{"title":"Ist das Gegebene noch zu retten? Über Chancen und Gefahren einer Politisierung der Phänomenologie.","authors":"Sonja Rinofner-Kreidl","doi":"10.1007/s10743-025-09363-5","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p><p>Dieser Essay zielt darauf, eine Mehrdeutigkeit der Rede von \"Politisierung\" herauszuarbeiten, die sowohl für die Selbstkritik phänomenologischen Denkens als auch für die Kritik der Phänomenologie als eines öffentlichen Diskurses von Bedeutung ist. Die fraglichen Unterschiede betreffen das Verständnis dessen, was infolge einer Politisierung des Denkens anders konzipiert, kontextualisiert oder interpretiert wird, ob eine Politisierung intrinsisch oder extrinsisch motiviert und begründet ist und wie Art und Reichweite der daran geknüpften Ansprüche argumentiert werden können. Zwei Optionen werden erörtert: (1) eine interne Politisierung, die als phänomenologisch-methodischer Umgang mit Gegebenem und als kollektiv praktizierter Evidenzstil charakterisiert wird; (2) eine externe Politisierung, die sich als standort- und kontextabhängige weltanschauliche Idee und Praxis darstellt. Letztere versteht sich als eine politische Forderung und Erwartung, die eine thematisch einseitige bzw. verengte und / oder unreflektierte, unkritische, womöglich vorurteils- und ressentimentgeleitete phänomenologische Untersuchung korrigiert. Es wird argumentiert, dass interne Politisierung auf einer Metaebene stattfindet, auf der über Natur und Selbstbegrenzung der phänomenologischen Analyse nachgedacht wird. In konkreten Phänomenanalysen schlägt sich interne Politisierung lediglich indirekt, über deren methodische und theoretische Rahmung, nieder. Interne Politisierung ist mit autonomer Vernunftausübung verträglich. Dies gilt nicht für jede Form externer Politisierung, die als direkter Eingriff auf der gegenständlichen Ebene, im Zuge der Interpretation konkreter Phänomene, erfolgt. Zu klären ist: Wie können zulässige und eventuell unabdingbare Formen von Politisierung von unzulässigen unterschieden werden? Unter welchen Bedingungen unterliegt die Politisierung des Denkens einem Selbstwiderlegungseinwand?</p>","PeriodicalId":44408,"journal":{"name":"HUSSERL STUDIES","volume":"41 2","pages":"267-302"},"PeriodicalIF":0.8000,"publicationDate":"2025-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC12254055/pdf/","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"HUSSERL STUDIES","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1007/s10743-025-09363-5","RegionNum":1,"RegionCategory":"哲学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"2025/7/3 0:00:00","PubModel":"Epub","JCR":"0","JCRName":"PHILOSOPHY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Dieser Essay zielt darauf, eine Mehrdeutigkeit der Rede von "Politisierung" herauszuarbeiten, die sowohl für die Selbstkritik phänomenologischen Denkens als auch für die Kritik der Phänomenologie als eines öffentlichen Diskurses von Bedeutung ist. Die fraglichen Unterschiede betreffen das Verständnis dessen, was infolge einer Politisierung des Denkens anders konzipiert, kontextualisiert oder interpretiert wird, ob eine Politisierung intrinsisch oder extrinsisch motiviert und begründet ist und wie Art und Reichweite der daran geknüpften Ansprüche argumentiert werden können. Zwei Optionen werden erörtert: (1) eine interne Politisierung, die als phänomenologisch-methodischer Umgang mit Gegebenem und als kollektiv praktizierter Evidenzstil charakterisiert wird; (2) eine externe Politisierung, die sich als standort- und kontextabhängige weltanschauliche Idee und Praxis darstellt. Letztere versteht sich als eine politische Forderung und Erwartung, die eine thematisch einseitige bzw. verengte und / oder unreflektierte, unkritische, womöglich vorurteils- und ressentimentgeleitete phänomenologische Untersuchung korrigiert. Es wird argumentiert, dass interne Politisierung auf einer Metaebene stattfindet, auf der über Natur und Selbstbegrenzung der phänomenologischen Analyse nachgedacht wird. In konkreten Phänomenanalysen schlägt sich interne Politisierung lediglich indirekt, über deren methodische und theoretische Rahmung, nieder. Interne Politisierung ist mit autonomer Vernunftausübung verträglich. Dies gilt nicht für jede Form externer Politisierung, die als direkter Eingriff auf der gegenständlichen Ebene, im Zuge der Interpretation konkreter Phänomene, erfolgt. Zu klären ist: Wie können zulässige und eventuell unabdingbare Formen von Politisierung von unzulässigen unterschieden werden? Unter welchen Bedingungen unterliegt die Politisierung des Denkens einem Selbstwiderlegungseinwand?
期刊介绍:
Husserl Studies is an international forum for the presentation, discussion, criticism, and development of Husserl''s philosophy. It also publishes papers devoted to systematic investigations in the various philosophical sub-areas of phenomenological research (e.g., theory of intentionality, theory of meaning, ethics and action theory, etc.), where such work is oriented toward the development, adaptation, and/or criticism of Husserlian phenomenology. Husserl Studies also invites contributions dealing with phenomenology in relation to other directions in philosophy such as hermeneutics, critical theory, and the various modes of analytic philosophy. The aim, in keeping with Husserl''s own philosophical self-understanding, is to demonstrate that phenomenology is a reflective and methodologically disciplined form of philosophical inquiry that can and must prove itself through its handling of concrete problems. Thus Husserl Studies provides a venue for careful textual work on Husserl''s published and unpublished writings and for historical, systematic, and problem-oriented phenomenological inquiry. It also publishes critical reviews of current work on Husserl, and reviews of other philosophical literature that has a direct bearing on the themes and areas of interest to Husserl Studies.