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Abstract
Zusammenfassung. Lernschwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache oder des Rechnens gehört für ca. ein Drittel aller Grundschulkinder zum schulischen Alltag. Wenn diese Schwierigkeiten länger andauern, wird von Lernschwächen, Lernstörungen oder Lernbehinderungen gesprochen. Die begriffliche Abgrenzung wird aktuell durch verschiedene Klassifikationskriterien in verschiedenen Klassifikationssystemen (ICD-10/11, DSM-5 oder AWMF Leitlinien) sehr erschwert, was Unsicherheiten in der Diagnostik und auch divergierende pädagogische Konsequenzen zur Folge hat. Eine besondere Rolle spielt dabei das sogenannte doppelte Diskrepanzkriterium für die Diagnose einer Lernstörung: Die Leistung eines Kindes muss unter dem nach dem Alter bzw. der Beschulung und der Intelligenz zu erwartenden Niveau liegen. Die Schulleistung muss also erwartungswidrig ausfallen – das betroffene Kind bleibt hinter den für die Klassenstufe typischen Leistungen und auch hinter den eigenen allgemeinen kognitiven Fähigkeiten zurück. Das Kriterium der Diskrepanz der Schulleistung zur Intelligenz wird seit langem kontrovers diskutiert und ist in den Klassifikationssystemen unterschiedlich verankert. Seine Anwendung hat sowohl für die diagnostische als auch für die pädagogische Praxis weitreichende Konsequenzen. Es führt dazu, dass Kinder mit Diskrepanz zwischen Schulleistung und Intelligenz die Diagnose „Lernstörung“ erhalten, Kinder ohne diese Diskrepanz haben eine „Lernschwäche“, beide Gruppen erfahren unterschiedliche schulische und außerschulische Lernförderung. Der vorliegende Beitrag stellt die Berechtigung dieses Kriteriums der Diskrepanz zwischen Schulleistung und Intelligenz anhand empirischer Evidenz in Frage und beleuchtet Konsequenzen sowohl für die bislang gängige Anwendung des doppelten Diskrepanzkriteriums als auch für den Verzicht darauf. Das Fazit dieser Erörterung rät zum Umdenken.
期刊介绍:
Die Zeitschrift publiziert Beiträge aus dem Gesamtgebiet der Pädagogischen Psychologie. Alle eingereichten Beiträge werden einem anonymen Begutachtungsverfahren unterzogen ("blind peer-review").