{"title":"实现宪法规范的能力","authors":"R. Wahl","doi":"10.3790/STAA.58.2.195","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Konrad Hesses Formel von der normativen Kraft der Verfassung gehört zu den wirkungsmäch-tigsten Leitvorstellungen des Verfassungsrechts unter dem Grundgesetz. Ihre größte Wirkung hatten die Formel und das zugrundeliegende Denken zum Zeitpunkt der Antrittsvorlesung von Konrad Hesse, weil sie ein Symbol für die gesteigerte Bedeutung der Verfassung in der deutschen Rechts- und Staatsordnung wurde, die sich damals gerade ausbildete. Hesse initiierte einen Hauptstrom des neuen Staatsrechts, nämlich das Denken von der Verfassung her. Die Formel lebte davon, dass sie die Verfassung als Norm ansprach, ihr aber zugleich Kraft und Wirksamkeit zusprach, durch die die Verfassung gegen immer mögliche Machtausübungen behaupten könnte. Nicht zu übersehen ist, dass diese Wirkung paradox erscheint: Hesses Beispiele für die Kraft der Verfassung sind im weiten Teilen keine in den Normen enthaltenen Wirkungen, sondern von außen, von den einzelnen und den Verfassungsorganen gegenüber der Verfassung erbrachten Leistungen, nämlich Anerkennung der Verfassung und Einsatz für sie. Der „Wille zur Verfassung“ von vielen gibt der Verfassung Kraft.\nDie im Beitrag eingenommene Perspektive ex ante belegt, dass die Antrittsvorlesung Hesses einen beachtlichen Entwicklungsschritt manifestiert. Hesses Nachdruck auf dem Verwirklichungsaspekt der Verfassungsnormen und vor allem auch seine Interpretationslehre haben große Auswirkungen gehabt und eine Art Entwicklungspfad im Staatsrecht begründet.","PeriodicalId":215868,"journal":{"name":"Der Staat: Volume 58, Issue 2","volume":"45 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"2","resultStr":"{\"title\":\"Die normative Kraft der Verfassung\",\"authors\":\"R. Wahl\",\"doi\":\"10.3790/STAA.58.2.195\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Konrad Hesses Formel von der normativen Kraft der Verfassung gehört zu den wirkungsmäch-tigsten Leitvorstellungen des Verfassungsrechts unter dem Grundgesetz. Ihre größte Wirkung hatten die Formel und das zugrundeliegende Denken zum Zeitpunkt der Antrittsvorlesung von Konrad Hesse, weil sie ein Symbol für die gesteigerte Bedeutung der Verfassung in der deutschen Rechts- und Staatsordnung wurde, die sich damals gerade ausbildete. Hesse initiierte einen Hauptstrom des neuen Staatsrechts, nämlich das Denken von der Verfassung her. Die Formel lebte davon, dass sie die Verfassung als Norm ansprach, ihr aber zugleich Kraft und Wirksamkeit zusprach, durch die die Verfassung gegen immer mögliche Machtausübungen behaupten könnte. Nicht zu übersehen ist, dass diese Wirkung paradox erscheint: Hesses Beispiele für die Kraft der Verfassung sind im weiten Teilen keine in den Normen enthaltenen Wirkungen, sondern von außen, von den einzelnen und den Verfassungsorganen gegenüber der Verfassung erbrachten Leistungen, nämlich Anerkennung der Verfassung und Einsatz für sie. Der „Wille zur Verfassung“ von vielen gibt der Verfassung Kraft.\\nDie im Beitrag eingenommene Perspektive ex ante belegt, dass die Antrittsvorlesung Hesses einen beachtlichen Entwicklungsschritt manifestiert. Hesses Nachdruck auf dem Verwirklichungsaspekt der Verfassungsnormen und vor allem auch seine Interpretationslehre haben große Auswirkungen gehabt und eine Art Entwicklungspfad im Staatsrecht begründet.\",\"PeriodicalId\":215868,\"journal\":{\"name\":\"Der Staat: Volume 58, Issue 2\",\"volume\":\"45 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2019-04-01\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"2\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Der Staat: Volume 58, Issue 2\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.3790/STAA.58.2.195\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Der Staat: Volume 58, Issue 2","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3790/STAA.58.2.195","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Die im Beitrag eingenommene Perspektive ex ante belegt, dass die Antrittsvorlesung Hesses einen beachtlichen Entwicklungsschritt manifestiert. Hesses Nachdruck auf dem Verwirklichungsaspekt der Verfassungsnormen und vor allem auch seine Interpretationslehre haben große Auswirkungen gehabt und eine Art Entwicklungspfad im Staatsrecht begründet.