{"title":"Ungelesen. : Zur Archivfunktion von Zeitschriften und ihrem Einfluss auf die Wahrnehmbarkeit von Texten","authors":"Daniel Ehrmann","doi":"10.3726/jig541_57","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Insbesondere im 18. Jahrhundert inszenierten sich Zeitschriften häufig als Orte der Aufbewahrung.1 Nicht zuletzt in Vorreden reflektierten und konkretisierten sie diese Rolle teils ausführlich,2 sie zeigten es aber auch schon in der Wahl von Titeln an,\n in denen sie sich als Magazin, Bibliothek oder Archiv ausstellten. Die seit einigen Jahren intensivierte Zeitschriftenforschung hat diesen zentralen Aspekt wiederholt aufgegriffen und intensiv verhandelt.3 Gustav Frank, Madleen Podewski und Stefan Scherer haben Zeitschriften als\n ,kleine Archive‘ beschrieben, um sie damit auch stärker als Akteure historischer Wissensformation zu konturieren.4 Im Anschluss daran und parallel dazu sind weitere Untersuchungen auf die Rolle von Zeitschriften bei der Herstellung, aber auch der Verbreitung (und\n Popularisierung) von Wissen eingegangen, wobei immer wieder, wenngleich eher beiläufig, die Frage nach Formen der Aufmerksamkeitslenkung gestellt wurde. Die spezifische Archivfunktion von Zeitschriften, die diese Beiträge untersuchen, wird durch die Gleichzeitigkeit von Aufbewahrung\n und Abrufbarkeit ermöglicht, die auch Wiederaufnahme und Variation gestattet. Nach Madleen Podewski waren Zeitschriften ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert ,,zuständig für das unabgeschlossene, fortsetzbare, in verschiedenen Formen kopräsente, pluralisierte ,Räsonnement‘“,\n und sie nahmen daher ,,eine intermediäre Position zwischen der schnellen, faktensammelnden ,Zeitung‘ und dem dauerhaften, abgeschlossenen ,Buch‘“ ein.5 Zwar trifft diese Charakterisierung grundsätzlich zu, die Gegenüberstellung von ephemeren\n und stabilen Publikationsformen erscheint darin aber gewiss schematischer als sie in den konkreten historischen Praxisformen war, wo sich vielfach Kontinuitäten zwischen den Publikationsformaten aufweisen lassen.6 Als Ergänzung kann daher Sean Franzels Argument verstanden\n werden, dass Zeitschriften auch als Ort der ,,reflection upon the temporalization (Verzeitlichung) of experience“ zu begreifen sind,7 indem sie die Frage von Vergänglichkeit und Konservierung thematisieren.","PeriodicalId":40838,"journal":{"name":"JAHRBUCH FUR INTERNATIONALE GERMANISTIK","volume":" ","pages":""},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2022-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"JAHRBUCH FUR INTERNATIONALE GERMANISTIK","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3726/jig541_57","RegionNum":4,"RegionCategory":"文学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LITERATURE, GERMAN, DUTCH, SCANDINAVIAN","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Insbesondere im 18. Jahrhundert inszenierten sich Zeitschriften häufig als Orte der Aufbewahrung.1 Nicht zuletzt in Vorreden reflektierten und konkretisierten sie diese Rolle teils ausführlich,2 sie zeigten es aber auch schon in der Wahl von Titeln an,
in denen sie sich als Magazin, Bibliothek oder Archiv ausstellten. Die seit einigen Jahren intensivierte Zeitschriftenforschung hat diesen zentralen Aspekt wiederholt aufgegriffen und intensiv verhandelt.3 Gustav Frank, Madleen Podewski und Stefan Scherer haben Zeitschriften als
,kleine Archive‘ beschrieben, um sie damit auch stärker als Akteure historischer Wissensformation zu konturieren.4 Im Anschluss daran und parallel dazu sind weitere Untersuchungen auf die Rolle von Zeitschriften bei der Herstellung, aber auch der Verbreitung (und
Popularisierung) von Wissen eingegangen, wobei immer wieder, wenngleich eher beiläufig, die Frage nach Formen der Aufmerksamkeitslenkung gestellt wurde. Die spezifische Archivfunktion von Zeitschriften, die diese Beiträge untersuchen, wird durch die Gleichzeitigkeit von Aufbewahrung
und Abrufbarkeit ermöglicht, die auch Wiederaufnahme und Variation gestattet. Nach Madleen Podewski waren Zeitschriften ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert ,,zuständig für das unabgeschlossene, fortsetzbare, in verschiedenen Formen kopräsente, pluralisierte ,Räsonnement‘“,
und sie nahmen daher ,,eine intermediäre Position zwischen der schnellen, faktensammelnden ,Zeitung‘ und dem dauerhaften, abgeschlossenen ,Buch‘“ ein.5 Zwar trifft diese Charakterisierung grundsätzlich zu, die Gegenüberstellung von ephemeren
und stabilen Publikationsformen erscheint darin aber gewiss schematischer als sie in den konkreten historischen Praxisformen war, wo sich vielfach Kontinuitäten zwischen den Publikationsformaten aufweisen lassen.6 Als Ergänzung kann daher Sean Franzels Argument verstanden
werden, dass Zeitschriften auch als Ort der ,,reflection upon the temporalization (Verzeitlichung) of experience“ zu begreifen sind,7 indem sie die Frage von Vergänglichkeit und Konservierung thematisieren.