{"title":"决策和欧洲政策协调","authors":"Timm Beichelt","doi":"10.5771/9783748909514-105","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mit Blick auf die Verträge der Europäischen Union nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon lässt sich eine ganze Reihe von Akteuren identifizieren, die in deutschem Namen europapolitisch entscheiden. Deutsche Abgeordnete wirken nach Art. 14 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und Art. 223 bis 234 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in den Fraktionen des Europäischen Parlaments mit, Bundestag und Bundesrat genießen Gestaltungsund Verhinderungsrechte (Art. 12 EUV). Der Bundeskanzler nimmt über den Europäischen Rat (Art. 15 EUV) und die einzelnen Minister der Bundesregierung über den Rat der Europäischen Union (Art. 16 EUV, Art. 237 bis 243 AEUV) an Entscheidungen teil. Auch an andere deutsche Vertreter auf EUEbene kann gedacht werden, die in der Europäischen Kommission, im Gerichtshof der Europäischen Union oder in der Europäischen Zentralbank (EZB) deutsche Positionen in die europäische Politik einspeisen, selbst wenn sie sich institutionell einer europäischen Agenda verschrieben haben. Trotz dieser Vielzahl möglicher ‚deutscher‘ Impulse in Brüssel wird der Begriff der deutschen Europapolitik1 üblicherweise für das Handeln der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union reserviert. Dies hat zunächst geschichtliche Gründe. Die ersten Jahrzehnte der europäischen Integration können allgemein als Projekt von Regierungen bezeichnet werden.2 Die bundesdeutsche Europapolitik war dabei jedoch in besonderem Maße von der Exekutive geprägt, denn die „Kanzlerdemokratie“3 bündelt Regierungshandeln und erschwert die Entwicklung einer eigenständigen parlamentarischen Außenpolitik. Gestärkt wird der exekutive Einschlag der Europapolitik zusätzlich dadurch, dass jahrzehntelang in den allermeisten Fragen der Europapolitik eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Regierungsund Oppositionsparteien bestanden hat. Insbesondere werden Regierungspositionen, die eine deutsche Regierung auf EU-Ebene einbringt und gegebenenfalls durchsetzt, in aller Regel auch von den nachfolgenden Regierungen nicht grundlegend verändert. 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Trotz dieser Vielzahl möglicher ‚deutscher‘ Impulse in Brüssel wird der Begriff der deutschen Europapolitik1 üblicherweise für das Handeln der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union reserviert. Dies hat zunächst geschichtliche Gründe. Die ersten Jahrzehnte der europäischen Integration können allgemein als Projekt von Regierungen bezeichnet werden.2 Die bundesdeutsche Europapolitik war dabei jedoch in besonderem Maße von der Exekutive geprägt, denn die „Kanzlerdemokratie“3 bündelt Regierungshandeln und erschwert die Entwicklung einer eigenständigen parlamentarischen Außenpolitik. Gestärkt wird der exekutive Einschlag der Europapolitik zusätzlich dadurch, dass jahrzehntelang in den allermeisten Fragen der Europapolitik eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Regierungsund Oppositionsparteien bestanden hat. 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Bundesregierung: Entscheidungsprozesse und europapolitische Koordinierung
Mit Blick auf die Verträge der Europäischen Union nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon lässt sich eine ganze Reihe von Akteuren identifizieren, die in deutschem Namen europapolitisch entscheiden. Deutsche Abgeordnete wirken nach Art. 14 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und Art. 223 bis 234 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in den Fraktionen des Europäischen Parlaments mit, Bundestag und Bundesrat genießen Gestaltungsund Verhinderungsrechte (Art. 12 EUV). Der Bundeskanzler nimmt über den Europäischen Rat (Art. 15 EUV) und die einzelnen Minister der Bundesregierung über den Rat der Europäischen Union (Art. 16 EUV, Art. 237 bis 243 AEUV) an Entscheidungen teil. Auch an andere deutsche Vertreter auf EUEbene kann gedacht werden, die in der Europäischen Kommission, im Gerichtshof der Europäischen Union oder in der Europäischen Zentralbank (EZB) deutsche Positionen in die europäische Politik einspeisen, selbst wenn sie sich institutionell einer europäischen Agenda verschrieben haben. Trotz dieser Vielzahl möglicher ‚deutscher‘ Impulse in Brüssel wird der Begriff der deutschen Europapolitik1 üblicherweise für das Handeln der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union reserviert. Dies hat zunächst geschichtliche Gründe. Die ersten Jahrzehnte der europäischen Integration können allgemein als Projekt von Regierungen bezeichnet werden.2 Die bundesdeutsche Europapolitik war dabei jedoch in besonderem Maße von der Exekutive geprägt, denn die „Kanzlerdemokratie“3 bündelt Regierungshandeln und erschwert die Entwicklung einer eigenständigen parlamentarischen Außenpolitik. Gestärkt wird der exekutive Einschlag der Europapolitik zusätzlich dadurch, dass jahrzehntelang in den allermeisten Fragen der Europapolitik eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Regierungsund Oppositionsparteien bestanden hat. Insbesondere werden Regierungspositionen, die eine deutsche Regierung auf EU-Ebene einbringt und gegebenenfalls durchsetzt, in aller Regel auch von den nachfolgenden Regierungen nicht grundlegend verändert. Die Regierung gilt daher aus der Binnensowie der Außenperspektive als zentraler Akteur, der deutsche Interessen in Brüssel artikuliert, verteidigt und durchzusetzen versucht.