Wirklichkeit‘ der Heimat kann problematisiert werden, ausgehend beispielsweise von der Annahme, dass das Wort ,Heimat‘ – sei es retro- oder prospektiv betrachtet – unter anderem ein Erlebnisausdruck ist. Als Erinnerung erweist sich Heimat als ein utopischer Lokus der Sehnsucht – ein identitatsstiftender, aber nie real da gewesener. Als zukunftsgerichteter Traum oder Plan ist Heimat eine Projektion des Wunsches nach Geborgenheit. Auch in der Gegenwart ist Heimat nicht auf eine Summe von Gegenstanden reduzierbar: ,Heimat‘ ist und bleibt wesentlich individuelle Wahrnehmung der Gegenstande, die allerdings kollektiv bzw. politisch und vor allem kulturell (Dichtung, Musik, Film etc.) immer neu inszeniert bzw. dekonstruiert und dennoch als eine Art Container unabanderlicher Traditionen beschworen werden.
Bei der Analyse, inwiefern Heimat ein Mythos ist, erstreckt sich die Untersuchung auf die genauere Bestimmung des Mythos, auf die Prasenz der mythischen Denkstrukturen in der alltaglichen Erfahrung sowie auf das Verhaltnis zwischen Imaginarem und Mythischem insbesondere in der politischen Kultur. So kann eine Untersuchung des Heimatbegriffs zur weiteren Klarung des Verhaltnisses zwischen personlicher und kollektiver Identitat, zwischen politischem Mythos und politischem Imaginarem beitragen. Dahinter steht die Frage, warum mythische Erfahrungsformen fur das gegenwartige Denken uberhaupt attraktiv sind: Stellt der Mythos etwa einen anderen Typus von Vernunft als das rationale Denken dar und ermoglicht anderes, dem Massenbewusstsein konformes Begreifen von Wirklichkeit? Zu fragen ist auserdem, ob es alternative Analysewerkzeuge zu den sozial-geographischen und sozial-psychologischen Interpretationen von ,Heimat‘ gibt. In diesem Zusammenhang kann beispielsweise auf das Spezifische des Heimat-Narratives aus einer hermeneutischen Perspektive, die die Begriffe ,mytho-poetische‘ (Giambattista Vico) und ,evozierende‘ (Georg Misch) Rede verwendet, eingegangen werden. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Mythos ,Heimat‘ soll im Allgemeinem dazu beitragen, ihn einerseits dank der Aspektanalyse zu verstehen und andererseits seine einseitige Vereinnahmung durch Identitatspolitiken zu problematisieren.
Dies sind nur einige wenige Fragen, die die Autoren dieses Sonderheftes seit langerem beschaftigen. Das Gesprach erfolgt interdisziplinar. Es ist auf keinen Fall abgeschlossen und ladt zum weiteren Nachdenken ein.
Ganz besonders mochte ich mich bei Frau Bettina Kumpan fur die tatkraftige und engagierte Unterstutzung bei der Organisation der Tagung und der Vorbereitung dieses Sonderheftes bedanken.