David Chromy, Felix Aigner, Jürgen C. Becker, Markus Bickel, Andrea Brunner, Johannes Classen, Monika Hampl, Doris Helbig, Marcus Hentrich, Franc Hetzer, Christian Hoffmann, Johannes Jongen, Elmar Joura, Reinhard Kirnbauer, Alexander Kreuter, Gerold Felician Lang, Memo Mokhles, Frank Oellig, Mark Oette, Anja Potthoff, Andreas D. Rink, Andreas Salat, Axel Jeremias Schmidt, Robert Siegel, Georg Stary, Ricardo Niklas Werner, Gerhard Weyandt, Ulrike Wieland, Stefan Esser
{"title":"Deutsch-Österreichische S2k-Leitlinie: Anale Dysplasien und Analkarzinom-Screening bei Menschen mit HIV","authors":"David Chromy, Felix Aigner, Jürgen C. Becker, Markus Bickel, Andrea Brunner, Johannes Classen, Monika Hampl, Doris Helbig, Marcus Hentrich, Franc Hetzer, Christian Hoffmann, Johannes Jongen, Elmar Joura, Reinhard Kirnbauer, Alexander Kreuter, Gerold Felician Lang, Memo Mokhles, Frank Oellig, Mark Oette, Anja Potthoff, Andreas D. Rink, Andreas Salat, Axel Jeremias Schmidt, Robert Siegel, Georg Stary, Ricardo Niklas Werner, Gerhard Weyandt, Ulrike Wieland, Stefan Esser","doi":"10.1111/ddg.15719_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Kurzfassung der Leitlinie, die in der Langfassung online bei der Deutschen AIDS Gesellschaft (https://daignet.de/media/filer_public/2b/9f/2b9f31e5-82be-4cef-b7ab-4d9df8a504c1/2024awmf_ll_anale_dysplasien_hiv_241105.pdf), bei der Österreichischen AIDS Gesellschaft (https://www.aidsgesellschaft.at/wp-content/uploads/2024/11/Leitlinie_-Anale-Dysplasien-Analkarzinom-Screening-Menschen-mit-HIV_Stand-2024.pdf) und bei der AWMF veröffentlicht wurde (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-007). Zudem stellt diese Leitlinie eine Aktualisierung dar, weshalb einige Textabschnitte aus der Vorversion von 2015<span><sup>1</sup></span> übernommen wurden. In der überarbeiteten Leitlinie wurde der Titel gemäß den geltenden Richtlinien für inkludierende Sprache geändert. Die epidemiologischen Daten wurden aktualisiert, allem voran gemäß den neuesten Analysen zu der Inzidenz des Analkarzinoms in unterschiedlichen Populationen. Seit der Veröffentlichung der Vorversion konnte zudem gezeigt werden, dass die Behandlung hochgradiger analer Dysplasien die Inzidenz von Analkarzinomen reduziert. Außerdem wurden die Screening-Empfehlungen gänzlich überarbeitet. Das Kapitel zur Therapie des Analkarzinoms wurde entfernt; die entsprechenden Inhalte werden zukünftig in der separaten S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Analkarzinoms abgebildet.<span><sup>2</sup></span> Außerdem wurde auch das Analkarzinom-Screening bei Menschen ohne HIV thematisiert.</p><p>Nicht-AIDS-definierende Krebserkrankungen wie das Analkarzinom treten bei Menschen mit HIV wesentlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.<span><sup>3, 4</sup></span> Das Analkarzinom wird in etwa 90%–100% der Fälle durch persistierende Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV) verursacht.<span><sup>5, 6</sup></span> Bei HPV sind dabei High-Risk (HR)-Typen, die eine maligne Transformation von Epithelzellen hervorrufen können (vor allem HPV-16 und -18), von Low-Risk (LR)-Typen zu unterscheiden, die zumeist Feigwarzen verursachen. Histopathologisch handelt es sich bei Analkarzinomen fast immer um Plattenepithelkarzinome.<span><sup>7</sup></span> Die analen HR-HPV-Prävalenzraten für Frauen mit HIV liegen bei 33% (Zervix HR-HPV-negativ) beziehungsweise 62% (Zervix HR-HPV-positiv).<span><sup>8</sup></span> Bei Männern hängt die anale HR-HPV-Prävalenz sowohl von der sexuellen Orientierung als auch vom HIV-Status ab. In einer gepoolten Analyse mit Daten von 29 000 Männern aus 64 Studien stieg die anale HR-HPV-Prävalenz von 6,9% bei HIV-negativen Männern, die Sex mit Frauen (MSW) hatten, auf 26,9% bei MSW mit HIV-Infektion, gefolgt von 41,2% bei HIV-negativen Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und schließlich 74,3% bei MSM mit HIV.<span><sup>9</sup></span> Einer Übersichtsarbeit von 2021 zufolge findet sich in der Gruppe der MSM mit HIV mit 85 Analkarzinomen pro 100 000 Personenjahren (PJ) die höchste Inzidenz. Doch auch bei anderen Männern mit HIV und bei Frauen mit HIV ab dem 30.Lebensjahr liegt die Inzidenz mit 17–37/100 000 PJ höher als in der Allgemeinbevölkerung (1–2/100 000 PJ). Auch MSM ohne HIV (19/100 000 PJ), Frauen mit höhergradigen zervikalen, vaginalen oder vulvären Dysplasien (6–48/100 000 PJ) sowie Menschen unter immunsuppressiver Therapie (3–13/100 000 PJ) sind statistisch signifikant häufiger von Analkarzinomen betroffen.<span><sup>3</sup></span> Bis 2035 ist mit einem deutlichen Anstieg der Analkarzinom-Inzidenz bei Personen über 65 Jahren zu rechnen.<span><sup>10</sup></span></p><p>Die zytologische Beurteilung erfolgt entsprechend der überarbeiteten Klassifikation nach Bethesda von 2015.<span><sup>23</sup></span> Dabei werden neben Normalbefunden (NILM: negative for intraepithelial lesion or malignancy) im Wesentlichen niedriggradige Dysplasie (LSIL: low-grade squamous intraepithelial lesion) und hochgradige Dysplasie (HSIL: high-grade squamous intraepithelial lesion) sowie ASC-US (atypical squamous cells of undetermined significance), ASC-H (atypical squamous cells, cannot exclude HSIL) und das invasive Analkarzinom unterschieden. Die histopathologische Einteilung der analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) erfolgt je nach Ausdehnung dysplastischer Zellen in drei Graden (AIN1: unteres Epitheldrittel betroffen; AIN2: untere zwei Drittel des Epithels betroffen; AIN3: gesamtes Epithel betroffen) (Abbildung 1, Empfehlung 2).<span><sup>24</sup></span></p><p>Das Standarisierungsprojekt <i>Lower Anogenital Squamous Terminology</i> (LAST) empfiehlt, HPV-assoziierte Veränderungen bei der histologischen Bewertung zu berücksichtigen und schlägt vor, in Analogie zur zytologischen Klassifikation eine zweistufige Bewertung mittels „<i>LSIL</i>“ und „<i>HSIL</i>“ vorzunehmen.<span><sup>25</sup></span> Hierfür werden AIN2-Läsionen zusätzlich mittels einer p16-Immunhistochemie beurteilt: bei Negativität als LSIL, bei Positivität als HSIL (als „p16-positiv“ sind nur solche Läsionen einzustufen, die eine En-Bloc-Färbung aufweisen<span><sup>25</sup></span>). Als Nachteil dieser dichotomen Bewertung wird diskutiert, dass AIN2 p16-positive HSIL eine niedrigere Progressionsrate aufweisen als AIN3 HSIL.<span><sup>26</sup></span> Eine alternativ verwendete Klassifikation differenziert nur zwischen „<i>low-grade</i>“ AIN (LGAIN) und „<i>high-grade</i>“ AIN (HGAIN), wobei HGAIN-Läsionen AIN2 und AIN3 zusammenfassen; LGAIN entsprechend AIN1 oder Läsionen niedrigeren Dysplasiegrades.<span><sup>27</sup></span> Eine Gegenüberstellung der Einteilungen findet sich in Tabelle 1. Im Jahr 2012 wurde im LAST-Projekt der Begriff <i>superficially invasive squamous cell carcinoma</i> (SISCCA) festgehalten, wobei es sich um ein minimalinvasives Karzinom handelt, welches im Analkanal definiert wird durch <i>(1)</i> eine Eindringtiefe ≤ 3 mm gemessen ab der Basalmembran, <i>(2)</i> eine maximale horizontale Ausdehnung ≤ 7 mm bei zugleich <i>(3)</i> vollständiger Resektion.<span><sup>25</sup></span> Wird eine Läsion, die diese Kriterien erfüllt, mit einem Sicherheitsabstand von 0,5 cm reseziert, ist prinzipiell keine weitere Therapie erforderlich.<span><sup>2</sup></span> Weitere Details zur Diagnostik und Therapie (frühinvasiver) Analkarzinome sind der entsprechenden S3-Leitlinie zu entnehmen.<span><sup>2</sup></span> Schließlich muss noch angemerkt werden, dass Condylomata acuminata (Feigwarzen) von AIN1-Läsionen zytologisch und histopathologisch abzugrenzen sind.</p><p>\n </p><p>Hochgradige anale Dysplasien, p16-positive AIN2 und AIN3 sowie die histologischen Äquivalente HSIL oder HGAIN sind immer zu therapieren. Eine Übersicht der unterschiedlichen Therapieoptionen findet sich in Tabelle 2. Eine detaillierte Aufarbeitung und Beschreibung der einzelnen Verfahren ist der Langfassung dieser Leitlinie zu entnehmen (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-007) (Empfehlung 11).</p><p> \n\n </p><p>Die vorliegende Leitlinie fokussiert sich auf Menschen mit HIV. Menschen mit HIV sind statistisch gesehen am häufigsten von analen Dysplasien und Analkarzinomen betroffen. Jedoch gibt es auch einzelne Personengruppen, die trotz negativem HIV-Status ein deutlich erhöhtes Risiko für Analkarzinome aufweisen. In Deutschland und Österreich werden diese aber bisher in keinen Leitlinien abgebildet. Aus diesem Grund hat sich die Leitlinienkommission dazu entschlossen, Position zu beziehen, wie Erkenntnisse dieser Leitlinie auf Menschen ohne HIV übertragen werden können (Empfehlung 12).</p><p>Für MSM ohne HIV gibt es zwei Arbeiten,<span><sup>52, 53</sup></span> die in der Metaanalyse von Clifford et al. Berücksichtigung fanden und dort mit einer altersabhängige Analkarzinom-Inzidenzrate von 19/100 000 PJ beschrieben werden.<span><sup>3</sup></span> Für Frauen mit vulvären intraepithelialen Neoplasien (VIN) Grad III wurde eine Analkarzinom-Inzidenzrate von 48/100 000 PJ berechnet und für Männer und Frauen ≥ 10 Jahre nach Organtransplantation war die Inzidenz mit jeweils 25/100 000 PJ und 50/100 000 PJ ebenso deutlich erhöht.<span><sup>3</sup></span> Ein Screening bei Menschen ohne HIV kann nur auf Basis der erhöhten Inzidenz des Analkarzinoms in gewissen Subpopulationen begründet werden. Eine Studie von 2021 hatte gezeigt, dass der spontane Regress analer Dysplasien bei MSM mit und ohne HIV ausschließlich von persistierendem HPV-16-Nachweis, nicht jedoch vom HIV-Status abhängt.<span><sup>54</sup></span> Bei Personen ohne HIV ist der natürliche Progress/Regress analer Dysplasien weniger gut untersucht als bei Menschen mit HIV. Beispielsweise hatte die ANCHOR-Studie nur Personen mit HIV inkludiert.<span><sup>12</sup></span> Dass die Behandlung hochgradiger analer Dysplasien das Analkarzinomrisiko auch bei Menschen ohne HIV reduziert, kann angenommen werden.</p><p>Die meisten Daten zur Behandlung hochgradiger analer Dysplasien bei Menschen ohne HIV gibt es für die Elektrokaustik. Auf Basis mechanistischer Überlegungen ist jedoch davon auszugehen, dass die Behandlungsoptionen hochgradiger analer Dysplasien von Menschen mit auf Menschen ohne HIV übertragen werden können.<span><sup>55</sup></span> Abschließend wird angemerkt, dass die AIN-Rezidivraten bei Menschen ohne HIV niedriger sind als bei Menschen mit HIV.<span><sup>56, 57</sup></span>\n \n </p><p>Die Überarbeitung der Leitlinie wurde durch einen Forschungsaufenthalt von David Chromy unterstützt, der durch das <i>Clinician Scientist Research Fellowship 2022</i> der <i>Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie</i> ermöglicht wurde.</p><p>Die Interessenskonflikte der Autoren sind der Langfassung dieser Leitlinie zu entnehmen https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-007</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 8","pages":"1025-1041"},"PeriodicalIF":3.8000,"publicationDate":"2025-08-11","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15719_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15719_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Kurzfassung der Leitlinie, die in der Langfassung online bei der Deutschen AIDS Gesellschaft (https://daignet.de/media/filer_public/2b/9f/2b9f31e5-82be-4cef-b7ab-4d9df8a504c1/2024awmf_ll_anale_dysplasien_hiv_241105.pdf), bei der Österreichischen AIDS Gesellschaft (https://www.aidsgesellschaft.at/wp-content/uploads/2024/11/Leitlinie_-Anale-Dysplasien-Analkarzinom-Screening-Menschen-mit-HIV_Stand-2024.pdf) und bei der AWMF veröffentlicht wurde (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-007). Zudem stellt diese Leitlinie eine Aktualisierung dar, weshalb einige Textabschnitte aus der Vorversion von 20151 übernommen wurden. In der überarbeiteten Leitlinie wurde der Titel gemäß den geltenden Richtlinien für inkludierende Sprache geändert. Die epidemiologischen Daten wurden aktualisiert, allem voran gemäß den neuesten Analysen zu der Inzidenz des Analkarzinoms in unterschiedlichen Populationen. Seit der Veröffentlichung der Vorversion konnte zudem gezeigt werden, dass die Behandlung hochgradiger analer Dysplasien die Inzidenz von Analkarzinomen reduziert. Außerdem wurden die Screening-Empfehlungen gänzlich überarbeitet. Das Kapitel zur Therapie des Analkarzinoms wurde entfernt; die entsprechenden Inhalte werden zukünftig in der separaten S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Analkarzinoms abgebildet.2 Außerdem wurde auch das Analkarzinom-Screening bei Menschen ohne HIV thematisiert.
Nicht-AIDS-definierende Krebserkrankungen wie das Analkarzinom treten bei Menschen mit HIV wesentlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.3, 4 Das Analkarzinom wird in etwa 90%–100% der Fälle durch persistierende Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV) verursacht.5, 6 Bei HPV sind dabei High-Risk (HR)-Typen, die eine maligne Transformation von Epithelzellen hervorrufen können (vor allem HPV-16 und -18), von Low-Risk (LR)-Typen zu unterscheiden, die zumeist Feigwarzen verursachen. Histopathologisch handelt es sich bei Analkarzinomen fast immer um Plattenepithelkarzinome.7 Die analen HR-HPV-Prävalenzraten für Frauen mit HIV liegen bei 33% (Zervix HR-HPV-negativ) beziehungsweise 62% (Zervix HR-HPV-positiv).8 Bei Männern hängt die anale HR-HPV-Prävalenz sowohl von der sexuellen Orientierung als auch vom HIV-Status ab. In einer gepoolten Analyse mit Daten von 29 000 Männern aus 64 Studien stieg die anale HR-HPV-Prävalenz von 6,9% bei HIV-negativen Männern, die Sex mit Frauen (MSW) hatten, auf 26,9% bei MSW mit HIV-Infektion, gefolgt von 41,2% bei HIV-negativen Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und schließlich 74,3% bei MSM mit HIV.9 Einer Übersichtsarbeit von 2021 zufolge findet sich in der Gruppe der MSM mit HIV mit 85 Analkarzinomen pro 100 000 Personenjahren (PJ) die höchste Inzidenz. Doch auch bei anderen Männern mit HIV und bei Frauen mit HIV ab dem 30.Lebensjahr liegt die Inzidenz mit 17–37/100 000 PJ höher als in der Allgemeinbevölkerung (1–2/100 000 PJ). Auch MSM ohne HIV (19/100 000 PJ), Frauen mit höhergradigen zervikalen, vaginalen oder vulvären Dysplasien (6–48/100 000 PJ) sowie Menschen unter immunsuppressiver Therapie (3–13/100 000 PJ) sind statistisch signifikant häufiger von Analkarzinomen betroffen.3 Bis 2035 ist mit einem deutlichen Anstieg der Analkarzinom-Inzidenz bei Personen über 65 Jahren zu rechnen.10
Die zytologische Beurteilung erfolgt entsprechend der überarbeiteten Klassifikation nach Bethesda von 2015.23 Dabei werden neben Normalbefunden (NILM: negative for intraepithelial lesion or malignancy) im Wesentlichen niedriggradige Dysplasie (LSIL: low-grade squamous intraepithelial lesion) und hochgradige Dysplasie (HSIL: high-grade squamous intraepithelial lesion) sowie ASC-US (atypical squamous cells of undetermined significance), ASC-H (atypical squamous cells, cannot exclude HSIL) und das invasive Analkarzinom unterschieden. Die histopathologische Einteilung der analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) erfolgt je nach Ausdehnung dysplastischer Zellen in drei Graden (AIN1: unteres Epitheldrittel betroffen; AIN2: untere zwei Drittel des Epithels betroffen; AIN3: gesamtes Epithel betroffen) (Abbildung 1, Empfehlung 2).24
Das Standarisierungsprojekt Lower Anogenital Squamous Terminology (LAST) empfiehlt, HPV-assoziierte Veränderungen bei der histologischen Bewertung zu berücksichtigen und schlägt vor, in Analogie zur zytologischen Klassifikation eine zweistufige Bewertung mittels „LSIL“ und „HSIL“ vorzunehmen.25 Hierfür werden AIN2-Läsionen zusätzlich mittels einer p16-Immunhistochemie beurteilt: bei Negativität als LSIL, bei Positivität als HSIL (als „p16-positiv“ sind nur solche Läsionen einzustufen, die eine En-Bloc-Färbung aufweisen25). Als Nachteil dieser dichotomen Bewertung wird diskutiert, dass AIN2 p16-positive HSIL eine niedrigere Progressionsrate aufweisen als AIN3 HSIL.26 Eine alternativ verwendete Klassifikation differenziert nur zwischen „low-grade“ AIN (LGAIN) und „high-grade“ AIN (HGAIN), wobei HGAIN-Läsionen AIN2 und AIN3 zusammenfassen; LGAIN entsprechend AIN1 oder Läsionen niedrigeren Dysplasiegrades.27 Eine Gegenüberstellung der Einteilungen findet sich in Tabelle 1. Im Jahr 2012 wurde im LAST-Projekt der Begriff superficially invasive squamous cell carcinoma (SISCCA) festgehalten, wobei es sich um ein minimalinvasives Karzinom handelt, welches im Analkanal definiert wird durch (1) eine Eindringtiefe ≤ 3 mm gemessen ab der Basalmembran, (2) eine maximale horizontale Ausdehnung ≤ 7 mm bei zugleich (3) vollständiger Resektion.25 Wird eine Läsion, die diese Kriterien erfüllt, mit einem Sicherheitsabstand von 0,5 cm reseziert, ist prinzipiell keine weitere Therapie erforderlich.2 Weitere Details zur Diagnostik und Therapie (frühinvasiver) Analkarzinome sind der entsprechenden S3-Leitlinie zu entnehmen.2 Schließlich muss noch angemerkt werden, dass Condylomata acuminata (Feigwarzen) von AIN1-Läsionen zytologisch und histopathologisch abzugrenzen sind.
Hochgradige anale Dysplasien, p16-positive AIN2 und AIN3 sowie die histologischen Äquivalente HSIL oder HGAIN sind immer zu therapieren. Eine Übersicht der unterschiedlichen Therapieoptionen findet sich in Tabelle 2. Eine detaillierte Aufarbeitung und Beschreibung der einzelnen Verfahren ist der Langfassung dieser Leitlinie zu entnehmen (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-007) (Empfehlung 11).
Die vorliegende Leitlinie fokussiert sich auf Menschen mit HIV. Menschen mit HIV sind statistisch gesehen am häufigsten von analen Dysplasien und Analkarzinomen betroffen. Jedoch gibt es auch einzelne Personengruppen, die trotz negativem HIV-Status ein deutlich erhöhtes Risiko für Analkarzinome aufweisen. In Deutschland und Österreich werden diese aber bisher in keinen Leitlinien abgebildet. Aus diesem Grund hat sich die Leitlinienkommission dazu entschlossen, Position zu beziehen, wie Erkenntnisse dieser Leitlinie auf Menschen ohne HIV übertragen werden können (Empfehlung 12).
Für MSM ohne HIV gibt es zwei Arbeiten,52, 53 die in der Metaanalyse von Clifford et al. Berücksichtigung fanden und dort mit einer altersabhängige Analkarzinom-Inzidenzrate von 19/100 000 PJ beschrieben werden.3 Für Frauen mit vulvären intraepithelialen Neoplasien (VIN) Grad III wurde eine Analkarzinom-Inzidenzrate von 48/100 000 PJ berechnet und für Männer und Frauen ≥ 10 Jahre nach Organtransplantation war die Inzidenz mit jeweils 25/100 000 PJ und 50/100 000 PJ ebenso deutlich erhöht.3 Ein Screening bei Menschen ohne HIV kann nur auf Basis der erhöhten Inzidenz des Analkarzinoms in gewissen Subpopulationen begründet werden. Eine Studie von 2021 hatte gezeigt, dass der spontane Regress analer Dysplasien bei MSM mit und ohne HIV ausschließlich von persistierendem HPV-16-Nachweis, nicht jedoch vom HIV-Status abhängt.54 Bei Personen ohne HIV ist der natürliche Progress/Regress analer Dysplasien weniger gut untersucht als bei Menschen mit HIV. Beispielsweise hatte die ANCHOR-Studie nur Personen mit HIV inkludiert.12 Dass die Behandlung hochgradiger analer Dysplasien das Analkarzinomrisiko auch bei Menschen ohne HIV reduziert, kann angenommen werden.
Die meisten Daten zur Behandlung hochgradiger analer Dysplasien bei Menschen ohne HIV gibt es für die Elektrokaustik. Auf Basis mechanistischer Überlegungen ist jedoch davon auszugehen, dass die Behandlungsoptionen hochgradiger analer Dysplasien von Menschen mit auf Menschen ohne HIV übertragen werden können.55 Abschließend wird angemerkt, dass die AIN-Rezidivraten bei Menschen ohne HIV niedriger sind als bei Menschen mit HIV.56, 57
Die Überarbeitung der Leitlinie wurde durch einen Forschungsaufenthalt von David Chromy unterstützt, der durch das Clinician Scientist Research Fellowship 2022 der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie ermöglicht wurde.
Die Interessenskonflikte der Autoren sind der Langfassung dieser Leitlinie zu entnehmen https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-007
期刊介绍:
The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements.
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