Soll „Rasse“ aus dem Grundgesetz gestrichen werden?

Niklas Eickhoff
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Abstract

Im deutschen Rechtssystem nimmt der Rassenbegriff eine wichtige, wenn auch umstrittene Position ein. Das Bedürfnis ihn zu streichen, ist nachvollziehbar, aber nicht selbstverständlich, denn nicht alle Gründe für die Streichung sind auch gute Gründe. Ein zentrales Problem des Ausdrucks „Rasse“ ist seine Ambiguität, sowohl als Vehikel für eine naturwissenschaftlich-biologische als auch für eine sozial-konstruktivistischen Kategorisierung von Individuen herzuhalten. Eine Entscheidung für die eine oder andere Interpretation ist simpliciter, weder sinnvoll noch zielführend. Sinnvoller ist es, sich bewusst zu machen, in welcher Funktion der Rassenbegriff gebraucht wird und wie diese Funktion rechtlich einzufrieden ist. Biologisch informierte Gründe zur Streichung von „Rasse“ haben das Problem, die Existenz menschlicher Rassen zwar falsifizieren zu können, doch damit gleichzeitig den semantischen Bezug nicht mehr passend abzubilden. Erschwerend kommt hinzu, dass biologische Kriterien für das Vorliegen menschlicher Rassen deren Existenz präsupponieren und so naturalistische bzw. essentialistische Tendenzen begrifflich legitimieren, auch wenn der Begriff selbst leer ist. Stattdessen müssen vielmehr biologisch determinierte Eigenschaften als relevant angesehen werden, die soziale Einordnungen ermöglichen: Hautfarbe bzw. Körperschema. Diese scheinen den entscheidenden Faktor der Begriffsentwicklung und seines Gebrauchs auszumachen, nach dem im rechtlichen Kontext gesucht wird. Nimmt man den Begriff ernst, wie er im Commonsense gebraucht wird, werden die Mechanismen offenbart, die „Rasse“ auf der semantisch-psychologischen und sozialen Ebene eine destruktive Bedeutung zukommen lassen, die gegen den weiteren Gebrauch von „Rasse“ sprechen. Gleichzeitig geht der Bezugsgegenstand nicht verloren, wie es bei der biologischen Interpretation der Fall ist. Dies macht es möglich, unabhängig von rassistischer Essentialisierung, das Merkmal hervorzuheben, das oberflächlich genug ist, um nicht essentialisierend sein zu können – die Oberfläche selbst.
基本法》應否刪除 "種族 "一詞?
种族概念在德国法律体系中占有重要地位,尽管这一点颇具争议。删除种族概念的必要性是可以理解的,但并非不言自明,因为并非所有删除种族概念的理由都是好理由。种族 "一词的一个核心问题是其模糊性,它既是科学生物分类的载体,也是社会建构主义个人分类的载体。偏向于一种或另一种解释的决定是简单化的,既不明智也不方便。更有意义的做法是了解种族概念的使用功能,以及如何在法律上对这一功能进行分类。从生物学角度来看,删除 "种族 "的理由存在一个问题,即它可以证伪人类种族的存 在,但同时又不再能充分反映语义所指。更糟糕的是,人类种族存在的生物学标准是以种族的存在为前提的,因此在概念上使自然主义或本质主义倾向合法化,即使这个词本身是空洞的。相反,必须将能够进行社会分类的生物特征视为相关特征:肤色或身体模式。这些似乎是该术语发展及其使用的决定性因素,而该术语的使用是在法律背景下寻求的。如果我们认真对待这个术语,就像它在常识中的用法一样,就会发现其机制赋予 "种族" 在语义--心理和社会层面上破坏性的含义,这就反对了 "种族 "的进一步使用。与此同时,"种族 "并没有像生物学解释那样失去参照对象。这就使得我们可以在不考虑种族主义本质化的情况下,强调足以不被本质化的表层特征--表层本身。
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