基因愚人

Dana Mahr, Eva Mahr, C. Rehmann-Sutter
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Dieser Beitrag betrachtet das Material hinsichtlich der Frage, wie Betroffene und deren Familien der genetischen Erklärung von CED Sinn zuschreiben. Als einen Lebenskontext, der für diese Untersuchung besonders relevant ist, haben wir den Themenkreis Fortpflanzung / Schwangerschaft / Elternschaft identifiziert und vertieft untersucht. Ergebnisse Im Interviewmaterial konnten wir zwei idealtypische Wege (Sinnfiguren) der Subjektivierung genetischer Information erkennen: Die „leidgeprüften GendeterministInnen“ teilten uns mit, dass sie aufgrund der Feststellung von genetischen Faktoren für CED retrospektiv auf eigene Kinder eher verzichtet hätten. Die „selbstsorgenden GenrelativistInnen“ interpretierten hingegen die Genetik nicht im Modus eines (biologischen und sozialen) Schicksals, sondern im Modus von Wahrscheinlichkeiten und im Kontext von praktischer Lebensführung, die trotz Krankheit ein gelingendes Leben erlauben kann. Beiden Sinnfiguren ist gemein, dass – im Kontrast zu schweren monogenen Erbkrankheiten – nicht nur die Vererbung des körperlichen Leidens in das Nachdenken über das Für und Wider der Zeugung eines Kindes Eingang findet. Ferner werden die eigenen sozialen Erfahrungen mit der Krankheit und die mit ihr verbundenen sozialen Umstände in die Abwägung mit eingebunden. Inwieweit den genetischen Faktoren für CED der Charakter eines unabänderlichen Schicksals zu- oder abgesprochen wird, unterscheidet sich zwischen den beiden Sinnfiguren.","PeriodicalId":110821,"journal":{"name":"Sozialer Sinn","volume":"97 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-06-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":"{\"title\":\"Subjektivierungsfiguren genetischer Information\",\"authors\":\"Dana Mahr, Eva Mahr, C. 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摘要

概括而常见的克隆氏症和肠炎发病率(赛氏症)不光是身体上的疾病,还带有社会的耻辱,很多时候,他们的生活质量和生活满意度都大大降低了。在一项定性研究中,我们对42名病人进行了57次半结构性、部分叙事性采访,并利用一种基于扎根理论和解释能力分析的方法。本文分析了受灾方及其家人是如何将其归为直观意义的遗传解释的。我们在其中发现了一个与本次研究相关的背景,从而确认了怀孕/生育/抚育问题。我们在访问材料中发现了两个极理想的基因宣传方法(身上的代表):“身受苦难的转基因斗士”告诉我们,在测试赛义德的基因因素时,他们选择放弃孩子的选择。然而,“自利基因研究所”却不按照命运(生物和社会)的模式来解释遗传学,而是按照概率和尽管患了疾病却能实现富裕生活的实际生活方式来考虑这些因素。这两个象征的共通之处,跟严重的遗传疾病有天渊之别。不同的是,你不但觉得自己受了病痛,还可能想到孩子出生的后果。此外,进一步考虑到患者的社会经验和与这种疾病有关的社会情况。在哪些方面来说,赛德的遗传因素已经决定了实情,或者已经没有定论了,这两个符号之间是有区别的。
本文章由计算机程序翻译,如有差异,请以英文原文为准。
Subjektivierungsfiguren genetischer Information
Zusammenfassung Die häufig auftretenden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind in den letzten Jahren von vorher prototypisch psychosomatischen Krankheiten zu teilweise genetisch erklärbaren Krankheiten umgedeutet und in ein biomedizinisches Paradigma genetischer Suszeptibilität eingeordnet worden. CED sind neben körperlichen Leiden auch mit sozialen Stigmata verbunden und schränken die Lebensqualität sowie die Lebenszufriedenheit von Betroffenen oft erheblich ein. In einer qualitativen Studie haben wir 57 semistrukturierte, teils narrative Interviews mit 42 PatientInnen und Angehörigen geführt und mit einem an der Grounded Theory sowie der Interpretativen Phänomenologischen Analyse orientierten Ansatz ausgewertet. Dieser Beitrag betrachtet das Material hinsichtlich der Frage, wie Betroffene und deren Familien der genetischen Erklärung von CED Sinn zuschreiben. Als einen Lebenskontext, der für diese Untersuchung besonders relevant ist, haben wir den Themenkreis Fortpflanzung / Schwangerschaft / Elternschaft identifiziert und vertieft untersucht. Ergebnisse Im Interviewmaterial konnten wir zwei idealtypische Wege (Sinnfiguren) der Subjektivierung genetischer Information erkennen: Die „leidgeprüften GendeterministInnen“ teilten uns mit, dass sie aufgrund der Feststellung von genetischen Faktoren für CED retrospektiv auf eigene Kinder eher verzichtet hätten. Die „selbstsorgenden GenrelativistInnen“ interpretierten hingegen die Genetik nicht im Modus eines (biologischen und sozialen) Schicksals, sondern im Modus von Wahrscheinlichkeiten und im Kontext von praktischer Lebensführung, die trotz Krankheit ein gelingendes Leben erlauben kann. Beiden Sinnfiguren ist gemein, dass – im Kontrast zu schweren monogenen Erbkrankheiten – nicht nur die Vererbung des körperlichen Leidens in das Nachdenken über das Für und Wider der Zeugung eines Kindes Eingang findet. Ferner werden die eigenen sozialen Erfahrungen mit der Krankheit und die mit ihr verbundenen sozialen Umstände in die Abwägung mit eingebunden. Inwieweit den genetischen Faktoren für CED der Charakter eines unabänderlichen Schicksals zu- oder abgesprochen wird, unterscheidet sich zwischen den beiden Sinnfiguren.
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