Heliya Javadi, Anne-Catherine Lehnen, Dr. Matthias Hartlieb
{"title":"Bioinspirierte Kationische Antimikrobielle Polymere","authors":"Heliya Javadi, Anne-Catherine Lehnen, Dr. Matthias Hartlieb","doi":"10.1002/ange.202503738","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Die Entdeckung von Antibiotika hat die Medizin nachhaltig verändert. Ohne Medikamente wie Penizillin wäre eine Vielzahl medizinischer Prozeduren heutzutage nicht möglich. Ein Pionier der medikamentösen Behandlung von bakteriellen Infektionen war Paul Ehrlich, der 1910 mit Salvarsan die erste wirksame Behandlung gegen Syphilis entwickelte.<sup>[</sup><span><sup>1</sup></span><sup>]</sup> Doch selbst nach der Entdeckung von Penizillin durch Sir Alexander Fleming in den 1920ern,<sup>[</sup><span><sup>2</sup></span><sup>]</sup> dauerte es bis in die 1940er Jahre, ehe antibiotische Behandlungen für die breite Gesellschaft verfügbar wurden. Schon damals war die große Gefahr antimikrobieller Resistenz für manche offensichtlich. So sagte Fleming in einem Interview nach dem Erhalt des Nobelpreises für seine Forschung: “The thoughtless person playing with penicillin treatment is morally responsible for the death of the man who succumbs to infection with the penicillin-resistant organism”.</p><p>Und tatsächlich ist AMR eine der großen Krisen, die unser globales Gesundheitssystem gefährdet. Ein kürzlich erschienener Artikel beziffert die Zahl der Toten im Zusammenhang mit AMR auf 4,71 Millionen in 2021, wobei 1,14 Millionen Tote direkt von resistenten Bakterien verursacht wurden.<sup>[</sup><span><sup>3</sup></span><sup>]</sup> Der Bericht ist mit einer düsteren Prognose verknüpft, nach der im Jahre 2050 jährlich rund 10 Millionen Menschen AMR zum Opfer fallen werden. Besonders die sogenannten ESKAPE Pathogene (<i>Enterococcus faecium</i>, <i>Staphylococcus aureus</i> (<i>S. aureus</i>), <i>Klebsiella pneumoniae (K. pneumoniae</i>), <i>Acinetobacter baumannii</i>, <i>Pseudomonas aeruginosa (P. aeruginosa)</i> und andere <i>Enterobacterales</i>) stellen ein großes Problem dar, da sie gut an Krankenhausumgebungen angepasst sind.<sup>[</sup><span><sup>4</sup></span><sup>]</sup></p><p>Missbrauch von Antibiotika führt zu substanziellem Druck auf Pathogene, sich anzupassen und führt zur rasanten Verbreitung von AMR.<sup>[</sup><span><sup>5</sup></span><sup>]</sup> Das Problem wird durch mangelnde Investitionen von Pharmaunternehmen in die Entwicklung neuer Medikamente verschärft. Da neu entwickelte Antibiotika sofort zu „last-resort Treatments“ erklärt werden, ist der teure Entwicklungsprozess nicht durch den zu erwartenden finanziellen Erfolg gedeckt.<sup>[</sup><span><sup>6</sup></span><sup>]</sup></p><p>Somit sind alle Maßnahmen zur Entwicklung von Medikamenten, die sich jenseits des Konzeptes von traditionellen Antibiotika bewegen und somit nicht von AMR betroffen wären, höchst lohnenswert. Inspiration kann in Host-Defense-Peptiden (HDPs) gefunden werden, die einen wichtigen Teil des angeborenen Immunsystems vieler Organismen darstellen und zur Abwehr von Mikroorganismen eingesetzt werden.<sup>[</sup><span><sup>7</sup></span><sup>]</sup> Jedoch ist deren direkter Einsatz als Medikament mit verschiedenen Nachteilen, wie z. B. hohen Kosten, Abbau durch Proteasen, Toxizität und ihrer potenziellen Immunogenizität verbunden. Zudem sind HDPs nicht für einen systemischen Einsatz geeignet, sondern werden in der Natur oft zur lokalen Kontrolle von Bakterienpopulationen verwendet, was einen Einsatz als Ersatzantibiotika verhindert. Somit ist die Adaption des allgemeinen Konzeptes von HDPs in eine modularere Plattform höchst aussichtsreich.</p><p>Antimikrobielle Polymere (APs) wurden erstmals Anfang der 2000er Jahre beschrieben und bilden die grundlegenden Strukturmotive von HDPs nach, nämlich kationische Ladungen und hydrophobe Untereinheiten.</p><p>Mit dieser Kombination sind APs in der Lage, die bakterielle Zellmembran zu lysieren, ein Mechanismus, der ausreichend unspezifisch ist, um Resistenzbildung zu verhindern.<sup>[</sup><span><sup>8-11</sup></span><sup>]</sup> Die Fülle an negativ geladenen Biomolekülen in der bakteriellen Zellmembran ermöglicht zudem eine ausreichende Selektivität gegenüber Säugetierzellen (Abbildung 1C).</p><p>Initiale Bemühungen waren auf die Implementierung einer fazialen Amphiphilie (Trennung von kationischen und hydrophoben Einheiten auf unterschiedlichen Seiten eines relativ steifen Makromoleküls) bedacht, die auch in manchen HDPs vorhanden ist.<sup>[</sup><span><sup>12</sup></span><sup>]</sup> Es hat sich jedoch schnell gezeigt, dass eine solche Struktur nicht zwangsweise notwendig ist, da sie sich spontan ausbilden kann, wenn das AP in Kontakt mit der Membran kommt,<sup>[</sup><span><sup>13, 14</sup></span><sup>]</sup> was auch durch Simulationen unterstützt wird.<sup>[</sup><span><sup>15</sup></span><sup>]</sup></p><p>Im Gegensatz zu Polymer-basierten Desinfektionsmitteln zeigen APs eine gewisse Selektivität für Bakterienzellen. Diese Eigenschaft ist stark an die amphiphile Balance der Polymere gekoppelt (das Verhältnis zwischen kationischen Ladungen und Hydrophobie).<sup>[</sup><span><sup>16</sup></span><sup>]</sup> Ein Übermaß jeder der beiden Qualitäten führt zu einer ausgeprägten Toxizität gegenüber Säugetierzellen und eine potente antimikrobielle Aktivität benötigt üblicherweise ein feines Gleichgewicht. Dies stellt eine Einschränkung dar, da diese Balance für jedes neue System neu etabliert werden muss und schwer vorauszusagen ist.</p><p>Antimikrobielle Aktivität wird üblicherweise mittels Wachstumsinhibierung an Bakterien oder Pilzzellen getestet und durch den MIC<sub>50</sub> (die minimale Konzentration bei der 50 % des Wachstums unterbunden wird) ausgedrückt. Dem gegenüber steht die Evaluierung der Kompatibilität mit Säugetierzellen z.B. mittels Hämolysetests. Während in der Literatur verschiedenste Werte verwendet werden, ist der HC<sub>10</sub>, welcher die niedrigste Konzentration darstellt, die mindestens 10 % Hämolyse verursacht, empfehlenswert. Dies wird idealerweise durch die Messung der Zytotoxizität durch Viabilitätsbestimmung an Zelllinien komplementiert, da die Ergebnisse oft stark von denen der Analyse der Hämolyse abweichen. Hier wird oft der IC<sub>50</sub> berichtet, welcher die Polymerkonzentration, die mit 50 % Viabilitätsverlust einhergeht, angibt. Um diese Informationen in einen einzigen Wert zu kondensieren, wurde die Selektivität (HC<sub>10</sub>/MIC<sub>50</sub>) eingeführt, die im Grunde aussagt, wie viel aktiver die Substanz gegenüber Bakterien im Vergleich mit roten Blutkörperchen ist. Eine ähnliche Größe lässt sich mit Zytokompatibilität definieren und wird oft als therapeutischer Index bezeichnet (IC<sub>50</sub>/MIC<sub>50</sub>). Gute APs zeigen hohe Werte (>100) für beide Größen.</p><p>Eine Vielzahl an Studien hat die Eignung verschiedener kationischer Bausteine in APs untersucht, und da HDPs die Inspiration bilden, wurden größtenteils Stickstoff-basierte Funktionalitäten verwendet. Primäre Amine haben sich hier in vielen Fällen gegenüber quaternären Ammoniumspezies, die eine permanente Ladung besitzen, als überlegen erwiesen.<sup>[</sup><span><sup>17, 18</sup></span><sup>]</sup> Ein zweites wichtiges Motiv stellt die Arginin-inspirierte Guanidingruppe dar. Ihre einzigartige Struktur führt zu einem weiteren Mechanismus, der auf der Membrantranslokation und der unspezifischen Interaktion intrazellulärer Komponenten beruht.<sup>[</sup><span><sup>19</sup></span><sup>]</sup> Speziell die Bindung von genetischem Material kann zu Selektivität führen,<sup>10</sup> da dieses in Bakterien nicht durch einen Zellkern abgeschirmt ist. Es sollte bemerkt werden, dass solche Mechanismen auch für Amin-basierte Polymere berichtet wurden.<sup>[</sup><span><sup>11</sup></span><sup>]</sup> Zudem können durch Guanidin-basierte Polymere und ihre Fähigkeit der Membrandiffusion auch Bakterien innerhalb von Säugetierzellen adressiert werden.<sup>[</sup><span><sup>20</sup></span><sup>]</sup></p><p>Ein weiterer Parameter ist die Länge der Polymere. Da die meisten HDPs weniger als 50 Aminosäuren enthalten, wurden auch APs üblicherweise so entworfen, dass sie sich in diesem Massenbereich befinden.</p><p>Einige Studien zeigen, dass zwar die antimikrobielle Aktivität unbeeinflusst bleibt, die Hämotoxizität jedoch mit steigender Molmasse zunimmt, was zu sinkenden Selektivitäten führt.<sup>[</sup><span><sup>22</sup></span><sup>]</sup> In anderen Beispielen ist auch die antimikrobielle Aktivität molmassenabhängig.<sup>[</sup><span><sup>24</sup></span><sup>]</sup> Dieser Effekt ist zudem abhängig vom Typ des Bakteriums, das im Fokus steht, da in gram-positiven Bakterien größere Polymere durch die dicke Zellwand „herausgesiebt“ werden können (siehe Abbildung 1B).<sup>[</sup><span><sup>25</sup></span><sup>]</sup> Solche Beobachtungen basieren allerdings ausschließlich auf linearen Copolymeren. Wie später gezeigt wird, können Polymere mit einer kompakteren Struktur, wie z.B. Flaschenbürstencopolymere auch mit deutlich höheren Molmassen aktiv sein.<sup>[</sup><span><sup>26</sup></span><sup>]</sup> Zudem kann ein Austausch von Amin- zu Guanidinfunktionalitäten diesen Zusammenhang umkehren.<sup>[</sup><span><sup>27</sup></span><sup>]</sup> Ein weiterer Aspekt ist die Dispersität von APs. Während eine hohe Dispersität mit einer steigenden Hämotoxizität in Verbindung gebracht wird,<sup>[</sup><span><sup>22</sup></span><sup>]</sup> ist eine systematische Untersuchung dieses Zusammenhangs noch ausstehend.</p><p>Das Polymerrückgrat hat ebenfalls einen starken Einfluss auf die Aktivität von APs. Es ist jedoch schwierig, den Einfluss verschiedener Faktoren, wie z.B. Flexibilität (und die resultierende räumliche Anordnung), Polarität (und deren Einfluss auf die amphiphile Balance) oder die Anwesenheit funktioneller Unterstrukturen und deren Interaktion (z.B. Ausbildung von Wasserstoffbrücken) isoliert zu betrachten.</p><p>Poly(Norbornen),<sup>[</sup><span><sup>21</sup></span><sup>]</sup> Nylon,<sup>[</sup><span><sup>23</sup></span><sup>]</sup> oder Poly(Peptide)<sup>[</sup><span><sup>23</sup></span><sup>]</sup> gehören zu den steiferen Strukturen, welche eine gewisse Präorganisation funktioneller Gruppen ermöglichen. Poly(Carbonate),<sup>[</sup><span><sup>19</sup></span><sup>]</sup> Poly(Oxazoline),<sup>[</sup><span><sup>11</sup></span><sup>]</sup> sowie Polymere basierend auf Acrylaten/Acrylamiden<sup>[</sup><span><sup>28</sup></span><sup>]</sup> oder Methacrylaten<sup>[</sup><span><sup>29</sup></span><sup>]</sup> werden auch häufig verwendet (Abbildung 1A).</p><p>Der präzise Ablauf der Interaktion mit der Membran ist noch immer nicht verstanden. Während HDPs definierte Strukturen wie Transmembranporen oder “barrel stave” Strukturen ausbilden können,<sup>[</sup><span><sup>28</sup></span><sup>]</sup> ist die Ausbildung von definierten Strukturen durch nicht sequenzdefinierte Makromoleküle unwahrscheinlich.</p><p>Im Zusammenhang mit APs wird oft eine Permeabilisierung von biologischen Membranen beschrieben, welche durch die Verwendung von liposomalen Modellen (z.B. giant unilamellar vesicles, GUVs) und mittels Farbstoff-Freisetzungs Experimenten untersucht werden kann.<sup>[</sup><span><sup>21</sup></span><sup>]</sup> Doch auch die direkte Membrandepolarisierung an Bakterienzellen kann in vitro verfolgt werden.<sup>[</sup><span><sup>29</sup></span><sup>]</sup> Wie schon bemerkt existieren auch andere Mechanismen, bei denen intrazelluläre Interaktionen eine größere Rolle für die Aktivität zu spielen scheinen. Dies kann zum Beispiel mittels Elektronenmikroskopie aufgelöst werden. Und während dieser Effekt hauptsächlich bei Guanidin-haltigen Polymeren beobachtet wird,<sup>[</sup><span><sup>10, 19</sup></span><sup>]</sup> ist dies auch mit Amin-basierten Polymeren möglich.<sup>[</sup><span><sup>11</sup></span><sup>]</sup></p><p>Ähnlich zu intrinsisch ungeordneten HDPs können auch APs in Kontakt mit der Membran eine fazial-amphiphile Struktur annehmen.<sup>[</sup><span><sup>15</sup></span><sup>]</sup> Es wurde gezeigt, dass APs präferenziell mit einer Art von Phospholipiden interagieren können und in der Lage sind, die Struktur der Membran zu reorganisieren.<sup>[</sup><span><sup>30</sup></span><sup>]</sup> Dies führt auch zur Hypothese, dass APs ihre eigene Membranbindung katalysieren können, indem sie Polymere aus der Lösung rekrutieren, sobald sie an der Membran gebunden sind. Auf einer leicht größeren Skala wurde in elektronenmikroskopischen Aufnahmen beobachtet, wie APs die Morphologie der Membran durch die Bildung von Wölbungen und Blasen verändern können.<sup>[</sup><span><sup>24</sup></span><sup>]</sup> Der generelle Mechanismus ist stark von den Polymereigenschaften abhängig, da feine Änderungen in der Struktur der hydrophoben Gruppe, statt zu einem Platzen von Vesikeln, zu einer Porenbildung führen.<sup>[</sup><span><sup>31</sup></span><sup>]</sup> Allerdings sind solche Membranmodelle stark vereinfacht und können zu Missinterpretationen, z.B. durch die Fusion von GUVs führen.<sup>[</sup><span><sup>32</sup></span><sup>]</sup></p><p>Nach diesem generellen Überblick möchten wir den Fokus auf verschiedene Aspekte im Design von APs lenken, die in den letzten Jahren starke Beachtung erfahren haben. Es ist zu betonen, dass dies keine erschöpfende Betrachtung darstellt und für einen breiteren Überblick empfehlen wir weitere Literatur im Feld.<sup>[</sup><span><sup>33, 34</sup></span><sup>]</sup> In unserem Übersichtartikel wird der Begriff antimikrobielles oder antibakterielles Polymer ausschließlich für lösliche kationische Polymere verwendet, die in irgendeiner Weise von HDPs inspiriert wurden. Dies schließt spezifisch alle unlöslichen Kunststoffe, oberflächengebundenen Polymere und Beschichtungen im Kontext Antifouling aus. Zudem fokussieren wir uns stark auf Bakterien, während die ebenso wichtige antifungale Aktivität nur in ausgewählten Beispielen behandelt wird.</p><p>Ein Aspekt, der erst in den letzten Jahren vermehrt Beachtung gefunden hat, ist die Topologie und Architektur von APs. Neben linearen Copolymeren, welche am ehesten die primäre Struktur von HDPs abbilden, gibt es andere Möglichkeiten, solche Polymere aufzubauen. Mittels Pfropfstrategien können sternförmige-, Pfropf- oder Flaschenbürstencopolymere hergestellt werden, je nachdem welche zentrale Struktureinheit verwendet wird (Abbildung 2).</p><p>Auch verzweigte und zyklische APs mit einer entweder erhöhten oder reduzierten Anzahl an Endgruppen innerhalb eines Makromoleküls wurden beschrieben.</p><p>Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anordnung von funktionellen Untereinheiten innerhalb der Polymere. Während eine perfekte Sequenz, wie in Proteinen zu finden, üblicherweise nicht implementierbar ist, kann die Segregation in Blöcken von z.B. Multiblockcopolymeren durchaus zur Modulierung der Bioaktivität verwendet werden. Ein Beispiel ist hier der Vergleich zwischen Diblock und statistischen Polymeren gleicher Zusammensetzung, bei denen eine reduzierte Hämolyse für Diblöcke verzeichnet wurde, was wahrscheinlich mit deren Tendenz zu unimolekularer Selbstassemblierung zusammenhängt.<sup>[</sup><span><sup>35</sup></span><sup>]</sup></p><p>Eine weitere Segregation in Multiblock-Copolymeren führt zu weiteren spezifischen Änderungen der Bioaktivität.<sup>[</sup><span><sup>36</sup></span><sup>]</sup> Separation hydrophiler und hydrophober Bestandteile führte in dieser Studie zur Bildung von Mizellen, was auch eine reduzierte antimikrobielle Aktivität zur Folge hatte. Diese Erkenntnis stimmt mit einer weiteren Studie überein, in der Segmentierung hydrophober und hydrophiler Einheiten zu einem Verlust antimikrobieller Aktivität führte.<sup>[</sup><span><sup>37</sup></span><sup>]</sup> Wenn jedoch die globale Amphiphilie reduziert wird (sodass Selbstassemblierung verhindert wird), kann Monomerseparation in Multiblockcopolymeren zu einer drastisch erhöhten Selektivität aufgrund reduzierter Hämotoxizität führen.<sup>[</sup><span><sup>8</sup></span><sup>]</sup> Dies wurde mit einer Veränderung der physiko-chemischen Eigenschaften der Polymere als Resultat der veränderten Struktur in Verbindung gebracht.</p><p>Die Performance von APs kann auch durch Veränderungen in der Polymerarchitektur beeinflusst werden. Ein hyperverzweigtes AP war z.B. deutlich bioverträglicher, da im Vergleich zu linearen Analoga die Hämotoxizität um den Faktor 4 reduziert wurde.<sup>[</sup><span><sup>37</sup></span><sup>]</sup></p><p>Während in einer (hyper)verzweigten Struktur die Anzahl der Endgruppen erhöht ist, kann diese auch durch die Verwendung von zyklischen Polymeren reduziert werden. In einem detaillierten Vergleich stellten Fu, Boyer und Mitarbeitende APs, welche mittels hetero-Diels-Alder Chemie zyklisiert wurden, ihren linearen Pendants gegenüber.<sup>[</sup><span><sup>38</sup></span><sup>]</sup> Zyklische Strukturen zeigten generell eingeschränkte antimikrobielle Aktivität, was auf eingeschränkte konformelle Freiheit der Polymere zurückgeführt wurde. Dies führte aber auch zu einer reduzierten Toxizität gegenüber Säugetierzellen, was in einer verbesserten Selektivität resultierte.</p><p>Auch eine sternförmige Topologie kann vorteilhaft sein, wie mittels eines Systems mit Poly(Peptiden) als Seitenketten an einem dendritischen Kern gezeigt wurde.<sup>[</sup><span><sup>23</sup></span><sup>]</sup> Es ist jedoch neben der generell beeindruckenden Performance zu bemerken, dass die antimikrobielle Aktivität nur um den Faktor 2 verbessert wird wenn man massenbasierte Einheiten zugrunde legt statt molbasierter Größen (welche nicht aussagekräftig sind, wenn sich die Molmasse der verglichenen Substanzen, wie hier zwischen Stern und linearem Polymer, stark unterscheidet). Es wurde bestätigt, dass seine reduzierte Flexibilität von AP-Armen in sternförmigen Copolymeren die Toxizität gegenüber Säugetierzellen reduzieren kann.<sup>[</sup><span><sup>39</sup></span><sup>]</sup> Wenn zudem Monomereinheiten innerhalb eines sternförmigen Copolymers separiert werden, z.B. durch die Verwendung von Blockcopolymer-Armen, kann die antimikrobielle Aktivität um das vierfache erhöht werden, während gleichzeitig die Hämotoxizität reduziert wird.<sup>[</sup><span><sup>40</sup></span><sup>]</sup> Optimale Resultate wurden dann erzielt, wenn das kationische Segment nahe dem Kern der Struktur angeordnet wurde, was wiederum die starke Bedeutung der Sequenzkontrolle unterstreicht.</p><p>Pfropf-Copolymere und molekulare Flaschenbürsten (BB) stellen weitere faszinierende Architekturen von APs dar. Hedrick und Yang zeigten, dass gepfropfte Co-Polycarbonate verbesserte Aktivität im Vergleich zu linearen Polymeren besitzen.<sup>[</sup><span><sup>41</sup></span><sup>]</sup> Dieser Effekt wurde auch für ein Zellulose-Rückgrat beobachtet, bei dem der Abbau des Poly(Saccharid)s mit reduzierter Aktivität einherging.<sup>[</sup><span><sup>42</sup></span><sup>]</sup> Für Copolymere mit begrenzter Amphiphilie konnte unsere Gruppe einen drastischen Anstieg der Bioaktivität und Selektivität für BB-Strukturen (im Vergleich zu linearen APs) zeigen.<sup>[</sup><span><sup>43</sup></span><sup>]</sup> Es konnte auch gezeigt werden, dass BBs keine Cluster auf Membranmodellen bilden, und dass sie im Vergleich zu linearen Pendants deutlich tiefer in die Lipid-Domäne der Membran vordringen, was in Teilen die gesteigerte Aktivität erklären kann.<sup>[</sup><span><sup>44</sup></span><sup>]</sup></p><p>Zudem wurde das Seitenverhältnis solcher BB-APs als essenzieller Parameter identifiziert. Für Polymere mit identischer Zusammensetzung wurde gezeigt, dass BBs mit langem Rückgrat und kurzen Seitenketten viel weniger aktiv waren als Polymere mit kurzem Rückgrat und langen Seitenketten.<sup>[</sup><span><sup>26</sup></span><sup>]</sup> Ein wahrscheinlicher Grund dafür stellt intramolekulare Selbstassemblierung dar, welche sich im Kontakt mit der Membran auflöst. Ein ähnlicher Effekt wurde für lineare Copolymere beobachtet, bei denen Phasenseparation zur Bildung von Einzelketten-Nanopartikeln führte.<sup>[</sup><span><sup>45</sup></span><sup>]</sup> Passend zu Erkenntnissen aus Diblock-Copolymeren<sup>[</sup><span><sup>37</sup></span><sup>]</sup> konnte auch für BBs mit heterogenen Seitenketten (die entweder nur kationische oder nur hydrophobe Gruppen enthalten) gezeigt werden, dass intermolekulare Selbstassemblierung zu einem Verlust der antimikrobiellen Aktivität führt.<sup>[</sup><span><sup>29</sup></span><sup>]</sup></p><p>Es ist festzuhalten, dass sowohl Sequenz als auch Architektur von APs essenzielle Parameter darstellen, da sie entscheidende Eigenschaften der Polymere (z.B. Amphiphilie) verändern und eine multivalente Anbindung ermöglichen. In diesem Zusammenhang muss auch die Selbstassemblierung betrachtet werden. Während sich intramolekulare Assoziierung positiv auf die Bioaktivität auswirken kann, ist eine intermolekulare Mizellierung der antimikrobiellen Aktivität oft abträglich, da sie hydrophobe Qualitäten verbergen kann. Generell scheint die Kettenmobilität in solchen Konstrukten einen starken Einfluss auf die Bioaktivität zu haben.</p><p>Obwohl strukturelle Aspekte von APs im Wesentlichen deren Selektivität definieren, könnte spezifisches Targeting bestimmter Pathogene durch Stimuli-responsive Materialien deren Anwendbarkeit weiter erhöhen. In diesem Abschnitt stehen Stimuli-responsive APs im Fokus, die eine Kontrolle über die Freisetzung oder Aktivierung der therapeutischen Wirkung bieten.</p><p>Eine Kategorisierung wurde basierend auf dem zugrundeliegenden Mechanismus der APs vorgenommen (Abbildung 3).</p><p>Die erste Kategorie enthält schon das finale AP, welches physikalisch oder kovalent durch eine zweite Komponente abgeschirmt wird, die das Material bis zur Freisetzung inaktiviert (Abbildung 3A). Ein solcher Ansatz kann die ungewollte Interaktion mit gesunden Zellen verhindern. Fernandez-Trillo <i>et al.</i> stellten Poly-Interelektrolytkomplexe (PICs) her, die aus antimikrobiellen verzweigtem Poly(Ethylenimin) (PEI), sowie anionischen Peptiden bestehen. Zweitere können durch Elastase B (LasB), die von <i>P. aeruginosa</i> produziert wird, gespalten werden.<sup>[</sup><span><sup>46</sup></span><sup>]</sup></p><p>Um die antimikrobielle Aktivität zu prüfen, wurden zwei Arten von Bakterien verglichen, wobei eines das Enzym sekretiert (PAO1V), während das andere nicht über LasB verfügt (ΔLasAB). Nach einer Inkubationsperiode, die benötigt wird, um das Enzym auszuschütten, konnte im Fall von PAO1V 25 % der ursprünglichen Aktivität von PEI erreicht werden, während die Aktivität in Anwesenheit von ΔLasAB konstant niedrig war. Palermo <i>et al.</i> verwendeten selbst-immolative Polymere, um hämolytische Aktivität zu mindern.<sup>[</sup><span><sup>47</sup></span><sup>]</sup> Ein Poly(Benzylether) wurde als Hauptkette verwendet und an dieses Rückgrat wurden PEG-Ketten und Ammoniumgruppen angebracht. Durch chemisch induzierte Depolymerisation in Anwesenheit von Fluoridionen wurde die Hämotoxizität reduziert, während die Untereinheiten weiterhin antimikrobielle Aktivität zeigten. Somit konnte ein chemisch ausgelöster Anstieg der Selektivität hervorgerufen werden. Im Zusammenhang mit abbaubaren Systemen kann die Depolymerisation auch verwendet werden, um eine Reduktion der antimikrobiellen Aktivität zu erreichen und so den Langzeiteinfluss auf die Umwelt zu reduzieren. Für APs basierend auf einem Zellulose-Rückgrat, welches mit linearen APs gepfropft wurde, konnte durch einen Abbau mittels natürlich vorkommender Cellulase die antibakterielle Aktivität um den Faktor 8 (gegen <i>E. coli</i>) bzw. 2,4 (gegen <i>S. aureus</i>) reduziert werden.<sup>[</sup><span><sup>42</sup></span><sup>]</sup></p><p>Die zweite Kategorie enthält AP-Prodrugs, in denen (meist kationische) Funktionalitäten geschützt vorliegen und durch einen Stimulus freigesetzt werden können, um so die antimikrobielle Aktivität zu modulieren (Abbildung 3B). Ein UV-Licht-responsives Polymer (P<sub>ONB</sub>), bei dem primäre Aminogruppen durch Ortho-Nitrobenzolgruppen geschützt waren, wurde durch Wong et al. beschrieben.<sup>[</sup><span><sup>48</sup></span><sup>]</sup> Bestrahlung (300 nm) für 8 Stunden führte durch Entschützung zur Verbindung P<sub>Photo</sub>. Der Erfolg dieses Konzeptes wurde durch einen Vergleich der MIC-Werte überprüft, bei dem sich eine Verringerung von >120 µg mL<sup>−1</sup> (P<sub>ONB</sub>) auf 30 µg mL<sup>−1</sup> (P<sub>Photo</sub>) erreichen ließ, während der MIC-Wert vor Anbringen der Schutzgruppe bei 16 µg mL<sup>−1</sup> lag.</p><p>Während UV-Licht für nachgelagerte Applikationen nicht ideal geeignet ist, zeigt diese Studie jedoch einen ausgezeichneten Machbarkeitsbeweis für Licht-responsive APs. Die gleiche Gruppe beschrieb später Galactosidase-responsive antimikrobielle Dendronen mit geschützten kationischen Gruppen, die durch β-Galactosidase in primäre Amine umgewandelt werden konnten.<sup>[</sup><span><sup>49</sup></span><sup>]</sup> Dieser Prozess resultierte in einer Steigerung der Aktivität um den Faktor 4, allerdings auch in einer stärkeren hämolytischen Aktivität.</p><p>Eine weitere Klasse stellen APs dar, die unter Stimulierung ihre Konfiguration ändern können. Bei diesem Konzept ist die Aktivität abhängig von der Konformation des Polymers, die durch Entfernen eines bestimmten Teils des Systems verändert wird, was zu gesteigerter Aktivität führt (Abbildung 3C).</p><p>Im Jahr 2017 untersuchten Cheng <i>et al.</i> die Effekte von Phosphatase, welche auch in Bakterien-infiziertem Gewebe vorkommt, auf Poly(Peptide) bestehend aus L-Glutamat und L-Tyrosin. Die Polymere, welche aus <i>N</i>-Carboxy-Anhydriden Derivativen hergestellt wurden, bildeten laut Zirkulardichroismus Spektroskopie helikale Strukturen.<sup>[</sup><span><sup>50</sup></span><sup>]</sup> Phosphorylierung von Tyrosin überführt diese Polymere in eine random-coil Struktur, was die Aktivität gegenüber <i>S. aureus</i> um den Faktor 8 senkt. In Anwesenheit der Phosphatase wurde die helikale Struktur und somit die Aktivität wiederhergestellt. Hedrick und Yang et al. stellten eine Bibliothek von zufälligen sowie Block-Copolymeren her, die sowohl positiv geladene Guanidiniumgruppen als auch negativ geladene Säuregruppen enthielten.<sup>[</sup><span><sup>51</sup></span><sup>]</sup> Bei einem physiologischen pH-Wert (7,4) bilden sie inaktive Koazervat-Komplexe, welche in einer sauren Umgebung (pH 3) protoniert werden, was zur Bildung antibakterieller Mizellen führt. Besonders Blockcopolymere zeigten einen deutlichen Anstieg der Aktivität gegenüber <i>Helicobacter pylori</i> bei niedrigem pH-Wert mit bakteriellen Überlebensraten von unter 10 % (verglichen mit ca. 90 % bei physiologischen pH).</p><p>Die letzte Kategorie enthält APs, welche ihre Aktivität durch Stimulierung direkt erhöhen (Abbildung 3D). Dies wird durch die Aktivierung eines zweiten Wirkmechanismus erreicht, der synergistisch mit dem Hauptmechanismus des APs interagiert. Systeme, die Synergien ohne die Notwendigkeit Stimuli-responsiver Aktivierung zeigen, werden im folgenden Kapitel behandelt. Palermo und Mitarbeitende stellten APs her, die ein oligo(Thiophen) Rückgrat dekoriert mit antimikrobiell-aktiven positiven Seitengruppen enthielten.<sup>[</sup><span><sup>52</sup></span><sup>]</sup> Durch das aromatische Rückgrat können diese Strukturen sichtbares Licht absorbieren und in Anwesenheit von Sauerstoff reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS) bilden. Dies führte zu einer 10-fach verstärkten antimikrobiellen Aktivität unter Bestrahlung (MIC<sub>dark</sub> = 4 µg ml<sup>−1</sup> vs. MIC<sub>light</sub> = 0,046 µg ml<sup>−1</sup> gegen <i>E. coli</i>). Eine solche Strategie wurde auch durch Boyer und Kolleg:innen verfolgt, die ein Zink-Tetraphenyl-Porphyrin Monomer (ZnTPP-Ac) verwendeten, welches sichtbares Licht absorbieren und so ROS generieren konnte.<sup>[</sup><span><sup>53</sup></span><sup>]</sup> Abhängig von der Zusammensetzung wurde ein zwei- bis achtfacher Anstieg der Aktivität gegen <i>S. aureus</i> und <i>P. aeruginosa</i> unter grünem Licht beobachtet. Interessanterweise konnte ZnTPP-Ac auch als intrinsischer Katalysator für die Herstellung der Polymere mittels PET-RAFT Polymerisation verwendet werden. Li <i>et al.</i> entwarfen selbst-assemblierte Kern-Schalen Strukturen mit Quantenpunkten aus schwarzem Phosphor, die im Kern als nah-Infrarot Sensitizer fungierten. Die Schale wurde mit S-Nitrosocysteamine als Stickoxid-(NO)-Donor und kationischen amphiphilen Copolymeren dekoriert.<sup>[</sup><span><sup>54</sup></span><sup>]</sup> Unter NIR Licht wurde NO produziert, was zu einer Verstärkung der antibakteriellen Aktivität führte.</p><p>Stimuli-responsive APs bieten verbesserte Kontrolle über die bakterizide Aktivität sowie verbesserte Wirksamkeit und können verwendet werden, um hämolytische Effekte zu minimieren. Verschiedene Stimuli, wie z.B. Enzyme, Licht, pH-Wert, oder auch Depolymerisation können verwendet werden, um eine Aktivierung hervorzurufen oder zu unterdrücken. Somit sind Stimuli-responsive APs faszinierende Werkzeuge, um resistente Bakterien zu bekämpfen und potenziell eine räumliche und zeitliche Kontrolle über die Aktivität solcher Polymere zu erlangen.</p><p>In diesem Abschnitt sollen therapeutische Ansätze hervorgehoben werden, bei denen ein AP mit einem zweiten antimikrobiellen Wirkstoff oder Mechanismus kombiniert wird, um eine Synergie zu erzielen. Eine solche Wechselwirkung wird oft mittels eines „Checkerboard-Assays“ abgefragt, bei dem beide Substanzen in verschiedenen Konzentrationen miteinander kombiniert werden (Abbildung 4). Der fractional inhibitory concentration index (FICI) wird als Richtgröße verwendet und eine FICI < 0,5 zeigt eine Synergie, bei der die Kombination beider Teile aktiver ist als die Summe der Aktivitäten der Einzelkomponenten.</p><p>Eine mögliche Synergie ist die Kombination eines membranaktiven AP mit einem Antibiotikum, das ein intrazelluläres Ziel hat. Solche Konzepte wurden im Zusammenhang mit HDPs als Membran-lytische Komponente schon beschrieben.<sup>[</sup><span><sup>55</sup></span><sup>]</sup> Für APs wurde dieser Effekt an kationischen Poly(Carbonaten) gezeigt, welche mit Vitamin E funktionalisiert wurden. Co-administration mit dem Antibiotikum Colistin führte zu FICI-Werten bis zu 0,11 für <i>P. aeruginosa</i>. Der Effekt wurde der Membrandepolarisation durch das AP und assoziierter Zellaufnahme des Antibiotikums zugeschrieben (wie in Abbildung 4A illustriert).<sup>[</sup><span><sup>56</sup></span><sup>]</sup> Auch APs basierend auf Acrylamiden und Acrylaten können verwendet werden, um die Aktivität von Doxycycline und Colistin zu steigern.<sup>[</sup><span><sup>57</sup></span><sup>]</sup> Gegen <i>P. aeruginosa</i> wurde ein FICI von 0,38 erreicht, was einem 4-fachen Anstieg der Aktivität entspricht. In einer weiteren Studie wurden Poly(Aspartat)-basierte APs (mit quaternären Ammoniumgruppen) mit Rifampicin kombiniert, welches RNA-Polymerasen inhibiert. Bei optimaler Kombination wurde ein 8-facher Anstieg der Aktivität (FICI = 0,1875) gegen <i>P. aeruginosa</i>, verzeichnet.<sup>[</sup><span><sup>58</sup></span><sup>]</sup> Das gram-negative Pathogen spricht üblicherweise relativ schlecht auf diesen Wirkstoff an. Interessanterweise kann die Kombination von kationischen Polymeren und Antibiotika auch verwendet werden, um die Empfindlichkeit von resistenten Stämmen gegenüber konventionellen Antibiotika wiederherzustellen (Methicillin-resistente <i>S. aureus</i> (MRSA) gegen Oxacillin, <i>Enterococcus</i> f<i>aecalis</i> gegen Vancomycin, <i>E. coli</i> gegen Streptomycin).<sup>[</sup><span><sup>59</sup></span><sup>]</sup> Dasselbe Polymer, das aus einer Kombination von Chitosan und Oligo(Lysinen) bestand, zeigte auch Synergien in der Behandlung von Biofilmen in vivo. Ein ähnliches System zeigte zudem eine aktive Inhibierung bakterieller Resistenzmechanismen.<sup>[</sup><span><sup>60</sup></span><sup>]</sup> Auch im Zusammenhang mit anti-fungalen Behandlungen können Acrylamid-basierte APs Synergien mit Antimykotika (Fluconazole, Caspofungin) bilden. Hier wurden FICIs um den Wert 0,3 erreicht, während Amphotericin B keine Interaktion zeigte.<sup>[</sup><span><sup>61</sup></span><sup>]</sup></p><p>Auch eine Kombination der ätherischen Öle Carvacrol oder Eugenol mit APs resultierte in synergistischen Effekten, was sich durch eine verbesserte Beseitigung von Biofilmen zeigte.<sup>[</sup><span><sup>62</sup></span><sup>]</sup> Hier sollte betont werden, dass die Topologie der Polymere essentiell war, da nur Blockcopolymere in der Lage waren, die Öle in mizellarer Form zu verkapseln und in den Biofilm zu transportieren. Ähnlich zu APs, welche NO unter Bestrahlung produzieren,<sup>[</sup><span><sup>54</sup></span><sup>]</sup> wurde für APs, welche primäre Amine enthalten, gezeigt, dass sie NO binden und in Biofilme transportieren können.<sup>[</sup><span><sup>63</sup></span><sup>]</sup> Da nur das Polymer, in dem NO tatsächlich gebunden war, und nicht die einfache Mischung beider Substanzen eine Synergie zeigten, ist es wahrscheinlich, dass das AP neben seiner Membranaktivität auch als Wirkstofftransportsystem fungiert. Auch die Kombination von Ag Nanopartikeln mit einer Schale aus APs zeigt verbesserte Wirkung. Die Studie legt nahe, dass Membranschäden es Ag<sup>+</sup> Ionen ermöglichen, in das Zytoplasma vorzudringen und dort durch die Bildung von ROS Schaden anzurichten.<sup>[</sup><span><sup>64</sup></span><sup>]</sup></p><p>Derart synergistische Effekte können auch erzielt werden, indem APs mit verschiedenen Wirkmechanismen kombiniert werden. Hedrick und Yang beschrieben Poly(Carbonate) mit Guanidiniumfunktionen oder quaternären Ammoniumgruppen, welche jeweils antimikrobielle Aktivität zeigten. Die Kombination beider führte zu synergistischen Effekten gegen <i>P. aeruginosa</i> (FICI = 0,31) und resistenten <i>Acinetobacter baumannii</i> (FICI = 0,25). Der Effekt wurde der Membranpermeabilisation der Ammonium-basierten APs zugeschrieben, welche das Vordringen der Guanidin-APs ins Zytosol erleichtern, wo diese intrazelluläre Bestandteile binden.<sup>[</sup><span><sup>65</sup></span><sup>]</sup></p><p>Zusammenfassend gibt es enormes Potenzial in der Co-Administration von APs und anderen Antibiotika, besonders da resistente Stämme für die Behandlung mit konventionellen Antibiotika resensibilisiert werden können. Dies könnte ein vielversprechendes Anwendungsszenario für APs in der Klinik darstellen, indem sie Antibiotika unterstützen, statt zu ersetzen.</p><p>Um eine Translation von APs in klinische Anwendungen zu ermöglichen, müssen klinische Studien durchgeführt werden. Der erste Schritt in diese Richtung sind die in vivo-Tests. Bis heute sind allerdings nur eine begrenzte Anzahl von Beispielen in einem solchen Zusammenhang getestet worden. Eine Auswahl dieser Studien wird in diesem Abschnitt gezeigt.</p><p>Der direkteste Weg einer Anwendung von APs ist die Behandlung offener Wunden, um Biofilmbildung zu verhindern. Eine solche Vorgehensweise wurde z.B. in Ratten unter Verwendung von MRSA gezeigt.<sup>[</sup><span><sup>66</sup></span><sup>]</sup> Das verwendete Poly(Sulfonium) AP erreichte Resultate ähnlich zur Positivkontrolle (Vancomycin). Auch APs mit Guanidingruppen im Rückgrat waren in der Lage, das Leben von Mäusen mit infizierten Wunden zu verlängern.<sup>[</sup><span><sup>10</sup></span><sup>]</sup></p><p>Ammonium-basierte Poly(Peptoide) APs zeigten im Vergleich zu Vancomycin erhöhte Wirksamkeit in der Reduktion von Biofilmen (MRSA) ohne Anzeichen negativer Effekte auf den Metabolismus der behandelten Mäuse.<sup>[</sup><span><sup>67</sup></span><sup>]</sup> Ein weiteres Pseudopeptid, das in diesem Zusammenhang Verwendung findet, ist ein Poly(Oxazolin) mit primären Aminogruppen. Das Polymer konnte die Anzahl der Bakterien (MRSA) in infizierten Wunden am Rattenmodell in ähnlichem Maße reduzieren wie Vancomycin.<sup>[</sup><span><sup>11</sup></span><sup>]</sup> Erwähnt werden sollte auch, dass dank Ähnlichkeiten des Immunsystems wirbellose Tiere als sinnvolle Alternative zu kleinen Säugetieren genutzt werden können. Perrier <i>et al.</i> verwendeten Guanidinium und Ammonium Copolymere und testeten diese an <i>Galleria mellonella</i> welche mit <i>S. aureus</i> infiziert waren. Die Polymere zeigten keinerlei Toxizität gegenüber den Tieren, aber eine verbesserte Überlebensrate.<sup>[</sup><span><sup>68</sup></span><sup>]</sup></p><p>Eine Studie von Guanidinium-basierten Poly(Carbonaten) in Mäusen zeigte einen LD<sub>50</sub> von 44 mg kg<sup>−1</sup>, sowie keine offensichtliche Aktivierung des Immunsystems.<sup>[</sup><span><sup>19</sup></span><sup>]</sup> Untersuchungen der Pharmakokinetik zeigten eine Halbwertszeit im Organismus von rund 17 min, was in derselben Größenordnung liegt wie Carbapenem-Antibiotika. Auffallend war, dass auch nach intraperitonealer Injektion die Bioverteilung eine Penetration des Polymers in den Blutstrom andeutete. Verschiedene resistente Infektionen wurden im Maus-Modell erfolgreich mit einem großen therapeutischen Fenster behandelt. Eindrucksvoll war zudem die erfolgreiche Behandlung einer Infektion, die durch Fäkalien hervorgerufen wurde, da hier sowohl gram-negative als auch gram-positive Bakterien enthalten waren. Dies zeigt einen großen Vorteil von APs in solchen Anwendungen: ein breites Spektrum der Aktivität. Ein ähnliches AP wurde erfolgreich zur Behandlung von Lungenentzündungen im Maus-Modell, hervorgerufen durch <i>K. pneumoniae</i>, verwendet.<sup>[</sup><span><sup>69</sup></span><sup>]</sup></p><p>Guanidin-basierte Poly(Oxazoline) wurden zudem erfolgreich für äußerliche und intravenöse Behandlung einer Pilzinfektion durch <i>Candida albicans</i> verwendet. Die Polymere zeigten eine 20 min Halbwertszeit und Behandlungen waren ähnlich erfolgreich wie mit etablierten antifungalen Medikamenten, während keinerlei negative Effekte auf den Organismus beobachtet wurden.<sup>[</sup><span><sup>70</sup></span><sup>]</sup> Für ähnliche APs mit kürzerem Alkyl-Spacer wurde gezeigt, dass die Polymere die Blut-Hirn-Schranke überwinden konnten, um fungale Meningitis in Mäusen zu behandeln.<sup>[</sup><span><sup>71</sup></span><sup>]</sup></p><p>Während es ideal wäre, APs mit oraler Verfügbarkeit zu entwickeln, um sie wie verschiedene konventionelle Antibiotika zu verwenden, zeigen die Studien der letzten Jahre bereits, dass die Anwendung von APs in klinischen Settings großes Potenzial für die Zukunft hat.</p><p>Membran-aktive antimikrobielle Polymere sind eine vielversprechende Materialklasse im Kampf gegen AMR. In den vergangenen Dekaden wurden faszinierende Einblicke in Struktur-Eigenschafts-Beziehungen und den Wirkmechanismus solcher Polymere erarbeitet. Es gibt jedoch immer noch vieles zu verstehen und die polydisperse Natur von APs macht dies im Vergleich zu HDPs deutlich schwerer.</p><p>Es sollte jedoch im Zusammenhang mit zukünftigen klinischen Anwendungen erwähnt werden, dass Dispersität, nicht-peptidische Struktur, sowie unspezifische Interaktion mit zellulären Strukturen die Entstehung neuer Resistenzen höchst unwahrscheinlich machen, wie für verschiedene Systeme gezeigt wurde. Dies umgeht auch einen Hauptnachteil neu entwickelter Antibiotika: Wenn keinerlei Resistenzen erwartet werden, müssen APs nicht als last-resort Medikament behandelt werden, was zu einem höheren finanziellen Anreiz für die Pharmaindustrie führt. Die nicht-uniforme Struktur dieser Polymere kann natürlich auch zu Problemen im Zulassungsprozess führen.</p><p>Eine große Hürde in der Entwicklung von APs ist die Notwendigkeit der Neuoptimierung individueller Parameter, wie die amphiphile Balance oder die Topologie, für jedes neue System. Die Untersuchung solcher Faktoren losgelöst voneinander könnte hier zu Strategien führen, die genereller anwendbar sind. In diesem Zusammenhang könnte sich auch maschinelles Lernen als nützliches Werkzeug erweisen, wie erste Resultate auf diesem Gebiet zeigen.<sup>[</sup><span><sup>72, 73</sup></span><sup>]</sup></p><p>Auch die spezifische Interaktion mit der Membran muss besser verstanden werden, um ein rationales Design von APs zu ermöglichen. Auf der Applikationsseite sollten mehr in vivo-Studien durchgeführt werden, um stärker in Richtung klinischer Anwendungen zu gelangen. Mehr Studien der Pharmakokinetik und der Langzeit-Auswirkungen von APs auf den Körper von Säugetieren würden wertvolle Einblicke generieren.</p><p>Letztlich wäre es wünschenswert, wenn APs wie konventionelle Antibiotika angewendet werden könnten. Aufgrund ihrer kationischen Natur sind diese Polymere jedoch unter Umständen zu interaktiv, um dies ohne die Hilfe von Wirkstofftransportsystemen zu erreichen. Auch Stimuli-responsive Systeme, welche AP-Prodrugs beinhalten, könnten ein Weg für die systemische Applikation darstellen. Aber auch reine APs zeigen mitunter brauchbare Pharmakokinetiken.</p><p>Anstatt jedoch allein eingesetzt zu werden, könnte eine Kombination von APs und konventionellen Antibiotika die beste Lösung darstellen. Die Entwicklung von Resistenzen könnte nicht nur reduziert werden, Pathogene mit existierenden Resistenzen können so sogar re-sensibilisiert werden. Da Polymere, die eine gute in vivo-Performance zeigen, oft Guanidingruppen tragen, könnte dieser Baustein der vielversprechendste für zukünftige Anwendungen sein.</p><p>Die Zukunft wird zeigen, wie sich AMR entwickelt, aber es ist wahrscheinlich, dass momentane Maßnahmen zur Begrenzung von Resistenzen nicht zu einer ganzheitlichen Lösung führen werden. Somit könnten APs zu einer wichtigen Waffe im Arsenal gegen multi-resistente Keime werden.</p><p>Die Autoren bedanken sich für die Förderung im Rahmen des Emmy Noether Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; Projektnummer 445804074), sowie beim universitären Forschungsschwerpunkt „Sustainable Materials Design” der Universität Potsdam.</p><p>Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.</p><p>Data sharing is not applicable to this article as no new data were created or analyzed in this study.</p>","PeriodicalId":7803,"journal":{"name":"Angewandte Chemie","volume":"137 24","pages":""},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2025-04-16","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/ange.202503738","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Angewandte Chemie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.202503738","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Die Entdeckung von Antibiotika hat die Medizin nachhaltig verändert. Ohne Medikamente wie Penizillin wäre eine Vielzahl medizinischer Prozeduren heutzutage nicht möglich. Ein Pionier der medikamentösen Behandlung von bakteriellen Infektionen war Paul Ehrlich, der 1910 mit Salvarsan die erste wirksame Behandlung gegen Syphilis entwickelte.[1] Doch selbst nach der Entdeckung von Penizillin durch Sir Alexander Fleming in den 1920ern,[2] dauerte es bis in die 1940er Jahre, ehe antibiotische Behandlungen für die breite Gesellschaft verfügbar wurden. Schon damals war die große Gefahr antimikrobieller Resistenz für manche offensichtlich. So sagte Fleming in einem Interview nach dem Erhalt des Nobelpreises für seine Forschung: “The thoughtless person playing with penicillin treatment is morally responsible for the death of the man who succumbs to infection with the penicillin-resistant organism”.
Und tatsächlich ist AMR eine der großen Krisen, die unser globales Gesundheitssystem gefährdet. Ein kürzlich erschienener Artikel beziffert die Zahl der Toten im Zusammenhang mit AMR auf 4,71 Millionen in 2021, wobei 1,14 Millionen Tote direkt von resistenten Bakterien verursacht wurden.[3] Der Bericht ist mit einer düsteren Prognose verknüpft, nach der im Jahre 2050 jährlich rund 10 Millionen Menschen AMR zum Opfer fallen werden. Besonders die sogenannten ESKAPE Pathogene (Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus (S. aureus), Klebsiella pneumoniae (K. pneumoniae), Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa (P. aeruginosa) und andere Enterobacterales) stellen ein großes Problem dar, da sie gut an Krankenhausumgebungen angepasst sind.[4]
Missbrauch von Antibiotika führt zu substanziellem Druck auf Pathogene, sich anzupassen und führt zur rasanten Verbreitung von AMR.[5] Das Problem wird durch mangelnde Investitionen von Pharmaunternehmen in die Entwicklung neuer Medikamente verschärft. Da neu entwickelte Antibiotika sofort zu „last-resort Treatments“ erklärt werden, ist der teure Entwicklungsprozess nicht durch den zu erwartenden finanziellen Erfolg gedeckt.[6]
Somit sind alle Maßnahmen zur Entwicklung von Medikamenten, die sich jenseits des Konzeptes von traditionellen Antibiotika bewegen und somit nicht von AMR betroffen wären, höchst lohnenswert. Inspiration kann in Host-Defense-Peptiden (HDPs) gefunden werden, die einen wichtigen Teil des angeborenen Immunsystems vieler Organismen darstellen und zur Abwehr von Mikroorganismen eingesetzt werden.[7] Jedoch ist deren direkter Einsatz als Medikament mit verschiedenen Nachteilen, wie z. B. hohen Kosten, Abbau durch Proteasen, Toxizität und ihrer potenziellen Immunogenizität verbunden. Zudem sind HDPs nicht für einen systemischen Einsatz geeignet, sondern werden in der Natur oft zur lokalen Kontrolle von Bakterienpopulationen verwendet, was einen Einsatz als Ersatzantibiotika verhindert. Somit ist die Adaption des allgemeinen Konzeptes von HDPs in eine modularere Plattform höchst aussichtsreich.
Antimikrobielle Polymere (APs) wurden erstmals Anfang der 2000er Jahre beschrieben und bilden die grundlegenden Strukturmotive von HDPs nach, nämlich kationische Ladungen und hydrophobe Untereinheiten.
Mit dieser Kombination sind APs in der Lage, die bakterielle Zellmembran zu lysieren, ein Mechanismus, der ausreichend unspezifisch ist, um Resistenzbildung zu verhindern.[8-11] Die Fülle an negativ geladenen Biomolekülen in der bakteriellen Zellmembran ermöglicht zudem eine ausreichende Selektivität gegenüber Säugetierzellen (Abbildung 1C).
Initiale Bemühungen waren auf die Implementierung einer fazialen Amphiphilie (Trennung von kationischen und hydrophoben Einheiten auf unterschiedlichen Seiten eines relativ steifen Makromoleküls) bedacht, die auch in manchen HDPs vorhanden ist.[12] Es hat sich jedoch schnell gezeigt, dass eine solche Struktur nicht zwangsweise notwendig ist, da sie sich spontan ausbilden kann, wenn das AP in Kontakt mit der Membran kommt,[13, 14] was auch durch Simulationen unterstützt wird.[15]
Im Gegensatz zu Polymer-basierten Desinfektionsmitteln zeigen APs eine gewisse Selektivität für Bakterienzellen. Diese Eigenschaft ist stark an die amphiphile Balance der Polymere gekoppelt (das Verhältnis zwischen kationischen Ladungen und Hydrophobie).[16] Ein Übermaß jeder der beiden Qualitäten führt zu einer ausgeprägten Toxizität gegenüber Säugetierzellen und eine potente antimikrobielle Aktivität benötigt üblicherweise ein feines Gleichgewicht. Dies stellt eine Einschränkung dar, da diese Balance für jedes neue System neu etabliert werden muss und schwer vorauszusagen ist.
Antimikrobielle Aktivität wird üblicherweise mittels Wachstumsinhibierung an Bakterien oder Pilzzellen getestet und durch den MIC50 (die minimale Konzentration bei der 50 % des Wachstums unterbunden wird) ausgedrückt. Dem gegenüber steht die Evaluierung der Kompatibilität mit Säugetierzellen z.B. mittels Hämolysetests. Während in der Literatur verschiedenste Werte verwendet werden, ist der HC10, welcher die niedrigste Konzentration darstellt, die mindestens 10 % Hämolyse verursacht, empfehlenswert. Dies wird idealerweise durch die Messung der Zytotoxizität durch Viabilitätsbestimmung an Zelllinien komplementiert, da die Ergebnisse oft stark von denen der Analyse der Hämolyse abweichen. Hier wird oft der IC50 berichtet, welcher die Polymerkonzentration, die mit 50 % Viabilitätsverlust einhergeht, angibt. Um diese Informationen in einen einzigen Wert zu kondensieren, wurde die Selektivität (HC10/MIC50) eingeführt, die im Grunde aussagt, wie viel aktiver die Substanz gegenüber Bakterien im Vergleich mit roten Blutkörperchen ist. Eine ähnliche Größe lässt sich mit Zytokompatibilität definieren und wird oft als therapeutischer Index bezeichnet (IC50/MIC50). Gute APs zeigen hohe Werte (>100) für beide Größen.
Eine Vielzahl an Studien hat die Eignung verschiedener kationischer Bausteine in APs untersucht, und da HDPs die Inspiration bilden, wurden größtenteils Stickstoff-basierte Funktionalitäten verwendet. Primäre Amine haben sich hier in vielen Fällen gegenüber quaternären Ammoniumspezies, die eine permanente Ladung besitzen, als überlegen erwiesen.[17, 18] Ein zweites wichtiges Motiv stellt die Arginin-inspirierte Guanidingruppe dar. Ihre einzigartige Struktur führt zu einem weiteren Mechanismus, der auf der Membrantranslokation und der unspezifischen Interaktion intrazellulärer Komponenten beruht.[19] Speziell die Bindung von genetischem Material kann zu Selektivität führen,10 da dieses in Bakterien nicht durch einen Zellkern abgeschirmt ist. Es sollte bemerkt werden, dass solche Mechanismen auch für Amin-basierte Polymere berichtet wurden.[11] Zudem können durch Guanidin-basierte Polymere und ihre Fähigkeit der Membrandiffusion auch Bakterien innerhalb von Säugetierzellen adressiert werden.[20]
Ein weiterer Parameter ist die Länge der Polymere. Da die meisten HDPs weniger als 50 Aminosäuren enthalten, wurden auch APs üblicherweise so entworfen, dass sie sich in diesem Massenbereich befinden.
Einige Studien zeigen, dass zwar die antimikrobielle Aktivität unbeeinflusst bleibt, die Hämotoxizität jedoch mit steigender Molmasse zunimmt, was zu sinkenden Selektivitäten führt.[22] In anderen Beispielen ist auch die antimikrobielle Aktivität molmassenabhängig.[24] Dieser Effekt ist zudem abhängig vom Typ des Bakteriums, das im Fokus steht, da in gram-positiven Bakterien größere Polymere durch die dicke Zellwand „herausgesiebt“ werden können (siehe Abbildung 1B).[25] Solche Beobachtungen basieren allerdings ausschließlich auf linearen Copolymeren. Wie später gezeigt wird, können Polymere mit einer kompakteren Struktur, wie z.B. Flaschenbürstencopolymere auch mit deutlich höheren Molmassen aktiv sein.[26] Zudem kann ein Austausch von Amin- zu Guanidinfunktionalitäten diesen Zusammenhang umkehren.[27] Ein weiterer Aspekt ist die Dispersität von APs. Während eine hohe Dispersität mit einer steigenden Hämotoxizität in Verbindung gebracht wird,[22] ist eine systematische Untersuchung dieses Zusammenhangs noch ausstehend.
Das Polymerrückgrat hat ebenfalls einen starken Einfluss auf die Aktivität von APs. Es ist jedoch schwierig, den Einfluss verschiedener Faktoren, wie z.B. Flexibilität (und die resultierende räumliche Anordnung), Polarität (und deren Einfluss auf die amphiphile Balance) oder die Anwesenheit funktioneller Unterstrukturen und deren Interaktion (z.B. Ausbildung von Wasserstoffbrücken) isoliert zu betrachten.
Poly(Norbornen),[21] Nylon,[23] oder Poly(Peptide)[23] gehören zu den steiferen Strukturen, welche eine gewisse Präorganisation funktioneller Gruppen ermöglichen. Poly(Carbonate),[19] Poly(Oxazoline),[11] sowie Polymere basierend auf Acrylaten/Acrylamiden[28] oder Methacrylaten[29] werden auch häufig verwendet (Abbildung 1A).
Der präzise Ablauf der Interaktion mit der Membran ist noch immer nicht verstanden. Während HDPs definierte Strukturen wie Transmembranporen oder “barrel stave” Strukturen ausbilden können,[28] ist die Ausbildung von definierten Strukturen durch nicht sequenzdefinierte Makromoleküle unwahrscheinlich.
Im Zusammenhang mit APs wird oft eine Permeabilisierung von biologischen Membranen beschrieben, welche durch die Verwendung von liposomalen Modellen (z.B. giant unilamellar vesicles, GUVs) und mittels Farbstoff-Freisetzungs Experimenten untersucht werden kann.[21] Doch auch die direkte Membrandepolarisierung an Bakterienzellen kann in vitro verfolgt werden.[29] Wie schon bemerkt existieren auch andere Mechanismen, bei denen intrazelluläre Interaktionen eine größere Rolle für die Aktivität zu spielen scheinen. Dies kann zum Beispiel mittels Elektronenmikroskopie aufgelöst werden. Und während dieser Effekt hauptsächlich bei Guanidin-haltigen Polymeren beobachtet wird,[10, 19] ist dies auch mit Amin-basierten Polymeren möglich.[11]
Ähnlich zu intrinsisch ungeordneten HDPs können auch APs in Kontakt mit der Membran eine fazial-amphiphile Struktur annehmen.[15] Es wurde gezeigt, dass APs präferenziell mit einer Art von Phospholipiden interagieren können und in der Lage sind, die Struktur der Membran zu reorganisieren.[30] Dies führt auch zur Hypothese, dass APs ihre eigene Membranbindung katalysieren können, indem sie Polymere aus der Lösung rekrutieren, sobald sie an der Membran gebunden sind. Auf einer leicht größeren Skala wurde in elektronenmikroskopischen Aufnahmen beobachtet, wie APs die Morphologie der Membran durch die Bildung von Wölbungen und Blasen verändern können.[24] Der generelle Mechanismus ist stark von den Polymereigenschaften abhängig, da feine Änderungen in der Struktur der hydrophoben Gruppe, statt zu einem Platzen von Vesikeln, zu einer Porenbildung führen.[31] Allerdings sind solche Membranmodelle stark vereinfacht und können zu Missinterpretationen, z.B. durch die Fusion von GUVs führen.[32]
Nach diesem generellen Überblick möchten wir den Fokus auf verschiedene Aspekte im Design von APs lenken, die in den letzten Jahren starke Beachtung erfahren haben. Es ist zu betonen, dass dies keine erschöpfende Betrachtung darstellt und für einen breiteren Überblick empfehlen wir weitere Literatur im Feld.[33, 34] In unserem Übersichtartikel wird der Begriff antimikrobielles oder antibakterielles Polymer ausschließlich für lösliche kationische Polymere verwendet, die in irgendeiner Weise von HDPs inspiriert wurden. Dies schließt spezifisch alle unlöslichen Kunststoffe, oberflächengebundenen Polymere und Beschichtungen im Kontext Antifouling aus. Zudem fokussieren wir uns stark auf Bakterien, während die ebenso wichtige antifungale Aktivität nur in ausgewählten Beispielen behandelt wird.
Ein Aspekt, der erst in den letzten Jahren vermehrt Beachtung gefunden hat, ist die Topologie und Architektur von APs. Neben linearen Copolymeren, welche am ehesten die primäre Struktur von HDPs abbilden, gibt es andere Möglichkeiten, solche Polymere aufzubauen. Mittels Pfropfstrategien können sternförmige-, Pfropf- oder Flaschenbürstencopolymere hergestellt werden, je nachdem welche zentrale Struktureinheit verwendet wird (Abbildung 2).
Auch verzweigte und zyklische APs mit einer entweder erhöhten oder reduzierten Anzahl an Endgruppen innerhalb eines Makromoleküls wurden beschrieben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anordnung von funktionellen Untereinheiten innerhalb der Polymere. Während eine perfekte Sequenz, wie in Proteinen zu finden, üblicherweise nicht implementierbar ist, kann die Segregation in Blöcken von z.B. Multiblockcopolymeren durchaus zur Modulierung der Bioaktivität verwendet werden. Ein Beispiel ist hier der Vergleich zwischen Diblock und statistischen Polymeren gleicher Zusammensetzung, bei denen eine reduzierte Hämolyse für Diblöcke verzeichnet wurde, was wahrscheinlich mit deren Tendenz zu unimolekularer Selbstassemblierung zusammenhängt.[35]
Eine weitere Segregation in Multiblock-Copolymeren führt zu weiteren spezifischen Änderungen der Bioaktivität.[36] Separation hydrophiler und hydrophober Bestandteile führte in dieser Studie zur Bildung von Mizellen, was auch eine reduzierte antimikrobielle Aktivität zur Folge hatte. Diese Erkenntnis stimmt mit einer weiteren Studie überein, in der Segmentierung hydrophober und hydrophiler Einheiten zu einem Verlust antimikrobieller Aktivität führte.[37] Wenn jedoch die globale Amphiphilie reduziert wird (sodass Selbstassemblierung verhindert wird), kann Monomerseparation in Multiblockcopolymeren zu einer drastisch erhöhten Selektivität aufgrund reduzierter Hämotoxizität führen.[8] Dies wurde mit einer Veränderung der physiko-chemischen Eigenschaften der Polymere als Resultat der veränderten Struktur in Verbindung gebracht.
Die Performance von APs kann auch durch Veränderungen in der Polymerarchitektur beeinflusst werden. Ein hyperverzweigtes AP war z.B. deutlich bioverträglicher, da im Vergleich zu linearen Analoga die Hämotoxizität um den Faktor 4 reduziert wurde.[37]
Während in einer (hyper)verzweigten Struktur die Anzahl der Endgruppen erhöht ist, kann diese auch durch die Verwendung von zyklischen Polymeren reduziert werden. In einem detaillierten Vergleich stellten Fu, Boyer und Mitarbeitende APs, welche mittels hetero-Diels-Alder Chemie zyklisiert wurden, ihren linearen Pendants gegenüber.[38] Zyklische Strukturen zeigten generell eingeschränkte antimikrobielle Aktivität, was auf eingeschränkte konformelle Freiheit der Polymere zurückgeführt wurde. Dies führte aber auch zu einer reduzierten Toxizität gegenüber Säugetierzellen, was in einer verbesserten Selektivität resultierte.
Auch eine sternförmige Topologie kann vorteilhaft sein, wie mittels eines Systems mit Poly(Peptiden) als Seitenketten an einem dendritischen Kern gezeigt wurde.[23] Es ist jedoch neben der generell beeindruckenden Performance zu bemerken, dass die antimikrobielle Aktivität nur um den Faktor 2 verbessert wird wenn man massenbasierte Einheiten zugrunde legt statt molbasierter Größen (welche nicht aussagekräftig sind, wenn sich die Molmasse der verglichenen Substanzen, wie hier zwischen Stern und linearem Polymer, stark unterscheidet). Es wurde bestätigt, dass seine reduzierte Flexibilität von AP-Armen in sternförmigen Copolymeren die Toxizität gegenüber Säugetierzellen reduzieren kann.[39] Wenn zudem Monomereinheiten innerhalb eines sternförmigen Copolymers separiert werden, z.B. durch die Verwendung von Blockcopolymer-Armen, kann die antimikrobielle Aktivität um das vierfache erhöht werden, während gleichzeitig die Hämotoxizität reduziert wird.[40] Optimale Resultate wurden dann erzielt, wenn das kationische Segment nahe dem Kern der Struktur angeordnet wurde, was wiederum die starke Bedeutung der Sequenzkontrolle unterstreicht.
Pfropf-Copolymere und molekulare Flaschenbürsten (BB) stellen weitere faszinierende Architekturen von APs dar. Hedrick und Yang zeigten, dass gepfropfte Co-Polycarbonate verbesserte Aktivität im Vergleich zu linearen Polymeren besitzen.[41] Dieser Effekt wurde auch für ein Zellulose-Rückgrat beobachtet, bei dem der Abbau des Poly(Saccharid)s mit reduzierter Aktivität einherging.[42] Für Copolymere mit begrenzter Amphiphilie konnte unsere Gruppe einen drastischen Anstieg der Bioaktivität und Selektivität für BB-Strukturen (im Vergleich zu linearen APs) zeigen.[43] Es konnte auch gezeigt werden, dass BBs keine Cluster auf Membranmodellen bilden, und dass sie im Vergleich zu linearen Pendants deutlich tiefer in die Lipid-Domäne der Membran vordringen, was in Teilen die gesteigerte Aktivität erklären kann.[44]
Zudem wurde das Seitenverhältnis solcher BB-APs als essenzieller Parameter identifiziert. Für Polymere mit identischer Zusammensetzung wurde gezeigt, dass BBs mit langem Rückgrat und kurzen Seitenketten viel weniger aktiv waren als Polymere mit kurzem Rückgrat und langen Seitenketten.[26] Ein wahrscheinlicher Grund dafür stellt intramolekulare Selbstassemblierung dar, welche sich im Kontakt mit der Membran auflöst. Ein ähnlicher Effekt wurde für lineare Copolymere beobachtet, bei denen Phasenseparation zur Bildung von Einzelketten-Nanopartikeln führte.[45] Passend zu Erkenntnissen aus Diblock-Copolymeren[37] konnte auch für BBs mit heterogenen Seitenketten (die entweder nur kationische oder nur hydrophobe Gruppen enthalten) gezeigt werden, dass intermolekulare Selbstassemblierung zu einem Verlust der antimikrobiellen Aktivität führt.[29]
Es ist festzuhalten, dass sowohl Sequenz als auch Architektur von APs essenzielle Parameter darstellen, da sie entscheidende Eigenschaften der Polymere (z.B. Amphiphilie) verändern und eine multivalente Anbindung ermöglichen. In diesem Zusammenhang muss auch die Selbstassemblierung betrachtet werden. Während sich intramolekulare Assoziierung positiv auf die Bioaktivität auswirken kann, ist eine intermolekulare Mizellierung der antimikrobiellen Aktivität oft abträglich, da sie hydrophobe Qualitäten verbergen kann. Generell scheint die Kettenmobilität in solchen Konstrukten einen starken Einfluss auf die Bioaktivität zu haben.
Obwohl strukturelle Aspekte von APs im Wesentlichen deren Selektivität definieren, könnte spezifisches Targeting bestimmter Pathogene durch Stimuli-responsive Materialien deren Anwendbarkeit weiter erhöhen. In diesem Abschnitt stehen Stimuli-responsive APs im Fokus, die eine Kontrolle über die Freisetzung oder Aktivierung der therapeutischen Wirkung bieten.
Eine Kategorisierung wurde basierend auf dem zugrundeliegenden Mechanismus der APs vorgenommen (Abbildung 3).
Die erste Kategorie enthält schon das finale AP, welches physikalisch oder kovalent durch eine zweite Komponente abgeschirmt wird, die das Material bis zur Freisetzung inaktiviert (Abbildung 3A). Ein solcher Ansatz kann die ungewollte Interaktion mit gesunden Zellen verhindern. Fernandez-Trillo et al. stellten Poly-Interelektrolytkomplexe (PICs) her, die aus antimikrobiellen verzweigtem Poly(Ethylenimin) (PEI), sowie anionischen Peptiden bestehen. Zweitere können durch Elastase B (LasB), die von P. aeruginosa produziert wird, gespalten werden.[46]
Um die antimikrobielle Aktivität zu prüfen, wurden zwei Arten von Bakterien verglichen, wobei eines das Enzym sekretiert (PAO1V), während das andere nicht über LasB verfügt (ΔLasAB). Nach einer Inkubationsperiode, die benötigt wird, um das Enzym auszuschütten, konnte im Fall von PAO1V 25 % der ursprünglichen Aktivität von PEI erreicht werden, während die Aktivität in Anwesenheit von ΔLasAB konstant niedrig war. Palermo et al. verwendeten selbst-immolative Polymere, um hämolytische Aktivität zu mindern.[47] Ein Poly(Benzylether) wurde als Hauptkette verwendet und an dieses Rückgrat wurden PEG-Ketten und Ammoniumgruppen angebracht. Durch chemisch induzierte Depolymerisation in Anwesenheit von Fluoridionen wurde die Hämotoxizität reduziert, während die Untereinheiten weiterhin antimikrobielle Aktivität zeigten. Somit konnte ein chemisch ausgelöster Anstieg der Selektivität hervorgerufen werden. Im Zusammenhang mit abbaubaren Systemen kann die Depolymerisation auch verwendet werden, um eine Reduktion der antimikrobiellen Aktivität zu erreichen und so den Langzeiteinfluss auf die Umwelt zu reduzieren. Für APs basierend auf einem Zellulose-Rückgrat, welches mit linearen APs gepfropft wurde, konnte durch einen Abbau mittels natürlich vorkommender Cellulase die antibakterielle Aktivität um den Faktor 8 (gegen E. coli) bzw. 2,4 (gegen S. aureus) reduziert werden.[42]
Die zweite Kategorie enthält AP-Prodrugs, in denen (meist kationische) Funktionalitäten geschützt vorliegen und durch einen Stimulus freigesetzt werden können, um so die antimikrobielle Aktivität zu modulieren (Abbildung 3B). Ein UV-Licht-responsives Polymer (PONB), bei dem primäre Aminogruppen durch Ortho-Nitrobenzolgruppen geschützt waren, wurde durch Wong et al. beschrieben.[48] Bestrahlung (300 nm) für 8 Stunden führte durch Entschützung zur Verbindung PPhoto. Der Erfolg dieses Konzeptes wurde durch einen Vergleich der MIC-Werte überprüft, bei dem sich eine Verringerung von >120 µg mL−1 (PONB) auf 30 µg mL−1 (PPhoto) erreichen ließ, während der MIC-Wert vor Anbringen der Schutzgruppe bei 16 µg mL−1 lag.
Während UV-Licht für nachgelagerte Applikationen nicht ideal geeignet ist, zeigt diese Studie jedoch einen ausgezeichneten Machbarkeitsbeweis für Licht-responsive APs. Die gleiche Gruppe beschrieb später Galactosidase-responsive antimikrobielle Dendronen mit geschützten kationischen Gruppen, die durch β-Galactosidase in primäre Amine umgewandelt werden konnten.[49] Dieser Prozess resultierte in einer Steigerung der Aktivität um den Faktor 4, allerdings auch in einer stärkeren hämolytischen Aktivität.
Eine weitere Klasse stellen APs dar, die unter Stimulierung ihre Konfiguration ändern können. Bei diesem Konzept ist die Aktivität abhängig von der Konformation des Polymers, die durch Entfernen eines bestimmten Teils des Systems verändert wird, was zu gesteigerter Aktivität führt (Abbildung 3C).
Im Jahr 2017 untersuchten Cheng et al. die Effekte von Phosphatase, welche auch in Bakterien-infiziertem Gewebe vorkommt, auf Poly(Peptide) bestehend aus L-Glutamat und L-Tyrosin. Die Polymere, welche aus N-Carboxy-Anhydriden Derivativen hergestellt wurden, bildeten laut Zirkulardichroismus Spektroskopie helikale Strukturen.[50] Phosphorylierung von Tyrosin überführt diese Polymere in eine random-coil Struktur, was die Aktivität gegenüber S. aureus um den Faktor 8 senkt. In Anwesenheit der Phosphatase wurde die helikale Struktur und somit die Aktivität wiederhergestellt. Hedrick und Yang et al. stellten eine Bibliothek von zufälligen sowie Block-Copolymeren her, die sowohl positiv geladene Guanidiniumgruppen als auch negativ geladene Säuregruppen enthielten.[51] Bei einem physiologischen pH-Wert (7,4) bilden sie inaktive Koazervat-Komplexe, welche in einer sauren Umgebung (pH 3) protoniert werden, was zur Bildung antibakterieller Mizellen führt. Besonders Blockcopolymere zeigten einen deutlichen Anstieg der Aktivität gegenüber Helicobacter pylori bei niedrigem pH-Wert mit bakteriellen Überlebensraten von unter 10 % (verglichen mit ca. 90 % bei physiologischen pH).
Die letzte Kategorie enthält APs, welche ihre Aktivität durch Stimulierung direkt erhöhen (Abbildung 3D). Dies wird durch die Aktivierung eines zweiten Wirkmechanismus erreicht, der synergistisch mit dem Hauptmechanismus des APs interagiert. Systeme, die Synergien ohne die Notwendigkeit Stimuli-responsiver Aktivierung zeigen, werden im folgenden Kapitel behandelt. Palermo und Mitarbeitende stellten APs her, die ein oligo(Thiophen) Rückgrat dekoriert mit antimikrobiell-aktiven positiven Seitengruppen enthielten.[52] Durch das aromatische Rückgrat können diese Strukturen sichtbares Licht absorbieren und in Anwesenheit von Sauerstoff reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS) bilden. Dies führte zu einer 10-fach verstärkten antimikrobiellen Aktivität unter Bestrahlung (MICdark = 4 µg ml−1 vs. MIClight = 0,046 µg ml−1 gegen E. coli). Eine solche Strategie wurde auch durch Boyer und Kolleg:innen verfolgt, die ein Zink-Tetraphenyl-Porphyrin Monomer (ZnTPP-Ac) verwendeten, welches sichtbares Licht absorbieren und so ROS generieren konnte.[53] Abhängig von der Zusammensetzung wurde ein zwei- bis achtfacher Anstieg der Aktivität gegen S. aureus und P. aeruginosa unter grünem Licht beobachtet. Interessanterweise konnte ZnTPP-Ac auch als intrinsischer Katalysator für die Herstellung der Polymere mittels PET-RAFT Polymerisation verwendet werden. Li et al. entwarfen selbst-assemblierte Kern-Schalen Strukturen mit Quantenpunkten aus schwarzem Phosphor, die im Kern als nah-Infrarot Sensitizer fungierten. Die Schale wurde mit S-Nitrosocysteamine als Stickoxid-(NO)-Donor und kationischen amphiphilen Copolymeren dekoriert.[54] Unter NIR Licht wurde NO produziert, was zu einer Verstärkung der antibakteriellen Aktivität führte.
Stimuli-responsive APs bieten verbesserte Kontrolle über die bakterizide Aktivität sowie verbesserte Wirksamkeit und können verwendet werden, um hämolytische Effekte zu minimieren. Verschiedene Stimuli, wie z.B. Enzyme, Licht, pH-Wert, oder auch Depolymerisation können verwendet werden, um eine Aktivierung hervorzurufen oder zu unterdrücken. Somit sind Stimuli-responsive APs faszinierende Werkzeuge, um resistente Bakterien zu bekämpfen und potenziell eine räumliche und zeitliche Kontrolle über die Aktivität solcher Polymere zu erlangen.
In diesem Abschnitt sollen therapeutische Ansätze hervorgehoben werden, bei denen ein AP mit einem zweiten antimikrobiellen Wirkstoff oder Mechanismus kombiniert wird, um eine Synergie zu erzielen. Eine solche Wechselwirkung wird oft mittels eines „Checkerboard-Assays“ abgefragt, bei dem beide Substanzen in verschiedenen Konzentrationen miteinander kombiniert werden (Abbildung 4). Der fractional inhibitory concentration index (FICI) wird als Richtgröße verwendet und eine FICI < 0,5 zeigt eine Synergie, bei der die Kombination beider Teile aktiver ist als die Summe der Aktivitäten der Einzelkomponenten.
Eine mögliche Synergie ist die Kombination eines membranaktiven AP mit einem Antibiotikum, das ein intrazelluläres Ziel hat. Solche Konzepte wurden im Zusammenhang mit HDPs als Membran-lytische Komponente schon beschrieben.[55] Für APs wurde dieser Effekt an kationischen Poly(Carbonaten) gezeigt, welche mit Vitamin E funktionalisiert wurden. Co-administration mit dem Antibiotikum Colistin führte zu FICI-Werten bis zu 0,11 für P. aeruginosa. Der Effekt wurde der Membrandepolarisation durch das AP und assoziierter Zellaufnahme des Antibiotikums zugeschrieben (wie in Abbildung 4A illustriert).[56] Auch APs basierend auf Acrylamiden und Acrylaten können verwendet werden, um die Aktivität von Doxycycline und Colistin zu steigern.[57] Gegen P. aeruginosa wurde ein FICI von 0,38 erreicht, was einem 4-fachen Anstieg der Aktivität entspricht. In einer weiteren Studie wurden Poly(Aspartat)-basierte APs (mit quaternären Ammoniumgruppen) mit Rifampicin kombiniert, welches RNA-Polymerasen inhibiert. Bei optimaler Kombination wurde ein 8-facher Anstieg der Aktivität (FICI = 0,1875) gegen P. aeruginosa, verzeichnet.[58] Das gram-negative Pathogen spricht üblicherweise relativ schlecht auf diesen Wirkstoff an. Interessanterweise kann die Kombination von kationischen Polymeren und Antibiotika auch verwendet werden, um die Empfindlichkeit von resistenten Stämmen gegenüber konventionellen Antibiotika wiederherzustellen (Methicillin-resistente S. aureus (MRSA) gegen Oxacillin, Enterococcus faecalis gegen Vancomycin, E. coli gegen Streptomycin).[59] Dasselbe Polymer, das aus einer Kombination von Chitosan und Oligo(Lysinen) bestand, zeigte auch Synergien in der Behandlung von Biofilmen in vivo. Ein ähnliches System zeigte zudem eine aktive Inhibierung bakterieller Resistenzmechanismen.[60] Auch im Zusammenhang mit anti-fungalen Behandlungen können Acrylamid-basierte APs Synergien mit Antimykotika (Fluconazole, Caspofungin) bilden. Hier wurden FICIs um den Wert 0,3 erreicht, während Amphotericin B keine Interaktion zeigte.[61]
Auch eine Kombination der ätherischen Öle Carvacrol oder Eugenol mit APs resultierte in synergistischen Effekten, was sich durch eine verbesserte Beseitigung von Biofilmen zeigte.[62] Hier sollte betont werden, dass die Topologie der Polymere essentiell war, da nur Blockcopolymere in der Lage waren, die Öle in mizellarer Form zu verkapseln und in den Biofilm zu transportieren. Ähnlich zu APs, welche NO unter Bestrahlung produzieren,[54] wurde für APs, welche primäre Amine enthalten, gezeigt, dass sie NO binden und in Biofilme transportieren können.[63] Da nur das Polymer, in dem NO tatsächlich gebunden war, und nicht die einfache Mischung beider Substanzen eine Synergie zeigten, ist es wahrscheinlich, dass das AP neben seiner Membranaktivität auch als Wirkstofftransportsystem fungiert. Auch die Kombination von Ag Nanopartikeln mit einer Schale aus APs zeigt verbesserte Wirkung. Die Studie legt nahe, dass Membranschäden es Ag+ Ionen ermöglichen, in das Zytoplasma vorzudringen und dort durch die Bildung von ROS Schaden anzurichten.[64]
Derart synergistische Effekte können auch erzielt werden, indem APs mit verschiedenen Wirkmechanismen kombiniert werden. Hedrick und Yang beschrieben Poly(Carbonate) mit Guanidiniumfunktionen oder quaternären Ammoniumgruppen, welche jeweils antimikrobielle Aktivität zeigten. Die Kombination beider führte zu synergistischen Effekten gegen P. aeruginosa (FICI = 0,31) und resistenten Acinetobacter baumannii (FICI = 0,25). Der Effekt wurde der Membranpermeabilisation der Ammonium-basierten APs zugeschrieben, welche das Vordringen der Guanidin-APs ins Zytosol erleichtern, wo diese intrazelluläre Bestandteile binden.[65]
Zusammenfassend gibt es enormes Potenzial in der Co-Administration von APs und anderen Antibiotika, besonders da resistente Stämme für die Behandlung mit konventionellen Antibiotika resensibilisiert werden können. Dies könnte ein vielversprechendes Anwendungsszenario für APs in der Klinik darstellen, indem sie Antibiotika unterstützen, statt zu ersetzen.
Um eine Translation von APs in klinische Anwendungen zu ermöglichen, müssen klinische Studien durchgeführt werden. Der erste Schritt in diese Richtung sind die in vivo-Tests. Bis heute sind allerdings nur eine begrenzte Anzahl von Beispielen in einem solchen Zusammenhang getestet worden. Eine Auswahl dieser Studien wird in diesem Abschnitt gezeigt.
Der direkteste Weg einer Anwendung von APs ist die Behandlung offener Wunden, um Biofilmbildung zu verhindern. Eine solche Vorgehensweise wurde z.B. in Ratten unter Verwendung von MRSA gezeigt.[66] Das verwendete Poly(Sulfonium) AP erreichte Resultate ähnlich zur Positivkontrolle (Vancomycin). Auch APs mit Guanidingruppen im Rückgrat waren in der Lage, das Leben von Mäusen mit infizierten Wunden zu verlängern.[10]
Ammonium-basierte Poly(Peptoide) APs zeigten im Vergleich zu Vancomycin erhöhte Wirksamkeit in der Reduktion von Biofilmen (MRSA) ohne Anzeichen negativer Effekte auf den Metabolismus der behandelten Mäuse.[67] Ein weiteres Pseudopeptid, das in diesem Zusammenhang Verwendung findet, ist ein Poly(Oxazolin) mit primären Aminogruppen. Das Polymer konnte die Anzahl der Bakterien (MRSA) in infizierten Wunden am Rattenmodell in ähnlichem Maße reduzieren wie Vancomycin.[11] Erwähnt werden sollte auch, dass dank Ähnlichkeiten des Immunsystems wirbellose Tiere als sinnvolle Alternative zu kleinen Säugetieren genutzt werden können. Perrier et al. verwendeten Guanidinium und Ammonium Copolymere und testeten diese an Galleria mellonella welche mit S. aureus infiziert waren. Die Polymere zeigten keinerlei Toxizität gegenüber den Tieren, aber eine verbesserte Überlebensrate.[68]
Eine Studie von Guanidinium-basierten Poly(Carbonaten) in Mäusen zeigte einen LD50 von 44 mg kg−1, sowie keine offensichtliche Aktivierung des Immunsystems.[19] Untersuchungen der Pharmakokinetik zeigten eine Halbwertszeit im Organismus von rund 17 min, was in derselben Größenordnung liegt wie Carbapenem-Antibiotika. Auffallend war, dass auch nach intraperitonealer Injektion die Bioverteilung eine Penetration des Polymers in den Blutstrom andeutete. Verschiedene resistente Infektionen wurden im Maus-Modell erfolgreich mit einem großen therapeutischen Fenster behandelt. Eindrucksvoll war zudem die erfolgreiche Behandlung einer Infektion, die durch Fäkalien hervorgerufen wurde, da hier sowohl gram-negative als auch gram-positive Bakterien enthalten waren. Dies zeigt einen großen Vorteil von APs in solchen Anwendungen: ein breites Spektrum der Aktivität. Ein ähnliches AP wurde erfolgreich zur Behandlung von Lungenentzündungen im Maus-Modell, hervorgerufen durch K. pneumoniae, verwendet.[69]
Guanidin-basierte Poly(Oxazoline) wurden zudem erfolgreich für äußerliche und intravenöse Behandlung einer Pilzinfektion durch Candida albicans verwendet. Die Polymere zeigten eine 20 min Halbwertszeit und Behandlungen waren ähnlich erfolgreich wie mit etablierten antifungalen Medikamenten, während keinerlei negative Effekte auf den Organismus beobachtet wurden.[70] Für ähnliche APs mit kürzerem Alkyl-Spacer wurde gezeigt, dass die Polymere die Blut-Hirn-Schranke überwinden konnten, um fungale Meningitis in Mäusen zu behandeln.[71]
Während es ideal wäre, APs mit oraler Verfügbarkeit zu entwickeln, um sie wie verschiedene konventionelle Antibiotika zu verwenden, zeigen die Studien der letzten Jahre bereits, dass die Anwendung von APs in klinischen Settings großes Potenzial für die Zukunft hat.
Membran-aktive antimikrobielle Polymere sind eine vielversprechende Materialklasse im Kampf gegen AMR. In den vergangenen Dekaden wurden faszinierende Einblicke in Struktur-Eigenschafts-Beziehungen und den Wirkmechanismus solcher Polymere erarbeitet. Es gibt jedoch immer noch vieles zu verstehen und die polydisperse Natur von APs macht dies im Vergleich zu HDPs deutlich schwerer.
Es sollte jedoch im Zusammenhang mit zukünftigen klinischen Anwendungen erwähnt werden, dass Dispersität, nicht-peptidische Struktur, sowie unspezifische Interaktion mit zellulären Strukturen die Entstehung neuer Resistenzen höchst unwahrscheinlich machen, wie für verschiedene Systeme gezeigt wurde. Dies umgeht auch einen Hauptnachteil neu entwickelter Antibiotika: Wenn keinerlei Resistenzen erwartet werden, müssen APs nicht als last-resort Medikament behandelt werden, was zu einem höheren finanziellen Anreiz für die Pharmaindustrie führt. Die nicht-uniforme Struktur dieser Polymere kann natürlich auch zu Problemen im Zulassungsprozess führen.
Eine große Hürde in der Entwicklung von APs ist die Notwendigkeit der Neuoptimierung individueller Parameter, wie die amphiphile Balance oder die Topologie, für jedes neue System. Die Untersuchung solcher Faktoren losgelöst voneinander könnte hier zu Strategien führen, die genereller anwendbar sind. In diesem Zusammenhang könnte sich auch maschinelles Lernen als nützliches Werkzeug erweisen, wie erste Resultate auf diesem Gebiet zeigen.[72, 73]
Auch die spezifische Interaktion mit der Membran muss besser verstanden werden, um ein rationales Design von APs zu ermöglichen. Auf der Applikationsseite sollten mehr in vivo-Studien durchgeführt werden, um stärker in Richtung klinischer Anwendungen zu gelangen. Mehr Studien der Pharmakokinetik und der Langzeit-Auswirkungen von APs auf den Körper von Säugetieren würden wertvolle Einblicke generieren.
Letztlich wäre es wünschenswert, wenn APs wie konventionelle Antibiotika angewendet werden könnten. Aufgrund ihrer kationischen Natur sind diese Polymere jedoch unter Umständen zu interaktiv, um dies ohne die Hilfe von Wirkstofftransportsystemen zu erreichen. Auch Stimuli-responsive Systeme, welche AP-Prodrugs beinhalten, könnten ein Weg für die systemische Applikation darstellen. Aber auch reine APs zeigen mitunter brauchbare Pharmakokinetiken.
Anstatt jedoch allein eingesetzt zu werden, könnte eine Kombination von APs und konventionellen Antibiotika die beste Lösung darstellen. Die Entwicklung von Resistenzen könnte nicht nur reduziert werden, Pathogene mit existierenden Resistenzen können so sogar re-sensibilisiert werden. Da Polymere, die eine gute in vivo-Performance zeigen, oft Guanidingruppen tragen, könnte dieser Baustein der vielversprechendste für zukünftige Anwendungen sein.
Die Zukunft wird zeigen, wie sich AMR entwickelt, aber es ist wahrscheinlich, dass momentane Maßnahmen zur Begrenzung von Resistenzen nicht zu einer ganzheitlichen Lösung führen werden. Somit könnten APs zu einer wichtigen Waffe im Arsenal gegen multi-resistente Keime werden.
Die Autoren bedanken sich für die Förderung im Rahmen des Emmy Noether Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; Projektnummer 445804074), sowie beim universitären Forschungsschwerpunkt „Sustainable Materials Design” der Universität Potsdam.
Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.
Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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