{"title":"non obesis auribus apta – Calp. 7 und das Spiel mit dem Leser","authors":"Leon Schmieder","doi":"10.1515/ANAB-2018-640108","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Bezüglich der Eklogen des Calpurnius Siculus lassen sich zwei Hauptlinien der Forschung aufzeigen: Einerseits ist sie von den Versuchen geprägt, Haupts Datierung der Gedichtsammlung in die frühen Jahre der Herrschaft Neros entweder zu bestätigen oder zu widerlegen1, andererseits (und mehrheitlich) versucht sie, das komplexe Verhältnis des Calpurnius zu den beiden Vorgängern Theokrit und Vergil zu qualifizieren.2 Bisweilen haben sich diese beiden Bereiche der Untersuchung überschnitten und es wurde auf den zwei Prämissen a: Calpurnius ist ein neronischer Dichter und b: Calpurnius hält sich nicht an die Konventionen der Gattung «Bukolik» aufbauend das Bild eines Dichters entworfen, der in seiner Neuorientierung in Richtung urbanem Raum und panegyrischer Interaktion mit dem Kaiser die Bukolik sprenge. Dabei kehre er in subversiver Rafinesse sowohl der Gattung, die als unzeitgemäß und im wahrsten Sinne des Wortes deplatziert erscheine, als auch dem Kaiser – oder, um das Kind beim Namen zu nennen, Nero – den Rücken.3 Dieser interpretatorische Zirkelschluss, der im Subtext der Gedichtsammlung eine wachsende Enttäuschung und in ihr selbst einen Protest zu sehen glaubte, kann mittlerweile jedoch in der communis opinio zumindest in seinem absoluten Geltungsanspruch als widerlegt gelten.4 Stattdessen wurde der panegyrische Vektor der Eklogen und die Öffnung ihrer erzählten Welt für den urbanen Raum v. a. unter dem Aspekt der Gattungsinnovation qualifiziert und in ihrem literarästhetischen und kulturellen Kontext betrachtet.5 Gerade die siebte Ekloge mit ihrer breit angelegten ekphrastischen Schilderung der vom Kaiser gegebenen spectacula war und ist dabei Kristallisationspunkt der jeweiligen Interpretation der ganzen Gedichtsammlung. Mit ihr endet die das Corpus gliedernde panegyrische Gruppe, die sie zusammen mit Calp. 1, der Prophezeiung einer goldenen Zeit unter einem jungen princeps, und der als gesanglichem Wettstreit inszenierten und das Thema noch breiter ausführenden Calp. 4 bildet. Während in den beiden genannten Eklogen das panegyrische Thema einen großen Raum einnimmt, so handeln deren Akteure jedoch noch innerhalb des bukolischen green cabinet. Dies ändert sich radikal mit Calp. 7 und dem Bericht des Hirten Corydon, der seinem ältlichen Gefährten Lycotas einen Bericht seiner Erlebnisse in Rom vorträgt und so den konzeptuellen bukolischen Raum endgültig für","PeriodicalId":42033,"journal":{"name":"ANTIKE UND ABENDLAND","volume":"64 1","pages":"112 - 129"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2018-02-18","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/ANAB-2018-640108","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"ANTIKE UND ABENDLAND","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/ANAB-2018-640108","RegionNum":4,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"CLASSICS","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Bezüglich der Eklogen des Calpurnius Siculus lassen sich zwei Hauptlinien der Forschung aufzeigen: Einerseits ist sie von den Versuchen geprägt, Haupts Datierung der Gedichtsammlung in die frühen Jahre der Herrschaft Neros entweder zu bestätigen oder zu widerlegen1, andererseits (und mehrheitlich) versucht sie, das komplexe Verhältnis des Calpurnius zu den beiden Vorgängern Theokrit und Vergil zu qualifizieren.2 Bisweilen haben sich diese beiden Bereiche der Untersuchung überschnitten und es wurde auf den zwei Prämissen a: Calpurnius ist ein neronischer Dichter und b: Calpurnius hält sich nicht an die Konventionen der Gattung «Bukolik» aufbauend das Bild eines Dichters entworfen, der in seiner Neuorientierung in Richtung urbanem Raum und panegyrischer Interaktion mit dem Kaiser die Bukolik sprenge. Dabei kehre er in subversiver Rafinesse sowohl der Gattung, die als unzeitgemäß und im wahrsten Sinne des Wortes deplatziert erscheine, als auch dem Kaiser – oder, um das Kind beim Namen zu nennen, Nero – den Rücken.3 Dieser interpretatorische Zirkelschluss, der im Subtext der Gedichtsammlung eine wachsende Enttäuschung und in ihr selbst einen Protest zu sehen glaubte, kann mittlerweile jedoch in der communis opinio zumindest in seinem absoluten Geltungsanspruch als widerlegt gelten.4 Stattdessen wurde der panegyrische Vektor der Eklogen und die Öffnung ihrer erzählten Welt für den urbanen Raum v. a. unter dem Aspekt der Gattungsinnovation qualifiziert und in ihrem literarästhetischen und kulturellen Kontext betrachtet.5 Gerade die siebte Ekloge mit ihrer breit angelegten ekphrastischen Schilderung der vom Kaiser gegebenen spectacula war und ist dabei Kristallisationspunkt der jeweiligen Interpretation der ganzen Gedichtsammlung. Mit ihr endet die das Corpus gliedernde panegyrische Gruppe, die sie zusammen mit Calp. 1, der Prophezeiung einer goldenen Zeit unter einem jungen princeps, und der als gesanglichem Wettstreit inszenierten und das Thema noch breiter ausführenden Calp. 4 bildet. Während in den beiden genannten Eklogen das panegyrische Thema einen großen Raum einnimmt, so handeln deren Akteure jedoch noch innerhalb des bukolischen green cabinet. Dies ändert sich radikal mit Calp. 7 und dem Bericht des Hirten Corydon, der seinem ältlichen Gefährten Lycotas einen Bericht seiner Erlebnisse in Rom vorträgt und so den konzeptuellen bukolischen Raum endgültig für
期刊介绍:
The ANTIKE UND ABENDLAND yearbook was founded immediately after the Second World War by Bruno Snell as a forum for interdisciplinary discussion of topics from Antiquity and the history of their later effects. The Editorial Board contains representatives from the disciplines of Classical Studies, Ancient History, Germanic Studies, Romance Studies and English Studies. Articles are published on classical literature and its reception, the history of science, Greek myths, classical mythology and its European heritage; in addition, there are contributions on Ancient history, art, philosophy, science, religion and their significance for the history of European culture and thought.