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(3) Das Gesagte gilt für drei Ebenen, erstens für das Sprechen und Schreiben im Vollzug, zweitens für die Einzelsprache und drittens für die anthropologische Fähigkeit jedes Menschen zum Sprechen und (kulturgeschichtlich später) zum Schreiben. In dieser Trias sind unschwer F. de Saussures (1967) ‚parole‘, seine ‚langue‘ und seine ‚langage‘ zu erkennen. (4) Es gibt vier verschiedene Typen der Semantik, die im Zusammenhang dieses Beitrages relevant sind: a) die Referenz-, Bezeichnungs-, Darstellungssemantik, b) eine Semantik, die sich je nach Aspekt als Fiktions-, Konstitutions-, Gestaltungssemantik fassen ließe, c) die Beziehungsoder Handlungssemantik, die die Abhängigkeit der unter a) und b) genannten Semantiktypen von der Beziehung der Sprechenden betont, und d) die indexikalische / symptomfunktionale Semantik, die den erstgenannten drei Typen, die zusammen als Symbolsemantik bezeichnet werden, gegenübersteht (vgl. Peirce 1983: 64–67). Die Zielrichtung dieser Semantiktypen ergibt sich aus der Motivation der Bestimmungswörter: Man referiert auf eine vorausgesetzte Bezugsgröße (z. B. auf ‚Fenster‘); man prägt, fingiert, konstituiert (affiziert oder effiziert) Bezugsgrößen (z. B. ‚Freiheit‘, den","PeriodicalId":113388,"journal":{"name":"Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte","volume":"29 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2018-08-16","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Grundfragen sprachhistorischer Semantik. Mit Veranschaulichungen am Beispiel Martin Luther\",\"authors\":\"O. 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(3) Das Gesagte gilt für drei Ebenen, erstens für das Sprechen und Schreiben im Vollzug, zweitens für die Einzelsprache und drittens für die anthropologische Fähigkeit jedes Menschen zum Sprechen und (kulturgeschichtlich später) zum Schreiben. In dieser Trias sind unschwer F. de Saussures (1967) ‚parole‘, seine ‚langue‘ und seine ‚langage‘ zu erkennen. (4) Es gibt vier verschiedene Typen der Semantik, die im Zusammenhang dieses Beitrages relevant sind: a) die Referenz-, Bezeichnungs-, Darstellungssemantik, b) eine Semantik, die sich je nach Aspekt als Fiktions-, Konstitutions-, Gestaltungssemantik fassen ließe, c) die Beziehungsoder Handlungssemantik, die die Abhängigkeit der unter a) und b) genannten Semantiktypen von der Beziehung der Sprechenden betont, und d) die indexikalische / symptomfunktionale Semantik, die den erstgenannten drei Typen, die zusammen als Symbolsemantik bezeichnet werden, gegenübersteht (vgl. Peirce 1983: 64–67). 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Grundfragen sprachhistorischer Semantik. Mit Veranschaulichungen am Beispiel Martin Luther
Einleitend seien einige apodiktische Vorbemerkungen angebracht; sie lauten: (1) Der oberste Zweck allen Sprechens und Schreibens, und zwar sowohl des objektsprachlichen wie des metasprachlichen Sprechens und Schreibens, liegt für mich in der Semantik, obwohl ich weiß, dass diese Aussage sprachtheoretisch insofern anfechtbar ist, als es keine Inhalte ohne ausdrucksseitige Fassung und keine solche Fassung ohne Inhalte gibt. Sie entspricht aber der einfachen pragmatischen Vorannahme, dass es bei allem Sprechen und Schreiben eher um Inhalte als um Formen geht. (2) Damit hätte sich auch alle sprachwissenschaftliche (= linguistische) Tätigkeit bis ins letzte Detail auf die Semantik zu richten. Mit dem Blick auf Martin Luthers sprachliche Hinterlassenschaft sollte den existenziellen Situationen des Menschen dabei besondere Aufmerksamkeit zukommen. (3) Das Gesagte gilt für drei Ebenen, erstens für das Sprechen und Schreiben im Vollzug, zweitens für die Einzelsprache und drittens für die anthropologische Fähigkeit jedes Menschen zum Sprechen und (kulturgeschichtlich später) zum Schreiben. In dieser Trias sind unschwer F. de Saussures (1967) ‚parole‘, seine ‚langue‘ und seine ‚langage‘ zu erkennen. (4) Es gibt vier verschiedene Typen der Semantik, die im Zusammenhang dieses Beitrages relevant sind: a) die Referenz-, Bezeichnungs-, Darstellungssemantik, b) eine Semantik, die sich je nach Aspekt als Fiktions-, Konstitutions-, Gestaltungssemantik fassen ließe, c) die Beziehungsoder Handlungssemantik, die die Abhängigkeit der unter a) und b) genannten Semantiktypen von der Beziehung der Sprechenden betont, und d) die indexikalische / symptomfunktionale Semantik, die den erstgenannten drei Typen, die zusammen als Symbolsemantik bezeichnet werden, gegenübersteht (vgl. Peirce 1983: 64–67). Die Zielrichtung dieser Semantiktypen ergibt sich aus der Motivation der Bestimmungswörter: Man referiert auf eine vorausgesetzte Bezugsgröße (z. B. auf ‚Fenster‘); man prägt, fingiert, konstituiert (affiziert oder effiziert) Bezugsgrößen (z. B. ‚Freiheit‘, den