Glenn Geidel, Anne Menz, Franziska M. Grotenrath, Alessandra Rünger, Julian Kött, Stefan W. Schneider, Christoffer Gebhardt, Nina Booken
{"title":"Schwerer Overlap von Morphea und Lichen sclerosus nach Anti-PD-L1-Immuntherapie bei kleinzelligem Lungenkarzinom","authors":"Glenn Geidel, Anne Menz, Franziska M. Grotenrath, Alessandra Rünger, Julian Kött, Stefan W. Schneider, Christoffer Gebhardt, Nina Booken","doi":"10.1111/ddg.15599_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Sehr geehrte Herausgeber,</p><p>Der Anti-PD-L1-Immun-Checkpoint-Inhibitor (ICI) Atezolizumab ist eine Standardtherapie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms (SCLC). Obwohl kutane behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (treatment-related adverse events, TRAE) sehr häufig sind, sind sklerodermiforme Eruptionen ein sehr seltenes Phänomen.</p><p>Eine 65-jährige Patientin mit metastasiertem SCLC stellte sich in unserer Klinik in reduziertem Allgemeinzustand mit Hautveränderungen vor, die unter einer palliativ intendierten kombinierten Immunchemotherapie mit Atezolizumab (1200 mg d1), Carboplatin (AUC5 d1) und Etoposid (100 mg/m<sup>2</sup> d1–3) aufgetreten waren. Nach vier Zyklen der Kombinationstherapie (alle 3 Wochen) hatte sie vier weitere Zyklen einer Atezolizumab-Monotherapie (alle 3 Wochen) erhalten. Die Patientin gab keine vorbestehenden Komorbiditäten, Allergien oder Dauermedikation an. Sie zeigte ausgedehnte Indurationen der Haut mit Erosionen, Fibrinbelägen und Krusten, die an den Oberschenkeln und im Unterbauch besonders ausgeprägt waren (Abbildung 1).</p><p>Gleichzeitig war die Patientin von starkem Juckreiz und Schmerzen belastet. Die sklerotische Hautbeteiligung führte zu einer erheblichen Einschränkung der alltäglichen Mobilität und limitierte die Atemexkursionen. Ein <i>Dermatological Life Quality Index</i> (DLQI) von 23 und ein Leistungsstatus der <i>Eastern Cooperative Oncology Group</i> (ECOG) von 2 spiegelten eine ausgeprägte und emotional belastende Situation wider. Die vorherige topische Glukokortikosteroid-Behandlung war <i>sine effectu</i>.</p><p>Die onkologische Behandlung wurde im Rahmen der Erstvorstellung <i>in domo</i> pausiert. Die Laboruntersuchungen ergaben eine leichte Anämie (Hämoglobin von 10,9 g/dl) und eine Leukozytose (17,2 × 10⁹ Zellen/l) mit erhöhten absoluten Werten von Neutrophilen, Monozyten und Eosinophilen bei einer normalen Anzahl von roten Blutkörperchen und Blutplättchen. Hautbiopsien bestätigten eine großflächige Sklerose in der oberen und mittleren Dermis und ein ausgeprägtes subepidermales Ödem (Abbildung 2a,b). Die Masson-Goldner-Trichrom-Färbung bestätigte eine ausgedehnte dermale kollagene Fibrose (Abbildung 2c,d). In der klinischen Korrelation wurde eine Morphea mit Überlappung von Lichen sclerosus et atrophicans diagnostiziert. Prominente läsionale eosinophile Granulozyten bestätigten den Verdacht auf eine immunvermittelte Nebenwirkung (immune-related adverse event, irAE). Manifestationen einer systemische Sklerose konnten ausgeschlossen werden. Interessanterweise ergab die radiologische Bildgebung eine komplette Remission (CR) des SCLC.</p><p>Wir leiteten Methotrexat 15 mg subkutan einmal wöchentlich sowie eine intravenöse Prednisolon-Behandlung mit bis zu 2 mg/kg Körpergewicht (KG) täglich ein, die eine Dosis von über 100 mg Prednisolonäquivalent über insgesamt 11 Tage mit dazwischen liegenden Reduktionsversuchen umfasste. Physiotherapie, juckreizstillende Mittel sowie eine multimodale Schmerzbehandlung wurden eingeleitet. Die Patientin erhielt psychoonkologische Unterstützung.</p><p>Aufgrund eines refraktären Hautzustandes wurde viermal eine extrakorporale Photopherese (ECP) durchgeführt und als zweiwöchentliche Therapie angesetzt. Zusätzlich wurde eine UVB-311 nm-Phototherapie mit einer Gesamtdosis von 2,89 J/m<sup>2</sup> durchgeführt. Durch diese Behandlung verbesserte sich der Hautzustand schrittweise, obwohl immer wieder Superinfektionen auftraten. Diese konnten meist durch eine topische antiseptische Therapie behandelt werden. Jedoch entwickelte die Patientin im Verlauf einen septischen Schock mit schwerer Hypotonie, Synkopen, erhöhten Entzündungsparametern und akuter Nierenschädigung. Meropenem 500 mg i.v. wurde dreimal täglich verabreicht. Korrespondierend zu den Abstrichbefunden der Hautulzerationen wurde <i>Staphylococcus lugdunensis</i> in Blutkulturen nachgewiesen, was zu einer Umstellung der Therapie auf Cefazolin 2 g i.v. dreimal täglich für 16 Tage in Übereinstimmung mit dem Resistogramm führte, was zu einer konsekutiven Zustandsbesserung beitrug.</p><p>Da die Hauterkrankung weiterhin schlecht kontrolliert war, wurde eine Kombinationsbehandlung mit Methotrexat und ECP empfohlen. Aufgrund der zunehmenden Nebenwirkungen und Beschwerden entschied sich die Patientin jedoch, die Behandlung abzubrechen, und bat darum, nach Hause entlassen zu werden. Nur zwei Wochen später führten weitere Superinfektionen der Hautulzerationen zu einem Exitus letalis.</p><p>Kutane Nebenwirkungen gehören zu den häufigsten TRAE nach Verabreichung von Checkpoint-Inhibitoren. Ihr Verlauf ist in der Regel mild und vergleichsweise leicht zu behandeln, wobei sowohl lokalisierte als auch generalisierte lichenoide und morpheaartige Eruptionen auftreten können.<span><sup>1-3</sup></span> Im Gegensatz zu ICI mit anti-CTLA-4-Antikörpern wurden vor allem Anti-PD-1-, aber auch Anti-PD-L1-Antikörper mit sklerodermiformen Eruptionen in Verbindung gebracht.<span><sup>4</sup></span> Eine Erklärung könnte die Induktion einer profibrotischen Typ-2-Makrophagen-Polarisation sein.<span><sup>5</sup></span> Die hier vorgestellten sklerodermiformen Effloreszenzen zeigten sich jedoch in Form eines schweren Overlaps von Morphea und Lichen sclerosus et atrophicans. Sie stellen ein sehr seltenes Phänomen dar, welches bisher nicht als TRAE nach Atezolizumab beschrieben wurde. Schwere TRAE wurden mit einem günstigen Behandlungsergebnis bei NSCLC in Verbindung gebracht.<span><sup>6</sup></span> Interessanterweise entwickelte die Patientin eine komplette Remission des SCLC. Die kutane TRAE war jedoch so schwer, dass sie trotz multimodaler Behandlungsstrategien den Komplikationen dieser TRAE erlag.</p><p>Zusammenfassend beschreiben wir einen einzigartigen Fall, der die Chancen, Risiken und kutanen Komplikationen einer ICI-Therapie aufzeigt. Unser Fall veranschaulicht auf dramatische Weise, dass lebensbedrohliche kutane TRAE infolge von ICI zwar selten sind, ihr Auftreten jedoch ernst genommen, überwacht und frühzeitig multimodal behandelt werden sollte.</p><p>Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>G.G. hat Honorare von BMS, Almirall Hermal, Janssen-Cilag und Mylan erhalten und Reisekostenerstattungen von MSD. J.K. hat Honorare von Bristol-Myers Squibb und Sanofi Genzyme sowie Reisekostenzuschüsse von SUN Pharma und Pierre Fabre erhalten, alles außerhalb der eingereichten Arbeit. C.G. ist Mitglied der Beiräte von BMS, Immunocore, MSD, Novartis, Pierre-Fabre, Sanofi, SUN Pharma und Sysmex. C.G. hat Honorare von BMS, GSK, Immunocore, MSD, Novartis, Pierre-Fabre, Sanofi, SUN Pharma und Sysmex erhalten. Zusätzlich hat C.G. Reisekostenerstattungen von BMS, Pierre-Fabre und SUN Pharma erhalten und ist ein unbezahltes Vorstandsmitglied von DeCOG (ADO), der Hiege Stiftung und der Roggenbuck-Stiftung. Außerdem ist C.G. Gründer von Dermagnostix und Dermagnostix R&D. Alle anderen Autoren haben keine Interessenskonflikte angegeben.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 3","pages":"378-380"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2025-03-07","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15599_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15599_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Sehr geehrte Herausgeber,
Der Anti-PD-L1-Immun-Checkpoint-Inhibitor (ICI) Atezolizumab ist eine Standardtherapie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms (SCLC). Obwohl kutane behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (treatment-related adverse events, TRAE) sehr häufig sind, sind sklerodermiforme Eruptionen ein sehr seltenes Phänomen.
Eine 65-jährige Patientin mit metastasiertem SCLC stellte sich in unserer Klinik in reduziertem Allgemeinzustand mit Hautveränderungen vor, die unter einer palliativ intendierten kombinierten Immunchemotherapie mit Atezolizumab (1200 mg d1), Carboplatin (AUC5 d1) und Etoposid (100 mg/m2 d1–3) aufgetreten waren. Nach vier Zyklen der Kombinationstherapie (alle 3 Wochen) hatte sie vier weitere Zyklen einer Atezolizumab-Monotherapie (alle 3 Wochen) erhalten. Die Patientin gab keine vorbestehenden Komorbiditäten, Allergien oder Dauermedikation an. Sie zeigte ausgedehnte Indurationen der Haut mit Erosionen, Fibrinbelägen und Krusten, die an den Oberschenkeln und im Unterbauch besonders ausgeprägt waren (Abbildung 1).
Gleichzeitig war die Patientin von starkem Juckreiz und Schmerzen belastet. Die sklerotische Hautbeteiligung führte zu einer erheblichen Einschränkung der alltäglichen Mobilität und limitierte die Atemexkursionen. Ein Dermatological Life Quality Index (DLQI) von 23 und ein Leistungsstatus der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) von 2 spiegelten eine ausgeprägte und emotional belastende Situation wider. Die vorherige topische Glukokortikosteroid-Behandlung war sine effectu.
Die onkologische Behandlung wurde im Rahmen der Erstvorstellung in domo pausiert. Die Laboruntersuchungen ergaben eine leichte Anämie (Hämoglobin von 10,9 g/dl) und eine Leukozytose (17,2 × 10⁹ Zellen/l) mit erhöhten absoluten Werten von Neutrophilen, Monozyten und Eosinophilen bei einer normalen Anzahl von roten Blutkörperchen und Blutplättchen. Hautbiopsien bestätigten eine großflächige Sklerose in der oberen und mittleren Dermis und ein ausgeprägtes subepidermales Ödem (Abbildung 2a,b). Die Masson-Goldner-Trichrom-Färbung bestätigte eine ausgedehnte dermale kollagene Fibrose (Abbildung 2c,d). In der klinischen Korrelation wurde eine Morphea mit Überlappung von Lichen sclerosus et atrophicans diagnostiziert. Prominente läsionale eosinophile Granulozyten bestätigten den Verdacht auf eine immunvermittelte Nebenwirkung (immune-related adverse event, irAE). Manifestationen einer systemische Sklerose konnten ausgeschlossen werden. Interessanterweise ergab die radiologische Bildgebung eine komplette Remission (CR) des SCLC.
Wir leiteten Methotrexat 15 mg subkutan einmal wöchentlich sowie eine intravenöse Prednisolon-Behandlung mit bis zu 2 mg/kg Körpergewicht (KG) täglich ein, die eine Dosis von über 100 mg Prednisolonäquivalent über insgesamt 11 Tage mit dazwischen liegenden Reduktionsversuchen umfasste. Physiotherapie, juckreizstillende Mittel sowie eine multimodale Schmerzbehandlung wurden eingeleitet. Die Patientin erhielt psychoonkologische Unterstützung.
Aufgrund eines refraktären Hautzustandes wurde viermal eine extrakorporale Photopherese (ECP) durchgeführt und als zweiwöchentliche Therapie angesetzt. Zusätzlich wurde eine UVB-311 nm-Phototherapie mit einer Gesamtdosis von 2,89 J/m2 durchgeführt. Durch diese Behandlung verbesserte sich der Hautzustand schrittweise, obwohl immer wieder Superinfektionen auftraten. Diese konnten meist durch eine topische antiseptische Therapie behandelt werden. Jedoch entwickelte die Patientin im Verlauf einen septischen Schock mit schwerer Hypotonie, Synkopen, erhöhten Entzündungsparametern und akuter Nierenschädigung. Meropenem 500 mg i.v. wurde dreimal täglich verabreicht. Korrespondierend zu den Abstrichbefunden der Hautulzerationen wurde Staphylococcus lugdunensis in Blutkulturen nachgewiesen, was zu einer Umstellung der Therapie auf Cefazolin 2 g i.v. dreimal täglich für 16 Tage in Übereinstimmung mit dem Resistogramm führte, was zu einer konsekutiven Zustandsbesserung beitrug.
Da die Hauterkrankung weiterhin schlecht kontrolliert war, wurde eine Kombinationsbehandlung mit Methotrexat und ECP empfohlen. Aufgrund der zunehmenden Nebenwirkungen und Beschwerden entschied sich die Patientin jedoch, die Behandlung abzubrechen, und bat darum, nach Hause entlassen zu werden. Nur zwei Wochen später führten weitere Superinfektionen der Hautulzerationen zu einem Exitus letalis.
Kutane Nebenwirkungen gehören zu den häufigsten TRAE nach Verabreichung von Checkpoint-Inhibitoren. Ihr Verlauf ist in der Regel mild und vergleichsweise leicht zu behandeln, wobei sowohl lokalisierte als auch generalisierte lichenoide und morpheaartige Eruptionen auftreten können.1-3 Im Gegensatz zu ICI mit anti-CTLA-4-Antikörpern wurden vor allem Anti-PD-1-, aber auch Anti-PD-L1-Antikörper mit sklerodermiformen Eruptionen in Verbindung gebracht.4 Eine Erklärung könnte die Induktion einer profibrotischen Typ-2-Makrophagen-Polarisation sein.5 Die hier vorgestellten sklerodermiformen Effloreszenzen zeigten sich jedoch in Form eines schweren Overlaps von Morphea und Lichen sclerosus et atrophicans. Sie stellen ein sehr seltenes Phänomen dar, welches bisher nicht als TRAE nach Atezolizumab beschrieben wurde. Schwere TRAE wurden mit einem günstigen Behandlungsergebnis bei NSCLC in Verbindung gebracht.6 Interessanterweise entwickelte die Patientin eine komplette Remission des SCLC. Die kutane TRAE war jedoch so schwer, dass sie trotz multimodaler Behandlungsstrategien den Komplikationen dieser TRAE erlag.
Zusammenfassend beschreiben wir einen einzigartigen Fall, der die Chancen, Risiken und kutanen Komplikationen einer ICI-Therapie aufzeigt. Unser Fall veranschaulicht auf dramatische Weise, dass lebensbedrohliche kutane TRAE infolge von ICI zwar selten sind, ihr Auftreten jedoch ernst genommen, überwacht und frühzeitig multimodal behandelt werden sollte.
Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.
G.G. hat Honorare von BMS, Almirall Hermal, Janssen-Cilag und Mylan erhalten und Reisekostenerstattungen von MSD. J.K. hat Honorare von Bristol-Myers Squibb und Sanofi Genzyme sowie Reisekostenzuschüsse von SUN Pharma und Pierre Fabre erhalten, alles außerhalb der eingereichten Arbeit. C.G. ist Mitglied der Beiräte von BMS, Immunocore, MSD, Novartis, Pierre-Fabre, Sanofi, SUN Pharma und Sysmex. C.G. hat Honorare von BMS, GSK, Immunocore, MSD, Novartis, Pierre-Fabre, Sanofi, SUN Pharma und Sysmex erhalten. Zusätzlich hat C.G. Reisekostenerstattungen von BMS, Pierre-Fabre und SUN Pharma erhalten und ist ein unbezahltes Vorstandsmitglied von DeCOG (ADO), der Hiege Stiftung und der Roggenbuck-Stiftung. Außerdem ist C.G. Gründer von Dermagnostix und Dermagnostix R&D. Alle anderen Autoren haben keine Interessenskonflikte angegeben.
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