Anika Rajput Khokhar, Kamran Ghoreschi, Julia Huynh
{"title":"Unerwünschte Wirkungen von Januskinase-Inhibitoren mit Relevanz für den dermatologischen Klinik- und Praxisalltag","authors":"Anika Rajput Khokhar, Kamran Ghoreschi, Julia Huynh","doi":"10.1111/ddg.15796_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Chronisch entzündliche Erkrankungen werden molekularbiologisch durch unterschiedliche Entzündungskaskaden vermittelt. Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF), Interleukin (IL)-6 und IL-1 initiieren die Produktion nachgeschalteter Mediatoren, darunter IL-17A und IL-22.<span><sup>1</sup></span> Diese Botenstoffe binden an spezifische Rezeptoren auf der Zielzelle, wobei viele Zytokinrezeptoren den JAK-STAT-Signalweg zur intrazellulären Signalweiterleitung nutzen. Die Rezeptoreinheiten dimerisieren und initiieren so die intrazelluläre Signaltransduktion. Durch die Dimerisierung des Rezeptors werden Januskinasen (JAK) an dessen intrazelluläre Domänen rekrutiert und autophosphoryliert, was eine Konformationsänderung des Rezeptors zur Folge hat. Anschließend übertragen die aktivierten JAK Phosphatgruppen auf STAT-Proteine (<i>signal transducers and activators of transcription</i>). Die nun ebenfalls phosphorylierten STAT werden dadurch aktiviert, dimerisieren und wandern in den Zellkern, um dort als Transkriptionsfaktoren Zielgene zu regulieren.</p><p>Über 50 unterschiedliche Zytokine und Wachstumsfaktoren vermitteln ihre Wirkung über den JAK/STAT-Signalweg. Bei Menschen kommen vier unterschiedliche JAK vor: JAK1, JAK2, JAK3 und Tyrosinkinase (TYK) 2. Zytokine binden an ihre jeweiligen Rezeptoren, welche wiederum mit JAK- beziehungsweise TYK-Molekülen assoziieren. Die jeweiligen Zytokin-Rezeptor-Komplexe verwenden entweder zwei JAK2-Moleküle oder verschiedene Kombinationen aus JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2. Dabei werden maximal drei verschiedene JAK aktiviert. Durch diese Aktivierung kommt es zur intrazellulären Signaltransduktion mit Transkription von Zielgenen durch STAT-Dimere. So wirkt IL-6 an den Zielzellen beispielsweise über seinen Rezeptorkomplex in Assoziation mit JAK1, JAK2 und TYK2. Je nach Rezeptorkomplex und JAK-Cluster werden spezifische Signale übertragen und bestimmte Effekte in Zielzellen erzeugt (unter anderem Lymphozytenproliferation, Myelopoese oder Erythropoese).</p><p>Therapeutisch blockieren JAKi diese Signalkaskade: Die meisten JAKi binden kompetitiv an der ATP-Bindungstasche der Kinase-Domäne, sodass die Phosphorylierung sowie die weitere Signaltransduktion unterbunden werden. Januskinase-Inhibitoren wirken daher, je nach Zieleinheit der JAK, immunmodulierend, antiproliferativ und entzündungshemmend.</p><p>Die erste Generation von JAK-Inhibitoren (JAKi) war nicht hochselektiv für eine Januskinase: So hat Tofacitinib nicht nur eine hohe Affinität zu JAK3, sondern auch zu JAK1 und JAK2. Durch Weiterentwicklungen sind mittlerweile selektivere JAK-Inhibitoren, zum Beispiel gegen JAK1 erhältlich, die eine spezifischere Hemmung des Zytokinrezeptorspektrums und ein im Vergleich zur ersten Generation von JAKi schmaleres Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil erreichen.</p><p>Aktuell sind systemische JAKi insbesondere im interdisziplinären Spektrum von chronisch entzündlichen beziehungsweise autoimmunen Erkrankungen zugelassen: Psoriasis, Psoriasis-Arthritis (PsA), juvenile idiopathische Arthritis (JIA), Spondyloarthritis ankylosans (SpA), Colitis ulcerosa (CU), atopische Dermatitis (AD) und Alopecia areata (Tabelle 1).</p><p>Bisher werden lediglich Ruxolitinib und Fedratinib als zugelassene JAKi auch zur Behandlung myeloproliferativer Erkrankungen eingesetzt. Ruxolitinib kann nach Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in der EU topisch zur Behandlung der nichtsegmentalen Vitiligo eingesetzt werden. In den USA ist das Präparat auch zur Therapie der AD ab 12 Jahren zugelassen. Nach Bestätigung der Sicherheit und Wirksamkeit in der 2024 publizierten Phase-III-Studie wurde der pan-JAKi Delgocitinib zur topischen Therapie des moderaten bis schweren chronischen Handekzems durch die EMA zugelassen.<span><sup>5</sup></span></p><p>Hinsichtlich der Pharmakokinetik werden JAKi nach oraler Applikation schnell und nahrungsunabhängig resorbiert: 30–60 Minuten nach oraler Verabreichung erreichen JAKi wie Tofacitinib oder Baricitinib ihre maximale Plasmakonzentration; die neueren JAKi binnen 4 Stunden.<span><sup>2</sup></span> Je nach Präparat werden JAKi teils hepatisch, teils renal eliminiert. Eine entsprechende Prüfung von Medikamenteninteraktionen oder Anpassung an die aktuelle Nierenfunktion ist bei Verordnung daher notwendig. Januskinase-Inhibitoren mit vorwiegend hepatischer Metabolisierung weisen eine kurze Halbwertszeit von circa 3 Stunden auf, so dass eine zweimalige Gabe pro Tag erforderlich ist. Januskinase-Inhibitoren mit primär renaler Elimination weisen längere Halbwertszeiten auf, meist um 9–14 Stunden, sodass eine einmal tägliche Einnahme ausreichend ist.<span><sup>6</sup></span></p><p>Aufgrund ihres raschen Wirkeintritts und ihrer kurzen Halbwertszeit – im Vergleich zu anderen systemischen Therapeutika – sind JAK-Inhibitoren durch die tägliche orale Einnahme bei akuten Nebenwirkungen gut steuerbar. Prinzipiell eignen sie sich daher auch für eine intermittierende (off-label) Therapie, etwa bei Patienten mit atopischer Dermatitis und saisonal begrenzten Beschwerden. Die orale Applikation und kurze Halbwertszeit bei Nebenwirkungen wie akuten Infektionen macht JAKi für Patienten sehr attraktiv.<span><sup>7</sup></span> Zudem können mit Upadacitinib, Baricitinib und Abrocitinib jeweils, je nach klinisch individueller Ausprägung sowie Risikoprofil, zwei unterschiedliche Dosierungen angewendet werden.</p><p>Sowohl die systemische als auch die topische Anwendung von JAKi sind mit vermehrtem Auftreten akneiformer Hautveränderungen assoziiert (Abbildung 1). In einer rezenten Metaanalyse mit über 10 000 eingeschlossenen Probanden berichteten 6,2% der Anwender von JAKi ein unerwünschtes Auftreten von Akne gegenüber 1,3% in der Kontrollgruppe.<span><sup>9</sup></span> Bei Anwendern von Abrocitinib und Upadacitinib schienen höhere Dosen zudem häufiger akneiforme Läsionen hervorzurufen (< 2% bei 100 mg Abrocitinib vs. 4,7–5,8% bei 200 mg; 1,5% bei 15 mg Upadacitinib vs. 3,6% bei 30 mg).<span><sup>10</sup></span> Bei der Mehrheit der Patienten sind Stirn und Wangen betroffen. In der Literatur wird – insbesondere bei Fehlen von Komedonen – die Einordnung der Hautveränderungen als der Rosazea ähnelnd diskutiert.<span><sup>11</sup></span></p><p>Auch topische JAKi verursachten in bisherigen Studien zur AD oder Vitiligo in bis zu 6% der Fälle einen akneiformen Hautausschlag an den Auftragungsorten. Zudem berichteten knapp 6% der Anwender über lokal begrenzten Pruritus.</p><p>Zu den am häufigsten gemeldeten Infektionen bei etwa 5% der dermatologischen Patienten unter JAKi gehören Infektionen der oberen Atemwege. Die Inzidenzrate in verschiedenen klinischen Studien zu Abrocitinib und Upadacitinib bei Patienten mit AD lag bei 7%–9% beziehungsweise 6%–13%, verglichen mit 4%–5% beziehungsweise 4%–7% bei der Placebogruppe.<span><sup>14</sup></span></p><p>Infekte der oberen Atemwege oder auch des Urogenitaltrakts sind jedoch unspezifisch und finden sich bei allen immunmodulatorischen Therapien. Bei Patienten mit AD, die Upadacitinib oder Abrocitinib erhielten, wurden häufiger Herpes-simplex-Virus (HSV)-Infektionen beziehungsweise Reaktivierungen detektiert (2,1%–8,5% bei Upadacitinib vs. 0,4%–1,9% bei Placebo; 1%–2% bei Abrocitinib vs. 0% bei Placebo).<span><sup>14-17</sup></span></p><p>Eine Reaktivierung von VZV als Herpes-zoster-Infektion trat unter Upadacitinib im Nachbeobachtungszeitraum über 52 Wochen bei bis zu 5,6% der Patienten mit 30 mg täglich und bei bis zu 3,7% der Patienten mit täglicher Einnahme von 15 mg auf.<span><sup>15</sup></span> Eine Herpes-zoster-Impfung, die in Deutschland ab dem 50. Lebensjahr bei bestimmten Grunderkrankungen erstattungsfähig ist, sollte daher vor Einleitung einer JAKi-Therapie nachdrücklich empfohlen werden. Der Einfluss von JAKi auf die Signalwege von Interferonen und anderen antiviralen Zytokinen erklärt das vermehrte Auftreten von VZV-Reaktivierungen.</p><p>Bei Patienten mit latenter Tuberkulose (TB) wurde über eine Reaktivierung bisher weder bei mit Abrocitinib noch bei mit Upadacitinib behandelten Patienten in den 12- beziehungsweise 16-wöchigen Studienzeiträumen berichtet. Die Patienten müssen jedoch vor Therapieeinleitung ein TB-Screening erhalten (<i>Interferon-Gamma-Release Assay</i>, IGRA). Bei einer aktiven TB darf verständlicherweise keine Therapie mit JAKi erfolgen. Bei einer zuvor unbehandelten, latenten TB sollte vor Einleitung der Therapie eine Chemoprävention begonnen werden (Tabelle 2). Die Röntgenuntersuchung des Thorax wird laut aktueller Fachinformationen nicht im Standard-Screening gefordert, hilft jedoch zur weiteren diagnostischen Abklärung bei positivem IGRA.</p><p>Das Risiko einer schweren Infektion, die beispielsweise zur Hospitalisation führt, wird häufig als das wichtigste Sicherheitsergebnis bei Studien mit Immuntherapeutika angesehen. Hierzu gehören etwa Pneumonien, Herpangina und Eczema herpeticatum. Die absoluten Ereignisraten für schwere Infektionen waren niedrig (zwei bis vier Ereignisse pro 100 Personenjahre Nachbeobachtungszeit) in den JAK1-Studien und entsprechen in etwa denen von TNF-Inhibitoren. Ausnahmen hiervon sind jedoch Reaktivierungen von latenten Viren, wie VZV, HSV und Cytomegalievirus.<span><sup>14</sup></span></p><p>Hinsichtlich des Lipidprofils können die systemischen JAKi Abrocitinib, Baricitinib, Tofacitinib und Filgotinib in den empfohlenen Dosierungen zu einem Anstieg der HDL- und LDL-Werte führen. Dies betrifft bis zu vier von zehn Patienten und erfordert entsprechendes leitliniengerechtes Management der Hyperlipidämie.<span><sup>10, 19</sup></span> Ob hierdurch ein langfristig erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht, ist aufgrund der fehlenden Datenlage noch unklar.</p><p>In der <i>ORAL-Surveillance-Studie</i>, einer der ersten Sicherheitsstudien zu JAK-Inhibitoren, wurde für Tofacitinib (2 x 5 mg bzw. 2 x 10 mg täglich) im Vergleich zu TNF-Inhibitoren ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse beschrieben.<span><sup>14</sup></span> Die zugrunde liegende molekulare Pathophysiologie ist bislang unklar. Zu beachten ist, dass in der ORAL-Surveillance-Studie Patienten mit bereits bestehendem kardiovaskulärem Risiko eingeschlossen wurden.</p><p>Weiterführende Beobachtungsstudien und Analysen konnten bisher das bei rheumatologischen Indikationen beobachtete erhöhte kardiovaskuläre Risiko von JAKi im dermatologischen Kontext nicht bestätigen, sodass die Datenlage hierzu aktuell unzureichend bleibt.<span><sup>14</sup></span></p><p>In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse von 35 randomisierten klinischen Studien mit über 20 000 Patienten mit dermatologischen Erkrankungen fanden Ingrassia et al. kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiale Ereignisse (<i>major adverse cardiac events</i>, MACE), venöse Thromboembolien (VTE) oder die Gesamtmortalität unter JAK-Inhibitoren im Vergleich zu Placebo oder einem aktiven Vergleichsmedikament.<span><sup>9</sup></span> Auch unter JAKi-Anwendern mit AD wurden gegenüber Vergleichspräparaten nur selten Fälle von MACE berichtet.<span><sup>15</sup></span> Eine weitere Übersichtsarbeit mit über 450 000 Patienten aus Kohorten und randomisierten klinischen Studien ergab weder eine signifikante Assoziation von AD mit dem Auftreten von VTE noch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von VTE bei Teilnehmern mit AD, die JAKi erhielten.<span><sup>20</sup></span></p><p>Insbesondere JAK2 ist an pleiotropen Signalkaskaden beteiligt, die wesentlich zur Aufrechterhaltung einer gesunden Hämatopoese beitragen. Dies zeigt sich eindrücklich in Tierversuchen: JAK2-defiziente Mäuse sterben bereits in utero infolge eines Knochenmarkversagens.<span><sup>22</sup></span> Januskinase 2 wird durch verschiedene Zytokine aktiviert, die unterschiedliche hämatopoetische Prozesse im Knochenmark steuern – darunter die Granulopoese (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor, IL-3, Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor), Erythropoese (Erythropoietin), Thrombopoese (Thrombopoietin) und Eosinopoese (IL-5).<span><sup>23</sup></span> Im pathologischen Kontext von myeloproliferativen Erkrankungen, wie Polycythaemia vera, liegt oft eine Gain-of-Function-Mutation im <i>JAK2</i>-Gen zugrunde.<span><sup>24</sup></span></p><p>So wird für die Behandlung von <i>JAK2</i>-mutierten Patienten mit myeloproliferativen Erkrankungen die medikamentöse Hemmung von JAK2 mit Ruxolitinib, Fedratinib und Momelotinib genutzt. Bei anderen Patientenkollektiven ohne <i>JAK2</i>-Mutation kann jedoch eine Zytopenie als dosisabhängige Nebenwirkung von JAKi der ersten Generation auftreten.<span><sup>25-27</sup></span></p><p>Eine langfristige Suppression des JAK/STAT-Signalwegs mag aus mechanistischer Perspektive das Risiko für Malignome erhöhen, da Typ-I- und Typ-II-Interferone eine wichtige Rolle in der antitumoralen Kontrolle des Immunsystems spielen. Auf der anderen Seite ist der JAK/STAT-Signalweg auch bei Zellüberleben und Proliferation von Bedeutung, so dass die Konsequenzen in Tumoren unterschiedlich ausfallen können. Hier sind weitere Untersuchungen und langjährige Beobachtungsdaten erforderlich.</p><p>Besonders auffällig war eine erhöhte Inzidenz von Bronchialkarzinomen und Lymphomen in der Tofacitinib-Gruppe im Vergleich zur mit TNF-Inhibitoren behandelten RA-Kontrollgruppe (<i>Hazard Ratio</i> 1,48). In diesem Zusammenhang sollte bedacht werden, dass bei Patienten mit RA eine erhöhte Inzidenz von Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen im Vergleich zur Normalbevölkerung bekannt ist.<span><sup>29</sup></span> Eine stratifizierte <i>Post-hoc</i>-Analyse zeigte zudem, dass das vermehrte Auftreten von Malignomen unter Tofacitinib im Vergleich zu TNF-Inhibitoren ausschließlich in der Hochrisikogruppe beobachtet wurde (Alter über 65 Jahre, aktive oder ehemalige Langzeitraucher), nicht jedoch in der Niedrigrisikogruppe.<span><sup>30</sup></span> In der Analyse wurde nichtmelanozytärer Hautkrebs (NMSC) nicht untersucht.<span><sup>31</sup></span></p><p>Patienten mit Organtransplantation, die mit Tofacitinib behandelt wurden, wiesen ein höheres Risiko für lymphoproliferative Malignome auf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Studien höhere Tofacitinib-Dosen verwendet wurden als die von der EMA für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassene Dosis und dass die Patienten zusätzlich mit weiteren Immunsuppressiva behandelt wurden.<span><sup>27</sup></span></p><p>Die Raten melanozytärer als auch nichtmelanozytärer Hautkrebse scheinen unter JAKi erhöht zu sein: In den 5-Jahres-Beobachtungszeiträumen traten bei Patienten mit RA unter Upadacitinib fünfmal so viele NMSC wie unter Adalimumab auf (0,5 vs. 0,1 Ereignisse pro 100 Patientenjahre).<span><sup>32, 33</sup></span> Eine Analyse der Arzneimittelsicherheitsdatenbank der Weltgesundheitsorganisation meldete ein positives Disproportionalitätssignal – also einen Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen Arzneimittel und unerwünschtem Ereignis – für verschiedene maligne Hauttumoren unter JAKi. Bei Plattenepithelkarzinomen wurden entsprechende Signale für Ruxolitinib (IC<sub>025</sub> = 3,92) und Tofacitinib (IC<sub>025</sub> = 0,82) registriert. Für Melanome ergaben sich Signale bei Ruxolitinib (IC<sub>025</sub> = 0,81) und Tofacitinib (IC<sub>025</sub> = 0,74). Beim Merkelzellkarzinom zeigten sich positive Disproportionalitätssignale unter Ruxolitinib (IC<sub>025</sub> = 4,00), Tofacitinib (IC<sub>025</sub> = 1,01) und Baricitinib (IC<sub>025</sub> = 0,53). Darüber hinaus war das Merkelzellkarzinom als grundsätzlich seltene Erkrankung in der gemeldeten Stichprobe besonders stark vertreten und wurde bei allen untersuchten JAKi mit einem signifikanten Disproportionalitätssignal in Verbindung gebracht.<span><sup>34, 35</sup></span> Eine weitere epidemiologische Studie basierend auf dem <i>US Food and Drug Administration Adverse Event Reporting System</i> (FAERS) bestätigte eine positive Assoziation von Ruxolitinib, Tofacitinib und Upadacitinib mit bösartigen Hauttumoren. Im Speziellen wurde eine signifikante Assoziation von neuroendokrinen Hauttumoren mit Ruxolitinib sowie Plattenepithelkarzinom der Haut mit Upadacitinib berichtet.<span><sup>36</sup></span> Ein mögliches Risiko von JAKi für die Photokarzinogenese der Haut muss noch geklärt werden.</p><p>Auf Basis von Tierversuchen bergen JAKi in der Schwangerschaft teratogene Effekte. Genetisch manipulierte Mäuse mit funktionellen JAK1- oder JAK2-Defizienzen sind nicht überlebensfähig. Auch sind beim Menschen keine kompletten Loss-of-Function-Mutationen von JAK1 oder JAK2 bisher beschrieben.<span><sup>39</sup></span></p><p>Es wird angenommen, dass JAKi die Plazentaschranke bereits zu Beginn der Schwangerschaft passieren können. In Tierstudien zeigte Tofacitinib teratogene und fetozide Wirkungen, wenn es in Dosierungen oberhalb der für den Menschen zugelassenen Menge verabreicht wurde. Experimentell wurde Tofacitinib in der Milch säugender Ratten nachgewiesen.<span><sup>40</sup></span> Umfangreichere Humanstudien zur Sicherheit von JAKi während der Schwangerschaft oder Stillzeit fehlen bisher, sodass ihre Anwendung bei diesen Patientinnen unbedingt vermieden werden sollte.<span><sup>27</sup></span> Frauen im gebärfähigen Alter müssen aufgrund der aktuellen Datenlage aufgefordert werden, eine zuverlässige Kontrazeption durchzuführen, wenn die Einnahme von JAKi geplant ist. Auch bis 1–4 Wochen nach der letzten Dosis ist eine zuverlässige Verhütungsmethode anzuwenden.</p><p>Bezüglich der männlichen Fertilität wurden unter Filgotinib verringerte Fertilität, eingeschränkte Spermatogenese und histopathologische Veränderungen männlicher Fortpflanzungsorgane beobachtet, die dosisabhängig irreversibel waren. Zwei randomisierte kontrollierte Humanstudien (MANTA und MANTA-RAY) deuten jedoch darauf hin, dass die tägliche Gabe von 200 mg Filgotinib über einen Zeitraum von 13 Wochen keinen messbaren Einfluss auf Spermaparameter oder Sexualhormone bei Männern mit aktiver chronisch entzündlicher Darmerkrankung oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hat.<span><sup>41</sup></span> Das potenzielle Risiko einer verringerten Fertilität oder Infertilität unter Filgotinib sollte daher vor Behandlungsbeginn mit männlichen Patienten besprochen werden.</p><p>Ein interdisziplinäres Expertengremium aus Ärzten und Patientenvertretern überprüfte kürzlich die Daten der ORAL-Surveillance-Studie zu Tofacitinib sowie Beobachtungsdaten zu Baricitinib. Auf Basis der vorliegenden Daten kamen die Experten zu dem Schluss, dass die beschriebenen Risiken für alle Januskinase-Inhibitoren mit zugelassener Indikation bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen gelten. Auf Basis dieser Übersicht sprach das <i>Pharmacovigilance Risk Assessment Committee</i> (PRAC) der EMA spezielle Empfehlungen zur Minimierung des Risikos schwerer Nebenwirkungen von JAKi bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen aus.<span><sup>46</sup></span> Zum Zeitpunkt der veröffentlichten PRAC-Empfehlungen war der TYK2-Inhibitor Deucravacitinib noch nicht zugelassen und daher nicht Teil des Bewertungsverfahrens. Im klinischen Alltag sollte sein Sicherheitsprofil dennoch berücksichtigt werden – auch wenn es sich als Pseudokinase-Inhibitor von den bisherigen JAKi durch ein anderes Risikoprofil unterscheidet.<span><sup>46</sup></span></p><p>Aufgrund der gelisteten Nebenwirkungen sollen JAKi bei gefährdeten Patientengruppen nur dann angewendet werden, wenn eine Behandlungsalternative fehlt. Zum diesem Klientel gehören Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren, Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme (zum Beispiel Herzinfarkt oder Schlaganfall), Patienten, die rauchen oder in der Vergangenheit lange geraucht haben sowie Patienten mit erhöhtem Risiko für Krebs oder VTE. Erwähnenswert ist, dass in der ORAL-Surveillance-Studie zu Tofacitinib – die als Grundlage für die genannten Empfehlungen diente – ein kardiovaskulärer Risikofaktor als Einschlusskriterium erforderlich war. Besonders im Studienarm mit einer Dosierung von 2 x 10 mg täglich wurde ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse festgestellt.<span><sup>14, 47</sup></span></p><p>Patienten, die nicht zur oben genannten Hochrisikogruppe gehören, aber Risikofaktoren für venöse Thromboembolien, Malignome oder schwere kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen, sollten nach Möglichkeit eine reduzierte Dosis erhalten.</p><p>Januskinase-Inhibitoren sind <i>small molecules</i>, die aktuell bei einigen entzündlichen dermatologischen Krankheitsbildern sehr erfolgreich eingesetzt werden. Die Zahl der dermatologischen Indikationen und der behandelten Patienten wird in Zukunft deutlich zunehmen.<span><sup>54</sup></span></p><p>Aufgrund des nicht zu vernachlässigenden Sicherheitsprofils sind transparente Aufklärung der Patienten, gründliche Therapievorbereitung als auch adäquates Monitoring von Nebenwirkungen im Therapieverlauf unerlässlich. Auch die Abfrage der bereits jetzt empfohlenen Kriterien und Impfungen sollte schriftlich dokumentiert werden. Generell sollte auch der Impfstatus – nicht nur von VZV – vor Therapieeinleitung geprüft und aktualisiert werden. Die Evaluation der Langzeitsicherheit wird erst nach umfangreichen Langzeitstudien möglich sein. Mögliche Risiken bei Langzeitbehandlungen von Erwachsenen und Kindern mit JAKi sind derzeit nicht sichtbar.</p><p>Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>A.R.K. gibt an, in den letzten 5 Jahren Honorare für Vorträge von Recordati Rare Diseases Germany erhalten zu haben. J.H. gibt an, in den letzten 5 Jahren Honorare für Beratung und/oder Vorträge und/oder Sponsoring von MSD und Kyowa Kirin erhalten zu haben. K.G. gibt an, in den letzten 5 Jahren Honorare für Beratungen und/oder Vorträge und/oder Sponsoring wissenschaftlicher Projekte und/oder eine Mitwirkung als Studienarzt in klinischen Studien von beziehungsweise für folgende, für diese Arbeit relevante Firmen erhalten zu haben: AbbVie, Bristol Myers Squibb, LEO Pharma, Lilly, Pfizer, Incyte.</p><p>Liebe Leserinnen und Leser, der Einsendeschluss an die DDA fur diese Ausgabe ist der 30. November 2025.</p><p>Die richtige Lösung zum Thema Supportive Schmerztherapie in der Dermatologie in Heft 06/2025 ist: 1a, 2c, 3e, 4d, 5a, 6a, 7c, 8c, 9c, 10e</p><p>Bitte verwenden Sie fur Ihre Einsendung das aktuelle Formblatt auf der folgenden Seite oder aber geben Sie Ihre Lösung online unter http://jddg.akademie-dda.de ein.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 9","pages":"1127-1142"},"PeriodicalIF":3.8000,"publicationDate":"2025-09-15","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15796_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15796_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Chronisch entzündliche Erkrankungen werden molekularbiologisch durch unterschiedliche Entzündungskaskaden vermittelt. Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF), Interleukin (IL)-6 und IL-1 initiieren die Produktion nachgeschalteter Mediatoren, darunter IL-17A und IL-22.1 Diese Botenstoffe binden an spezifische Rezeptoren auf der Zielzelle, wobei viele Zytokinrezeptoren den JAK-STAT-Signalweg zur intrazellulären Signalweiterleitung nutzen. Die Rezeptoreinheiten dimerisieren und initiieren so die intrazelluläre Signaltransduktion. Durch die Dimerisierung des Rezeptors werden Januskinasen (JAK) an dessen intrazelluläre Domänen rekrutiert und autophosphoryliert, was eine Konformationsänderung des Rezeptors zur Folge hat. Anschließend übertragen die aktivierten JAK Phosphatgruppen auf STAT-Proteine (signal transducers and activators of transcription). Die nun ebenfalls phosphorylierten STAT werden dadurch aktiviert, dimerisieren und wandern in den Zellkern, um dort als Transkriptionsfaktoren Zielgene zu regulieren.
Über 50 unterschiedliche Zytokine und Wachstumsfaktoren vermitteln ihre Wirkung über den JAK/STAT-Signalweg. Bei Menschen kommen vier unterschiedliche JAK vor: JAK1, JAK2, JAK3 und Tyrosinkinase (TYK) 2. Zytokine binden an ihre jeweiligen Rezeptoren, welche wiederum mit JAK- beziehungsweise TYK-Molekülen assoziieren. Die jeweiligen Zytokin-Rezeptor-Komplexe verwenden entweder zwei JAK2-Moleküle oder verschiedene Kombinationen aus JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2. Dabei werden maximal drei verschiedene JAK aktiviert. Durch diese Aktivierung kommt es zur intrazellulären Signaltransduktion mit Transkription von Zielgenen durch STAT-Dimere. So wirkt IL-6 an den Zielzellen beispielsweise über seinen Rezeptorkomplex in Assoziation mit JAK1, JAK2 und TYK2. Je nach Rezeptorkomplex und JAK-Cluster werden spezifische Signale übertragen und bestimmte Effekte in Zielzellen erzeugt (unter anderem Lymphozytenproliferation, Myelopoese oder Erythropoese).
Therapeutisch blockieren JAKi diese Signalkaskade: Die meisten JAKi binden kompetitiv an der ATP-Bindungstasche der Kinase-Domäne, sodass die Phosphorylierung sowie die weitere Signaltransduktion unterbunden werden. Januskinase-Inhibitoren wirken daher, je nach Zieleinheit der JAK, immunmodulierend, antiproliferativ und entzündungshemmend.
Die erste Generation von JAK-Inhibitoren (JAKi) war nicht hochselektiv für eine Januskinase: So hat Tofacitinib nicht nur eine hohe Affinität zu JAK3, sondern auch zu JAK1 und JAK2. Durch Weiterentwicklungen sind mittlerweile selektivere JAK-Inhibitoren, zum Beispiel gegen JAK1 erhältlich, die eine spezifischere Hemmung des Zytokinrezeptorspektrums und ein im Vergleich zur ersten Generation von JAKi schmaleres Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil erreichen.
Aktuell sind systemische JAKi insbesondere im interdisziplinären Spektrum von chronisch entzündlichen beziehungsweise autoimmunen Erkrankungen zugelassen: Psoriasis, Psoriasis-Arthritis (PsA), juvenile idiopathische Arthritis (JIA), Spondyloarthritis ankylosans (SpA), Colitis ulcerosa (CU), atopische Dermatitis (AD) und Alopecia areata (Tabelle 1).
Bisher werden lediglich Ruxolitinib und Fedratinib als zugelassene JAKi auch zur Behandlung myeloproliferativer Erkrankungen eingesetzt. Ruxolitinib kann nach Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in der EU topisch zur Behandlung der nichtsegmentalen Vitiligo eingesetzt werden. In den USA ist das Präparat auch zur Therapie der AD ab 12 Jahren zugelassen. Nach Bestätigung der Sicherheit und Wirksamkeit in der 2024 publizierten Phase-III-Studie wurde der pan-JAKi Delgocitinib zur topischen Therapie des moderaten bis schweren chronischen Handekzems durch die EMA zugelassen.5
Hinsichtlich der Pharmakokinetik werden JAKi nach oraler Applikation schnell und nahrungsunabhängig resorbiert: 30–60 Minuten nach oraler Verabreichung erreichen JAKi wie Tofacitinib oder Baricitinib ihre maximale Plasmakonzentration; die neueren JAKi binnen 4 Stunden.2 Je nach Präparat werden JAKi teils hepatisch, teils renal eliminiert. Eine entsprechende Prüfung von Medikamenteninteraktionen oder Anpassung an die aktuelle Nierenfunktion ist bei Verordnung daher notwendig. Januskinase-Inhibitoren mit vorwiegend hepatischer Metabolisierung weisen eine kurze Halbwertszeit von circa 3 Stunden auf, so dass eine zweimalige Gabe pro Tag erforderlich ist. Januskinase-Inhibitoren mit primär renaler Elimination weisen längere Halbwertszeiten auf, meist um 9–14 Stunden, sodass eine einmal tägliche Einnahme ausreichend ist.6
Aufgrund ihres raschen Wirkeintritts und ihrer kurzen Halbwertszeit – im Vergleich zu anderen systemischen Therapeutika – sind JAK-Inhibitoren durch die tägliche orale Einnahme bei akuten Nebenwirkungen gut steuerbar. Prinzipiell eignen sie sich daher auch für eine intermittierende (off-label) Therapie, etwa bei Patienten mit atopischer Dermatitis und saisonal begrenzten Beschwerden. Die orale Applikation und kurze Halbwertszeit bei Nebenwirkungen wie akuten Infektionen macht JAKi für Patienten sehr attraktiv.7 Zudem können mit Upadacitinib, Baricitinib und Abrocitinib jeweils, je nach klinisch individueller Ausprägung sowie Risikoprofil, zwei unterschiedliche Dosierungen angewendet werden.
Sowohl die systemische als auch die topische Anwendung von JAKi sind mit vermehrtem Auftreten akneiformer Hautveränderungen assoziiert (Abbildung 1). In einer rezenten Metaanalyse mit über 10 000 eingeschlossenen Probanden berichteten 6,2% der Anwender von JAKi ein unerwünschtes Auftreten von Akne gegenüber 1,3% in der Kontrollgruppe.9 Bei Anwendern von Abrocitinib und Upadacitinib schienen höhere Dosen zudem häufiger akneiforme Läsionen hervorzurufen (< 2% bei 100 mg Abrocitinib vs. 4,7–5,8% bei 200 mg; 1,5% bei 15 mg Upadacitinib vs. 3,6% bei 30 mg).10 Bei der Mehrheit der Patienten sind Stirn und Wangen betroffen. In der Literatur wird – insbesondere bei Fehlen von Komedonen – die Einordnung der Hautveränderungen als der Rosazea ähnelnd diskutiert.11
Auch topische JAKi verursachten in bisherigen Studien zur AD oder Vitiligo in bis zu 6% der Fälle einen akneiformen Hautausschlag an den Auftragungsorten. Zudem berichteten knapp 6% der Anwender über lokal begrenzten Pruritus.
Zu den am häufigsten gemeldeten Infektionen bei etwa 5% der dermatologischen Patienten unter JAKi gehören Infektionen der oberen Atemwege. Die Inzidenzrate in verschiedenen klinischen Studien zu Abrocitinib und Upadacitinib bei Patienten mit AD lag bei 7%–9% beziehungsweise 6%–13%, verglichen mit 4%–5% beziehungsweise 4%–7% bei der Placebogruppe.14
Infekte der oberen Atemwege oder auch des Urogenitaltrakts sind jedoch unspezifisch und finden sich bei allen immunmodulatorischen Therapien. Bei Patienten mit AD, die Upadacitinib oder Abrocitinib erhielten, wurden häufiger Herpes-simplex-Virus (HSV)-Infektionen beziehungsweise Reaktivierungen detektiert (2,1%–8,5% bei Upadacitinib vs. 0,4%–1,9% bei Placebo; 1%–2% bei Abrocitinib vs. 0% bei Placebo).14-17
Eine Reaktivierung von VZV als Herpes-zoster-Infektion trat unter Upadacitinib im Nachbeobachtungszeitraum über 52 Wochen bei bis zu 5,6% der Patienten mit 30 mg täglich und bei bis zu 3,7% der Patienten mit täglicher Einnahme von 15 mg auf.15 Eine Herpes-zoster-Impfung, die in Deutschland ab dem 50. Lebensjahr bei bestimmten Grunderkrankungen erstattungsfähig ist, sollte daher vor Einleitung einer JAKi-Therapie nachdrücklich empfohlen werden. Der Einfluss von JAKi auf die Signalwege von Interferonen und anderen antiviralen Zytokinen erklärt das vermehrte Auftreten von VZV-Reaktivierungen.
Bei Patienten mit latenter Tuberkulose (TB) wurde über eine Reaktivierung bisher weder bei mit Abrocitinib noch bei mit Upadacitinib behandelten Patienten in den 12- beziehungsweise 16-wöchigen Studienzeiträumen berichtet. Die Patienten müssen jedoch vor Therapieeinleitung ein TB-Screening erhalten (Interferon-Gamma-Release Assay, IGRA). Bei einer aktiven TB darf verständlicherweise keine Therapie mit JAKi erfolgen. Bei einer zuvor unbehandelten, latenten TB sollte vor Einleitung der Therapie eine Chemoprävention begonnen werden (Tabelle 2). Die Röntgenuntersuchung des Thorax wird laut aktueller Fachinformationen nicht im Standard-Screening gefordert, hilft jedoch zur weiteren diagnostischen Abklärung bei positivem IGRA.
Das Risiko einer schweren Infektion, die beispielsweise zur Hospitalisation führt, wird häufig als das wichtigste Sicherheitsergebnis bei Studien mit Immuntherapeutika angesehen. Hierzu gehören etwa Pneumonien, Herpangina und Eczema herpeticatum. Die absoluten Ereignisraten für schwere Infektionen waren niedrig (zwei bis vier Ereignisse pro 100 Personenjahre Nachbeobachtungszeit) in den JAK1-Studien und entsprechen in etwa denen von TNF-Inhibitoren. Ausnahmen hiervon sind jedoch Reaktivierungen von latenten Viren, wie VZV, HSV und Cytomegalievirus.14
Hinsichtlich des Lipidprofils können die systemischen JAKi Abrocitinib, Baricitinib, Tofacitinib und Filgotinib in den empfohlenen Dosierungen zu einem Anstieg der HDL- und LDL-Werte führen. Dies betrifft bis zu vier von zehn Patienten und erfordert entsprechendes leitliniengerechtes Management der Hyperlipidämie.10, 19 Ob hierdurch ein langfristig erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht, ist aufgrund der fehlenden Datenlage noch unklar.
In der ORAL-Surveillance-Studie, einer der ersten Sicherheitsstudien zu JAK-Inhibitoren, wurde für Tofacitinib (2 x 5 mg bzw. 2 x 10 mg täglich) im Vergleich zu TNF-Inhibitoren ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse beschrieben.14 Die zugrunde liegende molekulare Pathophysiologie ist bislang unklar. Zu beachten ist, dass in der ORAL-Surveillance-Studie Patienten mit bereits bestehendem kardiovaskulärem Risiko eingeschlossen wurden.
Weiterführende Beobachtungsstudien und Analysen konnten bisher das bei rheumatologischen Indikationen beobachtete erhöhte kardiovaskuläre Risiko von JAKi im dermatologischen Kontext nicht bestätigen, sodass die Datenlage hierzu aktuell unzureichend bleibt.14
In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse von 35 randomisierten klinischen Studien mit über 20 000 Patienten mit dermatologischen Erkrankungen fanden Ingrassia et al. kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiale Ereignisse (major adverse cardiac events, MACE), venöse Thromboembolien (VTE) oder die Gesamtmortalität unter JAK-Inhibitoren im Vergleich zu Placebo oder einem aktiven Vergleichsmedikament.9 Auch unter JAKi-Anwendern mit AD wurden gegenüber Vergleichspräparaten nur selten Fälle von MACE berichtet.15 Eine weitere Übersichtsarbeit mit über 450 000 Patienten aus Kohorten und randomisierten klinischen Studien ergab weder eine signifikante Assoziation von AD mit dem Auftreten von VTE noch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von VTE bei Teilnehmern mit AD, die JAKi erhielten.20
Insbesondere JAK2 ist an pleiotropen Signalkaskaden beteiligt, die wesentlich zur Aufrechterhaltung einer gesunden Hämatopoese beitragen. Dies zeigt sich eindrücklich in Tierversuchen: JAK2-defiziente Mäuse sterben bereits in utero infolge eines Knochenmarkversagens.22 Januskinase 2 wird durch verschiedene Zytokine aktiviert, die unterschiedliche hämatopoetische Prozesse im Knochenmark steuern – darunter die Granulopoese (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor, IL-3, Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor), Erythropoese (Erythropoietin), Thrombopoese (Thrombopoietin) und Eosinopoese (IL-5).23 Im pathologischen Kontext von myeloproliferativen Erkrankungen, wie Polycythaemia vera, liegt oft eine Gain-of-Function-Mutation im JAK2-Gen zugrunde.24
So wird für die Behandlung von JAK2-mutierten Patienten mit myeloproliferativen Erkrankungen die medikamentöse Hemmung von JAK2 mit Ruxolitinib, Fedratinib und Momelotinib genutzt. Bei anderen Patientenkollektiven ohne JAK2-Mutation kann jedoch eine Zytopenie als dosisabhängige Nebenwirkung von JAKi der ersten Generation auftreten.25-27
Eine langfristige Suppression des JAK/STAT-Signalwegs mag aus mechanistischer Perspektive das Risiko für Malignome erhöhen, da Typ-I- und Typ-II-Interferone eine wichtige Rolle in der antitumoralen Kontrolle des Immunsystems spielen. Auf der anderen Seite ist der JAK/STAT-Signalweg auch bei Zellüberleben und Proliferation von Bedeutung, so dass die Konsequenzen in Tumoren unterschiedlich ausfallen können. Hier sind weitere Untersuchungen und langjährige Beobachtungsdaten erforderlich.
Besonders auffällig war eine erhöhte Inzidenz von Bronchialkarzinomen und Lymphomen in der Tofacitinib-Gruppe im Vergleich zur mit TNF-Inhibitoren behandelten RA-Kontrollgruppe (Hazard Ratio 1,48). In diesem Zusammenhang sollte bedacht werden, dass bei Patienten mit RA eine erhöhte Inzidenz von Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen im Vergleich zur Normalbevölkerung bekannt ist.29 Eine stratifizierte Post-hoc-Analyse zeigte zudem, dass das vermehrte Auftreten von Malignomen unter Tofacitinib im Vergleich zu TNF-Inhibitoren ausschließlich in der Hochrisikogruppe beobachtet wurde (Alter über 65 Jahre, aktive oder ehemalige Langzeitraucher), nicht jedoch in der Niedrigrisikogruppe.30 In der Analyse wurde nichtmelanozytärer Hautkrebs (NMSC) nicht untersucht.31
Patienten mit Organtransplantation, die mit Tofacitinib behandelt wurden, wiesen ein höheres Risiko für lymphoproliferative Malignome auf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Studien höhere Tofacitinib-Dosen verwendet wurden als die von der EMA für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassene Dosis und dass die Patienten zusätzlich mit weiteren Immunsuppressiva behandelt wurden.27
Die Raten melanozytärer als auch nichtmelanozytärer Hautkrebse scheinen unter JAKi erhöht zu sein: In den 5-Jahres-Beobachtungszeiträumen traten bei Patienten mit RA unter Upadacitinib fünfmal so viele NMSC wie unter Adalimumab auf (0,5 vs. 0,1 Ereignisse pro 100 Patientenjahre).32, 33 Eine Analyse der Arzneimittelsicherheitsdatenbank der Weltgesundheitsorganisation meldete ein positives Disproportionalitätssignal – also einen Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen Arzneimittel und unerwünschtem Ereignis – für verschiedene maligne Hauttumoren unter JAKi. Bei Plattenepithelkarzinomen wurden entsprechende Signale für Ruxolitinib (IC025 = 3,92) und Tofacitinib (IC025 = 0,82) registriert. Für Melanome ergaben sich Signale bei Ruxolitinib (IC025 = 0,81) und Tofacitinib (IC025 = 0,74). Beim Merkelzellkarzinom zeigten sich positive Disproportionalitätssignale unter Ruxolitinib (IC025 = 4,00), Tofacitinib (IC025 = 1,01) und Baricitinib (IC025 = 0,53). Darüber hinaus war das Merkelzellkarzinom als grundsätzlich seltene Erkrankung in der gemeldeten Stichprobe besonders stark vertreten und wurde bei allen untersuchten JAKi mit einem signifikanten Disproportionalitätssignal in Verbindung gebracht.34, 35 Eine weitere epidemiologische Studie basierend auf dem US Food and Drug Administration Adverse Event Reporting System (FAERS) bestätigte eine positive Assoziation von Ruxolitinib, Tofacitinib und Upadacitinib mit bösartigen Hauttumoren. Im Speziellen wurde eine signifikante Assoziation von neuroendokrinen Hauttumoren mit Ruxolitinib sowie Plattenepithelkarzinom der Haut mit Upadacitinib berichtet.36 Ein mögliches Risiko von JAKi für die Photokarzinogenese der Haut muss noch geklärt werden.
Auf Basis von Tierversuchen bergen JAKi in der Schwangerschaft teratogene Effekte. Genetisch manipulierte Mäuse mit funktionellen JAK1- oder JAK2-Defizienzen sind nicht überlebensfähig. Auch sind beim Menschen keine kompletten Loss-of-Function-Mutationen von JAK1 oder JAK2 bisher beschrieben.39
Es wird angenommen, dass JAKi die Plazentaschranke bereits zu Beginn der Schwangerschaft passieren können. In Tierstudien zeigte Tofacitinib teratogene und fetozide Wirkungen, wenn es in Dosierungen oberhalb der für den Menschen zugelassenen Menge verabreicht wurde. Experimentell wurde Tofacitinib in der Milch säugender Ratten nachgewiesen.40 Umfangreichere Humanstudien zur Sicherheit von JAKi während der Schwangerschaft oder Stillzeit fehlen bisher, sodass ihre Anwendung bei diesen Patientinnen unbedingt vermieden werden sollte.27 Frauen im gebärfähigen Alter müssen aufgrund der aktuellen Datenlage aufgefordert werden, eine zuverlässige Kontrazeption durchzuführen, wenn die Einnahme von JAKi geplant ist. Auch bis 1–4 Wochen nach der letzten Dosis ist eine zuverlässige Verhütungsmethode anzuwenden.
Bezüglich der männlichen Fertilität wurden unter Filgotinib verringerte Fertilität, eingeschränkte Spermatogenese und histopathologische Veränderungen männlicher Fortpflanzungsorgane beobachtet, die dosisabhängig irreversibel waren. Zwei randomisierte kontrollierte Humanstudien (MANTA und MANTA-RAY) deuten jedoch darauf hin, dass die tägliche Gabe von 200 mg Filgotinib über einen Zeitraum von 13 Wochen keinen messbaren Einfluss auf Spermaparameter oder Sexualhormone bei Männern mit aktiver chronisch entzündlicher Darmerkrankung oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hat.41 Das potenzielle Risiko einer verringerten Fertilität oder Infertilität unter Filgotinib sollte daher vor Behandlungsbeginn mit männlichen Patienten besprochen werden.
Ein interdisziplinäres Expertengremium aus Ärzten und Patientenvertretern überprüfte kürzlich die Daten der ORAL-Surveillance-Studie zu Tofacitinib sowie Beobachtungsdaten zu Baricitinib. Auf Basis der vorliegenden Daten kamen die Experten zu dem Schluss, dass die beschriebenen Risiken für alle Januskinase-Inhibitoren mit zugelassener Indikation bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen gelten. Auf Basis dieser Übersicht sprach das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA spezielle Empfehlungen zur Minimierung des Risikos schwerer Nebenwirkungen von JAKi bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen aus.46 Zum Zeitpunkt der veröffentlichten PRAC-Empfehlungen war der TYK2-Inhibitor Deucravacitinib noch nicht zugelassen und daher nicht Teil des Bewertungsverfahrens. Im klinischen Alltag sollte sein Sicherheitsprofil dennoch berücksichtigt werden – auch wenn es sich als Pseudokinase-Inhibitor von den bisherigen JAKi durch ein anderes Risikoprofil unterscheidet.46
Aufgrund der gelisteten Nebenwirkungen sollen JAKi bei gefährdeten Patientengruppen nur dann angewendet werden, wenn eine Behandlungsalternative fehlt. Zum diesem Klientel gehören Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren, Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme (zum Beispiel Herzinfarkt oder Schlaganfall), Patienten, die rauchen oder in der Vergangenheit lange geraucht haben sowie Patienten mit erhöhtem Risiko für Krebs oder VTE. Erwähnenswert ist, dass in der ORAL-Surveillance-Studie zu Tofacitinib – die als Grundlage für die genannten Empfehlungen diente – ein kardiovaskulärer Risikofaktor als Einschlusskriterium erforderlich war. Besonders im Studienarm mit einer Dosierung von 2 x 10 mg täglich wurde ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse festgestellt.14, 47
Patienten, die nicht zur oben genannten Hochrisikogruppe gehören, aber Risikofaktoren für venöse Thromboembolien, Malignome oder schwere kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen, sollten nach Möglichkeit eine reduzierte Dosis erhalten.
Januskinase-Inhibitoren sind small molecules, die aktuell bei einigen entzündlichen dermatologischen Krankheitsbildern sehr erfolgreich eingesetzt werden. Die Zahl der dermatologischen Indikationen und der behandelten Patienten wird in Zukunft deutlich zunehmen.54
Aufgrund des nicht zu vernachlässigenden Sicherheitsprofils sind transparente Aufklärung der Patienten, gründliche Therapievorbereitung als auch adäquates Monitoring von Nebenwirkungen im Therapieverlauf unerlässlich. Auch die Abfrage der bereits jetzt empfohlenen Kriterien und Impfungen sollte schriftlich dokumentiert werden. Generell sollte auch der Impfstatus – nicht nur von VZV – vor Therapieeinleitung geprüft und aktualisiert werden. Die Evaluation der Langzeitsicherheit wird erst nach umfangreichen Langzeitstudien möglich sein. Mögliche Risiken bei Langzeitbehandlungen von Erwachsenen und Kindern mit JAKi sind derzeit nicht sichtbar.
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A.R.K. gibt an, in den letzten 5 Jahren Honorare für Vorträge von Recordati Rare Diseases Germany erhalten zu haben. J.H. gibt an, in den letzten 5 Jahren Honorare für Beratung und/oder Vorträge und/oder Sponsoring von MSD und Kyowa Kirin erhalten zu haben. K.G. gibt an, in den letzten 5 Jahren Honorare für Beratungen und/oder Vorträge und/oder Sponsoring wissenschaftlicher Projekte und/oder eine Mitwirkung als Studienarzt in klinischen Studien von beziehungsweise für folgende, für diese Arbeit relevante Firmen erhalten zu haben: AbbVie, Bristol Myers Squibb, LEO Pharma, Lilly, Pfizer, Incyte.
Liebe Leserinnen und Leser, der Einsendeschluss an die DDA fur diese Ausgabe ist der 30. November 2025.
Die richtige Lösung zum Thema Supportive Schmerztherapie in der Dermatologie in Heft 06/2025 ist: 1a, 2c, 3e, 4d, 5a, 6a, 7c, 8c, 9c, 10e
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期刊介绍:
The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements.
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