{"title":"移动物体?提高媒体道德准则领域和影响通讯和媒体伦理的行为","authors":"L. Krainer, Matthias Karmasin","doi":"10.5771/9783748905158-309","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Anhand einer historischen Skizzierung medienethischer Objektbereiche wird davon ausgegangen, dass das Fach der Kommunikationsund Medienethik sowohl die Mikroebene der Individuen als auch die Mesoebene der Organisationen und zudem (allerdings eher partiell) auch die Makroebene der Institutionen bzw. der Gesellschaft in den Blick nimmt und sich insofern die Objektbereiche kontinuierlich erweitert haben. Daran anschließend werden folgende fünf Schlussfolgerungen gezogen: Erstens wird für eine vertiefende interdisziplinäre Theoriebildung plädiert, zweitens dafür, eine adäquate Theorieentwicklung, welche die Mikro-, Mesound Makroebene gleichermaßen adressiert, voranzutreiben, drittens eine stärkere Verbindung von regulativen Ansätzen aus der Rechtswissenschaft mit medienethischen Fragestellungen zu suchen, viertens kommunikationsund medienethische Fragestellungen empirisch stärker zu fundieren und fünftens nach einer breiteren Institutionalisierung kommunikationsund medienethischer Themen zu streben. Zur kontinuierlichen Erweiterung kommunikationsund medienethischer Objektbereiche Fragt man aus einer historischen Perspektive danach, welche Objektbereiche die Medienund Kommunikationsethik bislang fokussiert hat, ist zugleich danach zu fragen, welche Subjekte bzw. Kollektive der Verantwortung in den Blick genommen wurden und werden. Zunächst wurde der Fokus primär auf die Rolle der JournalistInnen gelegt. Hier ist etwa an die Arbeiten von Hermann Boventer zu erinnern, der bereits 1984 ein Buch über die „Ethik des Journalismus“ vorgelegt hat (Boventer 1984). Die Profession steht bis heute im Zentrum der Aufmerksamkeit, wie etwa die Beiträge in Band 5 zur Kommunikationsund Medien1. 309 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. ethik aus 2017 mit dem Titel „Gesellschaft ohne Diskurs?“ zeigen (Stapf et al. 2017). In weiterer Folge wurden auch RezipientInnen in den Blick genommen. Hier ist zunächst ein Aufsatz von Clifford Christians zu nennen, der bereits 1988 fragte: „Can the Public be held Accountable? (Christians 1988, deutsche Erstveröffentlichung 1989). Des Weiteren sind die Arbeiten von Rüdiger Funiok (spätestens ab 1996) zu erwähnen. Auch diese Perspektive hat bis heute Relevanz, wie etwa an einem Beitrag von Matthias Rath (2016) ersichtlich wird, der diese Diskurslinie 2016 im Handbuch Medienund Informationsethik um die Perspektive der Nutzungsethik erweitert hat. Primär (wenn auch nicht ausschließlich) ging es zunächst um die Frage, welche Verantwortung Individuen in ihren Rollen als KommunikatorInnen oder eben auch als RezipientInnen oder NutzerInnen, letztlich auch als ProduserInnen übernehmen können oder sollen. Insofern lassen sich viele dieser Arbeiten als individualethische Untersuchungen klassifizieren. In weiterer Folge wurden kontinuierlich mehr Verantwortungsgruppen spezifiziert bzw. ausdifferenziert. Erstens richtete sich der Blick auf MedienunternehmerInnen bzw. MedieneigentümerInnen als RepräsentantInnen der ökonomischen Logik (s. dazu verschiedene Arbeiten von Matthias Karmasin, exemplarisch 1998), zudem wurde „Medienethik als Wirtschaftsethik medialer Kommunikation“ gefasst (Litschka 2013). Zweitens wurden auch jene Menschen in die Betrachtung aufgenommen, die kommunikative Umfelder der Medien gestalten, insbesondere in den Bereichen PR und Werbung (Förg 2004; Rademacher 2010; Bohrmann 2010; Bentele 2016; Köberer 2016). Drittes wurden auch Instanzen der Selbstkontrolle beobachtet, wie dies etwa im Sammelband von Horst Avenarius und Günter Bentele (2009) zu „Selbstkontrolle im Berufsfeld Public Relations“ der Fall ist. Damit wurde der Fokus auf die Individuen (Mikroebene) um die Mesoebene der Organisationen erweitert (Profession, Instanzen der Selbstkontrolle, Redaktionen, Medienunternehmen). Die Idee, neben der sozialund individualethischen Dimension auch die Mesoebene, hier insbesondere die Medienunternehmung gleichsam als „third way“ in den Blick zu nehmen, hat ebenfalls eine längere Tradition. So trug etwa das erste Treffen des Netzwerkes Medienethik im Jahre 1997 den Titel „Medienethik als Wirtschaftsund Unternehmensethik?”. Der Umstand, dass die Konzentration medialer Märkte sowie Refinanzierungsbedingungen und Tendenzen der Kommerzialisierung die Produktion medialer Inhalte beeinflussen und damit auch zum Gegenstand und zur Herausforderung medienethischer Reflexion werden bzw. werden sollten, Larissa Krainer, Matthias Karmasin 310 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. stand damals im Mittelpunkt der kontroversen Debatte – und tut es bis heute. Mehrere AutorInnen (u.a. Zerfaß 1999; Karmasin 2000, 2005, 2010; Trommershausen 2011; Litschka 2013; Karmasin/Krainer 2015, 2016) haben darauf reagiert, indem sie das vielen medienethischen Problemen zugrunde liegende (problematische) Verhältnis von ethischer Vernunft und ökonomischer Rationalität oder – ins Kommunikationswissenschaftliche gewendet – das Verhältnis von publizistischer (kommunikativer) und wirtschaftlicher Qualität in den Blick genommen haben. Daraus folgte eine Konzeption von Medienethik als Wirtschaftsethik medial vermittelter Kommunikation (Litschka 2013; Karmasin/Litschka 2014) bzw. etwas weniger weitreichend als Unternehmensethik der Medienunternehmung, wie sie Karmasin (2014) argumentiert hat. Anknüpfungspunkte über die aktuelle CSR-Debatte hinaus (Raupp et al. 2010; Trommershausen 2011; Karmasin et.al. 2014; Diehl et al. 2017; Koinig et al. 2019) wären Stakeholder-Ansätze (Karmasin 2007, 2010), prozessethische Konzepte der Medienethik (Krainer 2001), die Frage nach dem Realisierungspotenzial von (journalistischen) Tugenden (Eberwein et al. 2015), die Gestaltung des Anreizsystems (Medienförderungen, aber auch innerhalb von Medienunternehmen) (Murschetz/Karmasin 2014) und von Selbstregulationsmechanismen im Sinne der Media Accountability (s. etwa Eberwein et al. 2019) bis hin zur Public Value-Debatte (Karmasin 2018), aber auch zur Frage nach der Verantwortung von Maschinen, wie z.B. Algorithmen, die in der öffentlichen Kommunikation eine immer relevantere Rolle spielen (Rath et al. 2019) und deren Einsatz immer öfter auch wirtschaftlich motiviert ist. Es geht in den meisten Ansätzen indes um eine Ergänzung und Erweiterung der medienethischen Debatte, nicht jedoch um die wirtschaftsethische Re-Konzeption der Medienethik. Anders formuliert: Nicht jede medienethische Fragestellung ist auch wirtschaftsethisch relevant. Nicht jede unternehmensethische Problemlage wird auch im Bereich der Medienethik schlagend. Nicht auf jede medienethische Fragestellung gibt es auch eine wirtschaftsethische Antwort. Aber viele aktuelle und praktisch wie theoretisch relevante ethische Debatten über die Herausforderungen des Strukturwandels von Medien, Wirtschaft und Gesellschaft durch Digitalisierung und Mediatisierung können – so das zentrale Argument – durch eine wirtschaftsund unternehmensethische Perspektive gewinnen: In heuristischer Hinsicht ebenso wie in curricularer. Schließlich wird auch gelegentlich die Makroebene der Institutionen (Politik als gesetzgebende Instanz) adressiert, wie dies etwa Axel Heinrich (2013) in seiner Arbeit über „Politische Medienethik“ macht. Erweiterung medienethischer Objektbereiche 311 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Damit lassen sich unterschiedliche Entwicklungslinien nachzeichnen, nämlich einerseits von der Individualethik zur Sozialethik und andererseits von der Professionsethik zur Organisationsund Institutionenethik, wobei dies nicht primär als serielle Ablöse zu begreifen ist, sondern als kontinuierliche Perspektivenerweiterung von einem „partiellen zu einem umfassenden Fokus“, wie Larissa Krainer (2015) in einem Beitrag zur „Neuvermessung der Medienethik“ argumentiert. In jüngerer Zeit wurde der Objektbereich der Kommunikationsund Medienethik ferner um insbesondere digitale Technologien erweitert, was sich sowohl an Themenschwerpunkten von Tagungen (wie der DGPuKFachgruppe Kommunikationsund Medienethik oder des Interdisciplinary Media Ethics Centre – IMEC) als auch wissenschaftlichen Publikationen zur Maschinenethik (Rath/Krotz/Karmasin 2019) oder Roboterethik (exemplarisch Decker 2016) zeigt. Im empirischen wie theoretischen Diskurs werden solche Fragestellungen inzwischen auch aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven bearbeitet und es wird auf unterschiedliche philosophische, rechtliche oder technische Diskurse sowie Theorien und Modelle Bezug genommen. Damit hat sich die Kommunikationsund Medienethik in zunehmendem Ausmaß zu einem interdisziplinären Forschungsgegenstand entwickelt, wiewohl eine umfassendere interdisziplinäre Verständigung nach wie vor wünschenswert erscheint. Fünf Schlussfolgerungen zur weiteren Entwicklung der Medienund Kommunikationsethik Vertiefende interdisziplinäre Theoriebildung Die kontinuierliche Erweiterung kommunikationsund medienethischer Objektbereiche bringt unweigerlich den Bedarf an kontinuierlicher Theoriearbeit (Anpassung wie Erweiterung) mit sich, und zwar sowohl innerdisziplinär (also insbesondere innerhalb der DGPuK-Fachgruppe) als auch interdisziplinär (also mit KollegInnen aus anderen Disziplinen und Forschungsrichtungen, was bei den Fachtagungen durchaus bereits passiert). Innerdisziplinär könnte das bedeuten, sich tatsächlich einmal eine Tagung zu gönnen, in der primär theoretische Perspektiven diskutiert werden. Der interdisziplinäre Bedarf erscheint uns aus zwei weiteren Gründen angezeigt: Zum einen wurden bereits vielfach Ansätze, die aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven (Philosophie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften etc.) entwic","PeriodicalId":431613,"journal":{"name":"Kommunikations- und Medienethik reloaded?","volume":"221 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":"{\"title\":\"Bewegte Objekte? Erweiterung medienethischer Objektbereiche und Konsequenzen für das Fach der Kommunikations- und Medienethik\",\"authors\":\"L. 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Daran anschließend werden folgende fünf Schlussfolgerungen gezogen: Erstens wird für eine vertiefende interdisziplinäre Theoriebildung plädiert, zweitens dafür, eine adäquate Theorieentwicklung, welche die Mikro-, Mesound Makroebene gleichermaßen adressiert, voranzutreiben, drittens eine stärkere Verbindung von regulativen Ansätzen aus der Rechtswissenschaft mit medienethischen Fragestellungen zu suchen, viertens kommunikationsund medienethische Fragestellungen empirisch stärker zu fundieren und fünftens nach einer breiteren Institutionalisierung kommunikationsund medienethischer Themen zu streben. Zur kontinuierlichen Erweiterung kommunikationsund medienethischer Objektbereiche Fragt man aus einer historischen Perspektive danach, welche Objektbereiche die Medienund Kommunikationsethik bislang fokussiert hat, ist zugleich danach zu fragen, welche Subjekte bzw. Kollektive der Verantwortung in den Blick genommen wurden und werden. Zunächst wurde der Fokus primär auf die Rolle der JournalistInnen gelegt. Hier ist etwa an die Arbeiten von Hermann Boventer zu erinnern, der bereits 1984 ein Buch über die „Ethik des Journalismus“ vorgelegt hat (Boventer 1984). Die Profession steht bis heute im Zentrum der Aufmerksamkeit, wie etwa die Beiträge in Band 5 zur Kommunikationsund Medien1. 309 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. ethik aus 2017 mit dem Titel „Gesellschaft ohne Diskurs?“ zeigen (Stapf et al. 2017). In weiterer Folge wurden auch RezipientInnen in den Blick genommen. Hier ist zunächst ein Aufsatz von Clifford Christians zu nennen, der bereits 1988 fragte: „Can the Public be held Accountable? (Christians 1988, deutsche Erstveröffentlichung 1989). Des Weiteren sind die Arbeiten von Rüdiger Funiok (spätestens ab 1996) zu erwähnen. Auch diese Perspektive hat bis heute Relevanz, wie etwa an einem Beitrag von Matthias Rath (2016) ersichtlich wird, der diese Diskurslinie 2016 im Handbuch Medienund Informationsethik um die Perspektive der Nutzungsethik erweitert hat. Primär (wenn auch nicht ausschließlich) ging es zunächst um die Frage, welche Verantwortung Individuen in ihren Rollen als KommunikatorInnen oder eben auch als RezipientInnen oder NutzerInnen, letztlich auch als ProduserInnen übernehmen können oder sollen. Insofern lassen sich viele dieser Arbeiten als individualethische Untersuchungen klassifizieren. In weiterer Folge wurden kontinuierlich mehr Verantwortungsgruppen spezifiziert bzw. ausdifferenziert. Erstens richtete sich der Blick auf MedienunternehmerInnen bzw. MedieneigentümerInnen als RepräsentantInnen der ökonomischen Logik (s. dazu verschiedene Arbeiten von Matthias Karmasin, exemplarisch 1998), zudem wurde „Medienethik als Wirtschaftsethik medialer Kommunikation“ gefasst (Litschka 2013). Zweitens wurden auch jene Menschen in die Betrachtung aufgenommen, die kommunikative Umfelder der Medien gestalten, insbesondere in den Bereichen PR und Werbung (Förg 2004; Rademacher 2010; Bohrmann 2010; Bentele 2016; Köberer 2016). Drittes wurden auch Instanzen der Selbstkontrolle beobachtet, wie dies etwa im Sammelband von Horst Avenarius und Günter Bentele (2009) zu „Selbstkontrolle im Berufsfeld Public Relations“ der Fall ist. Damit wurde der Fokus auf die Individuen (Mikroebene) um die Mesoebene der Organisationen erweitert (Profession, Instanzen der Selbstkontrolle, Redaktionen, Medienunternehmen). Die Idee, neben der sozialund individualethischen Dimension auch die Mesoebene, hier insbesondere die Medienunternehmung gleichsam als „third way“ in den Blick zu nehmen, hat ebenfalls eine längere Tradition. So trug etwa das erste Treffen des Netzwerkes Medienethik im Jahre 1997 den Titel „Medienethik als Wirtschaftsund Unternehmensethik?”. Der Umstand, dass die Konzentration medialer Märkte sowie Refinanzierungsbedingungen und Tendenzen der Kommerzialisierung die Produktion medialer Inhalte beeinflussen und damit auch zum Gegenstand und zur Herausforderung medienethischer Reflexion werden bzw. werden sollten, Larissa Krainer, Matthias Karmasin 310 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. stand damals im Mittelpunkt der kontroversen Debatte – und tut es bis heute. Mehrere AutorInnen (u.a. Zerfaß 1999; Karmasin 2000, 2005, 2010; Trommershausen 2011; Litschka 2013; Karmasin/Krainer 2015, 2016) haben darauf reagiert, indem sie das vielen medienethischen Problemen zugrunde liegende (problematische) Verhältnis von ethischer Vernunft und ökonomischer Rationalität oder – ins Kommunikationswissenschaftliche gewendet – das Verhältnis von publizistischer (kommunikativer) und wirtschaftlicher Qualität in den Blick genommen haben. Daraus folgte eine Konzeption von Medienethik als Wirtschaftsethik medial vermittelter Kommunikation (Litschka 2013; Karmasin/Litschka 2014) bzw. etwas weniger weitreichend als Unternehmensethik der Medienunternehmung, wie sie Karmasin (2014) argumentiert hat. Anknüpfungspunkte über die aktuelle CSR-Debatte hinaus (Raupp et al. 2010; Trommershausen 2011; Karmasin et.al. 2014; Diehl et al. 2017; Koinig et al. 2019) wären Stakeholder-Ansätze (Karmasin 2007, 2010), prozessethische Konzepte der Medienethik (Krainer 2001), die Frage nach dem Realisierungspotenzial von (journalistischen) Tugenden (Eberwein et al. 2015), die Gestaltung des Anreizsystems (Medienförderungen, aber auch innerhalb von Medienunternehmen) (Murschetz/Karmasin 2014) und von Selbstregulationsmechanismen im Sinne der Media Accountability (s. etwa Eberwein et al. 2019) bis hin zur Public Value-Debatte (Karmasin 2018), aber auch zur Frage nach der Verantwortung von Maschinen, wie z.B. Algorithmen, die in der öffentlichen Kommunikation eine immer relevantere Rolle spielen (Rath et al. 2019) und deren Einsatz immer öfter auch wirtschaftlich motiviert ist. Es geht in den meisten Ansätzen indes um eine Ergänzung und Erweiterung der medienethischen Debatte, nicht jedoch um die wirtschaftsethische Re-Konzeption der Medienethik. Anders formuliert: Nicht jede medienethische Fragestellung ist auch wirtschaftsethisch relevant. Nicht jede unternehmensethische Problemlage wird auch im Bereich der Medienethik schlagend. Nicht auf jede medienethische Fragestellung gibt es auch eine wirtschaftsethische Antwort. Aber viele aktuelle und praktisch wie theoretisch relevante ethische Debatten über die Herausforderungen des Strukturwandels von Medien, Wirtschaft und Gesellschaft durch Digitalisierung und Mediatisierung können – so das zentrale Argument – durch eine wirtschaftsund unternehmensethische Perspektive gewinnen: In heuristischer Hinsicht ebenso wie in curricularer. 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In jüngerer Zeit wurde der Objektbereich der Kommunikationsund Medienethik ferner um insbesondere digitale Technologien erweitert, was sich sowohl an Themenschwerpunkten von Tagungen (wie der DGPuKFachgruppe Kommunikationsund Medienethik oder des Interdisciplinary Media Ethics Centre – IMEC) als auch wissenschaftlichen Publikationen zur Maschinenethik (Rath/Krotz/Karmasin 2019) oder Roboterethik (exemplarisch Decker 2016) zeigt. Im empirischen wie theoretischen Diskurs werden solche Fragestellungen inzwischen auch aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven bearbeitet und es wird auf unterschiedliche philosophische, rechtliche oder technische Diskurse sowie Theorien und Modelle Bezug genommen. Damit hat sich die Kommunikationsund Medienethik in zunehmendem Ausmaß zu einem interdisziplinären Forschungsgegenstand entwickelt, wiewohl eine umfassendere interdisziplinäre Verständigung nach wie vor wünschenswert erscheint. Fünf Schlussfolgerungen zur weiteren Entwicklung der Medienund Kommunikationsethik Vertiefende interdisziplinäre Theoriebildung Die kontinuierliche Erweiterung kommunikationsund medienethischer Objektbereiche bringt unweigerlich den Bedarf an kontinuierlicher Theoriearbeit (Anpassung wie Erweiterung) mit sich, und zwar sowohl innerdisziplinär (also insbesondere innerhalb der DGPuK-Fachgruppe) als auch interdisziplinär (also mit KollegInnen aus anderen Disziplinen und Forschungsrichtungen, was bei den Fachtagungen durchaus bereits passiert). Innerdisziplinär könnte das bedeuten, sich tatsächlich einmal eine Tagung zu gönnen, in der primär theoretische Perspektiven diskutiert werden. 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Bewegte Objekte? Erweiterung medienethischer Objektbereiche und Konsequenzen für das Fach der Kommunikations- und Medienethik
Anhand einer historischen Skizzierung medienethischer Objektbereiche wird davon ausgegangen, dass das Fach der Kommunikationsund Medienethik sowohl die Mikroebene der Individuen als auch die Mesoebene der Organisationen und zudem (allerdings eher partiell) auch die Makroebene der Institutionen bzw. der Gesellschaft in den Blick nimmt und sich insofern die Objektbereiche kontinuierlich erweitert haben. Daran anschließend werden folgende fünf Schlussfolgerungen gezogen: Erstens wird für eine vertiefende interdisziplinäre Theoriebildung plädiert, zweitens dafür, eine adäquate Theorieentwicklung, welche die Mikro-, Mesound Makroebene gleichermaßen adressiert, voranzutreiben, drittens eine stärkere Verbindung von regulativen Ansätzen aus der Rechtswissenschaft mit medienethischen Fragestellungen zu suchen, viertens kommunikationsund medienethische Fragestellungen empirisch stärker zu fundieren und fünftens nach einer breiteren Institutionalisierung kommunikationsund medienethischer Themen zu streben. Zur kontinuierlichen Erweiterung kommunikationsund medienethischer Objektbereiche Fragt man aus einer historischen Perspektive danach, welche Objektbereiche die Medienund Kommunikationsethik bislang fokussiert hat, ist zugleich danach zu fragen, welche Subjekte bzw. Kollektive der Verantwortung in den Blick genommen wurden und werden. Zunächst wurde der Fokus primär auf die Rolle der JournalistInnen gelegt. Hier ist etwa an die Arbeiten von Hermann Boventer zu erinnern, der bereits 1984 ein Buch über die „Ethik des Journalismus“ vorgelegt hat (Boventer 1984). Die Profession steht bis heute im Zentrum der Aufmerksamkeit, wie etwa die Beiträge in Band 5 zur Kommunikationsund Medien1. 309 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. ethik aus 2017 mit dem Titel „Gesellschaft ohne Diskurs?“ zeigen (Stapf et al. 2017). In weiterer Folge wurden auch RezipientInnen in den Blick genommen. Hier ist zunächst ein Aufsatz von Clifford Christians zu nennen, der bereits 1988 fragte: „Can the Public be held Accountable? (Christians 1988, deutsche Erstveröffentlichung 1989). Des Weiteren sind die Arbeiten von Rüdiger Funiok (spätestens ab 1996) zu erwähnen. Auch diese Perspektive hat bis heute Relevanz, wie etwa an einem Beitrag von Matthias Rath (2016) ersichtlich wird, der diese Diskurslinie 2016 im Handbuch Medienund Informationsethik um die Perspektive der Nutzungsethik erweitert hat. Primär (wenn auch nicht ausschließlich) ging es zunächst um die Frage, welche Verantwortung Individuen in ihren Rollen als KommunikatorInnen oder eben auch als RezipientInnen oder NutzerInnen, letztlich auch als ProduserInnen übernehmen können oder sollen. Insofern lassen sich viele dieser Arbeiten als individualethische Untersuchungen klassifizieren. In weiterer Folge wurden kontinuierlich mehr Verantwortungsgruppen spezifiziert bzw. ausdifferenziert. Erstens richtete sich der Blick auf MedienunternehmerInnen bzw. MedieneigentümerInnen als RepräsentantInnen der ökonomischen Logik (s. dazu verschiedene Arbeiten von Matthias Karmasin, exemplarisch 1998), zudem wurde „Medienethik als Wirtschaftsethik medialer Kommunikation“ gefasst (Litschka 2013). Zweitens wurden auch jene Menschen in die Betrachtung aufgenommen, die kommunikative Umfelder der Medien gestalten, insbesondere in den Bereichen PR und Werbung (Förg 2004; Rademacher 2010; Bohrmann 2010; Bentele 2016; Köberer 2016). Drittes wurden auch Instanzen der Selbstkontrolle beobachtet, wie dies etwa im Sammelband von Horst Avenarius und Günter Bentele (2009) zu „Selbstkontrolle im Berufsfeld Public Relations“ der Fall ist. Damit wurde der Fokus auf die Individuen (Mikroebene) um die Mesoebene der Organisationen erweitert (Profession, Instanzen der Selbstkontrolle, Redaktionen, Medienunternehmen). Die Idee, neben der sozialund individualethischen Dimension auch die Mesoebene, hier insbesondere die Medienunternehmung gleichsam als „third way“ in den Blick zu nehmen, hat ebenfalls eine längere Tradition. So trug etwa das erste Treffen des Netzwerkes Medienethik im Jahre 1997 den Titel „Medienethik als Wirtschaftsund Unternehmensethik?”. Der Umstand, dass die Konzentration medialer Märkte sowie Refinanzierungsbedingungen und Tendenzen der Kommerzialisierung die Produktion medialer Inhalte beeinflussen und damit auch zum Gegenstand und zur Herausforderung medienethischer Reflexion werden bzw. werden sollten, Larissa Krainer, Matthias Karmasin 310 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. stand damals im Mittelpunkt der kontroversen Debatte – und tut es bis heute. Mehrere AutorInnen (u.a. Zerfaß 1999; Karmasin 2000, 2005, 2010; Trommershausen 2011; Litschka 2013; Karmasin/Krainer 2015, 2016) haben darauf reagiert, indem sie das vielen medienethischen Problemen zugrunde liegende (problematische) Verhältnis von ethischer Vernunft und ökonomischer Rationalität oder – ins Kommunikationswissenschaftliche gewendet – das Verhältnis von publizistischer (kommunikativer) und wirtschaftlicher Qualität in den Blick genommen haben. Daraus folgte eine Konzeption von Medienethik als Wirtschaftsethik medial vermittelter Kommunikation (Litschka 2013; Karmasin/Litschka 2014) bzw. etwas weniger weitreichend als Unternehmensethik der Medienunternehmung, wie sie Karmasin (2014) argumentiert hat. Anknüpfungspunkte über die aktuelle CSR-Debatte hinaus (Raupp et al. 2010; Trommershausen 2011; Karmasin et.al. 2014; Diehl et al. 2017; Koinig et al. 2019) wären Stakeholder-Ansätze (Karmasin 2007, 2010), prozessethische Konzepte der Medienethik (Krainer 2001), die Frage nach dem Realisierungspotenzial von (journalistischen) Tugenden (Eberwein et al. 2015), die Gestaltung des Anreizsystems (Medienförderungen, aber auch innerhalb von Medienunternehmen) (Murschetz/Karmasin 2014) und von Selbstregulationsmechanismen im Sinne der Media Accountability (s. etwa Eberwein et al. 2019) bis hin zur Public Value-Debatte (Karmasin 2018), aber auch zur Frage nach der Verantwortung von Maschinen, wie z.B. Algorithmen, die in der öffentlichen Kommunikation eine immer relevantere Rolle spielen (Rath et al. 2019) und deren Einsatz immer öfter auch wirtschaftlich motiviert ist. Es geht in den meisten Ansätzen indes um eine Ergänzung und Erweiterung der medienethischen Debatte, nicht jedoch um die wirtschaftsethische Re-Konzeption der Medienethik. Anders formuliert: Nicht jede medienethische Fragestellung ist auch wirtschaftsethisch relevant. Nicht jede unternehmensethische Problemlage wird auch im Bereich der Medienethik schlagend. Nicht auf jede medienethische Fragestellung gibt es auch eine wirtschaftsethische Antwort. Aber viele aktuelle und praktisch wie theoretisch relevante ethische Debatten über die Herausforderungen des Strukturwandels von Medien, Wirtschaft und Gesellschaft durch Digitalisierung und Mediatisierung können – so das zentrale Argument – durch eine wirtschaftsund unternehmensethische Perspektive gewinnen: In heuristischer Hinsicht ebenso wie in curricularer. Schließlich wird auch gelegentlich die Makroebene der Institutionen (Politik als gesetzgebende Instanz) adressiert, wie dies etwa Axel Heinrich (2013) in seiner Arbeit über „Politische Medienethik“ macht. Erweiterung medienethischer Objektbereiche 311 https://doi.org/10.5771/9783748905158-309 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 02:16:51. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Damit lassen sich unterschiedliche Entwicklungslinien nachzeichnen, nämlich einerseits von der Individualethik zur Sozialethik und andererseits von der Professionsethik zur Organisationsund Institutionenethik, wobei dies nicht primär als serielle Ablöse zu begreifen ist, sondern als kontinuierliche Perspektivenerweiterung von einem „partiellen zu einem umfassenden Fokus“, wie Larissa Krainer (2015) in einem Beitrag zur „Neuvermessung der Medienethik“ argumentiert. In jüngerer Zeit wurde der Objektbereich der Kommunikationsund Medienethik ferner um insbesondere digitale Technologien erweitert, was sich sowohl an Themenschwerpunkten von Tagungen (wie der DGPuKFachgruppe Kommunikationsund Medienethik oder des Interdisciplinary Media Ethics Centre – IMEC) als auch wissenschaftlichen Publikationen zur Maschinenethik (Rath/Krotz/Karmasin 2019) oder Roboterethik (exemplarisch Decker 2016) zeigt. Im empirischen wie theoretischen Diskurs werden solche Fragestellungen inzwischen auch aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven bearbeitet und es wird auf unterschiedliche philosophische, rechtliche oder technische Diskurse sowie Theorien und Modelle Bezug genommen. Damit hat sich die Kommunikationsund Medienethik in zunehmendem Ausmaß zu einem interdisziplinären Forschungsgegenstand entwickelt, wiewohl eine umfassendere interdisziplinäre Verständigung nach wie vor wünschenswert erscheint. 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