{"title":"波希米亚和摩拉维亚保护国的罢工和工人抗议","authors":"Stanislav Kokoška","doi":"10.25142/cep.2018.008","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Eine traditionelle Art der Streikbewegung, deren Ziel es war, bessere Arbeitslöhne zu erzielen, war hauptsächlich in der Anfangsphase der Nazi-Okkupation zu sehen. Zum Hauptgrund war die Inflation, wonach die Regierung des Protektorats bereits am 13. Juni 1939 mit einem Verbot von Streiks und Aussperrungsaktionen reagierte. Die Streikwelle hatte zwar auch nach diesem Datum fortgesetzt, aber dank Regierungsbeschlüsse über Lohnanpassungen wurde sie schnell abgebrochen. Streiks galten ab Anfang 1940 als Versuch, industrielle Produktion zu sabotieren. Streikfälle wurden anfangs von deutschen Militärgerichten verhandelt. Später fiel die Verfolgung von Sabotageaktionen jedoch unter gesonderte Jurisdiktion der Landgerichte in Prag und Brünn. Eine weitere Streikwelle im Protektorat fand im Sommer 1941 statt und war einer der Gründe, die zur Ernennung Reinhard Heydrichs in das Amt des Reichsprotektors geführt hatten. Die Besatzungsmacht reagierte nicht nur mit schnellen Aktionen der Gestapo, sondern vor allem mit exemplarischen Bestrafungen. Infolge von Repressionen wurden Streiks als organisierte Form sozialer Proteste nicht mehr verwendet. Zwischen 1943 und 1944 gab es daher nur wenige Streiks, die recht spontan ausbrachen. Der bekannteste von ihnen fand am 24. August 1943 in der ČKD-Fabrik in Vysočany statt. Obwohl nur ein geringer Schaden angerichtet worden war, erteilte das Sondergericht eine Todesstrafe und vier Freiheitsstrafen von drei bis sieben Jahren. Diese einschüchternden Strafen trugen dazu bei, dass Streikaktionen als Protestform rasch zurückgingen und durch langsame Arbeit oder Flüchte Zwangsarbeit leistender Einzelpersonen ersetzt wurden. Streiks als eine Form politischen Protests standen vor allem auf Programm der illegalen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und zwar zum ersten Mal im Herbst 1939 in Angelegenheit des aufgehobenen tschechischen Nationalfeiertages im Andenken vom Entstehen der Tschechoslowakischen Republik. Während die demokratischen Widerstandskräfte 1 Der Text entstand im Rahmen der Lösung des Projekts der Grant-Agentur der Tschechischen Republik Nr. 13-10279S „Industriearbeiterstand in den Tschechischen Ländern in den Jahren 1938–1948“. An den Archivrecherchen, die in dieser Studie ausgenutzt sind, beteiligten sich neben den Autor auch Monika Sedláková, Tamara Nováková und David Hubený. 158 Streikbewegungen und Arbeitsproteste im Protektorat Böhmen und Mähren ARTICLES Stanislav KOKOŠKA öffentliche Demonstrationen im Anlass des 28. Oktober 1939 organisierten, bereitete die illegale Kommunistische Partei der Tschechoslowakei Demonstrationsstreiks vor, die tatsächlich in Prag, Pilsen, Rakovník und an einigen anderen Orten stattfanden. Zwischen 1939 und 1941 förderte die kommunistische Presse auch traditionelle Streikaktionen, versuchte es jedoch, illegale Aktionen im Protektorat auf bloßen Kampf um soziale Erfordernisse zu beschränken. In der abschließenden Phase des Krieges verfolgten die Kommunisten das Ziel eines totalen Generalstreiks als Ansatz von einem landesweiten Aufstand. Das war jedoch ein trügerisches Konzept, da es erstens die Möglichkeiten der stark dezimierten illegalen Kommunistischen Partei überschätzte und zweitens die Tatsache ignorierte, dass die Wirtschaft des Protektorats im Frühjahr 1945, nur wenige Monate vor endgültiger Niederlage Deutschlands, schnell auf dem Weg zum Kollaps war, was die Bedeutung der Streikaktionen erheblich verringert hätte.","PeriodicalId":168251,"journal":{"name":"Central European Papers","volume":"19 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-08-30","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Strikes and working protests in the Protectorate of Bohemia and Moravia\",\"authors\":\"Stanislav Kokoška\",\"doi\":\"10.25142/cep.2018.008\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Eine traditionelle Art der Streikbewegung, deren Ziel es war, bessere Arbeitslöhne zu erzielen, war hauptsächlich in der Anfangsphase der Nazi-Okkupation zu sehen. 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Das war jedoch ein trügerisches Konzept, da es erstens die Möglichkeiten der stark dezimierten illegalen Kommunistischen Partei überschätzte und zweitens die Tatsache ignorierte, dass die Wirtschaft des Protektorats im Frühjahr 1945, nur wenige Monate vor endgültiger Niederlage Deutschlands, schnell auf dem Weg zum Kollaps war, was die Bedeutung der Streikaktionen erheblich verringert hätte.\",\"PeriodicalId\":168251,\"journal\":{\"name\":\"Central European Papers\",\"volume\":\"19 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2019-08-30\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Central European Papers\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.25142/cep.2018.008\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Central European Papers","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.25142/cep.2018.008","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Strikes and working protests in the Protectorate of Bohemia and Moravia
Eine traditionelle Art der Streikbewegung, deren Ziel es war, bessere Arbeitslöhne zu erzielen, war hauptsächlich in der Anfangsphase der Nazi-Okkupation zu sehen. Zum Hauptgrund war die Inflation, wonach die Regierung des Protektorats bereits am 13. Juni 1939 mit einem Verbot von Streiks und Aussperrungsaktionen reagierte. Die Streikwelle hatte zwar auch nach diesem Datum fortgesetzt, aber dank Regierungsbeschlüsse über Lohnanpassungen wurde sie schnell abgebrochen. Streiks galten ab Anfang 1940 als Versuch, industrielle Produktion zu sabotieren. Streikfälle wurden anfangs von deutschen Militärgerichten verhandelt. Später fiel die Verfolgung von Sabotageaktionen jedoch unter gesonderte Jurisdiktion der Landgerichte in Prag und Brünn. Eine weitere Streikwelle im Protektorat fand im Sommer 1941 statt und war einer der Gründe, die zur Ernennung Reinhard Heydrichs in das Amt des Reichsprotektors geführt hatten. Die Besatzungsmacht reagierte nicht nur mit schnellen Aktionen der Gestapo, sondern vor allem mit exemplarischen Bestrafungen. Infolge von Repressionen wurden Streiks als organisierte Form sozialer Proteste nicht mehr verwendet. Zwischen 1943 und 1944 gab es daher nur wenige Streiks, die recht spontan ausbrachen. Der bekannteste von ihnen fand am 24. August 1943 in der ČKD-Fabrik in Vysočany statt. Obwohl nur ein geringer Schaden angerichtet worden war, erteilte das Sondergericht eine Todesstrafe und vier Freiheitsstrafen von drei bis sieben Jahren. Diese einschüchternden Strafen trugen dazu bei, dass Streikaktionen als Protestform rasch zurückgingen und durch langsame Arbeit oder Flüchte Zwangsarbeit leistender Einzelpersonen ersetzt wurden. Streiks als eine Form politischen Protests standen vor allem auf Programm der illegalen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und zwar zum ersten Mal im Herbst 1939 in Angelegenheit des aufgehobenen tschechischen Nationalfeiertages im Andenken vom Entstehen der Tschechoslowakischen Republik. Während die demokratischen Widerstandskräfte 1 Der Text entstand im Rahmen der Lösung des Projekts der Grant-Agentur der Tschechischen Republik Nr. 13-10279S „Industriearbeiterstand in den Tschechischen Ländern in den Jahren 1938–1948“. An den Archivrecherchen, die in dieser Studie ausgenutzt sind, beteiligten sich neben den Autor auch Monika Sedláková, Tamara Nováková und David Hubený. 158 Streikbewegungen und Arbeitsproteste im Protektorat Böhmen und Mähren ARTICLES Stanislav KOKOŠKA öffentliche Demonstrationen im Anlass des 28. Oktober 1939 organisierten, bereitete die illegale Kommunistische Partei der Tschechoslowakei Demonstrationsstreiks vor, die tatsächlich in Prag, Pilsen, Rakovník und an einigen anderen Orten stattfanden. Zwischen 1939 und 1941 förderte die kommunistische Presse auch traditionelle Streikaktionen, versuchte es jedoch, illegale Aktionen im Protektorat auf bloßen Kampf um soziale Erfordernisse zu beschränken. In der abschließenden Phase des Krieges verfolgten die Kommunisten das Ziel eines totalen Generalstreiks als Ansatz von einem landesweiten Aufstand. Das war jedoch ein trügerisches Konzept, da es erstens die Möglichkeiten der stark dezimierten illegalen Kommunistischen Partei überschätzte und zweitens die Tatsache ignorierte, dass die Wirtschaft des Protektorats im Frühjahr 1945, nur wenige Monate vor endgültiger Niederlage Deutschlands, schnell auf dem Weg zum Kollaps war, was die Bedeutung der Streikaktionen erheblich verringert hätte.