{"title":"咖啡,朱迪丝和劳曼,维维安,2021年。Gojnormativität .为什么我们要讨论反犹太主义柏林:犯罪出版社,200页,ISBN: 97825006, 18.00欧元","authors":"Heike Radvan","doi":"10.3224/zrex.v2i2.12","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Judith Coffey und Vivien Laumann entwickeln eine neue Begrifflichkeit für Diskurse über Antisemitismus und jüdische Alltagserfahrungen und schließen damit produktiv eine Leerstelle in der politischen und in Teilen wissenschaftlichen Diskussion: In Anlehnung an die Termini „Heteronormativität“ und „Gadje-Rassismus“ sowie anknüpfend an Überlegungen aus der „kritischen Männlichkeitsforschung“ begründen die Autor*innen, inwiefern der Begriff Gojnormativität neue Perspektiven und Analysemöglichkeiten eröffnet, die bislang oft verstellt bleiben. Das Buch ist in neun Unterkapitel gegliedert. Nach einer Klärung von Begriffsverständnissen liegen Schwerpunkte auf Intersektionalität, der Frage von (Un)Sichtbarkeit von Jüdinnen_Juden, Gojnormativität in der Erinnerung an die Schoa und an aktuelle antisemitische Gewalt und dem gojnormativen Reden über Antisemitismus. Das Buch endet mit einem Plädoyer für solidarische Bündnisse gegen Antisemitismus, deren Voraussetzung die Autor*innen in einer selbstkritisch-ernsthaften Auseinandersetzung mit der im Buch deutlich gewordenen Problematik innerhalb der Dominanzgesellschaft sehen. Judith Coffey und Vivien Laumann nehmen historische Perspektiven ein und blicken vergleichend in die USA oder Österreich. Die Autorinnen schreiben aus einer (queer‐)feministisch-jüdischen, aus einer wissenschaftlichen und politisch-aktivistischen Perspektive, wobei diese unterschiedlichen Herangehensweisen sehr gut verbunden werden oder, wo sinnvoll, als solche markiert sind. Nicht zuletzt ist das Empowerment von Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Motiv ihres Schreibens. Gojnormativität wird im Sinne einer Analysekategorie genutzt, um einen kritischen Blick auf die Dominanzverhältnisse, damit verbundene Normativitäten und Privilegien einer nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft zu richten. Das Wort ist als Ergänzung zum Begriff „Antisemitismus“ gedacht. Gojnormativität – Goj ist das jüdische Wort für nichtjüdische Menschen – strukturiert Wahrnehmungen und Handlungspraxen, mit der jüdische Perspektiven unbenannt und marginalisiert bleiben oder Juden_Jüdinnen in bestimmte Rollen gedrängt werden (vgl. Coffey/Laumann 2021: 19). Insofern ist das Buch auch motiviert durch „die kleinen alltäglichen Erfahrungen: Wenn Menschen das Wort Jude nicht über die Lippen bringen oder wenn sie ganz fasziniert davon sind, eine ‚echte‘ Jüdin zu treffen, und gar nicht mehr aus dem Ausfragen herauskommen“ (ebd.: 18). Gleichzeitig benennen die Autor*innen Situationen in politisch-aktivistischen Kontexten, die nicht mehr zu diesen „kleinen Erfahrungen“ zählen: „Wenn auf queer-feministischen Demonstrationen oder anderen wichtigen Events antisemitische Bewegungen und Positionen gefeiert werden und weder Verständnis noch Empathie dafür aufgebracht wird, dass dies für viele Juden_Jüdinnen schmerzhaft und beängstigend ist“ (ebd.: 19). Einen möglichen ursächlichen Zusammenhang sehen die Autor*innen in wissenschaftlichen Debatten um Intersektionalität, in denen Antisemitismus und Jüdischsein häufig unberücksichtigt bleiben oder unter Rassismus subsumiert werden. 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Coffey, Judith & Laumann, Vivien (2021). Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen. Berlin: Verbrecherverlag. 200 Seiten, ISBN: 9783957325006, 18,00 Euro
Judith Coffey und Vivien Laumann entwickeln eine neue Begrifflichkeit für Diskurse über Antisemitismus und jüdische Alltagserfahrungen und schließen damit produktiv eine Leerstelle in der politischen und in Teilen wissenschaftlichen Diskussion: In Anlehnung an die Termini „Heteronormativität“ und „Gadje-Rassismus“ sowie anknüpfend an Überlegungen aus der „kritischen Männlichkeitsforschung“ begründen die Autor*innen, inwiefern der Begriff Gojnormativität neue Perspektiven und Analysemöglichkeiten eröffnet, die bislang oft verstellt bleiben. Das Buch ist in neun Unterkapitel gegliedert. Nach einer Klärung von Begriffsverständnissen liegen Schwerpunkte auf Intersektionalität, der Frage von (Un)Sichtbarkeit von Jüdinnen_Juden, Gojnormativität in der Erinnerung an die Schoa und an aktuelle antisemitische Gewalt und dem gojnormativen Reden über Antisemitismus. Das Buch endet mit einem Plädoyer für solidarische Bündnisse gegen Antisemitismus, deren Voraussetzung die Autor*innen in einer selbstkritisch-ernsthaften Auseinandersetzung mit der im Buch deutlich gewordenen Problematik innerhalb der Dominanzgesellschaft sehen. Judith Coffey und Vivien Laumann nehmen historische Perspektiven ein und blicken vergleichend in die USA oder Österreich. Die Autorinnen schreiben aus einer (queer‐)feministisch-jüdischen, aus einer wissenschaftlichen und politisch-aktivistischen Perspektive, wobei diese unterschiedlichen Herangehensweisen sehr gut verbunden werden oder, wo sinnvoll, als solche markiert sind. Nicht zuletzt ist das Empowerment von Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Motiv ihres Schreibens. Gojnormativität wird im Sinne einer Analysekategorie genutzt, um einen kritischen Blick auf die Dominanzverhältnisse, damit verbundene Normativitäten und Privilegien einer nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft zu richten. Das Wort ist als Ergänzung zum Begriff „Antisemitismus“ gedacht. Gojnormativität – Goj ist das jüdische Wort für nichtjüdische Menschen – strukturiert Wahrnehmungen und Handlungspraxen, mit der jüdische Perspektiven unbenannt und marginalisiert bleiben oder Juden_Jüdinnen in bestimmte Rollen gedrängt werden (vgl. Coffey/Laumann 2021: 19). Insofern ist das Buch auch motiviert durch „die kleinen alltäglichen Erfahrungen: Wenn Menschen das Wort Jude nicht über die Lippen bringen oder wenn sie ganz fasziniert davon sind, eine ‚echte‘ Jüdin zu treffen, und gar nicht mehr aus dem Ausfragen herauskommen“ (ebd.: 18). Gleichzeitig benennen die Autor*innen Situationen in politisch-aktivistischen Kontexten, die nicht mehr zu diesen „kleinen Erfahrungen“ zählen: „Wenn auf queer-feministischen Demonstrationen oder anderen wichtigen Events antisemitische Bewegungen und Positionen gefeiert werden und weder Verständnis noch Empathie dafür aufgebracht wird, dass dies für viele Juden_Jüdinnen schmerzhaft und beängstigend ist“ (ebd.: 19). Einen möglichen ursächlichen Zusammenhang sehen die Autor*innen in wissenschaftlichen Debatten um Intersektionalität, in denen Antisemitismus und Jüdischsein häufig unberücksichtigt bleiben oder unter Rassismus subsumiert werden. Sie ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 2, Heft 2/2022, 350–353 350