Epidemiologie der generalisierten pustulösen Psoriasis in Deutschland: Analyse von Einflussfaktoren auf Prävalenzschätzungen aus Leistungsdaten der Krankenkassen
Michael Schultze, Nils Kossack, Christian Kromer, Thomas M. Zimmermann, Nikolaus Kolb
{"title":"Epidemiologie der generalisierten pustulösen Psoriasis in Deutschland: Analyse von Einflussfaktoren auf Prävalenzschätzungen aus Leistungsdaten der Krankenkassen","authors":"Michael Schultze, Nils Kossack, Christian Kromer, Thomas M. Zimmermann, Nikolaus Kolb","doi":"10.1111/ddg.15633_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP) ist eine seltene, systemische und chronische Hauterkrankung. Sie zeichnet sich durch Schübe aus, die sowohl kutane als auch extrakutane Symptome umfassen, wie beispielsweise Erythem und sterile, Neutrophilen-gefüllte Pusteln. Die Erkrankung ist mit einer erheblichen klinischen Belastung verbunden, die Fatigue, Schmerzen und Fieber einschließt. Während eines GPP-Schubs können schwere Komplikationen wie Sepsis sowie Herz- oder Multiorganversagen auftreten.<span><sup>1, 2</sup></span> Die generalisierte pustulöse Psoriasis unterscheidet sich genetisch von Plaque-Psoriasis und wird vorwiegend durch den IL-36-Signalweg befördert. Die genetische Ätiologie von GPP wird mit Mutationen im Interleukin-36-Rezeptor-Antagonist (<i>IL36RN</i>)-Gen in Verbindung gebracht, die die Fähigkeit des Körpers einschränken, Entzündungsreaktionen zu hemmen.<span><sup>3</sup></span> In der Vergangenheit wurde GPP in manchen Fällen als Subtyp der Plaque-Psoriasis betrachtet; aktuelle Evidenz und Fortschritte beim Verständnis genetischer Marker und der Pathophysiologie deuten jedoch darauf hin, dass es sich bei GPP und Plaque-Psoriasis um zwei verschiedene klinische Erkrankungen handelt.<span><sup>4</sup></span> Obwohl Mutationen des <i>IL36RN</i>-Gens auch in manchen Fällen akuter generalisierter exanthematischer Pustulose (AGEP) gefunden wurden, konnte die GPP-Diagnose nach Ausschluss einer Arzneimittelwirkung, die zu AGEP führt, bestätigt werden.<span><sup>5, 6</sup></span></p><p>Die diagnostischen Kriterien für GPP sind in den Leitlinien des <i>European Rare and Severe Psoriasis Expert Network</i> (ERASPEN) und der <i>Japanese Dermatological Association</i> (JDA) definiert, es existiert jedoch kein internationaler Konsens.<span><sup>7</sup></span> ERASPEN definiert GPP als Hauterkrankung mit primär sterilen, makroskopischen Pusteln auf nichtakraler Haut, die mit oder ohne Plaque-Psoriasis auftritt.<span><sup>5</sup></span> Die Diagnose setzt entweder einen schubförmigen Krankheitsverlauf oder eine persistierende Entzündung (von mehr als 3 Monaten) voraus. Die JDA-Definition berücksichtigt, dass bei den Patienten systemische Symptome wie Fieber und Fatigue auftreten können, und bezieht auch bestimmte histologische Merkmale mit ein.<span><sup>7</sup></span> Weitere Faktoren können Schleimhaut- und andere Hautsymptome sein, Auffälligkeiten bei den Laborwerten, ob der Patient eine Vorgeschichte von Plaque-Psoriasis hat, sowie Provokationsfaktoren wie bestimmte Medikamente, Schwangerschaft und Infektionen.<span><sup>8</sup></span> Aufgrund des Fehlens einheitlicher diagnostischer Kriterien<span><sup>9</sup></span> und der engen Verwandtschaft oder Überlappung der GPP mit anderen Erkrankungen wie Plaque-Psoriasis, AGEP, Psoriasis cum pustulatione und palmoplantarer Pustulose<span><sup>5, 6, 9, 10</sup></span> ist die Möglichkeit von Fehldiagnosen möglicherweise hoch.</p><p>Die Bestimmung der Patientenpopulationen ist bei seltenen Krankheiten wie der GPP schwierig, weil das Bewusstsein für die jeweilige Krankheit fehlt und die Ansätze zur Datenerhebung über die Krankheit und Patientenpopulation heterogen sind.<span><sup>11</sup></span> Bis heute ist die tatsächliche Prävalenz von GPP unsicher; die Prävalenz wurde mit Werten von 1,76<sup>12</sup> bis 460<sup>13</sup> Personen pro 1 Million angegeben. Prävalenzschätzungen der GPP aus sekundären Datenbanken in Deutschland liegen am oberen Ende dieses Bereichs und fallen erheblich höher aus als die Prävalenzschätzungen anderer europäischer Länder mit ähnlichen demographischen Merkmalen hinsichtlich ethnischer Herkunft und Ökonomie und ebenso im Vergleich zur restlichen Welt (Tabelle 1).<span><sup>11, 14</sup></span> Nach Analysen von Krankenversicherungsleistungen können mehrere Faktoren zu dieser Variabilität der Prävalenz von GPP beitragen, doch sind möglicherweise noch nicht alle Faktoren bekannt, und es ist zu erwarten, dass der Einfluss einzelner Faktoren je nach betrachteten Umständen unterschiedlich ausfällt. Es ist zwar plausibel, dass intrinsische biologische Faktoren wie das genetische Erbe, wie durch die unterschiedliche Prävalenz bei Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft deutlich wird, zu den variablen Prävalenzschätzungen beiträgt, doch liegen die Gründe dafür wahrscheinlich auch in den Analysemethoden der Leistungsdaten. Die Diagnosen in Datenbanken von Krankenversicherungsleistungen hängen von der Richtigkeit der ärztlichen Diagnosen und Validität der Diagnosecodes ab und können auch durch andere Faktoren beim Erfassen der Diagnose beeinflusst werden.</p><p>Das Ziel dieser Studie war die Festlegung von Kriterien, um die tatsächliche Anzahl von Patienten mit GPP in deutschen Leistungsdaten besser schätzen und potenzielle Faktoren, die möglicherweise zu der vergleichsweise hohen in Deutschland gemeldeten Prävalenz von GPP beitragen, besser verstehen zu können. Dazu sollte eine Szenarienanalyse der verschiedenen Falldefinitionen dienen, bei der unterschiedliche Kriterien angewandt wurden, um Patienten mit GPP-Diagnose zu bestimmen.</p><p>Die Anzahl der Personen in der gesamten Versichertenpopulation reichte im Studienzeitraum (2016–2020) von circa 2,8 bis 2,9 Millionen. Über 5 Jahre wurden insgesamt 5236 potenzielle GPP-Fälle auf der Grundlage einer erfassten GPP-Diagnose identifiziert. Die jährliche Anzahl von GPP-Fällen pro 1 Million Personen im Zeitraum 2016–2020 war in Szenario 1 (336 bis 390) und Szenario 2 (189 bis 288) am höchsten, da diese Szenarien am wenigsten restriktiv waren. Die niedrigsten Zahlen zeigten sich in Szenario 5 (17 bis 28; Diagnose in zwei Quartalen UND zwei unabhängige Diagnosen), gefolgt von Szenario 6, in dem die Zahlen von 58 bis 61 reichten für eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen UND zwei unabhängige Diagnosen oder eine Diagnose durch einen Facharzt UND ein potenzieller Schub. Dabei war die Punktschätzung der Prävalenz im am wenigsten restriktiven Szenario mehr als zehnmal so hoch wie die Schätzung im restriktivsten Szenario. Es ist offensichtlich, dass die Wahl des Szenarios die Ergebnisse der Hauptanalyse beeinflussen kann, und das nicht nur hinsichtlich der epidemiologischen Zahlen, sondern auch hinsichtlich der Validität aller anderen Zahlen. Die vollständigen Ergebnisse für die sechs Szenarien sind Abbildung 1 zu entnehmen.</p><p>Die nach der Anzahl der Quartale, in denen ein Patient eine GPP-Diagnose hatte, bewertete Prävalenz war für ein Quartal am höchsten (Spanne 40,4% bis 46,6%), gefolgt von vier Quartalen (23,8% bis 29,1%), zwei Quartalen (14,1% bis 18,5%) und drei Quartalen (11,7% bis 13,4%) (Abbildung 2). Darauf basierend kann angenommen werden, dass die meisten Patienten jährlich oder alle 2 Jahre einen GPP-bedingten Arzttermin haben.</p><p>Man kann außerdem davon ausgehen, dass aufgrund der Seltenheit der GPP und des ähnlichen Erscheinungsbilds verschiedener Erkrankungen (zum Beispiel akute generalisierte exanthematische Pustulose) die Falschcodierung in beide Richtungen nicht ungewöhnlich ist, aber im Facharztbereich wahrscheinlich weniger häufig vorkommt, da die Ärzte eher mit diesen Erkrankungen vertraut sind. Daher betrachteten wir auch die Anzahl der GPP-Diagnosen durch verschiedene Gruppen von Ärzten. Die Ärzte mit der höchsten Anzahl von GPP-Diagnosen im Zeitraum von 2016 bis 2020 waren Dermatologen (2491 Patienten), gefolgt von Allgemeinmedizinern (2167 Patienten) und anderen Fachärzten (das heißt außer Dermatologen und Rheumatologen; 495 Patienten) (Abbildung 3). Rheumatologen, Chirurgen und Internisten stellten weniger GPP-Diagnosen, die Zahlen lagen bei neun bis 31 Patienten im Jahr. GPP-Diagnosen, die im stationären und ambulanten Klinikumfeld gestellt wurden, bewegten sich im Bereich von sechs bis 31 Patienten im Jahr. Rheumatologen mögen zwar mit GPP-Diagnosen weniger vertraut sein, aber sie könnten dennoch auf Patienten mit GPP treffen, die wegen Verdacht auf Psoriasis-Arthritis zu ihnen in die Praxis kommen.</p><p>Bei der korrekten Diagnose der GPP und Behandlung ihrer Symptome bestehen verschiedene Schwierigkeiten; in manchen Fällen suchen Patienten jahrelang verschiedene Ärzte auf und suchen Hilfe in unterschiedlichen Einrichtungen, bevor sie die richtige Diagnose erhalten. Die Schwierigkeit, die GPP korrekt zu diagnostizieren, kann zu potenzieller Über- oder Unterschätzung der Patientenzahlen beitragen; dies liegt an inkonsistenten Diagnosekriterien, mangelnder Erfahrung mit der Krankheit auf der Ebene der einzelnen Ärzte oder in der Akut- und Notfallversorgung, einer Vorgeschichte von Plaque-Psoriasis oder einem gleichzeitigen Bestehen dieser Erkrankung bei etwa zwei Dritteln der Patienten<span><sup>11</sup></span> mit der Folge einer Fehldiagnose und je nach Region begrenzten oder keinen zugelassenen GPP-spezifischen Therapien.<span><sup>18</sup></span> Andere Hauterkrankungen, die der GPP ähneln können, wie <i>Psoriasis cum pustulatione</i>, palmoplantare Pustulose und AGEP, könnten fälschlicherweise unter GPP zusammengefasst werden und somit zur Überschätzung der Zahlen führen.</p><p>Die Schwierigkeiten bei der präzisen Bestimmung der Patienten mit GPP, einschließlich potenzieller Falschcodierung und Fehldiagnosen, bestehen für alle Länder. Diese Studie zielte zwar darauf ab, Kriterien für die Bestimmung von Patienten mit GPP in Deutschland festzulegen und die hohe gemeldete Prävalenz zu untersuchen, es ist aber auch möglich, dass in anderen Regionen in der Vergangenheit zu wenige GPP-Fälle gemeldet wurden. Die Analyseergebnisse für unsere Szenarien zeigten jedoch, dass die Patientenzahlen abnehmen, wenn strengere Kriterien angewendet werden. Genauer gesagt, entsprach die geschätzte Prävalenz von 50 bis 100 Fällen pro Million in Deutschland den gemeldeten Wertebereichen für andere Länder, darunter auch einer Punktschätzung der Prävalenz von GPP-Basisfällen in Schweden von 91 pro Million nach einem Kriterium der Facharztversorgung.<span><sup>16</sup></span> Basierend auf einer von Choon et al. 2014<span><sup>19</sup></span> veröffentlichten Erhebung errechneten Reich et al. 2022 die landesweite gesamte Prävalenzrate von GPP (akut und nicht akut) für Deutschland als 23,7 Patienten pro 1 Million im Jahr 2019,. In diese Berechnung gingen allein die Daten stationär aufgenommener Patienten ein,<span><sup>20</sup></span> während in der vorliegenden Studie sowohl stationäre als auch ambulante Patienten einbezogen waren. Reich et al. 2022<span><sup>20</sup></span> melden eine vergleichbare Prävalenzrate wie in Szenario 5 der hier vorgestellten Studie (17 bis 28 Patienten pro 1 Million), während allerdings Szenario 5 eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen und zwei unabhängige Diagnosen erfordert.</p><p>Die veröffentlichten GPP-Prävalenzraten reichen von 1,76 pro 1 Million Personen in Frankreich bis 460 pro 1 Million in Deutschland (Tabelle 1).<span><sup>12, 13, 21</sup></span> Aktuell können beide Raten als Ausreißer betrachtet werden, aber es ist zu berücksichtigen, dass die für Deutschland gemeldete GPP-Prävalenz viel höher liegt als in anderen europäischen Ländern und der restlichen Welt und dass die für Frankreich gemeldete Zahl nur aus dermatologischen Einrichtungen stammt. Da es keinen veröffentlichten Konsens zur üblichen Vorgehensweise bei Diagnose, Krankheitsmanagement und Behandlung akuter Schübe bei Patienten mit GPP in Deutschland und auch keine Evidenzdaten zur gemeldeten höheren Prävalenz in Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern gibt, wurde diese Analyse durchgeführt. Es sollten verschiedene Szenarien zur Bestimmung von GPP und deren Auswirkungen auf die geschätzte Anzahl der von der Krankheit betroffenen Patienten untersucht werden. Sowohl Schafer et al. als auch Feldman et al. verwendeten das Identifikationskriterium von mindestens einer GPP-Diagnose anhand des ICD-10-Codes für GPP (L40.1) mit der Begründung, dass es sich bei GPP um eine chronische Krankheit handelt und die Abstände zwischen einzelnen Arztterminen lang sein können.<span><sup>13, 15</sup></span> Feldman et al. untersuchten auch ein strengeres Kriterium von einem stationären oder zwei ambulanten Codes im Abstand von 30 bis 365 Tagen.<span><sup>15</sup></span> Für eine Studie zur Prävalenz und Inzidenz von GPP in Schweden im Jahr 2022 verwendeten die Wissenschaftler drei unterschiedliche Szenarien: mindestens eine Diagnose gemäß ICD-10 L40.1 bei mindestens zwei Arztterminen und mindestens zwei Arzttermine, von denen einer bei einem Dermatologen oder Internisten stattfand.<span><sup>16</sup></span></p><p>Die höchsten Prävalenzwerte unter den untersuchten Szenarien ergaben die Szenarien mit mindestens einer GPP-Diagnose (336 bis 390 Fälle pro 1 Million) und mehr als einer GPP-Diagnose in mindestens zwei Quartalen (189 bis 288 Fälle pro 1 Million); die niedrigsten Prävalenzwerte ergaben Kombinationsszenarien aus einer Diagnose in mindestens zwei Quartalen UND zwei unabhängigen Diagnosen (17 bis 28 pro 1 Million) und das Szenario mit einer Diagnose in mindestens zwei Quartalen UND zwei unabhängigen Diagnosen oder einer Diagnose durch einen Facharzt UND einem potenziellen Schub (58 bis 61 pro 1 Million). Bei den meisten Patienten wurde die GPP-Diagnose von einem Dermatologen (425 bis 604) oder einem Allgemeinmediziner (414 bis 471), die wenigsten dagegen im Klinikumfeld gestellt. Dieses Ergebnis war in Anbetracht der hohen Krankheitslast durch GPP und der potenziellen Komplikationen sowie der Häufigkeit von Patienten mit einer einzigen Diagnose überraschend.</p><p>Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen durch einen Facharzt oder zwei unabhängige Ärzte bei Patienten mit oder ohne aktiven Schub das klinisch aussagekräftigste und zuverlässigste Kriterium für die Schätzung der GPP-Prävalenz wäre, da damit potenzielle Falschcodierungen und Fehldiagnosen ausgeschlossen, aber gleichzeitig Patienten mit leichterer Ausprägung der Krankheit berücksichtigt werden; daher können 50 bis 100 Patienten pro 1 Million als Bereich für eine realistische Prävalenzschätzung in Deutschland angesehen werden. Unsere Erkenntnisse entsprechen den Ergebnissen und der verwendeten Methodik in einer vergleichbaren Population, die von Lofvendahl et al. 2022 untersucht wurde, und unser strengstes Szenario erfasste mehrere wichtige Aspekte der GPP. Das Kriterium der Diagnose in mindestens zwei Quartalen trug der chronischen Natur der Krankheit Rechnung, das Kriterium von zwei Ärzten oder Fachärzten zielte auf eine korrekte Diagnose der GPP unter Berücksichtigung der Seltenheit der Krankheit ab, und eine aktive/schwere Krankheit konnte durch die Einbeziehung von Schüben erfasst werden. Unsere Analyseergebnisse waren auch über längere Zeiträume hinweg konsistent.</p><p>Wir waren nicht in der Lage, alle potenziellen Faktoren zu untersuchen, die zu den hohen gemeldeten Zahlen für ICD L40.1 in Deutschland beigetragen haben könnten, wie zum Beispiel die Möglichkeit, dass der Code L40.1 angegeben werden könnte, um die Erstattung bestimmter Therapien zu erleichtern. Eine anfängliche Untersuchung ergab jedoch keine Hinweise auf diese Möglichkeit. Beim Vergleich dreier Szenarien (mindestens eine Diagnose, Diagnosen in zwei Quartalen und eine Facharztdiagnose in zwei Quartalen) waren die Raten für die verschiedenen angewandten Behandlungen ähnlich. Die generalisierte pustulöse Psoriasis ist durch Schübe gekennzeichnet, die im Abstand von mehreren Jahren auftreten können, und daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei unbehandelten Patienten eine Fehldiagnose vorliegt. Stattdessen könnten diese Patienten repräsentativ für eine Population mit sehr leichtem Krankheitsverlauf oder mit Schüben, die vor langer Zeit aufgetreten waren, sein. Es ist unwahrscheinlich, dass Patienten mit Schüben unbehandelt bleiben, da Schübe äußerst schmerzhaft sein können, häufig zu stationär behandlungspflichtigen Komplikationen führen, oder sogar lebensbedrohlich sein können.</p><p>Diese Studie hatte mehrere zusätzliche Einschränkungen, die berücksichtigt werden sollten. Zum einen war es nicht möglich, die Diagnosen allein anhand der Versicherungsleistungsdaten zu validieren. Das Fehlen zugelassener Therapien speziell für Patienten mit GPP in Deutschland begrenzte ebenfalls unsere Möglichkeit, die vorgeschlagenen Auswahlkriterien anhand der verschriebenen Therapien zu validieren. Außerdem gab es keine Daten zur Krankheitsschwere oder dazu, wie weniger schwere Fälle nach der Diagnose behandelt oder kontrolliert werden.</p><p>Unsere Hypothese war, dass die Anwendung strengerer Kriterien in den zur Bestimmung der GPP verwendeten Szenarien bei der Beurteilung hilfreich sein könnte, ob die erzielten Schätzwerte tatsächlich genauer sind. Potenzielle Ansätze für strengere Bestimmungskriterien, die in weiteren Sensibilitätsanalysen untersucht werden könnten, waren die Diagnose durch einen Facharzt (zum Beispiel Dermatologe/Rheumatologe oder stationäres Umfeld) und die Diagnose durch mindestens zwei unabhängige Ärzte (unabhängig von der Spezialisierung, einschließlich stationär gestellter Diagnosen).</p><p>Da es nicht möglich ist, die für diese Szenarien verwendeten Auswahlkriterien extern zu validieren, wurden Kriterien verwendet, die für eine erhöhte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen stehen, was für mittelschwere oder schwere Fälle angenommen wird, doch dies ging möglicherweise zulasten der Abdeckung aller Patienten mit GPP.</p><p>Das Hauptziel dieser Studie war, durch die Untersuchung unterschiedlicher Identifikationsszenarien eine bessere Schätzung der GPP-Prävalenz in Deutschland zu erhalten, da wir vermuteten, dass die gemeldete Prävalenz der GPP in der Vergangenheit Verzerrungen unterlag. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen durch einen Facharzt oder zwei unabhängige Ärzte bei Patienten mit oder ohne aktiven Schub das klinisch zuverlässigste Kriterium für die Schätzung der GPP-Prävalenz wäre; daher können 50 bis 100 Patienten pro Million als Bereich für eine realistische Prävalenzschätzung in Deutschland angesehen werden. Wir haben mit unserem Ansatz nachgewiesen, wie ein Algorithmus für die Bestimmung von Patienten anhand von Versicherungsleistungsdaten entwickelt werden kann. Dabei wurden auch Erkenntnisse dazu erzielt, warum ein solcher Ansatz wichtig ist, darunter auch für die Möglichkeit einer gezielteren und proaktiveren Behandlung einer schwer zu diagnostizierenden Population. Eine Präzisierung der Kriterien könnte dazu beitragen, ein klareres Bild über die Genauigkeit der Prävalenzwerte für GPP in Deutschland zu erhalten.</p><p>Diese Studie wurde von Boehringer Ingelheim finanziert. Alle Autoren erfüllen bei diesem Artikel die Kriterien für die Autorenschaft des ICMJE (<i>International Committee of Medical Journal Editors</i>), übernehmen die Verantwortung für die Integrität des Werks als Ganzes und haben ihre Genehmigung für die Veröffentlichung dieser Fassung erteilt. Boehringer Ingelheim hatte Gelegenheit, das Manuskript auf medizinische und wissenschaftliche Genauigkeit sowie in Bezug auf Rechte an geistigem Eigentum zu prüfen. Die Autoren haben für die Erstellung des Manuskripts keine Bezahlung erhalten.</p><p>Unterstützung bei Texterstellung und Redaktion dieses Manuskripts wurde von Jordan Godwin, MA, Elizabeth Hubscher, PhD und Shilpa Chennakrishnaiah, PhD von Cytel Inc, Waltham, MA, USA, geleistet.</p><p>M.S. und N.Kolb. sind Angestellte der ZEG – Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung Berlin GmbH, die finanzielle Mittel zur Durchführung dieser Studie von Boehringer Ingelheim erhalten hat. N.Kossack. ist Angestellter des WIG2 – Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, das finanzielle Mittel zur Durchführung dieser Studie von Boehringer Ingelheim erhalten hat. C.K. war Berater für und/oder erhielt Referentenhonorare von Janssen-Cilag, Novartis und Boehringer Ingelheim. T.Z. ist Angestellter von Boehringer Ingelheim.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 5","pages":"589-599"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2025-05-19","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15633_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15633_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP) ist eine seltene, systemische und chronische Hauterkrankung. Sie zeichnet sich durch Schübe aus, die sowohl kutane als auch extrakutane Symptome umfassen, wie beispielsweise Erythem und sterile, Neutrophilen-gefüllte Pusteln. Die Erkrankung ist mit einer erheblichen klinischen Belastung verbunden, die Fatigue, Schmerzen und Fieber einschließt. Während eines GPP-Schubs können schwere Komplikationen wie Sepsis sowie Herz- oder Multiorganversagen auftreten.1, 2 Die generalisierte pustulöse Psoriasis unterscheidet sich genetisch von Plaque-Psoriasis und wird vorwiegend durch den IL-36-Signalweg befördert. Die genetische Ätiologie von GPP wird mit Mutationen im Interleukin-36-Rezeptor-Antagonist (IL36RN)-Gen in Verbindung gebracht, die die Fähigkeit des Körpers einschränken, Entzündungsreaktionen zu hemmen.3 In der Vergangenheit wurde GPP in manchen Fällen als Subtyp der Plaque-Psoriasis betrachtet; aktuelle Evidenz und Fortschritte beim Verständnis genetischer Marker und der Pathophysiologie deuten jedoch darauf hin, dass es sich bei GPP und Plaque-Psoriasis um zwei verschiedene klinische Erkrankungen handelt.4 Obwohl Mutationen des IL36RN-Gens auch in manchen Fällen akuter generalisierter exanthematischer Pustulose (AGEP) gefunden wurden, konnte die GPP-Diagnose nach Ausschluss einer Arzneimittelwirkung, die zu AGEP führt, bestätigt werden.5, 6
Die diagnostischen Kriterien für GPP sind in den Leitlinien des European Rare and Severe Psoriasis Expert Network (ERASPEN) und der Japanese Dermatological Association (JDA) definiert, es existiert jedoch kein internationaler Konsens.7 ERASPEN definiert GPP als Hauterkrankung mit primär sterilen, makroskopischen Pusteln auf nichtakraler Haut, die mit oder ohne Plaque-Psoriasis auftritt.5 Die Diagnose setzt entweder einen schubförmigen Krankheitsverlauf oder eine persistierende Entzündung (von mehr als 3 Monaten) voraus. Die JDA-Definition berücksichtigt, dass bei den Patienten systemische Symptome wie Fieber und Fatigue auftreten können, und bezieht auch bestimmte histologische Merkmale mit ein.7 Weitere Faktoren können Schleimhaut- und andere Hautsymptome sein, Auffälligkeiten bei den Laborwerten, ob der Patient eine Vorgeschichte von Plaque-Psoriasis hat, sowie Provokationsfaktoren wie bestimmte Medikamente, Schwangerschaft und Infektionen.8 Aufgrund des Fehlens einheitlicher diagnostischer Kriterien9 und der engen Verwandtschaft oder Überlappung der GPP mit anderen Erkrankungen wie Plaque-Psoriasis, AGEP, Psoriasis cum pustulatione und palmoplantarer Pustulose5, 6, 9, 10 ist die Möglichkeit von Fehldiagnosen möglicherweise hoch.
Die Bestimmung der Patientenpopulationen ist bei seltenen Krankheiten wie der GPP schwierig, weil das Bewusstsein für die jeweilige Krankheit fehlt und die Ansätze zur Datenerhebung über die Krankheit und Patientenpopulation heterogen sind.11 Bis heute ist die tatsächliche Prävalenz von GPP unsicher; die Prävalenz wurde mit Werten von 1,7612 bis 46013 Personen pro 1 Million angegeben. Prävalenzschätzungen der GPP aus sekundären Datenbanken in Deutschland liegen am oberen Ende dieses Bereichs und fallen erheblich höher aus als die Prävalenzschätzungen anderer europäischer Länder mit ähnlichen demographischen Merkmalen hinsichtlich ethnischer Herkunft und Ökonomie und ebenso im Vergleich zur restlichen Welt (Tabelle 1).11, 14 Nach Analysen von Krankenversicherungsleistungen können mehrere Faktoren zu dieser Variabilität der Prävalenz von GPP beitragen, doch sind möglicherweise noch nicht alle Faktoren bekannt, und es ist zu erwarten, dass der Einfluss einzelner Faktoren je nach betrachteten Umständen unterschiedlich ausfällt. Es ist zwar plausibel, dass intrinsische biologische Faktoren wie das genetische Erbe, wie durch die unterschiedliche Prävalenz bei Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft deutlich wird, zu den variablen Prävalenzschätzungen beiträgt, doch liegen die Gründe dafür wahrscheinlich auch in den Analysemethoden der Leistungsdaten. Die Diagnosen in Datenbanken von Krankenversicherungsleistungen hängen von der Richtigkeit der ärztlichen Diagnosen und Validität der Diagnosecodes ab und können auch durch andere Faktoren beim Erfassen der Diagnose beeinflusst werden.
Das Ziel dieser Studie war die Festlegung von Kriterien, um die tatsächliche Anzahl von Patienten mit GPP in deutschen Leistungsdaten besser schätzen und potenzielle Faktoren, die möglicherweise zu der vergleichsweise hohen in Deutschland gemeldeten Prävalenz von GPP beitragen, besser verstehen zu können. Dazu sollte eine Szenarienanalyse der verschiedenen Falldefinitionen dienen, bei der unterschiedliche Kriterien angewandt wurden, um Patienten mit GPP-Diagnose zu bestimmen.
Die Anzahl der Personen in der gesamten Versichertenpopulation reichte im Studienzeitraum (2016–2020) von circa 2,8 bis 2,9 Millionen. Über 5 Jahre wurden insgesamt 5236 potenzielle GPP-Fälle auf der Grundlage einer erfassten GPP-Diagnose identifiziert. Die jährliche Anzahl von GPP-Fällen pro 1 Million Personen im Zeitraum 2016–2020 war in Szenario 1 (336 bis 390) und Szenario 2 (189 bis 288) am höchsten, da diese Szenarien am wenigsten restriktiv waren. Die niedrigsten Zahlen zeigten sich in Szenario 5 (17 bis 28; Diagnose in zwei Quartalen UND zwei unabhängige Diagnosen), gefolgt von Szenario 6, in dem die Zahlen von 58 bis 61 reichten für eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen UND zwei unabhängige Diagnosen oder eine Diagnose durch einen Facharzt UND ein potenzieller Schub. Dabei war die Punktschätzung der Prävalenz im am wenigsten restriktiven Szenario mehr als zehnmal so hoch wie die Schätzung im restriktivsten Szenario. Es ist offensichtlich, dass die Wahl des Szenarios die Ergebnisse der Hauptanalyse beeinflussen kann, und das nicht nur hinsichtlich der epidemiologischen Zahlen, sondern auch hinsichtlich der Validität aller anderen Zahlen. Die vollständigen Ergebnisse für die sechs Szenarien sind Abbildung 1 zu entnehmen.
Die nach der Anzahl der Quartale, in denen ein Patient eine GPP-Diagnose hatte, bewertete Prävalenz war für ein Quartal am höchsten (Spanne 40,4% bis 46,6%), gefolgt von vier Quartalen (23,8% bis 29,1%), zwei Quartalen (14,1% bis 18,5%) und drei Quartalen (11,7% bis 13,4%) (Abbildung 2). Darauf basierend kann angenommen werden, dass die meisten Patienten jährlich oder alle 2 Jahre einen GPP-bedingten Arzttermin haben.
Man kann außerdem davon ausgehen, dass aufgrund der Seltenheit der GPP und des ähnlichen Erscheinungsbilds verschiedener Erkrankungen (zum Beispiel akute generalisierte exanthematische Pustulose) die Falschcodierung in beide Richtungen nicht ungewöhnlich ist, aber im Facharztbereich wahrscheinlich weniger häufig vorkommt, da die Ärzte eher mit diesen Erkrankungen vertraut sind. Daher betrachteten wir auch die Anzahl der GPP-Diagnosen durch verschiedene Gruppen von Ärzten. Die Ärzte mit der höchsten Anzahl von GPP-Diagnosen im Zeitraum von 2016 bis 2020 waren Dermatologen (2491 Patienten), gefolgt von Allgemeinmedizinern (2167 Patienten) und anderen Fachärzten (das heißt außer Dermatologen und Rheumatologen; 495 Patienten) (Abbildung 3). Rheumatologen, Chirurgen und Internisten stellten weniger GPP-Diagnosen, die Zahlen lagen bei neun bis 31 Patienten im Jahr. GPP-Diagnosen, die im stationären und ambulanten Klinikumfeld gestellt wurden, bewegten sich im Bereich von sechs bis 31 Patienten im Jahr. Rheumatologen mögen zwar mit GPP-Diagnosen weniger vertraut sein, aber sie könnten dennoch auf Patienten mit GPP treffen, die wegen Verdacht auf Psoriasis-Arthritis zu ihnen in die Praxis kommen.
Bei der korrekten Diagnose der GPP und Behandlung ihrer Symptome bestehen verschiedene Schwierigkeiten; in manchen Fällen suchen Patienten jahrelang verschiedene Ärzte auf und suchen Hilfe in unterschiedlichen Einrichtungen, bevor sie die richtige Diagnose erhalten. Die Schwierigkeit, die GPP korrekt zu diagnostizieren, kann zu potenzieller Über- oder Unterschätzung der Patientenzahlen beitragen; dies liegt an inkonsistenten Diagnosekriterien, mangelnder Erfahrung mit der Krankheit auf der Ebene der einzelnen Ärzte oder in der Akut- und Notfallversorgung, einer Vorgeschichte von Plaque-Psoriasis oder einem gleichzeitigen Bestehen dieser Erkrankung bei etwa zwei Dritteln der Patienten11 mit der Folge einer Fehldiagnose und je nach Region begrenzten oder keinen zugelassenen GPP-spezifischen Therapien.18 Andere Hauterkrankungen, die der GPP ähneln können, wie Psoriasis cum pustulatione, palmoplantare Pustulose und AGEP, könnten fälschlicherweise unter GPP zusammengefasst werden und somit zur Überschätzung der Zahlen führen.
Die Schwierigkeiten bei der präzisen Bestimmung der Patienten mit GPP, einschließlich potenzieller Falschcodierung und Fehldiagnosen, bestehen für alle Länder. Diese Studie zielte zwar darauf ab, Kriterien für die Bestimmung von Patienten mit GPP in Deutschland festzulegen und die hohe gemeldete Prävalenz zu untersuchen, es ist aber auch möglich, dass in anderen Regionen in der Vergangenheit zu wenige GPP-Fälle gemeldet wurden. Die Analyseergebnisse für unsere Szenarien zeigten jedoch, dass die Patientenzahlen abnehmen, wenn strengere Kriterien angewendet werden. Genauer gesagt, entsprach die geschätzte Prävalenz von 50 bis 100 Fällen pro Million in Deutschland den gemeldeten Wertebereichen für andere Länder, darunter auch einer Punktschätzung der Prävalenz von GPP-Basisfällen in Schweden von 91 pro Million nach einem Kriterium der Facharztversorgung.16 Basierend auf einer von Choon et al. 201419 veröffentlichten Erhebung errechneten Reich et al. 2022 die landesweite gesamte Prävalenzrate von GPP (akut und nicht akut) für Deutschland als 23,7 Patienten pro 1 Million im Jahr 2019,. In diese Berechnung gingen allein die Daten stationär aufgenommener Patienten ein,20 während in der vorliegenden Studie sowohl stationäre als auch ambulante Patienten einbezogen waren. Reich et al. 202220 melden eine vergleichbare Prävalenzrate wie in Szenario 5 der hier vorgestellten Studie (17 bis 28 Patienten pro 1 Million), während allerdings Szenario 5 eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen und zwei unabhängige Diagnosen erfordert.
Die veröffentlichten GPP-Prävalenzraten reichen von 1,76 pro 1 Million Personen in Frankreich bis 460 pro 1 Million in Deutschland (Tabelle 1).12, 13, 21 Aktuell können beide Raten als Ausreißer betrachtet werden, aber es ist zu berücksichtigen, dass die für Deutschland gemeldete GPP-Prävalenz viel höher liegt als in anderen europäischen Ländern und der restlichen Welt und dass die für Frankreich gemeldete Zahl nur aus dermatologischen Einrichtungen stammt. Da es keinen veröffentlichten Konsens zur üblichen Vorgehensweise bei Diagnose, Krankheitsmanagement und Behandlung akuter Schübe bei Patienten mit GPP in Deutschland und auch keine Evidenzdaten zur gemeldeten höheren Prävalenz in Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern gibt, wurde diese Analyse durchgeführt. Es sollten verschiedene Szenarien zur Bestimmung von GPP und deren Auswirkungen auf die geschätzte Anzahl der von der Krankheit betroffenen Patienten untersucht werden. Sowohl Schafer et al. als auch Feldman et al. verwendeten das Identifikationskriterium von mindestens einer GPP-Diagnose anhand des ICD-10-Codes für GPP (L40.1) mit der Begründung, dass es sich bei GPP um eine chronische Krankheit handelt und die Abstände zwischen einzelnen Arztterminen lang sein können.13, 15 Feldman et al. untersuchten auch ein strengeres Kriterium von einem stationären oder zwei ambulanten Codes im Abstand von 30 bis 365 Tagen.15 Für eine Studie zur Prävalenz und Inzidenz von GPP in Schweden im Jahr 2022 verwendeten die Wissenschaftler drei unterschiedliche Szenarien: mindestens eine Diagnose gemäß ICD-10 L40.1 bei mindestens zwei Arztterminen und mindestens zwei Arzttermine, von denen einer bei einem Dermatologen oder Internisten stattfand.16
Die höchsten Prävalenzwerte unter den untersuchten Szenarien ergaben die Szenarien mit mindestens einer GPP-Diagnose (336 bis 390 Fälle pro 1 Million) und mehr als einer GPP-Diagnose in mindestens zwei Quartalen (189 bis 288 Fälle pro 1 Million); die niedrigsten Prävalenzwerte ergaben Kombinationsszenarien aus einer Diagnose in mindestens zwei Quartalen UND zwei unabhängigen Diagnosen (17 bis 28 pro 1 Million) und das Szenario mit einer Diagnose in mindestens zwei Quartalen UND zwei unabhängigen Diagnosen oder einer Diagnose durch einen Facharzt UND einem potenziellen Schub (58 bis 61 pro 1 Million). Bei den meisten Patienten wurde die GPP-Diagnose von einem Dermatologen (425 bis 604) oder einem Allgemeinmediziner (414 bis 471), die wenigsten dagegen im Klinikumfeld gestellt. Dieses Ergebnis war in Anbetracht der hohen Krankheitslast durch GPP und der potenziellen Komplikationen sowie der Häufigkeit von Patienten mit einer einzigen Diagnose überraschend.
Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen durch einen Facharzt oder zwei unabhängige Ärzte bei Patienten mit oder ohne aktiven Schub das klinisch aussagekräftigste und zuverlässigste Kriterium für die Schätzung der GPP-Prävalenz wäre, da damit potenzielle Falschcodierungen und Fehldiagnosen ausgeschlossen, aber gleichzeitig Patienten mit leichterer Ausprägung der Krankheit berücksichtigt werden; daher können 50 bis 100 Patienten pro 1 Million als Bereich für eine realistische Prävalenzschätzung in Deutschland angesehen werden. Unsere Erkenntnisse entsprechen den Ergebnissen und der verwendeten Methodik in einer vergleichbaren Population, die von Lofvendahl et al. 2022 untersucht wurde, und unser strengstes Szenario erfasste mehrere wichtige Aspekte der GPP. Das Kriterium der Diagnose in mindestens zwei Quartalen trug der chronischen Natur der Krankheit Rechnung, das Kriterium von zwei Ärzten oder Fachärzten zielte auf eine korrekte Diagnose der GPP unter Berücksichtigung der Seltenheit der Krankheit ab, und eine aktive/schwere Krankheit konnte durch die Einbeziehung von Schüben erfasst werden. Unsere Analyseergebnisse waren auch über längere Zeiträume hinweg konsistent.
Wir waren nicht in der Lage, alle potenziellen Faktoren zu untersuchen, die zu den hohen gemeldeten Zahlen für ICD L40.1 in Deutschland beigetragen haben könnten, wie zum Beispiel die Möglichkeit, dass der Code L40.1 angegeben werden könnte, um die Erstattung bestimmter Therapien zu erleichtern. Eine anfängliche Untersuchung ergab jedoch keine Hinweise auf diese Möglichkeit. Beim Vergleich dreier Szenarien (mindestens eine Diagnose, Diagnosen in zwei Quartalen und eine Facharztdiagnose in zwei Quartalen) waren die Raten für die verschiedenen angewandten Behandlungen ähnlich. Die generalisierte pustulöse Psoriasis ist durch Schübe gekennzeichnet, die im Abstand von mehreren Jahren auftreten können, und daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei unbehandelten Patienten eine Fehldiagnose vorliegt. Stattdessen könnten diese Patienten repräsentativ für eine Population mit sehr leichtem Krankheitsverlauf oder mit Schüben, die vor langer Zeit aufgetreten waren, sein. Es ist unwahrscheinlich, dass Patienten mit Schüben unbehandelt bleiben, da Schübe äußerst schmerzhaft sein können, häufig zu stationär behandlungspflichtigen Komplikationen führen, oder sogar lebensbedrohlich sein können.
Diese Studie hatte mehrere zusätzliche Einschränkungen, die berücksichtigt werden sollten. Zum einen war es nicht möglich, die Diagnosen allein anhand der Versicherungsleistungsdaten zu validieren. Das Fehlen zugelassener Therapien speziell für Patienten mit GPP in Deutschland begrenzte ebenfalls unsere Möglichkeit, die vorgeschlagenen Auswahlkriterien anhand der verschriebenen Therapien zu validieren. Außerdem gab es keine Daten zur Krankheitsschwere oder dazu, wie weniger schwere Fälle nach der Diagnose behandelt oder kontrolliert werden.
Unsere Hypothese war, dass die Anwendung strengerer Kriterien in den zur Bestimmung der GPP verwendeten Szenarien bei der Beurteilung hilfreich sein könnte, ob die erzielten Schätzwerte tatsächlich genauer sind. Potenzielle Ansätze für strengere Bestimmungskriterien, die in weiteren Sensibilitätsanalysen untersucht werden könnten, waren die Diagnose durch einen Facharzt (zum Beispiel Dermatologe/Rheumatologe oder stationäres Umfeld) und die Diagnose durch mindestens zwei unabhängige Ärzte (unabhängig von der Spezialisierung, einschließlich stationär gestellter Diagnosen).
Da es nicht möglich ist, die für diese Szenarien verwendeten Auswahlkriterien extern zu validieren, wurden Kriterien verwendet, die für eine erhöhte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen stehen, was für mittelschwere oder schwere Fälle angenommen wird, doch dies ging möglicherweise zulasten der Abdeckung aller Patienten mit GPP.
Das Hauptziel dieser Studie war, durch die Untersuchung unterschiedlicher Identifikationsszenarien eine bessere Schätzung der GPP-Prävalenz in Deutschland zu erhalten, da wir vermuteten, dass die gemeldete Prävalenz der GPP in der Vergangenheit Verzerrungen unterlag. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen durch einen Facharzt oder zwei unabhängige Ärzte bei Patienten mit oder ohne aktiven Schub das klinisch zuverlässigste Kriterium für die Schätzung der GPP-Prävalenz wäre; daher können 50 bis 100 Patienten pro Million als Bereich für eine realistische Prävalenzschätzung in Deutschland angesehen werden. Wir haben mit unserem Ansatz nachgewiesen, wie ein Algorithmus für die Bestimmung von Patienten anhand von Versicherungsleistungsdaten entwickelt werden kann. Dabei wurden auch Erkenntnisse dazu erzielt, warum ein solcher Ansatz wichtig ist, darunter auch für die Möglichkeit einer gezielteren und proaktiveren Behandlung einer schwer zu diagnostizierenden Population. Eine Präzisierung der Kriterien könnte dazu beitragen, ein klareres Bild über die Genauigkeit der Prävalenzwerte für GPP in Deutschland zu erhalten.
Diese Studie wurde von Boehringer Ingelheim finanziert. Alle Autoren erfüllen bei diesem Artikel die Kriterien für die Autorenschaft des ICMJE (International Committee of Medical Journal Editors), übernehmen die Verantwortung für die Integrität des Werks als Ganzes und haben ihre Genehmigung für die Veröffentlichung dieser Fassung erteilt. Boehringer Ingelheim hatte Gelegenheit, das Manuskript auf medizinische und wissenschaftliche Genauigkeit sowie in Bezug auf Rechte an geistigem Eigentum zu prüfen. Die Autoren haben für die Erstellung des Manuskripts keine Bezahlung erhalten.
Unterstützung bei Texterstellung und Redaktion dieses Manuskripts wurde von Jordan Godwin, MA, Elizabeth Hubscher, PhD und Shilpa Chennakrishnaiah, PhD von Cytel Inc, Waltham, MA, USA, geleistet.
M.S. und N.Kolb. sind Angestellte der ZEG – Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung Berlin GmbH, die finanzielle Mittel zur Durchführung dieser Studie von Boehringer Ingelheim erhalten hat. N.Kossack. ist Angestellter des WIG2 – Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, das finanzielle Mittel zur Durchführung dieser Studie von Boehringer Ingelheim erhalten hat. C.K. war Berater für und/oder erhielt Referentenhonorare von Janssen-Cilag, Novartis und Boehringer Ingelheim. T.Z. ist Angestellter von Boehringer Ingelheim.
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