I. KANT UND F. SCHILLERZUR HUMANISIERUNG DES MENSCHEN NACH EINEM VERBORGENEN PLAN DER NATURIN DERÄSTHETISCHEN AUSEINAN–DERSETZUNG M.A. BULGAKOVS MITDER UTOPIE DES NEUEN MENSCHEN
{"title":"I. KANT UND F. SCHILLERZUR HUMANISIERUNG DES MENSCHEN NACH EINEM VERBORGENEN PLAN DER NATURIN DERÄSTHETISCHEN AUSEINAN–DERSETZUNG M.A. BULGAKOVS MITDER UTOPIE DES NEUEN MENSCHEN","authors":"Ute Marggraff","doi":"10.1344/AFLM2015.5.6","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Wahrend M. Bulgakovs literarische Werke aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und Ambivalenz oft als schwer entschlusselbar gelten, formuliert der Autor in seiner Publizistik direkter und bringt, wie beispielsweise im Tagebuch, seine Vorbehalte gegen die Revolution in ihrer proletarischen Form direkter und praziser zur Sprache. Ein Blick in die seit 1989 nach und nach veroffentlichten Tagebucher offenbart, dass Bulgakovs kritische Bemerkungen zu den Oktoberereignissen des Jahres 1917 und nachfolgenden Entwicklungen jenen Reflexionen gleichen, die die Revolution in ihrer burgerlichen Form, die Franzosische Revolution von 1789, provozierte. Ahnlich hatte schon Schiller behauptet, dass die Auspragung schoner Menschlichkeit eine politische Revolution, wie sie in Frankreich stattgefunden hatte, uberflussig macht. Ausgehend davon werden im Aufsatz intertextuelle Verweise auf I. Kants Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltburgerlicher Absicht (1784) und F. Schillers Briefe uber die asthetische Erziehung des Menschen (1793/1794) beschrieben und analysiert, die in Bulgakovs Povest’ Sobac’e serdce (1925) eingeschrieben sind. Der Umstand, dass Bulgakovs Werk uber sechzig Jahre im Archiv lag, ist nicht zuletzt darauf zuruckzufuhren, dass sein Autor in Auseinandersetzung mit abstrakten geschichtsoptimistischen Vorstellungen vom „neuen Menschen“ auch die Literaturverhaltnisse seiner Zeit aufklarungsskeptisch betrachtet und die von Schiller konzipierte Idee der asthetischen Erziehung mit Hilfe autonomer Kunst nutzt, um in der Aufklarung wurzelnde zeitgenossische dogmatische Vorstellungen von der erzieherischen Funktion der Kunst im Interesse einer asthetischen und historischen Selbstverstandigung zu relativieren. Dies erscheint umso bemerkenswerter, da Schiller in Russland lange Zeit aufgrund des immer wieder favorisierten gesellschaftlich eingreifenden Literaturverstandnisses in reduzierter Form wahrgenommen und teilweise einseitig rezipiert wurde.","PeriodicalId":53720,"journal":{"name":"Anuari de Filologia-Llengues i Literaturas Modernas","volume":"1 1","pages":"71-87"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2015-12-15","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Anuari de Filologia-Llengues i Literaturas Modernas","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1344/AFLM2015.5.6","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Wahrend M. Bulgakovs literarische Werke aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und Ambivalenz oft als schwer entschlusselbar gelten, formuliert der Autor in seiner Publizistik direkter und bringt, wie beispielsweise im Tagebuch, seine Vorbehalte gegen die Revolution in ihrer proletarischen Form direkter und praziser zur Sprache. Ein Blick in die seit 1989 nach und nach veroffentlichten Tagebucher offenbart, dass Bulgakovs kritische Bemerkungen zu den Oktoberereignissen des Jahres 1917 und nachfolgenden Entwicklungen jenen Reflexionen gleichen, die die Revolution in ihrer burgerlichen Form, die Franzosische Revolution von 1789, provozierte. Ahnlich hatte schon Schiller behauptet, dass die Auspragung schoner Menschlichkeit eine politische Revolution, wie sie in Frankreich stattgefunden hatte, uberflussig macht. Ausgehend davon werden im Aufsatz intertextuelle Verweise auf I. Kants Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltburgerlicher Absicht (1784) und F. Schillers Briefe uber die asthetische Erziehung des Menschen (1793/1794) beschrieben und analysiert, die in Bulgakovs Povest’ Sobac’e serdce (1925) eingeschrieben sind. Der Umstand, dass Bulgakovs Werk uber sechzig Jahre im Archiv lag, ist nicht zuletzt darauf zuruckzufuhren, dass sein Autor in Auseinandersetzung mit abstrakten geschichtsoptimistischen Vorstellungen vom „neuen Menschen“ auch die Literaturverhaltnisse seiner Zeit aufklarungsskeptisch betrachtet und die von Schiller konzipierte Idee der asthetischen Erziehung mit Hilfe autonomer Kunst nutzt, um in der Aufklarung wurzelnde zeitgenossische dogmatische Vorstellungen von der erzieherischen Funktion der Kunst im Interesse einer asthetischen und historischen Selbstverstandigung zu relativieren. Dies erscheint umso bemerkenswerter, da Schiller in Russland lange Zeit aufgrund des immer wieder favorisierten gesellschaftlich eingreifenden Literaturverstandnisses in reduzierter Form wahrgenommen und teilweise einseitig rezipiert wurde.