Janika Gosmann, Johannes Kleemann, Roland Kaufmann
{"title":"Modifizierter Rotationslappen nach Mustardé mit Vollhauttransplantat zur Rekonstruktion großer Wangendefekte","authors":"Janika Gosmann, Johannes Kleemann, Roland Kaufmann","doi":"10.1111/ddg.15530_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Defektdeckungen sind in der Wangen- und angrenzenden Unterlidregion aus funktionell-ästhetischer Sicht anspruchsvoll und bei älteren Menschen im Rahmen von Tumoroperationen eine häufige Herausforderung. So sind hier neben der Berücksichtigung von Kontur, Volumen, Farbe und Textur unter anderem auch die Symmetrieverhältnisse zur Gegenseite und das Risiko eines Ektropiums am Unterlid zu beachten.<span><sup>1</sup></span> Ein Primärverschluss unter Berücksichtigung des Faltenverlaufs bleibt kleineren Defekten vorbehalten. Große Wangendefekte erfordern hingegen vorzugsweise einen Verschluss durch Lappenplastiken, den Einsatz von Hauttransplantaten oder deren Kombination.<span><sup>2, 3</sup></span> Lappenplastiken sind prinzipiell zu favorisieren, da sie sich farblich besser einfügen und die Lappendicke an den Defekt angepasst werden kann, wohingegen Hauttransplantate neben dem Nachteil der Depigmentierung gerade in Lidnähe noch spät zur Kontraktion neigen können.<span><sup>4</sup></span> An der Wange und angrenzenden Unterlidregion eignet sich vor allem der von lateral eingeschwenkte Rotationslappen nach Mustardé.<span><sup>5</sup></span></p><p>Wir stellen zwei Fälle vor, bei denen infolge multipler Begleiterkrankungen, fortgesetzter Antikoagulation und beeinträchtigter Compliance eine möglichst einfache Defektdeckung favorisiert werden sollte. Nach erfolgter mikrographisch kontrollierter Chirurgie einer kutanen Neoplasie im Wangen- und angrenzenden Unterlidbereich entschieden wir uns zugunsten einer modifizierten Wangenrotationslappenplastik mit kombiniertem Vollhauttransplantat. Diese konnten wir in vergleichbaren Fällen auch im zentralen Wangen- und Unterlidbereich wiederholt erfolgreich durchführen.</p><p>Im Fall 1 handelte es sich um eine 83-jährige Patientin mit einer Lentigo maligna an der linken lateralen Wange, die bis an den Kanthus und das laterale Unterlid heranreichte. Nach mikrographisch kontrollierter Chirurgie betrug die Defektgröße circa 6 × 6 cm (Abbildung 1a).<span><sup>6</sup></span> Im Fall 2 handelte es sich um eine 82-jährige Patienten mit einem mäßig differenzierten spinozellulären Karzinom, das im Bereich der rechten lateralen Wange ebenfalls das laterale Unterlid mit einbezog. Die Defektgröße nach vollständiger Exzision betrug circa 3 × 3,5 cm (Abbildung 2a).</p><p>Aufgrund von Lokalisation und Defektgröße wählten wir in beiden Fällen eine modifizierte Rotationslappenplastik in Kombination mit einem aus dem kaudalwärts gelegenen Ausgleichsdreieck entnommenen Vollhauttransplantat zum Verschluss des Hebedefektes.</p><p>Bei einem Wangen-Rotationslappen nach Mustardé erfolgt die Schnittführung des Lappens vom kranialen Defektpol nach lateral entlang des Jochbogens und dann präaurikulär nach kaudal. Der frei präparierte Lappen wird nach medial in den Defekt hinein rotiert und üblicherweise hier, wie auch zur Vermeidung einer kaudalwärts gerichteten Zugspannung, zusätzlich am lateralen oberen Pol fixiert. Kaudal des Primärdefektes wird bedarfsweise ein Ausgleichsdreieck entfernt (Abbildung 3a). Ein Ektropium als Komplikation der Lappenplastik trat in keinem der beiden Fälle auf (Abbildungen 1, 2). Die Nachbeobachtungszeit betrug im Fall 1 4 Monate und im Fall 2 3 Monate.</p><p>Bei unseren Fallbeispielen wurde der Lappen hingegen nach Anlegen eines großzügigen kaudalen Ausgleichsdreiecks und ausgiebiger subkutaner Mobilisation vergleichsweise spannungsarm in den Wangendefekt verlagert. Hierbei wurde ein lateral entstehender Sekundärdefekt in Kauf genommen (Abbildung 2b). Dieser wurde dabei nur soweit verschlossen, als es ohne Spannung möglich war. Der verbleibende laterokraniale Restdefekt ließ sich mittels der überschüssigen sorgfältig entfetteten Vollhaut des Ausgleichsdreiecks problemlos in gleicher Sitzung decken (Abbildungen 1, 3).</p><p>Unsere vereinfachte Variante des Wangenrotationslappens eignet sich besonders für Ältere, bei denen die Elastizität und Dehnbarkeit der Wangenhaut infolge von Voroperationen, Narben oder Altersatrophie eingeschränkt ist oder das angrenzende Unterlid infolge einer Atrophie Ektropium-gefährdet erscheint. Durch ein großzügig nach kaudal bemessenes Ausgleichsdreieck und den Verzicht auf einen primären Verschluss des lateralen Hebedefektes im Rahmen der Rotation gelingt eine besonders spannungsfreie Verlagerung des Lappens im Sinne einer einfachen Rotationsverschiebung mit ausreichender Unterpolsterung der Lidregion. Unabhängig davon kann der Lappen analog einer Vorgehensweise nach Mustardé laterokranial in der Tiefe fixiert werden, um jegliche Zuglast am Unterlid zu vermeiden. Die überschüssige und relativ großflächig anfallende Vollhaut des Ausgleichsdreieck lässt sich nach Entfetten problemlos mit wenigen Fixationsnähten in den Hebedefekt einbringen. Die Region des Hebedefektes eignet sich hervorragend als Empfängerregion des aus der ipsilateral angrenzenden Wangenregion entnommenen Vollhauttransplantates. Dieses gewährleistet neben dem einzeitigen Wundverschluss ein ästhetisch optimiertes Resultat. Die hier gewählte Modifikation des kombinierten Defektverschlusses lässt sich in Lokalanästhesie auch bei multimorbiden und immobilen Patienten unkompliziert durchführen, wobei eine großzügige Infiltration im Sinne einer Hydrodissektion die Mobilisation und Blutungskontrolle erheblich erleichtert. Die Patienten werden in der Regel 3 bis 6 Monate postoperativ nachbeobachtet.</p><p>Die Technik nach Mustardé stellt eine Modifikation des Wangen-Rotationslappen nach Esser (1918) dar. Bei der Lappenplastik nach Esser verläuft die Schnittführung infraorbital vom Defektrand aus nach lateral in die Temporalregion. Der Schnitt wird entlang dem seitlichen Haaransatz nach präaurikulär weitergeführt. Im Gegensatz zur Technik nach Mustardé endet die Schnittführung letztlich submandibulär. Temporale, präaurikuläre und mandibuläre Hautaufwerfungen werden unter Resektion von Burow-Dreiecken ausgeglichen.<span><sup>7</sup></span></p><p>Juri und Juri (1979) kombinierten den zervikalen Verschiebelappen mit dem Wangenrotationslappen zu einem anterior gestielten zervikofazialen Rotationsverschiebelappen. Die Vorteile dieses Lappens sind unauffälligere Narben und ein Primärverschluss des Entnahmedefektes durch Mobilisation der Wundränder.<span><sup>8</sup></span></p><p>Die Implementierung unserer Modifikation mittels Ergänzung eines Vollhauttransplantates im Bereich des lateralen Hebedefektes wäre auch bei den Operationstechniken nach Esser beziehungsweise Juri und Juri denkbar, insbesondere zur Zugentlastung bei großen Defekten.</p><p>Keiner.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"22 11","pages":"1573-1575"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2024-11-07","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15530_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15530_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Defektdeckungen sind in der Wangen- und angrenzenden Unterlidregion aus funktionell-ästhetischer Sicht anspruchsvoll und bei älteren Menschen im Rahmen von Tumoroperationen eine häufige Herausforderung. So sind hier neben der Berücksichtigung von Kontur, Volumen, Farbe und Textur unter anderem auch die Symmetrieverhältnisse zur Gegenseite und das Risiko eines Ektropiums am Unterlid zu beachten.1 Ein Primärverschluss unter Berücksichtigung des Faltenverlaufs bleibt kleineren Defekten vorbehalten. Große Wangendefekte erfordern hingegen vorzugsweise einen Verschluss durch Lappenplastiken, den Einsatz von Hauttransplantaten oder deren Kombination.2, 3 Lappenplastiken sind prinzipiell zu favorisieren, da sie sich farblich besser einfügen und die Lappendicke an den Defekt angepasst werden kann, wohingegen Hauttransplantate neben dem Nachteil der Depigmentierung gerade in Lidnähe noch spät zur Kontraktion neigen können.4 An der Wange und angrenzenden Unterlidregion eignet sich vor allem der von lateral eingeschwenkte Rotationslappen nach Mustardé.5
Wir stellen zwei Fälle vor, bei denen infolge multipler Begleiterkrankungen, fortgesetzter Antikoagulation und beeinträchtigter Compliance eine möglichst einfache Defektdeckung favorisiert werden sollte. Nach erfolgter mikrographisch kontrollierter Chirurgie einer kutanen Neoplasie im Wangen- und angrenzenden Unterlidbereich entschieden wir uns zugunsten einer modifizierten Wangenrotationslappenplastik mit kombiniertem Vollhauttransplantat. Diese konnten wir in vergleichbaren Fällen auch im zentralen Wangen- und Unterlidbereich wiederholt erfolgreich durchführen.
Im Fall 1 handelte es sich um eine 83-jährige Patientin mit einer Lentigo maligna an der linken lateralen Wange, die bis an den Kanthus und das laterale Unterlid heranreichte. Nach mikrographisch kontrollierter Chirurgie betrug die Defektgröße circa 6 × 6 cm (Abbildung 1a).6 Im Fall 2 handelte es sich um eine 82-jährige Patienten mit einem mäßig differenzierten spinozellulären Karzinom, das im Bereich der rechten lateralen Wange ebenfalls das laterale Unterlid mit einbezog. Die Defektgröße nach vollständiger Exzision betrug circa 3 × 3,5 cm (Abbildung 2a).
Aufgrund von Lokalisation und Defektgröße wählten wir in beiden Fällen eine modifizierte Rotationslappenplastik in Kombination mit einem aus dem kaudalwärts gelegenen Ausgleichsdreieck entnommenen Vollhauttransplantat zum Verschluss des Hebedefektes.
Bei einem Wangen-Rotationslappen nach Mustardé erfolgt die Schnittführung des Lappens vom kranialen Defektpol nach lateral entlang des Jochbogens und dann präaurikulär nach kaudal. Der frei präparierte Lappen wird nach medial in den Defekt hinein rotiert und üblicherweise hier, wie auch zur Vermeidung einer kaudalwärts gerichteten Zugspannung, zusätzlich am lateralen oberen Pol fixiert. Kaudal des Primärdefektes wird bedarfsweise ein Ausgleichsdreieck entfernt (Abbildung 3a). Ein Ektropium als Komplikation der Lappenplastik trat in keinem der beiden Fälle auf (Abbildungen 1, 2). Die Nachbeobachtungszeit betrug im Fall 1 4 Monate und im Fall 2 3 Monate.
Bei unseren Fallbeispielen wurde der Lappen hingegen nach Anlegen eines großzügigen kaudalen Ausgleichsdreiecks und ausgiebiger subkutaner Mobilisation vergleichsweise spannungsarm in den Wangendefekt verlagert. Hierbei wurde ein lateral entstehender Sekundärdefekt in Kauf genommen (Abbildung 2b). Dieser wurde dabei nur soweit verschlossen, als es ohne Spannung möglich war. Der verbleibende laterokraniale Restdefekt ließ sich mittels der überschüssigen sorgfältig entfetteten Vollhaut des Ausgleichsdreiecks problemlos in gleicher Sitzung decken (Abbildungen 1, 3).
Unsere vereinfachte Variante des Wangenrotationslappens eignet sich besonders für Ältere, bei denen die Elastizität und Dehnbarkeit der Wangenhaut infolge von Voroperationen, Narben oder Altersatrophie eingeschränkt ist oder das angrenzende Unterlid infolge einer Atrophie Ektropium-gefährdet erscheint. Durch ein großzügig nach kaudal bemessenes Ausgleichsdreieck und den Verzicht auf einen primären Verschluss des lateralen Hebedefektes im Rahmen der Rotation gelingt eine besonders spannungsfreie Verlagerung des Lappens im Sinne einer einfachen Rotationsverschiebung mit ausreichender Unterpolsterung der Lidregion. Unabhängig davon kann der Lappen analog einer Vorgehensweise nach Mustardé laterokranial in der Tiefe fixiert werden, um jegliche Zuglast am Unterlid zu vermeiden. Die überschüssige und relativ großflächig anfallende Vollhaut des Ausgleichsdreieck lässt sich nach Entfetten problemlos mit wenigen Fixationsnähten in den Hebedefekt einbringen. Die Region des Hebedefektes eignet sich hervorragend als Empfängerregion des aus der ipsilateral angrenzenden Wangenregion entnommenen Vollhauttransplantates. Dieses gewährleistet neben dem einzeitigen Wundverschluss ein ästhetisch optimiertes Resultat. Die hier gewählte Modifikation des kombinierten Defektverschlusses lässt sich in Lokalanästhesie auch bei multimorbiden und immobilen Patienten unkompliziert durchführen, wobei eine großzügige Infiltration im Sinne einer Hydrodissektion die Mobilisation und Blutungskontrolle erheblich erleichtert. Die Patienten werden in der Regel 3 bis 6 Monate postoperativ nachbeobachtet.
Die Technik nach Mustardé stellt eine Modifikation des Wangen-Rotationslappen nach Esser (1918) dar. Bei der Lappenplastik nach Esser verläuft die Schnittführung infraorbital vom Defektrand aus nach lateral in die Temporalregion. Der Schnitt wird entlang dem seitlichen Haaransatz nach präaurikulär weitergeführt. Im Gegensatz zur Technik nach Mustardé endet die Schnittführung letztlich submandibulär. Temporale, präaurikuläre und mandibuläre Hautaufwerfungen werden unter Resektion von Burow-Dreiecken ausgeglichen.7
Juri und Juri (1979) kombinierten den zervikalen Verschiebelappen mit dem Wangenrotationslappen zu einem anterior gestielten zervikofazialen Rotationsverschiebelappen. Die Vorteile dieses Lappens sind unauffälligere Narben und ein Primärverschluss des Entnahmedefektes durch Mobilisation der Wundränder.8
Die Implementierung unserer Modifikation mittels Ergänzung eines Vollhauttransplantates im Bereich des lateralen Hebedefektes wäre auch bei den Operationstechniken nach Esser beziehungsweise Juri und Juri denkbar, insbesondere zur Zugentlastung bei großen Defekten.
期刊介绍:
The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements.
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