Wiederbehaarung bei einem Patienten mit Alopecia universalis und Psoriasis vulgaris unter Deucravacitinib-Therapie

IF 5.5 4区 医学 Q1 DERMATOLOGY
Caroline Jonas, Michael P. Schön, Rotraut Mössner
{"title":"Wiederbehaarung bei einem Patienten mit Alopecia universalis und Psoriasis vulgaris unter Deucravacitinib-Therapie","authors":"Caroline Jonas,&nbsp;Michael P. Schön,&nbsp;Rotraut Mössner","doi":"10.1111/ddg.15603_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Sehr geehrte Herausgeber,</p><p>Alopecia areata (AA) ist eine Autoimmunkrankheit, die sich durch nicht vernarbende haarlose Flecken äußert.<span><sup>1</sup></span> Bei der Alopecia universalis (AU), der ausgedehntesten und am schwierigsten zu behandelnden Form,<span><sup>2</sup></span> fällt das Haar am gesamten Integument aus. Schätzungen zufolge ist das Risiko bei Patienten mit Psoriasis etwa 2,71-mal höher für die Entwicklung einer AA, als bei gesunden Patienten.<span><sup>3</sup></span> Wir berichten über einen Patienten mit Psoriasis und AU, bei dem unter Systemtherapie mit Deucravacitinib das Haar wieder wuchs.</p><p>Ein 51-jähriger Mann mit europäischer Herkunft stellte sich mit seit etwa 7 Monaten bestehendem nahezu kompletten Haarverlust sowie einer seit 18 Jahren bekannten und unter topischer Therapie unzureichend kontrollierten Psoriasis vulgaris vor (<i>Psoriasis Area and Severity Index</i> [PASI] = 8). Begleiterkrankungen bestanden nicht und der Patient nahm keine Dauermedikation ein. Der Haarverlust habe zunächst im Bartbereich begonnen und sich dann auf die behaarte Kopfhaut ausgedehnt. Im Verlauf von 4 Wochen seien sämtliche Körperhaare ausgefallen (Abbildung 1a–c). Die Diagnose Alopecia universalis wurde anhand des klinischen Bildes gestellt. Die Manifestation der AA war nicht mit akuter Verschlechterung der Psoriasis assoziiert. Topische Therapien mit Pimecrolimus und Kortikosteroiden an der Kopfhaut und an den Augenbrauen erbrachten keine Besserung. Der <i>Severity of Alopecia Tool Score</i> (SALT-Score) betrug 97 von 100 und der <i>Dermatology Life Quality Index</i> (DLQI) 19 von 30.</p><p>Wir therapierten die Psoriasis vulgaris zulassungskonform mit dem Tyrosinkinase-2-Inhibitor (TYK2-I) Deucravacitinib (6 mg/d). Die psoriatischen Hautveränderungen besserten sich innerhalb von 3 Monaten deutlich (PASI = 4). Ferner wuchsen die Augenbrauen, gefolgt von Körperbehaarung und Kopfhaar. Bereits bei der ersten Kontrolle nach sechs Wochen zeigten sich vereinzelt etwa 1 cm lange weiße Haare an Kopfhaut und Augenbrauen. Im weiteren Verlauf kam es zu kontinuierlichem Haarwachstum, so dass nach 7 Monaten unter Therapie mit Deucravacitinib die Haare weitgehend nachgewachsen waren und nur noch am Hinterkopf sowie genital einzelne kahle Stellen bestanden (SALT-Score 13) (Abbildung 2a–c). Unerwünschte Ereignisse traten nicht auf. Der DLQI verbesserte sich auf 3 von 30.</p><p>Januskinasen (JAK) sind eine Familie von Tyrosinkinasen mit den vier Mitgliedern JAK1, 2 und 3 sowie TYK2. Sie leiten Signale verschiedener Zytokinrezeptoren intrazellulär weiter. Dabei agiert JAK2 als Homo- oder Heterodimer, JAK1, JAK3 und TYK2 hingegen ausschließlich als Heterodimere. Deucravacitinib hemmt allosterisch TYK2 und ist als einziger Januskinase-Inhibitor (JAK-I) zur Therapie der Psoriasis vulgaris zugelassen.<span><sup>4</sup></span> Der Schwerpunkt klinischer Studien bei der AA lag bisher vor allem auf Inhibitoren von JAK1–3.<span><sup>5</sup></span> Zur oralen Therapie der schweren AA sind inzwischen der JAK-I Baricitinib, der besonders JAK1 und JAK2 inhibiert, und Ritlecitinib, ein selektiver dualer Inhibitor von JAK3 und von Tyrosinkinasen der Tec Familie, zugelassen.<span><sup>6</sup></span> Es ist bisher nicht abschließend geklärt, die Hemmung welcher Zytokinsignale durch JAK-I für die Therapieantwort bei AA verantwortlich ist. Möglicherweise spielen Typ-I-Interferone (IFN) und Interleukin (IL)-15 eine Rolle, wobei aber auch IL-12- und IL-23- vermittelte Prozesse beteiligt sein könnten.<span><sup>5, 7</sup></span> Die Tyrosinkinase 2 ist an der Signaltransduktion mehrerer Zytokine wie IFN, IL-12 und IL-23, nicht jedoch IL-15, beteiligt.</p><p>Unseres Wissens stellen wir hier einen der ersten Fälle vor, bei dem eine AU als schwere Verlaufsform einer AA mit Deucravacitinib, dem einzigen bisher zugelassenen spezifischen TYK2-I, erfolgreich behandelt wurde. Auch wenn wir letztlich nicht ausschließen können, dass das Nachwachsen der Haare spontan erfolgte, sprechen der enge zeitliche Zusammenhang mit der Deucravacitinib-Therapie, der Umfang der Wiederbehaarung sowie die eher schlechte Prognose einer AU gegen ein rein spontanes Nachwachsen. Angesichts des guten Sicherheitsprofils von Deucravacitinib sind unseres Erachtens kontrollierte Studien zur Evaluation seiner Wirkung auf die AA empfehlenswert.</p><p>Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>C.J. hat keine Interessenskonflikte. M.P.S. erhielt Berater- oder Vortragshonorare oder nahm an Studien folgender Firmen teil: AbbVie, Almirall, Biogen, BMS, Celltrion, Janssen, Leo, Lilly, Novartis, Scinai, UCB. R.M. erhielt Berater- oder Vortragshonorare oder nahm an Studien folgender Firmen teil: Abbvie, Allmirall, Biogen, Böhringer-Ingelheim, Celgene, Janssen-Cilag, Leo, Lilly, MSD SHARP &amp; DOHME, Novartis, Pfizer and UCB.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"23 2","pages":"234-236"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2025-02-06","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15603_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15603_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract

Sehr geehrte Herausgeber,

Alopecia areata (AA) ist eine Autoimmunkrankheit, die sich durch nicht vernarbende haarlose Flecken äußert.1 Bei der Alopecia universalis (AU), der ausgedehntesten und am schwierigsten zu behandelnden Form,2 fällt das Haar am gesamten Integument aus. Schätzungen zufolge ist das Risiko bei Patienten mit Psoriasis etwa 2,71-mal höher für die Entwicklung einer AA, als bei gesunden Patienten.3 Wir berichten über einen Patienten mit Psoriasis und AU, bei dem unter Systemtherapie mit Deucravacitinib das Haar wieder wuchs.

Ein 51-jähriger Mann mit europäischer Herkunft stellte sich mit seit etwa 7 Monaten bestehendem nahezu kompletten Haarverlust sowie einer seit 18 Jahren bekannten und unter topischer Therapie unzureichend kontrollierten Psoriasis vulgaris vor (Psoriasis Area and Severity Index [PASI] = 8). Begleiterkrankungen bestanden nicht und der Patient nahm keine Dauermedikation ein. Der Haarverlust habe zunächst im Bartbereich begonnen und sich dann auf die behaarte Kopfhaut ausgedehnt. Im Verlauf von 4 Wochen seien sämtliche Körperhaare ausgefallen (Abbildung 1a–c). Die Diagnose Alopecia universalis wurde anhand des klinischen Bildes gestellt. Die Manifestation der AA war nicht mit akuter Verschlechterung der Psoriasis assoziiert. Topische Therapien mit Pimecrolimus und Kortikosteroiden an der Kopfhaut und an den Augenbrauen erbrachten keine Besserung. Der Severity of Alopecia Tool Score (SALT-Score) betrug 97 von 100 und der Dermatology Life Quality Index (DLQI) 19 von 30.

Wir therapierten die Psoriasis vulgaris zulassungskonform mit dem Tyrosinkinase-2-Inhibitor (TYK2-I) Deucravacitinib (6 mg/d). Die psoriatischen Hautveränderungen besserten sich innerhalb von 3 Monaten deutlich (PASI = 4). Ferner wuchsen die Augenbrauen, gefolgt von Körperbehaarung und Kopfhaar. Bereits bei der ersten Kontrolle nach sechs Wochen zeigten sich vereinzelt etwa 1 cm lange weiße Haare an Kopfhaut und Augenbrauen. Im weiteren Verlauf kam es zu kontinuierlichem Haarwachstum, so dass nach 7 Monaten unter Therapie mit Deucravacitinib die Haare weitgehend nachgewachsen waren und nur noch am Hinterkopf sowie genital einzelne kahle Stellen bestanden (SALT-Score 13) (Abbildung 2a–c). Unerwünschte Ereignisse traten nicht auf. Der DLQI verbesserte sich auf 3 von 30.

Januskinasen (JAK) sind eine Familie von Tyrosinkinasen mit den vier Mitgliedern JAK1, 2 und 3 sowie TYK2. Sie leiten Signale verschiedener Zytokinrezeptoren intrazellulär weiter. Dabei agiert JAK2 als Homo- oder Heterodimer, JAK1, JAK3 und TYK2 hingegen ausschließlich als Heterodimere. Deucravacitinib hemmt allosterisch TYK2 und ist als einziger Januskinase-Inhibitor (JAK-I) zur Therapie der Psoriasis vulgaris zugelassen.4 Der Schwerpunkt klinischer Studien bei der AA lag bisher vor allem auf Inhibitoren von JAK1–3.5 Zur oralen Therapie der schweren AA sind inzwischen der JAK-I Baricitinib, der besonders JAK1 und JAK2 inhibiert, und Ritlecitinib, ein selektiver dualer Inhibitor von JAK3 und von Tyrosinkinasen der Tec Familie, zugelassen.6 Es ist bisher nicht abschließend geklärt, die Hemmung welcher Zytokinsignale durch JAK-I für die Therapieantwort bei AA verantwortlich ist. Möglicherweise spielen Typ-I-Interferone (IFN) und Interleukin (IL)-15 eine Rolle, wobei aber auch IL-12- und IL-23- vermittelte Prozesse beteiligt sein könnten.5, 7 Die Tyrosinkinase 2 ist an der Signaltransduktion mehrerer Zytokine wie IFN, IL-12 und IL-23, nicht jedoch IL-15, beteiligt.

Unseres Wissens stellen wir hier einen der ersten Fälle vor, bei dem eine AU als schwere Verlaufsform einer AA mit Deucravacitinib, dem einzigen bisher zugelassenen spezifischen TYK2-I, erfolgreich behandelt wurde. Auch wenn wir letztlich nicht ausschließen können, dass das Nachwachsen der Haare spontan erfolgte, sprechen der enge zeitliche Zusammenhang mit der Deucravacitinib-Therapie, der Umfang der Wiederbehaarung sowie die eher schlechte Prognose einer AU gegen ein rein spontanes Nachwachsen. Angesichts des guten Sicherheitsprofils von Deucravacitinib sind unseres Erachtens kontrollierte Studien zur Evaluation seiner Wirkung auf die AA empfehlenswert.

Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.

C.J. hat keine Interessenskonflikte. M.P.S. erhielt Berater- oder Vortragshonorare oder nahm an Studien folgender Firmen teil: AbbVie, Almirall, Biogen, BMS, Celltrion, Janssen, Leo, Lilly, Novartis, Scinai, UCB. R.M. erhielt Berater- oder Vortragshonorare oder nahm an Studien folgender Firmen teil: Abbvie, Allmirall, Biogen, Böhringer-Ingelheim, Celgene, Janssen-Cilag, Leo, Lilly, MSD SHARP & DOHME, Novartis, Pfizer and UCB.

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期刊介绍: The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements. Papers can be submitted in German or English language. In the print version, all articles are published in German. In the online version, all key articles are published in English.
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