{"title":"Juden oder Nichtjuden, das ist hier die Frage. Zur Identifizierung der Gegner im Galaterbrief","authors":"T. Schumacher","doi":"10.1515/znw-2022-0004","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Zusammenfassung Die Frage nach der Identifizierung der Gegner im Galaterbrief spielt in der neutestamentlichen Forschung eine wesentliche Rolle, zumal sowohl die Einschätzung der groben Stoßrichtung als auch diejenige der konkreten Argumentationsführung dieses paulinischen Schreibens von der Beantwortung der Gegnerfrage nicht unwesentlich beeinflusst werden. Trotz aller Schwierigkeiten, die mit dieser Frage verbunden sind, kann eine Mehrheitsmeinung dahingehend konstatiert werden, dass es sich um jüdische oder judenchristliche Missionare handelt, welche die heidnischen Galater zu einer Orientierung am jüdischen Gesetz und zur Übernahme von Tora-Vorschriften bewegen wollten. Der vorliegende Beitrag plädiert auf der Basis textkritischer Beobachtungen gegen diese vorherrschende Meinung und schlägt eine Identifizierung der Gegner als „judaisierende Heidenchristen“ vor. Diese Zuschreibung führt zu einer Neubewertung der Argumentationsführung des Galaterbriefs, denn vor dem Hintergrund einer solchen Gegneridentifikation legt sich die Annahme nahe, dass sich Paulus mit einer fehlerhaften Perspektive von Heidenchristen auf das Judentum sowie mit einem damit grundsätzlich zusammenhängenden Kategorienfehler im Blick auf die soteriologische Funktion der Tora auseinanderzusetzen hatte. Der Beitrag verdeutlicht zudem, dass zur Abfassungszeit des Galaterbriefs offenbar noch eine klare Differenzierung zwischen Christen mit jüdischer Identität und solchen mit einem paganen Hintergrund auszumachen ist, eine Differenzierung, die jedoch im Zuge der neutestamentlichen Textüberlieferung mehr und mehr verwischt wurde.","PeriodicalId":44277,"journal":{"name":"ZEITSCHRIFT FUR DIE NEUTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT UND DIE KUNDE DER ALTEREN KIRCHE","volume":"63 1","pages":"69 - 98"},"PeriodicalIF":0.3000,"publicationDate":"2022-02-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"ZEITSCHRIFT FUR DIE NEUTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT UND DIE KUNDE DER ALTEREN KIRCHE","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/znw-2022-0004","RegionNum":2,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q2","JCRName":"Arts and Humanities","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Zusammenfassung Die Frage nach der Identifizierung der Gegner im Galaterbrief spielt in der neutestamentlichen Forschung eine wesentliche Rolle, zumal sowohl die Einschätzung der groben Stoßrichtung als auch diejenige der konkreten Argumentationsführung dieses paulinischen Schreibens von der Beantwortung der Gegnerfrage nicht unwesentlich beeinflusst werden. Trotz aller Schwierigkeiten, die mit dieser Frage verbunden sind, kann eine Mehrheitsmeinung dahingehend konstatiert werden, dass es sich um jüdische oder judenchristliche Missionare handelt, welche die heidnischen Galater zu einer Orientierung am jüdischen Gesetz und zur Übernahme von Tora-Vorschriften bewegen wollten. Der vorliegende Beitrag plädiert auf der Basis textkritischer Beobachtungen gegen diese vorherrschende Meinung und schlägt eine Identifizierung der Gegner als „judaisierende Heidenchristen“ vor. Diese Zuschreibung führt zu einer Neubewertung der Argumentationsführung des Galaterbriefs, denn vor dem Hintergrund einer solchen Gegneridentifikation legt sich die Annahme nahe, dass sich Paulus mit einer fehlerhaften Perspektive von Heidenchristen auf das Judentum sowie mit einem damit grundsätzlich zusammenhängenden Kategorienfehler im Blick auf die soteriologische Funktion der Tora auseinanderzusetzen hatte. Der Beitrag verdeutlicht zudem, dass zur Abfassungszeit des Galaterbriefs offenbar noch eine klare Differenzierung zwischen Christen mit jüdischer Identität und solchen mit einem paganen Hintergrund auszumachen ist, eine Differenzierung, die jedoch im Zuge der neutestamentlichen Textüberlieferung mehr und mehr verwischt wurde.
期刊介绍:
A highly reputed journal published since 1900, the ZEITSCHRIFT FÜR DIE NEUTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT is an international journal for the exegesis of the New Testament and knowledge of the early church (patristics). Appearing annually in two issues of 150 pages each plus supplements, it features original contributions in German, English, and French which have been written by well-known scholars worldwide. By accepting only high quality research papers which advance scholarship, the editors seek to retain the recognizably high niveau of the journal.