{"title":"wittgenstein的密码保护","authors":"Ilse Somavilla","doi":"10.1515/9783110330595.367","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Im Nachlass von Ludwig Wittgestein finden sich an die 450 Stellen, die in verschlusselter Schrift abgefasst sind und in der Rezeption weitverbreitet als „Geheimschrift-Stellen“ bezeichnet werden. Diese teils tagebuchartigen, haufig in Form von Aphorismen oder Fragmenten in den Manuskripten verstreut auftretenden Aufzeichnungen, heben sich von dem in Normalschrift gehaltenen, philosophisch gefuhrten Diskurs ab; sie ragen aus diesem als etwas Eigenstandiges heraus, das mit dem philosophischen Inhalt in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu stehen scheint. In ihrer geschlossensten Form finden sich verschlusselte Eintragungen in den Tagebuchern 1914-1916, wo sie sich auf der linken Seite der Manuskripte befinden und als Wittgensteins personliche Tagebucher zu betrachten sind. Wahrend die in Normalschrift gehaltenen philosophischen Aufzeichnungen bereits 1960 ediert sind, blieb der verschlusselte Teil der Tagebucher der Offentlichkeit uber Jahrzehnte hinweg nicht zuganglich. Obwohl seit 1990 nun einzelne Publikationen codierter Aufzeichnungen vorliegen, so wurden diese in ihrer Gesamtheit bis dato weder ediert, noch auf die Hintergrunde untersucht, die Wittgenstein bewogen haben konnten, einen Code zu benutzen. Ebenso wenig ist ihr Stellenwert innerhalb seines philosophischen Werks erforscht. Haufig werden sie als personliche Eintragungen Wittgensteins gewertet, oder als kulturphilosophische Bemerkungen, insbesondere im Hinblick auf ethische und religiose Fragen. Dies trifft jedoch keineswegs auf alle verschlusselten Stellen zu. Anliegen meines Vortrags ist es, anhand von Beispielen an verschlusselten Aufzeichnungen im Nachlass Wittgensteins dem Bezug zum philosophischen Werk sowie der Frage nachzugehen, weshalb er fur bestimmte Bemerkungen einen Code verwendete. Ob er damit eine bestimmte Absicht verfolgte, um u.a. das, woruber er nicht schreiben wollte, auf „verhullte“ Weise darzustellen? Ob diese Bemerkungen vielleicht auch als Beispiel fur seine Sprachphilosophie angesehen werden konnen – insofern er mit ihnen eine bestimmte Funktion von Sprache erfullt sah, die durch wissenschaftliche Dispute nicht erreicht werden kann? – Als eine besondere Art, Sich-Zeigendes von klar Sagbarem zu trennen? Etwa in Form von einer Art poetischer Satze als Gegenpol zu streng philosophischen Argumentationen? Denn nicht nur die Schrift unterscheidet sich von der Normalschrift, auch Inhalt und Form weichen von dem in Normalschrift gehaltenen ab, so dass die Vermutung nahe liegt, Wittgenstein wollte mit dem Code einen bestimmten Texttypus, einen bestimmten Stil, markieren.","PeriodicalId":317292,"journal":{"name":"From ontos verlag: Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society - New Series","volume":"14 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2013-11-12","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Verschlüsselung in Wittgensteins Nachlass\",\"authors\":\"Ilse Somavilla\",\"doi\":\"10.1515/9783110330595.367\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Im Nachlass von Ludwig Wittgestein finden sich an die 450 Stellen, die in verschlusselter Schrift abgefasst sind und in der Rezeption weitverbreitet als „Geheimschrift-Stellen“ bezeichnet werden. Diese teils tagebuchartigen, haufig in Form von Aphorismen oder Fragmenten in den Manuskripten verstreut auftretenden Aufzeichnungen, heben sich von dem in Normalschrift gehaltenen, philosophisch gefuhrten Diskurs ab; sie ragen aus diesem als etwas Eigenstandiges heraus, das mit dem philosophischen Inhalt in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu stehen scheint. In ihrer geschlossensten Form finden sich verschlusselte Eintragungen in den Tagebuchern 1914-1916, wo sie sich auf der linken Seite der Manuskripte befinden und als Wittgensteins personliche Tagebucher zu betrachten sind. Wahrend die in Normalschrift gehaltenen philosophischen Aufzeichnungen bereits 1960 ediert sind, blieb der verschlusselte Teil der Tagebucher der Offentlichkeit uber Jahrzehnte hinweg nicht zuganglich. Obwohl seit 1990 nun einzelne Publikationen codierter Aufzeichnungen vorliegen, so wurden diese in ihrer Gesamtheit bis dato weder ediert, noch auf die Hintergrunde untersucht, die Wittgenstein bewogen haben konnten, einen Code zu benutzen. Ebenso wenig ist ihr Stellenwert innerhalb seines philosophischen Werks erforscht. Haufig werden sie als personliche Eintragungen Wittgensteins gewertet, oder als kulturphilosophische Bemerkungen, insbesondere im Hinblick auf ethische und religiose Fragen. Dies trifft jedoch keineswegs auf alle verschlusselten Stellen zu. Anliegen meines Vortrags ist es, anhand von Beispielen an verschlusselten Aufzeichnungen im Nachlass Wittgensteins dem Bezug zum philosophischen Werk sowie der Frage nachzugehen, weshalb er fur bestimmte Bemerkungen einen Code verwendete. Ob er damit eine bestimmte Absicht verfolgte, um u.a. das, woruber er nicht schreiben wollte, auf „verhullte“ Weise darzustellen? Ob diese Bemerkungen vielleicht auch als Beispiel fur seine Sprachphilosophie angesehen werden konnen – insofern er mit ihnen eine bestimmte Funktion von Sprache erfullt sah, die durch wissenschaftliche Dispute nicht erreicht werden kann? – Als eine besondere Art, Sich-Zeigendes von klar Sagbarem zu trennen? Etwa in Form von einer Art poetischer Satze als Gegenpol zu streng philosophischen Argumentationen? Denn nicht nur die Schrift unterscheidet sich von der Normalschrift, auch Inhalt und Form weichen von dem in Normalschrift gehaltenen ab, so dass die Vermutung nahe liegt, Wittgenstein wollte mit dem Code einen bestimmten Texttypus, einen bestimmten Stil, markieren.\",\"PeriodicalId\":317292,\"journal\":{\"name\":\"From ontos verlag: Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society - New Series\",\"volume\":\"14 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2013-11-12\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"From ontos verlag: Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society - New Series\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.1515/9783110330595.367\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"From ontos verlag: Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society - New Series","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110330595.367","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Im Nachlass von Ludwig Wittgestein finden sich an die 450 Stellen, die in verschlusselter Schrift abgefasst sind und in der Rezeption weitverbreitet als „Geheimschrift-Stellen“ bezeichnet werden. Diese teils tagebuchartigen, haufig in Form von Aphorismen oder Fragmenten in den Manuskripten verstreut auftretenden Aufzeichnungen, heben sich von dem in Normalschrift gehaltenen, philosophisch gefuhrten Diskurs ab; sie ragen aus diesem als etwas Eigenstandiges heraus, das mit dem philosophischen Inhalt in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu stehen scheint. In ihrer geschlossensten Form finden sich verschlusselte Eintragungen in den Tagebuchern 1914-1916, wo sie sich auf der linken Seite der Manuskripte befinden und als Wittgensteins personliche Tagebucher zu betrachten sind. Wahrend die in Normalschrift gehaltenen philosophischen Aufzeichnungen bereits 1960 ediert sind, blieb der verschlusselte Teil der Tagebucher der Offentlichkeit uber Jahrzehnte hinweg nicht zuganglich. Obwohl seit 1990 nun einzelne Publikationen codierter Aufzeichnungen vorliegen, so wurden diese in ihrer Gesamtheit bis dato weder ediert, noch auf die Hintergrunde untersucht, die Wittgenstein bewogen haben konnten, einen Code zu benutzen. Ebenso wenig ist ihr Stellenwert innerhalb seines philosophischen Werks erforscht. Haufig werden sie als personliche Eintragungen Wittgensteins gewertet, oder als kulturphilosophische Bemerkungen, insbesondere im Hinblick auf ethische und religiose Fragen. Dies trifft jedoch keineswegs auf alle verschlusselten Stellen zu. Anliegen meines Vortrags ist es, anhand von Beispielen an verschlusselten Aufzeichnungen im Nachlass Wittgensteins dem Bezug zum philosophischen Werk sowie der Frage nachzugehen, weshalb er fur bestimmte Bemerkungen einen Code verwendete. Ob er damit eine bestimmte Absicht verfolgte, um u.a. das, woruber er nicht schreiben wollte, auf „verhullte“ Weise darzustellen? Ob diese Bemerkungen vielleicht auch als Beispiel fur seine Sprachphilosophie angesehen werden konnen – insofern er mit ihnen eine bestimmte Funktion von Sprache erfullt sah, die durch wissenschaftliche Dispute nicht erreicht werden kann? – Als eine besondere Art, Sich-Zeigendes von klar Sagbarem zu trennen? Etwa in Form von einer Art poetischer Satze als Gegenpol zu streng philosophischen Argumentationen? Denn nicht nur die Schrift unterscheidet sich von der Normalschrift, auch Inhalt und Form weichen von dem in Normalschrift gehaltenen ab, so dass die Vermutung nahe liegt, Wittgenstein wollte mit dem Code einen bestimmten Texttypus, einen bestimmten Stil, markieren.