{"title":"Flanierende auf einem Bein. : Weibliche Stadterfahrung im Schatten männlicher Flaneure in Herta Müllers Reisende auf einem Bein (1989)","authors":"Kyungmin Kim","doi":"10.3726/jig541_13","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Der Flaneur, der insbesondere im 19. Jahrhundert als städtischer Spaziergänger, Beobachter und Literat eine Kultfigur der Moderne wurde, war nie eine weibliche Geherin.1 ,,The dandy, the flâneur, the hero, the stranger – all figures invoked to epitomize\n the experience of modern life – are invariably male figures.“2 Insbesondere im 19. Jahrhundert war die Flanerie das Privileg des weißen, bürgerlichen Mannes.3 Obwohl zu jener Zeit durchaus auch Künstlerinnen in bildenden Künsten und der\n Literatur tätig waren, gab es im 19. und auch im frühen 20. Jahrhundert keine weiblichen Flaneure, die mit der männlichen Figur vergleichbar wären.4 Eine dieser auch Ende des 20. Jahrhunderts und insbesondere in der deutschsprachigen Literatur noch seltenen Figuren\n ist Irene aus Herta Müllers Roman Reisende auf einem Bein (1989). Irene ist aus Rumänien nach Deutschland emigriert. In ihrer vorläufigen Unterkunft fühlt sie sich nicht wohl, weshalb sie häufig auf der Straße geht und dabei Flaneur-typisch die verschiedenen\n Orte und Menschen beobachtet, z. B. ,,die Neonschrift der Stadt“ (RaeB, S. 29)5 oder die Menschen in der Flottenstraße (vgl. RaeB, S. 30). Allerdings ist herauszustellen, dass es signifikante Unterschiede in den Beweggründen und Erfahrungen ihres Unterwegsseins\n zu denen der männlichen Flaneure gibt, obwohl Herta Müller viele Eigenschaften des Flaneurs aufgreift, die Walter Benjamin, einer der bekanntesten männlichen Flaneure, in seinen Texten dargestellt hat. In diesem Aufsatz wird zunächst der Hintergrund der fehlenden weiblichen\n Flanerie beleuchtet und anschließend untersucht, ob Irene diesen fehlenden Platz in der Literatur ausfüllen kann.","PeriodicalId":40838,"journal":{"name":"JAHRBUCH FUR INTERNATIONALE GERMANISTIK","volume":" ","pages":""},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2022-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"JAHRBUCH FUR INTERNATIONALE GERMANISTIK","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3726/jig541_13","RegionNum":4,"RegionCategory":"文学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LITERATURE, GERMAN, DUTCH, SCANDINAVIAN","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Der Flaneur, der insbesondere im 19. Jahrhundert als städtischer Spaziergänger, Beobachter und Literat eine Kultfigur der Moderne wurde, war nie eine weibliche Geherin.1 ,,The dandy, the flâneur, the hero, the stranger – all figures invoked to epitomize
the experience of modern life – are invariably male figures.“2 Insbesondere im 19. Jahrhundert war die Flanerie das Privileg des weißen, bürgerlichen Mannes.3 Obwohl zu jener Zeit durchaus auch Künstlerinnen in bildenden Künsten und der
Literatur tätig waren, gab es im 19. und auch im frühen 20. Jahrhundert keine weiblichen Flaneure, die mit der männlichen Figur vergleichbar wären.4 Eine dieser auch Ende des 20. Jahrhunderts und insbesondere in der deutschsprachigen Literatur noch seltenen Figuren
ist Irene aus Herta Müllers Roman Reisende auf einem Bein (1989). Irene ist aus Rumänien nach Deutschland emigriert. In ihrer vorläufigen Unterkunft fühlt sie sich nicht wohl, weshalb sie häufig auf der Straße geht und dabei Flaneur-typisch die verschiedenen
Orte und Menschen beobachtet, z. B. ,,die Neonschrift der Stadt“ (RaeB, S. 29)5 oder die Menschen in der Flottenstraße (vgl. RaeB, S. 30). Allerdings ist herauszustellen, dass es signifikante Unterschiede in den Beweggründen und Erfahrungen ihres Unterwegsseins
zu denen der männlichen Flaneure gibt, obwohl Herta Müller viele Eigenschaften des Flaneurs aufgreift, die Walter Benjamin, einer der bekanntesten männlichen Flaneure, in seinen Texten dargestellt hat. In diesem Aufsatz wird zunächst der Hintergrund der fehlenden weiblichen
Flanerie beleuchtet und anschließend untersucht, ob Irene diesen fehlenden Platz in der Literatur ausfüllen kann.