{"title":"Spielend lernen – Digitale Spiele als Lernmedium des 21. Jahrhunderts","authors":"Linda Breitlauch","doi":"10.5771/9783845293844-119","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Computerspiele haben ihr größtes Publikum bei überwiegend jüngeren Menschen – der kommenden, die nachfolgende Gesellschaft gestaltende Generation. Sie sind auch Elemente der Kultur einer jungen Generation. Die Zukunft der nächsten Generation wird durch Technologie, Digitalisierung und ihren Ausdrucksmitteln maßgeblich beeinflusst. Als neues Leitmedium haben Computerspiele eine hohe Verbreitung. Darüber hinaus zeigt sich, dass Computerspiele seit jeher auch für erfolgreich für die Bildung genutzt werden. Die Herausforderungen für die Gestaltung von nachhaltigen Computerspielen für Bildung und Forschung sind jedoch nicht zu unterschätzen – klassische pädagogische Konzepte und Spielprinzipien müssen deshalb sinnvoll gestaltet werden, um nachhaltigen Lernerfolg zu erreichen. Genau darin besteht die Herausforderung bei der Gestaltung von so genannten „Serious Games“ – also Spielen, die nicht für den Unterhaltungsmarkt produziert werden und die Spielfreude mit Lerneffekten verbinden, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Es lassen sich Kenntnisse der Lernsowie der Spieltheorie nutzen, um diese Potenziale bestmöglich zu nutzen. Der Markt der Computerspiele Computerspiele gelten als junges Medium. Rein historisch gesehen sind sie aber inzwischen sowohl als Markt als auch gesellschaftlich weitestgehend etabliert. Als Konsumgut existieren sie schon seit über 60 Jahren, die ersten Adaptionen von bekannten Spielprinzipien in die virtuelle Welt fanden schon in den 1950er Jahren statt. Während sie erst für wissenschaftliche Zwecke entwickelt wurden, um beispielsweise die Performance von Hardware zu testen oder um ballistische Berechnungen auszuführen, hat sich das Medium mit einem weltweiten Umsatz von inzwischen knapp 137 Milliarden Dollar (Newzoo 2018) vor allem als Entertainmentmarkt etabliert. Wie sich Computerspiele in dieser Zeit verändert haben, lässt sich insbesondere an der graphischen Qualität erkennen. Space Invaders aus dem Jahre 1978 war äußerst erfolgreich, die graphische Darstellung wurde mit 1. 119 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. einfachen Pixelfiguren auf einen zweidimensionalen, wenig farbigen Screen präsentiert. Weltraumschlachten finden heute – wie in Eve Online – in scheinbar unendlich großen, dreidimensionalen Galaxien mit tausenden von Spielern statt. Space Invaders, 1978 Eve Online, 2017 Computerspiele sind inzwischen ein wichtiger Bestandteil und kultureller Ausdruck der jüngeren Generation geworden. Es existieren globale Communities, die sich eigene Regeln und Wertesysteme geben, die Kommunikation ist interkulturell. Auch als Lernmedium werden Computerspiele schon lange genutzt. 1971 entwickelte u.a. Don Rawitsch das Lernspiel „Oregon Trail“ für Schüler (Rawitsch 1971). Das als Unterhaltungsspiel konzipierte „Minecraft“, das im Jahr 2009 erstmals veröffentlicht wurde, wird seit 2011 sogar als Lernspiel in Schulen eingesetzt (Persson 2009; Minecraft Wiki). Potenziale von Serious Games Digitale Spiele sind nicht nur als Unterhaltungsmedium erfolgreich. Das Potenzial von so genannten „Serious Games“ (Aldaheff 2017) spielt eine immer größer werdende Rolle im Bildungsbereich und in der Medizin. Wie in vielen Studien (vgl. Breitlauch 2013) nachgewiesen werden konnte, fördert die Tätigkeit des Spielens Intelligenz und Kompetenzen. Insbesondere für so genannte „Games for Health“ – also Computerspiele, die im therapeutischen und im klinischen Bereich eingesetzt werden – können Studien die positive Wirksamkeit von digitalen Spielen bestätigen. Untersuchungen zeigen beispielsweise eine Erhöhung der Problemlösungskompetenz, der Rahmungsund Einordnungskompetenz, der Sozialkompetenz – insbesondere Koordination und Kooperation sowie die Aushandlung, 2. Linda Breitlauch 120 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Einhaltung und Durchsetzung von Regeln und die Regulierung von Konflikten bis hin zur Sprachkompetenz. Virtuelle, interaktive Welten bieten die Möglichkeit, Zusammenhänge zu veranschaulichen, die sich in der wirklichen Welt nicht oder nur schwer simulieren lassen. Aspekte der „Probehandlung“ sowie der „Selbstwirksamkeit“ werden somit um Darstellungsund Erlebnisformen erweitert, die zusätzlich die lernmotivierende Neugierde fördern können. Es liegt deshalb nahe, die erkannten Potenziale eines Spiels zu nutzen und explizite mediendidaktische Konzepte in das Spielkonzept zu integrieren. Die Herausforderungen bei der Gestaltung von Serious Games liegen insbesondere darin, eine sinnvolle Verbindung von intrinsischer Motivation durch das Spiel mit den gewünschten Lerneffekten herzustellen. Klassische pädagogische Ansätze, wie sie im Schulunterricht häufig verwendet werden (beispielsweise Frontalunterricht) eignen sich nicht für interaktive Formate wie Computerspiele. Die spielimmanenten Belohnungsprinzipien sollen vielmehr so gestaltet werden, dass sie Spielfreude erzeugen, aufrechterhalten und die zu fördernden Kompetenzen gezielt unterstützen. Wie sich der Prozess des aktiven, transformativen Lernens bei Heranwachsenden vollzieht, wurde schon in den frühen 1940er Jahren erkannt. Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget (2003) beispielsweise sieht das Spiel im Zentrum des Lernprozesses und als wichtigsten Faktor bei der Herausbildung von Intelligenz. Dies vollziehe sich durch die Anpassung an Umweltstrukturen, Nachahmung als auch durch das Einfügen von Umweltreizen in die bereits vorhandene intellektuelle Struktur einer Person. Dabei ist für Piaget das Spiel eine Form elementaren Denkens: im Spiel wird die Wirklichkeit reflektiert und gelernt. Dieser Prozess wird vom Spieler zum einen als Probehandlung wahrgenommen. Dabei spielt die Methodik des Problemlösens im Spiel eine besondere Rolle, die darauf basiert, dass es einerseits sich wiederholende, variierende Herausforderungen gibt und andererseits keine Konsequenzen außerhalb des Spielkontextes zu erwarten sind. Zum anderen unterstützt ein gut gestaltetes Feedbacksystem des Spiels das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Ziele zu erreichen und Herausforderungen zu bestehen und somit die Selbstwirksamkeit. Das Spiel ist der Vorgang, mit dem sich der Spieler von der reinen Nachahmung emanzipiert und beginnt, sich mit der Welt und der Wirklichkeit auseinander zu setzen (Piaget 2003). David A. Kolb (1984) spricht analog vom „Experiential Learning“: Lernen wird als ein Prozess beschrieben, in dem Wissen durch die Transformation von Erfahrungen entsteht. Spielend lernen – Digitale Spiele als Lernmedium des 21. Jahrhunderts 121 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Jerome Bruner skizziert die Methode des „Discovery learning“ wie folgt: Discovery Learning – nach Bruner, J. S. (2009). The process of education. Harvard University Press. (eigene Darstellung) Digitale Spiele unterstützen Probehandeln und Selbstwirksamkeit und können im Vergleich zu analogen Spielen (z.B. Brettspielen) sogar individuelle Lernumgebungen schaffen, die sich an den Fähigkeiten der Spieler (Lerner) orientieren und anpassen. Interaktion und Reflektion sind dabei Lernfaktoren, die sich im Spielkontext manifestieren. Spieler können sich freiwillig auf eine fiktive Spielsituation einlassen und erwarten, dass ihr Handeln nur innerhalb des Spielkontextes, nicht jedoch im wirklichen Leben bewertet wird. Dabei ist die regelbasierte Fairness innerhalb des Spiels essenziell, weil dies in einem System, das auf Regeln basiert, die einzige verbindliche Verabredung ist. Fairness findet im Spiel im Kontext von Konflikten statt. Diese sind im Spiel wie in jeder Geschichte dramaturgisch notwendig (als Narrativ oder als Kulisse), als inhärenter Bestandteil des Spiels sind Konflikt und Konfliktlösung zentrale ludische Handlung und können schließlich auch künstlerisch eingesetzt werden. Während Fairness als zentrales Grundprinzip von Regelwerken den Rahmen schafft, der Spielern Gleichbehandlung zusichert, bilden Konflikte als ludische Handlung die Herausforderungen, die in diesem Rahmen zu meistern sind. Faire Regeln sind deshalb auch eine gute Rahmung für die Vermittlung von Modellen, beiAbbildung 1: Linda Breitlauch 122 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. spielsweise um Komplexität anschaulich zu vermitteln. So lassen sich beispielsweise chemische, biologische oder physikalische Zusammenhänge simulieren und interaktiv zugänglich machen. Das Computerspiel „Ludwig“ beispielsweise wird erfolgreich in Schulen eingesetzt, weil es einerseits die spielerischen Elemente geeignet einsetzt und gleichzeitig physikalische Grundprinzipien vermitteln, wie sie auch in der Schule vermittelt werden. Zwar wird auch der bewusste Bruch mit Regeln und Fairness in einigen Spielen genutzt, um eine künstlerische Aussage zu treffen. So können Spielerinnen und Spieler in diversen gesellschaftskritischen Spielen beispielsweise die Sinnlosigkeit von Kriegen nachvollziehen. Grundsätzlich aber beruhen Spiele – insbesondere Serious Games – auf dem Prinzip fairer Regelwerke. Aus diesem Grunde eignen sich Spiele insbesondere für nachhaltige Lernprozesse. Ein Vergleich zum Lernvorgang im Spiel mit der Methode des Discovery Learning zeigt, wie Spiele diese Methodik nutzen: Lernprozess im Spiel (eigene Darstellung) Wie sich die Potenziale im Spiel entfalten, lässt sich am besten beim Spielen von reinen Unterhaltungsspielen beobachten, denn auch hier muss zuerst erlernt werden, wie das Spiel gemeistert werden kann: eine Spielsituation stellt Spieler vor eine Entscheidung. 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Abstract
Computerspiele haben ihr größtes Publikum bei überwiegend jüngeren Menschen – der kommenden, die nachfolgende Gesellschaft gestaltende Generation. Sie sind auch Elemente der Kultur einer jungen Generation. Die Zukunft der nächsten Generation wird durch Technologie, Digitalisierung und ihren Ausdrucksmitteln maßgeblich beeinflusst. Als neues Leitmedium haben Computerspiele eine hohe Verbreitung. Darüber hinaus zeigt sich, dass Computerspiele seit jeher auch für erfolgreich für die Bildung genutzt werden. Die Herausforderungen für die Gestaltung von nachhaltigen Computerspielen für Bildung und Forschung sind jedoch nicht zu unterschätzen – klassische pädagogische Konzepte und Spielprinzipien müssen deshalb sinnvoll gestaltet werden, um nachhaltigen Lernerfolg zu erreichen. Genau darin besteht die Herausforderung bei der Gestaltung von so genannten „Serious Games“ – also Spielen, die nicht für den Unterhaltungsmarkt produziert werden und die Spielfreude mit Lerneffekten verbinden, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Es lassen sich Kenntnisse der Lernsowie der Spieltheorie nutzen, um diese Potenziale bestmöglich zu nutzen. Der Markt der Computerspiele Computerspiele gelten als junges Medium. Rein historisch gesehen sind sie aber inzwischen sowohl als Markt als auch gesellschaftlich weitestgehend etabliert. Als Konsumgut existieren sie schon seit über 60 Jahren, die ersten Adaptionen von bekannten Spielprinzipien in die virtuelle Welt fanden schon in den 1950er Jahren statt. Während sie erst für wissenschaftliche Zwecke entwickelt wurden, um beispielsweise die Performance von Hardware zu testen oder um ballistische Berechnungen auszuführen, hat sich das Medium mit einem weltweiten Umsatz von inzwischen knapp 137 Milliarden Dollar (Newzoo 2018) vor allem als Entertainmentmarkt etabliert. Wie sich Computerspiele in dieser Zeit verändert haben, lässt sich insbesondere an der graphischen Qualität erkennen. Space Invaders aus dem Jahre 1978 war äußerst erfolgreich, die graphische Darstellung wurde mit 1. 119 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. einfachen Pixelfiguren auf einen zweidimensionalen, wenig farbigen Screen präsentiert. Weltraumschlachten finden heute – wie in Eve Online – in scheinbar unendlich großen, dreidimensionalen Galaxien mit tausenden von Spielern statt. Space Invaders, 1978 Eve Online, 2017 Computerspiele sind inzwischen ein wichtiger Bestandteil und kultureller Ausdruck der jüngeren Generation geworden. Es existieren globale Communities, die sich eigene Regeln und Wertesysteme geben, die Kommunikation ist interkulturell. Auch als Lernmedium werden Computerspiele schon lange genutzt. 1971 entwickelte u.a. Don Rawitsch das Lernspiel „Oregon Trail“ für Schüler (Rawitsch 1971). Das als Unterhaltungsspiel konzipierte „Minecraft“, das im Jahr 2009 erstmals veröffentlicht wurde, wird seit 2011 sogar als Lernspiel in Schulen eingesetzt (Persson 2009; Minecraft Wiki). Potenziale von Serious Games Digitale Spiele sind nicht nur als Unterhaltungsmedium erfolgreich. Das Potenzial von so genannten „Serious Games“ (Aldaheff 2017) spielt eine immer größer werdende Rolle im Bildungsbereich und in der Medizin. Wie in vielen Studien (vgl. Breitlauch 2013) nachgewiesen werden konnte, fördert die Tätigkeit des Spielens Intelligenz und Kompetenzen. Insbesondere für so genannte „Games for Health“ – also Computerspiele, die im therapeutischen und im klinischen Bereich eingesetzt werden – können Studien die positive Wirksamkeit von digitalen Spielen bestätigen. Untersuchungen zeigen beispielsweise eine Erhöhung der Problemlösungskompetenz, der Rahmungsund Einordnungskompetenz, der Sozialkompetenz – insbesondere Koordination und Kooperation sowie die Aushandlung, 2. Linda Breitlauch 120 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Einhaltung und Durchsetzung von Regeln und die Regulierung von Konflikten bis hin zur Sprachkompetenz. Virtuelle, interaktive Welten bieten die Möglichkeit, Zusammenhänge zu veranschaulichen, die sich in der wirklichen Welt nicht oder nur schwer simulieren lassen. Aspekte der „Probehandlung“ sowie der „Selbstwirksamkeit“ werden somit um Darstellungsund Erlebnisformen erweitert, die zusätzlich die lernmotivierende Neugierde fördern können. Es liegt deshalb nahe, die erkannten Potenziale eines Spiels zu nutzen und explizite mediendidaktische Konzepte in das Spielkonzept zu integrieren. Die Herausforderungen bei der Gestaltung von Serious Games liegen insbesondere darin, eine sinnvolle Verbindung von intrinsischer Motivation durch das Spiel mit den gewünschten Lerneffekten herzustellen. Klassische pädagogische Ansätze, wie sie im Schulunterricht häufig verwendet werden (beispielsweise Frontalunterricht) eignen sich nicht für interaktive Formate wie Computerspiele. Die spielimmanenten Belohnungsprinzipien sollen vielmehr so gestaltet werden, dass sie Spielfreude erzeugen, aufrechterhalten und die zu fördernden Kompetenzen gezielt unterstützen. Wie sich der Prozess des aktiven, transformativen Lernens bei Heranwachsenden vollzieht, wurde schon in den frühen 1940er Jahren erkannt. Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget (2003) beispielsweise sieht das Spiel im Zentrum des Lernprozesses und als wichtigsten Faktor bei der Herausbildung von Intelligenz. Dies vollziehe sich durch die Anpassung an Umweltstrukturen, Nachahmung als auch durch das Einfügen von Umweltreizen in die bereits vorhandene intellektuelle Struktur einer Person. Dabei ist für Piaget das Spiel eine Form elementaren Denkens: im Spiel wird die Wirklichkeit reflektiert und gelernt. Dieser Prozess wird vom Spieler zum einen als Probehandlung wahrgenommen. Dabei spielt die Methodik des Problemlösens im Spiel eine besondere Rolle, die darauf basiert, dass es einerseits sich wiederholende, variierende Herausforderungen gibt und andererseits keine Konsequenzen außerhalb des Spielkontextes zu erwarten sind. Zum anderen unterstützt ein gut gestaltetes Feedbacksystem des Spiels das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Ziele zu erreichen und Herausforderungen zu bestehen und somit die Selbstwirksamkeit. Das Spiel ist der Vorgang, mit dem sich der Spieler von der reinen Nachahmung emanzipiert und beginnt, sich mit der Welt und der Wirklichkeit auseinander zu setzen (Piaget 2003). David A. Kolb (1984) spricht analog vom „Experiential Learning“: Lernen wird als ein Prozess beschrieben, in dem Wissen durch die Transformation von Erfahrungen entsteht. Spielend lernen – Digitale Spiele als Lernmedium des 21. Jahrhunderts 121 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Jerome Bruner skizziert die Methode des „Discovery learning“ wie folgt: Discovery Learning – nach Bruner, J. S. (2009). The process of education. Harvard University Press. (eigene Darstellung) Digitale Spiele unterstützen Probehandeln und Selbstwirksamkeit und können im Vergleich zu analogen Spielen (z.B. Brettspielen) sogar individuelle Lernumgebungen schaffen, die sich an den Fähigkeiten der Spieler (Lerner) orientieren und anpassen. Interaktion und Reflektion sind dabei Lernfaktoren, die sich im Spielkontext manifestieren. Spieler können sich freiwillig auf eine fiktive Spielsituation einlassen und erwarten, dass ihr Handeln nur innerhalb des Spielkontextes, nicht jedoch im wirklichen Leben bewertet wird. Dabei ist die regelbasierte Fairness innerhalb des Spiels essenziell, weil dies in einem System, das auf Regeln basiert, die einzige verbindliche Verabredung ist. Fairness findet im Spiel im Kontext von Konflikten statt. Diese sind im Spiel wie in jeder Geschichte dramaturgisch notwendig (als Narrativ oder als Kulisse), als inhärenter Bestandteil des Spiels sind Konflikt und Konfliktlösung zentrale ludische Handlung und können schließlich auch künstlerisch eingesetzt werden. Während Fairness als zentrales Grundprinzip von Regelwerken den Rahmen schafft, der Spielern Gleichbehandlung zusichert, bilden Konflikte als ludische Handlung die Herausforderungen, die in diesem Rahmen zu meistern sind. Faire Regeln sind deshalb auch eine gute Rahmung für die Vermittlung von Modellen, beiAbbildung 1: Linda Breitlauch 122 https://doi.org/10.5771/9783845293844-119 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 13.09.2020, 16:42:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. spielsweise um Komplexität anschaulich zu vermitteln. So lassen sich beispielsweise chemische, biologische oder physikalische Zusammenhänge simulieren und interaktiv zugänglich machen. Das Computerspiel „Ludwig“ beispielsweise wird erfolgreich in Schulen eingesetzt, weil es einerseits die spielerischen Elemente geeignet einsetzt und gleichzeitig physikalische Grundprinzipien vermitteln, wie sie auch in der Schule vermittelt werden. Zwar wird auch der bewusste Bruch mit Regeln und Fairness in einigen Spielen genutzt, um eine künstlerische Aussage zu treffen. So können Spielerinnen und Spieler in diversen gesellschaftskritischen Spielen beispielsweise die Sinnlosigkeit von Kriegen nachvollziehen. Grundsätzlich aber beruhen Spiele – insbesondere Serious Games – auf dem Prinzip fairer Regelwerke. Aus diesem Grunde eignen sich Spiele insbesondere für nachhaltige Lernprozesse. Ein Vergleich zum Lernvorgang im Spiel mit der Methode des Discovery Learning zeigt, wie Spiele diese Methodik nutzen: Lernprozess im Spiel (eigene Darstellung) Wie sich die Potenziale im Spiel entfalten, lässt sich am besten beim Spielen von reinen Unterhaltungsspielen beobachten, denn auch hier muss zuerst erlernt werden, wie das Spiel gemeistert werden kann: eine Spielsituation stellt Spieler vor eine Entscheidung. Der Spieler führt eine oder unt