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Abstract
Dieser Satz besteht im Wesentlichen aus zwei längeren Nominalphrasen (oder auch Nominalgruppen). Das Prädikat, das die beiden Nominalphrasen verbindet, nämlich sind um ein Vielfaches niedriger als, ist selbst ziemlich „nominal“, insofern als es neben einer Form des Allerweltsverbs sein vor allem Adjektivformen wie den Komparativ niedriger und das substantivierte Adjektiv Vielfaches aufweist. Eine solche Ausdrucksweise, der so genannte ,Nominalstil‘, wird im Deutschen vor allem in Textsorten der Verwaltung, des Rechts, aber auch in der Fachund Wissenschaftssprache gepflegt. Und das schon seit Jahrhunderten. Dieser Stil hat durchaus seine Vorzüge: Auf diese Weise können komplexe Sachverhalte auf engstem Raum dargestellt und verschachtelte Satzgefüge mit diversen untergeordneten Nebensätzen vermieden werden. Auf der anderen Seite stellt er hohe Anforderungen an den Leser: Abstrakte Argumentation wird verdichtet, nicht Schritt für Schritt entfaltet. Verben, die durch „lebendige“ Metaphern Anschaulichkeit vermitteln könnten, werden eingespart. Ein Text im Nominalstil wirkt blutleer und ist unter Umständen unverständlich, abschreckend und bürgerfern. Insofern ist es gut, dass heute auch Fachund Behördentexte sich um einen Stil bemühen, der weniger komplexe Nominalphrasen enthält bis hin zur so genannten „leichten“ Sprache. In diesem Kapitel soll es aber nicht um Stilfragen gehen. Stilgewohnheiten setzen aber auf strukturellen Eigenschaften einer Sprache auf. Sie nutzen Möglichkeiten, die in einer anderen Sprache vielleicht nicht gegeben sind. Und dabei mögen sie über das Ziel hinausschießen. Es sind verschiedene Eigenschaften des Deutschen, die hier genutzt werden können: Das sind zum einen auf der Wortebene die im Deutschen besonders ausgeprägte Substantivkomposition (wie in Kindeswohl) und die Nominalisierungen, also Umwandlungen von Verben, Adjektiven oder ganzen Sätzen in ein Substantiv (wie in Gefährdung zum Verb gefährden). Beides kann auch noch in