{"title":"Die Diskrepanz zwischen reiner Krankheitsbehandlung und einem Disease-Management-Programm in der systemischen Melanomtherapie","authors":"Matthias Brandlmaier, Peter Koelblinger","doi":"10.1111/ddg.15645_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Sehr geehrte Herausgeber,</p><p>Angesichts der verbesserten Überlebensrate von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, insbesondere nach einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI), ist eine langfristige Nachbeobachtung von entscheidender Bedeutung für die Überwachung und Behandlung chronischer immunvermittelter unerwünschter Ereignisse (irAE). Trotz vorhandener Leitlinien, die dezidierte diesbezügliche Empfehlungen enthalten, kann sich deren Umsetzung im klinischen Alltag schwierig gestalten.<span><sup>1, 2</sup></span> In der Inneren Medizin verfolgen Disease-Management-Programme (DMP) ganzheitliche Therapiekonzepte und setzen diese erfolgreich um, wobei dieser kollaborative Ansatz bereits zu einer Verringerung von Rehospitalisierungen und Todesfällen, einer Senkung der Gesundheitskosten und einer verbesserten Patientenbetreuung durch die interdisziplinäre Vernetzung geführt hat.<span><sup>3</sup></span></p><p>Die Schulung aller Mitglieder eines Onkologie-Teams über Fachgrenzen hinweg ist für eine effektive Zusammenarbeit und die Optimierung der Patientenbetreuung unerlässlich.</p><p>Um den Bedarf an (ungedeckter) begleitender Unterstützung (psychologisch, physiotherapeutisch, sozial) zu ermitteln, haben wir an unserem dermatoonkologischen Zentrum eine fragebogenbasierte Analyse durchgeführt. Insgesamt wurden 72 Fragebögen ausgefüllt. Diese umfassten 14 Fragen zum Melanomstadium, zur Behandlung, zu begleitenden Ereignissen wie irAE oder ungeplanten Krankenhausaufenthalten aufgrund einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustands und zum Bedarf an zusätzlichen Leistungen wie Physiotherapie oder psychologische Beratung. Etwa 75% der Patienten wurden bis zu 2 Jahre lang dermatoonkologisch betreut, ein Viertel mehr als 3 Jahre lang. Zu den häufigsten Vorerkrankungen gehörten kardiologische (43%), ophthalmologische (26,4%) und Gelenkserkrankungen (20,8%). Eine ICI-Therapie war die häufigste melanomspezifische Behandlung und wurde bei 82% der Patienten durchgeführt, gefolgt von einer zielgerichteten Therapie bei 29%. Vierzehn Patienten (19,4%) erhielten beide Therapieformen. Mehr als die Hälfte aller Patienten berichtete über behandlungsassoziierte Fatigue, gefolgt von anderen häufig beschriebenen irAE der systemischen Melanomtherapie (Tabelle 1).</p><p>Bei Auftreten von irAE wandten sich Patienten am häufigsten zuerst an unsere dermatoonkologische Klinik (48,6%), gefolgt von Allgemeinmedizinern (11,1%) und niedergelassenen Dermatolog:innen (8,3%). Mehr als die Hälfte aller Patienten benötigte zusätzliche medizinische Unterstützung während der Behandlung, dabei kam es zu 19 Krankenhauseinweisungen (26%) innerhalb der letzten 6 Monate vor Beantwortung des Fragebogens. Die Zufriedenheit der Patienten mit der ambulanten dermatoonkologischen Versorgung war insgesamt hoch: Organisation, Erreichbarkeit, Terminkoordination und Zeitmanagement wurden von mehr als 80% als gut oder ausgezeichnet bewertet. Verbesserungsbedarf gab es jedoch bei der Terminkoordination und dem Zeitmanagement in der ambulanten dermatoonkologischen Versorgung: Etwa 10% der Patienten bewerteten diese Leistungen nur als durchschnittlich und weniger als 1% als schlecht.</p><p>Am häufigsten wurden Zusatzangebote wie Physiotherapie (51,4%), Ernährungsmedizin (45,8%), weiterführende Informationen betreffend das Melanom (18,1%) und Psychotherapie (15%) gefordert. Patientenseitig ergaben sich drei Hauptprioritäten im Rahmen der Melanomtherapie und zwar die interdisziplinäre Zusammenarbeit (59,7%), die Verfügbarkeit zusätzlicher Betreuungsdienste (52,8%) und die Fachkompetenz (47,2%) (Abbildung 1).</p><p>Unsere Analyse bestätigt, dass mehr als die Hälfte der Patienten, die eine primäre ICI-basierte Therapie erhalten, unter Müdigkeit und muskuloskelettalen Beschwerden leiden, wobei allgemein etwa 40% der Melanompatienten chronische Nebenwirkungen entwickeln.<span><sup>4</sup></span> Obwohl diese häufig geringfügig sind (CTCAE°1 oder 2), können sie die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen. Insbesondere bei adjuvanter Behandlungsindikation sind daher eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse, eine langfristige Überwachung und ein rasches Management potenzieller irAE angezeigt.<span><sup>5</sup></span> Die routinemäßige Bereitstellung zusätzlicher medizinischer Leistungen im Bereich der Physiotherapie, Ernährungsmedizin und Psychoonkologie wird bereits in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen<span><sup>2, 6</sup></span> und ist Voraussetzung für die Zertifizierung von Hautkrebszentren nach den Standards der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).<span><sup>7</sup></span> Unsere Umfrage ergab, dass etwa 50% der Patienten Physiotherapie und Ernährungsberatung wünschen. Körperliche Bewegung ist ein Schlüsselelement bei der Bewältigung von krebs- und behandlungsbedingter Fatigue, die sowohl von unseren Patienten als auch in zulassungsrelevanten ICI-Studien zum Melanom als häufigste Nebenwirkung berichtet wurde. Spezifische Bewegungsprogramme sind risikoarm durchführbar und werden in bestimmten Leitlinien sogar bei Patienten mit Knochenmetastasen empfohlen.<span><sup>8, 9</sup></span> Das neuartige Konzept der Prähabilitation (Bewegungsprogramme schon vor Therapieeinleitung) könnte diesbezüglich mit zusätzlichen positiven Effekten verbunden sein.<span><sup>10</sup></span></p><p>Fast die Hälfte unserer Patienten gab einen Bedarf an ernährungsmedizinischer Beratung an. Die allgemeinen Belege betreffend einen Effekt ernährungsmedizinischer Maßnahmen auf die Lebensqualität und das Überleben von Krebspatienten sind begrenzt, weswegen aktuelle Melanom-Leitlinien auch keine spezifischen Ernährungsempfehlungen enthalten.<span><sup>2, 6</sup></span> Da die Ernährung jedoch die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst, haben mehrere Studien die Auswirkungen von Ernährungsgewohnheiten und Interventionen (Probiotika) auf die Effekte der Immuntherapie untersucht.<span><sup>11, 12</sup></span> Eine ballaststoffreiche und mediterrane Ernährung (mit hohem Anteil an Vollkornprodukten, Fisch, Nüssen, Obst und Gemüse) wird mit einem besseren Ansprechen und Überleben sowie einer geringeren Häufigkeit von Nebenwirkungen bei Patienten mit metastasiertem Melanom unter ICI-Therapie in Verbindung gebracht.<span><sup>11, 13</sup></span> Umgekehrt können sich Antibiotika negativ auf das Darmmikrobiom auswirken, was wiederum auch die ICI-Wirksamkeit beeinträchtigen kann. Positive Effekte rezeptfreier Probiotika bei Melanompatienten unter Immuntherapie konnten bis dato nicht bewiesen werden.</p><p>Abschließend ergab unsere Umfrage, dass sich etwa 20% der Melanompatienten weiterführende Informationen über ihre Krebserkrankung wünschten. Eine verbesserte Patienteninformation kann durch digitale Ressourcen wie Smartphone-Apps und webbasierte Therapieüberwachung erzielt werden.<span><sup>14</sup></span></p><p>Der Bedarf an zusätzlicher psychoonkologischer Unterstützung könnte mit der beobachteten 20%igen Rate an Angstzuständen und/oder Schlafstörungen zusammenhängen. Kasparian et al. beschreiben, dass ein Drittel der Langzeitüberlebenden nach Melanomdiagnose eine psychologische Betreuung benötigt.<span><sup>15</sup></span> Psychologische Interventionen bei Krebspatienten können Stress, funktionelle Beeinträchtigungen sowie Rückfallraten verringern und gleichzeitig die Lebensqualität verbessern.<span><sup>16</sup></span></p><p>Eine Krebserkrankung stellt Patienten vor körperliche und psychosoziale Herausforderungen; weswegen eine leicht zugängliche psychologische Unterstützung vorrangig bereitgestellt werden sollte. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass psychoonkologische Unterstützung während und nach der Behandlung wiederholt angeboten werden sollte, unabhängig von Tumorstadium oder Krankheitsverlauf.</p><p>In Anbetracht unserer Daten, die einige Herausforderungen bei der routinemäßigen Umsetzung bestehender Leitlinienempfehlungen aufzeigen, wäre eine koordinierte Initiative hinsichtlich strukturierter begleitender Therapiekonzepte bei ICI-behandelten Melanompatienten auf nationaler oder europäischer Ebene wünschenswert. In einem ersten Schritt haben wir das „CARE“-Konzept entwickelt – einen neu konzipierten Algorithmus für Kliniker, welcher während und nach einer ICI-Behandlung bei Melanom eingesetzt werden kann (Tabelle 2). Dieses Konzept beinhaltet spezifische Empfehlungen zu psychoonkologischen, physiotherapeutischen und diätetischen Maßnahmen sowie den Aufbau eines interdisziplinären Netzwerkes. Jeder Bereich ist entsprechend dem Akronym in drei Phasen unterteilt: Gespräch (conversation), Beratung (advice) und Re-Evaluierung (re-evaluation), um einen standardisierten und patientenzentrierten Betreuungsansatz zu gewährleisten, der im Klinikalltag leicht umsetzbar ist.</p><p>Zusammenfassend haben die Fortschritte in der Melanomtherapie bei einer zunehmenden Anzahl bestimmter Patienten zu einem langfristigen Überleben geführt, wobei damit jedoch langfristige Nebenwirkungen einhergehen können. Um die Lebensqualität zu erhalten und gesundheitliche Beeinträchtigungen bei diesen Patienten zu minimieren, sind eine umfassende Nachsorge sowie interdisziplinäre Betreuung unerlässlich. Ein spezifischer Behandlungsplan, der auf die Bedürfnisse von Melanompatienten unter Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie zugeschnitten ist, könnte in diesem Zusammenhang hilfreich sein. Unsere Umfrage ergab einen starken Bedarf an zusätzlichen Leistungen zur Begleitung während einer Immuntherapie, insbesondere in Bezug auf körperliche Aktivität, psychologische Unterstützung und Ernährungsberatung. Wir haben daher einen spezifischen Algorithmus entwickelt, um Patienten routinemäßig und zeitnah die notwendige Unterstützung auf standardisierte Weise bereitstellen zu können.</p><p>M.B.: Vortragshonorare von Bristol-Myers Squibb, Pierre Fabre und Novartis; Reisekostenübernahme von Abbvie (Stipendienprogramm), Pierre Fabre und Novartis. P.K.: Aktien und andere Beteiligungen an Bayer, BioNTech, Moderna Therapeutics, Valneva; Honorare für Vorträge und Advisory-Board Tätigkeiten für Bristol-Myers Squibb, Merck Sharp and Dohme, Novartis, Pierre Fabre, Sanofi Aventis GmbH.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 4","pages":"527-531"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2025-04-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15645_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15645_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Sehr geehrte Herausgeber,
Angesichts der verbesserten Überlebensrate von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, insbesondere nach einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI), ist eine langfristige Nachbeobachtung von entscheidender Bedeutung für die Überwachung und Behandlung chronischer immunvermittelter unerwünschter Ereignisse (irAE). Trotz vorhandener Leitlinien, die dezidierte diesbezügliche Empfehlungen enthalten, kann sich deren Umsetzung im klinischen Alltag schwierig gestalten.1, 2 In der Inneren Medizin verfolgen Disease-Management-Programme (DMP) ganzheitliche Therapiekonzepte und setzen diese erfolgreich um, wobei dieser kollaborative Ansatz bereits zu einer Verringerung von Rehospitalisierungen und Todesfällen, einer Senkung der Gesundheitskosten und einer verbesserten Patientenbetreuung durch die interdisziplinäre Vernetzung geführt hat.3
Die Schulung aller Mitglieder eines Onkologie-Teams über Fachgrenzen hinweg ist für eine effektive Zusammenarbeit und die Optimierung der Patientenbetreuung unerlässlich.
Um den Bedarf an (ungedeckter) begleitender Unterstützung (psychologisch, physiotherapeutisch, sozial) zu ermitteln, haben wir an unserem dermatoonkologischen Zentrum eine fragebogenbasierte Analyse durchgeführt. Insgesamt wurden 72 Fragebögen ausgefüllt. Diese umfassten 14 Fragen zum Melanomstadium, zur Behandlung, zu begleitenden Ereignissen wie irAE oder ungeplanten Krankenhausaufenthalten aufgrund einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustands und zum Bedarf an zusätzlichen Leistungen wie Physiotherapie oder psychologische Beratung. Etwa 75% der Patienten wurden bis zu 2 Jahre lang dermatoonkologisch betreut, ein Viertel mehr als 3 Jahre lang. Zu den häufigsten Vorerkrankungen gehörten kardiologische (43%), ophthalmologische (26,4%) und Gelenkserkrankungen (20,8%). Eine ICI-Therapie war die häufigste melanomspezifische Behandlung und wurde bei 82% der Patienten durchgeführt, gefolgt von einer zielgerichteten Therapie bei 29%. Vierzehn Patienten (19,4%) erhielten beide Therapieformen. Mehr als die Hälfte aller Patienten berichtete über behandlungsassoziierte Fatigue, gefolgt von anderen häufig beschriebenen irAE der systemischen Melanomtherapie (Tabelle 1).
Bei Auftreten von irAE wandten sich Patienten am häufigsten zuerst an unsere dermatoonkologische Klinik (48,6%), gefolgt von Allgemeinmedizinern (11,1%) und niedergelassenen Dermatolog:innen (8,3%). Mehr als die Hälfte aller Patienten benötigte zusätzliche medizinische Unterstützung während der Behandlung, dabei kam es zu 19 Krankenhauseinweisungen (26%) innerhalb der letzten 6 Monate vor Beantwortung des Fragebogens. Die Zufriedenheit der Patienten mit der ambulanten dermatoonkologischen Versorgung war insgesamt hoch: Organisation, Erreichbarkeit, Terminkoordination und Zeitmanagement wurden von mehr als 80% als gut oder ausgezeichnet bewertet. Verbesserungsbedarf gab es jedoch bei der Terminkoordination und dem Zeitmanagement in der ambulanten dermatoonkologischen Versorgung: Etwa 10% der Patienten bewerteten diese Leistungen nur als durchschnittlich und weniger als 1% als schlecht.
Am häufigsten wurden Zusatzangebote wie Physiotherapie (51,4%), Ernährungsmedizin (45,8%), weiterführende Informationen betreffend das Melanom (18,1%) und Psychotherapie (15%) gefordert. Patientenseitig ergaben sich drei Hauptprioritäten im Rahmen der Melanomtherapie und zwar die interdisziplinäre Zusammenarbeit (59,7%), die Verfügbarkeit zusätzlicher Betreuungsdienste (52,8%) und die Fachkompetenz (47,2%) (Abbildung 1).
Unsere Analyse bestätigt, dass mehr als die Hälfte der Patienten, die eine primäre ICI-basierte Therapie erhalten, unter Müdigkeit und muskuloskelettalen Beschwerden leiden, wobei allgemein etwa 40% der Melanompatienten chronische Nebenwirkungen entwickeln.4 Obwohl diese häufig geringfügig sind (CTCAE°1 oder 2), können sie die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen. Insbesondere bei adjuvanter Behandlungsindikation sind daher eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse, eine langfristige Überwachung und ein rasches Management potenzieller irAE angezeigt.5 Die routinemäßige Bereitstellung zusätzlicher medizinischer Leistungen im Bereich der Physiotherapie, Ernährungsmedizin und Psychoonkologie wird bereits in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen2, 6 und ist Voraussetzung für die Zertifizierung von Hautkrebszentren nach den Standards der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).7 Unsere Umfrage ergab, dass etwa 50% der Patienten Physiotherapie und Ernährungsberatung wünschen. Körperliche Bewegung ist ein Schlüsselelement bei der Bewältigung von krebs- und behandlungsbedingter Fatigue, die sowohl von unseren Patienten als auch in zulassungsrelevanten ICI-Studien zum Melanom als häufigste Nebenwirkung berichtet wurde. Spezifische Bewegungsprogramme sind risikoarm durchführbar und werden in bestimmten Leitlinien sogar bei Patienten mit Knochenmetastasen empfohlen.8, 9 Das neuartige Konzept der Prähabilitation (Bewegungsprogramme schon vor Therapieeinleitung) könnte diesbezüglich mit zusätzlichen positiven Effekten verbunden sein.10
Fast die Hälfte unserer Patienten gab einen Bedarf an ernährungsmedizinischer Beratung an. Die allgemeinen Belege betreffend einen Effekt ernährungsmedizinischer Maßnahmen auf die Lebensqualität und das Überleben von Krebspatienten sind begrenzt, weswegen aktuelle Melanom-Leitlinien auch keine spezifischen Ernährungsempfehlungen enthalten.2, 6 Da die Ernährung jedoch die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst, haben mehrere Studien die Auswirkungen von Ernährungsgewohnheiten und Interventionen (Probiotika) auf die Effekte der Immuntherapie untersucht.11, 12 Eine ballaststoffreiche und mediterrane Ernährung (mit hohem Anteil an Vollkornprodukten, Fisch, Nüssen, Obst und Gemüse) wird mit einem besseren Ansprechen und Überleben sowie einer geringeren Häufigkeit von Nebenwirkungen bei Patienten mit metastasiertem Melanom unter ICI-Therapie in Verbindung gebracht.11, 13 Umgekehrt können sich Antibiotika negativ auf das Darmmikrobiom auswirken, was wiederum auch die ICI-Wirksamkeit beeinträchtigen kann. Positive Effekte rezeptfreier Probiotika bei Melanompatienten unter Immuntherapie konnten bis dato nicht bewiesen werden.
Abschließend ergab unsere Umfrage, dass sich etwa 20% der Melanompatienten weiterführende Informationen über ihre Krebserkrankung wünschten. Eine verbesserte Patienteninformation kann durch digitale Ressourcen wie Smartphone-Apps und webbasierte Therapieüberwachung erzielt werden.14
Der Bedarf an zusätzlicher psychoonkologischer Unterstützung könnte mit der beobachteten 20%igen Rate an Angstzuständen und/oder Schlafstörungen zusammenhängen. Kasparian et al. beschreiben, dass ein Drittel der Langzeitüberlebenden nach Melanomdiagnose eine psychologische Betreuung benötigt.15 Psychologische Interventionen bei Krebspatienten können Stress, funktionelle Beeinträchtigungen sowie Rückfallraten verringern und gleichzeitig die Lebensqualität verbessern.16
Eine Krebserkrankung stellt Patienten vor körperliche und psychosoziale Herausforderungen; weswegen eine leicht zugängliche psychologische Unterstützung vorrangig bereitgestellt werden sollte. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass psychoonkologische Unterstützung während und nach der Behandlung wiederholt angeboten werden sollte, unabhängig von Tumorstadium oder Krankheitsverlauf.
In Anbetracht unserer Daten, die einige Herausforderungen bei der routinemäßigen Umsetzung bestehender Leitlinienempfehlungen aufzeigen, wäre eine koordinierte Initiative hinsichtlich strukturierter begleitender Therapiekonzepte bei ICI-behandelten Melanompatienten auf nationaler oder europäischer Ebene wünschenswert. In einem ersten Schritt haben wir das „CARE“-Konzept entwickelt – einen neu konzipierten Algorithmus für Kliniker, welcher während und nach einer ICI-Behandlung bei Melanom eingesetzt werden kann (Tabelle 2). Dieses Konzept beinhaltet spezifische Empfehlungen zu psychoonkologischen, physiotherapeutischen und diätetischen Maßnahmen sowie den Aufbau eines interdisziplinären Netzwerkes. Jeder Bereich ist entsprechend dem Akronym in drei Phasen unterteilt: Gespräch (conversation), Beratung (advice) und Re-Evaluierung (re-evaluation), um einen standardisierten und patientenzentrierten Betreuungsansatz zu gewährleisten, der im Klinikalltag leicht umsetzbar ist.
Zusammenfassend haben die Fortschritte in der Melanomtherapie bei einer zunehmenden Anzahl bestimmter Patienten zu einem langfristigen Überleben geführt, wobei damit jedoch langfristige Nebenwirkungen einhergehen können. Um die Lebensqualität zu erhalten und gesundheitliche Beeinträchtigungen bei diesen Patienten zu minimieren, sind eine umfassende Nachsorge sowie interdisziplinäre Betreuung unerlässlich. Ein spezifischer Behandlungsplan, der auf die Bedürfnisse von Melanompatienten unter Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie zugeschnitten ist, könnte in diesem Zusammenhang hilfreich sein. Unsere Umfrage ergab einen starken Bedarf an zusätzlichen Leistungen zur Begleitung während einer Immuntherapie, insbesondere in Bezug auf körperliche Aktivität, psychologische Unterstützung und Ernährungsberatung. Wir haben daher einen spezifischen Algorithmus entwickelt, um Patienten routinemäßig und zeitnah die notwendige Unterstützung auf standardisierte Weise bereitstellen zu können.
M.B.: Vortragshonorare von Bristol-Myers Squibb, Pierre Fabre und Novartis; Reisekostenübernahme von Abbvie (Stipendienprogramm), Pierre Fabre und Novartis. P.K.: Aktien und andere Beteiligungen an Bayer, BioNTech, Moderna Therapeutics, Valneva; Honorare für Vorträge und Advisory-Board Tätigkeiten für Bristol-Myers Squibb, Merck Sharp and Dohme, Novartis, Pierre Fabre, Sanofi Aventis GmbH.
期刊介绍:
The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements.
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