{"title":"Warum zögert Crassus? Aspekte der Dialoghandlung in Ciceros De oratore","authors":"G. Müller","doi":"10.1515/9783110239171.39","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"In seinem 55 v. Chr. entstandenen Dialog De oratore1 gestaltet Cicero ein Gespräch über die Grundlagen der Rhetorik und den idealen Redner, das nach seinen Angaben an den Feiertagen der Ludi Romani im September des Jahres 91 v. Chr. in der Villa des Crassus in Tusculum unter Anwesenheit weiterer Gesprächsteilnehmer stattgefunden haben soll.2 Zu den bislang kaum beachteten Auffälligkeiten der Unterredung gehört es, dass sich der Gastgeber und Hauptredner Crassus nur widerwillig dem Wunsch seiner Gesprächspartner beugt, seine Ansichten über das Wesen der Rhetorik systematisch darzulegen.3 So ist die bei diesem versammelte Gesprächsrunde über mehr als die Hälfte des ersten Buches damit beschäftigt, ihren Gastgeber dazu zu bringen, sich auf ihr Anliegen einzulassen. Warum macht es Crassus seinen Gästen so schwer, obwohl er als begabtester und erfolgreichster Redner seiner Zeit vorgestellt wird4 und mit seinem einleitenden Lob auf die Redekunst das Thema eigentlich selbst anstößt?5 Warum zögert Crassus so lange, bis er sich bereit erklärt, die zunächst lockere Unterhaltung arrivierter römischer Aristokraten6 über die Bedeutung umfassender Bildung für den Redner in eine Erörterung über die Rhetorik in ihrer Gesamtheit zu transformieren? Die Frage nach den Gründen für Crassus’ Zögern, das sich wie ein retardierendes Moment vor die systematische Behandlung der Redekunst schiebt, tangiert die grundsätzlichere Frage nach Funktion und Bedeutung der Dialogform in De oratore.7 Offensichtlich","PeriodicalId":42033,"journal":{"name":"ANTIKE UND ABENDLAND","volume":"57 1","pages":"39 - 55"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2011-01-15","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/9783110239171.39","citationCount":"2","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"ANTIKE UND ABENDLAND","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110239171.39","RegionNum":4,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"CLASSICS","Score":null,"Total":0}
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Abstract
In seinem 55 v. Chr. entstandenen Dialog De oratore1 gestaltet Cicero ein Gespräch über die Grundlagen der Rhetorik und den idealen Redner, das nach seinen Angaben an den Feiertagen der Ludi Romani im September des Jahres 91 v. Chr. in der Villa des Crassus in Tusculum unter Anwesenheit weiterer Gesprächsteilnehmer stattgefunden haben soll.2 Zu den bislang kaum beachteten Auffälligkeiten der Unterredung gehört es, dass sich der Gastgeber und Hauptredner Crassus nur widerwillig dem Wunsch seiner Gesprächspartner beugt, seine Ansichten über das Wesen der Rhetorik systematisch darzulegen.3 So ist die bei diesem versammelte Gesprächsrunde über mehr als die Hälfte des ersten Buches damit beschäftigt, ihren Gastgeber dazu zu bringen, sich auf ihr Anliegen einzulassen. Warum macht es Crassus seinen Gästen so schwer, obwohl er als begabtester und erfolgreichster Redner seiner Zeit vorgestellt wird4 und mit seinem einleitenden Lob auf die Redekunst das Thema eigentlich selbst anstößt?5 Warum zögert Crassus so lange, bis er sich bereit erklärt, die zunächst lockere Unterhaltung arrivierter römischer Aristokraten6 über die Bedeutung umfassender Bildung für den Redner in eine Erörterung über die Rhetorik in ihrer Gesamtheit zu transformieren? Die Frage nach den Gründen für Crassus’ Zögern, das sich wie ein retardierendes Moment vor die systematische Behandlung der Redekunst schiebt, tangiert die grundsätzlichere Frage nach Funktion und Bedeutung der Dialogform in De oratore.7 Offensichtlich
期刊介绍:
The ANTIKE UND ABENDLAND yearbook was founded immediately after the Second World War by Bruno Snell as a forum for interdisciplinary discussion of topics from Antiquity and the history of their later effects. The Editorial Board contains representatives from the disciplines of Classical Studies, Ancient History, Germanic Studies, Romance Studies and English Studies. Articles are published on classical literature and its reception, the history of science, Greek myths, classical mythology and its European heritage; in addition, there are contributions on Ancient history, art, philosophy, science, religion and their significance for the history of European culture and thought.