{"title":"5. 在柏林学习西班牙语:从幼儿园到中学毕业","authors":"P. Krämer","doi":"10.1515/9783110708479-005","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"„Warum lernen wir fremde Sprachen?“ Unter diesem Titel veröffentliche 1934 der vielseitig interessierte Philologe, Jurist und Schriftsteller Philipp Krämer ein Manuskript von einem „Vortrag gehalten auf der Tagung der Lehrer für neuere Sprachen“ (so der Untertitel), die zuvor in Finnland stattgefunden hatte. Die Titelfrage stellt sich auch heute in derselben Form immer wieder. Krämer beantwortet sie auf neun Seiten in einer Weise, die erstaunlich aktuell geblieben ist. Sein Hauptargument: Sprachen sollten nicht aus einer utilitaristischen oder gar materialistischen Motivation heraus gelernt werden, sondern aus kulturellen und historischen Gründen. Sprachenlernen mache die historischen Verbindungen und die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Anderen zugänglich und verstehbar, und biete so auch einen besseren Zugang zum Verständnis der vielfältigen Facetten, die die eigene Kultur ausmachten. Entgegen der politischen Stimmung der Zeit bedeutet dies für ihn in Deutschland: „Wenn der deutsche Geist in seiner Geschichte mit Hellas und Rom, mit Frankreich und England auf die geschilderte Weise schöpferisch zusammengeschlossen ist, dann kann es für die deutsche höhere Schule in erster Linie nur folgende fremde Sprachen geben: Latein, Griechisch, Französisch, Englisch“ (Krämer 1934: 255). Abgesehen vom Griechischen, dessen Position inzwischen stark geschwächt ist, bleiben die genannten kanonischen Fremdsprachen bis heute bedeutsam. Krämer fährt fort mit einer Beobachtung, in der zwei weitere Sprachen genannt werden, die ebenfalls heute im Fremdsprachenangebot Beachtung erfahren: „Der Kaufmann meldete schon immer Spanisch und Russisch an“ (Krämer 1934: 255). Die Verknüpfung der beiden Sprachen mit ökonomischen Interessen mag heute überraschen, gilt doch Englisch als die globale Wirtschaftssprache und als Karrierekriterium par excellence. Dennoch illustriert die Aufstellung möglicher Fremdsprachen hier eine interessante Überlegung, die schon vor fast einhundert Jahren diskutiert wurde und die bis heute zentral bleibt: Welchen Platz sollte man welchen Sprachen in der Schule zuweisen? Mit Blick auf das Spanische wird deutlich, dass es – ähnlich wie auch das Russische nach der Wiedervereinigung – anscheinend einer besonderen Rechtfertigung bedarf, weil es nicht zum engeren Kreis der kanonischen Fremdsprachen im deutschen Schulsystem gerechnet wird. 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5. Spanisch lernen in Berlin: von der Kita bis zum Abitur
„Warum lernen wir fremde Sprachen?“ Unter diesem Titel veröffentliche 1934 der vielseitig interessierte Philologe, Jurist und Schriftsteller Philipp Krämer ein Manuskript von einem „Vortrag gehalten auf der Tagung der Lehrer für neuere Sprachen“ (so der Untertitel), die zuvor in Finnland stattgefunden hatte. Die Titelfrage stellt sich auch heute in derselben Form immer wieder. Krämer beantwortet sie auf neun Seiten in einer Weise, die erstaunlich aktuell geblieben ist. Sein Hauptargument: Sprachen sollten nicht aus einer utilitaristischen oder gar materialistischen Motivation heraus gelernt werden, sondern aus kulturellen und historischen Gründen. Sprachenlernen mache die historischen Verbindungen und die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Anderen zugänglich und verstehbar, und biete so auch einen besseren Zugang zum Verständnis der vielfältigen Facetten, die die eigene Kultur ausmachten. Entgegen der politischen Stimmung der Zeit bedeutet dies für ihn in Deutschland: „Wenn der deutsche Geist in seiner Geschichte mit Hellas und Rom, mit Frankreich und England auf die geschilderte Weise schöpferisch zusammengeschlossen ist, dann kann es für die deutsche höhere Schule in erster Linie nur folgende fremde Sprachen geben: Latein, Griechisch, Französisch, Englisch“ (Krämer 1934: 255). Abgesehen vom Griechischen, dessen Position inzwischen stark geschwächt ist, bleiben die genannten kanonischen Fremdsprachen bis heute bedeutsam. Krämer fährt fort mit einer Beobachtung, in der zwei weitere Sprachen genannt werden, die ebenfalls heute im Fremdsprachenangebot Beachtung erfahren: „Der Kaufmann meldete schon immer Spanisch und Russisch an“ (Krämer 1934: 255). Die Verknüpfung der beiden Sprachen mit ökonomischen Interessen mag heute überraschen, gilt doch Englisch als die globale Wirtschaftssprache und als Karrierekriterium par excellence. Dennoch illustriert die Aufstellung möglicher Fremdsprachen hier eine interessante Überlegung, die schon vor fast einhundert Jahren diskutiert wurde und die bis heute zentral bleibt: Welchen Platz sollte man welchen Sprachen in der Schule zuweisen? Mit Blick auf das Spanische wird deutlich, dass es – ähnlich wie auch das Russische nach der Wiedervereinigung – anscheinend einer besonderen Rechtfertigung bedarf, weil es nicht zum engeren Kreis der kanonischen Fremdsprachen im deutschen Schulsystem gerechnet wird. Zugleich sind inzwischen aber auch die klassischen Sprachen und sogar das Französische immer