{"title":"Digitale Selbstdarstellung als Markt: Influencer als Markenbotschafter und Meinungsmacher","authors":"Nina Köberer","doi":"10.5771/9783845293844-253","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Für die Werbebranche sind in den letzten Jahren authentische und persönliche Werbebotschaften immer wichtiger geworden. Insbesondere für Kinder und Jugendliche, die seit jeher eine attraktive Konsumentengruppe darstellen, gilt das Internet als zentrales Unterhaltungsund Informationsmedium. Somit gewinnen sowohl personalisierte Werbung, virales Marketing als auch Influencerund Content-Marketing via Social Media mehr und mehr an Bedeutung. In diesem Beitrag wird aus normativer Perspektive beleuchtet, welche Herausforderungen sich im Zusammenhang mit Formaten von Influencern ergeben und inwiefern diese neuen Formen der persönlichen Produktempfehlung medienethisch problematisch sind. Die strukturellen Veränderungen medialen Handelns erweitern damit auch die Aufgaben der Medienbildung. Dieser Aspekt wird abschließend thematisiert. Das Internet bietet vielfältige Partizipationsmöglichkeiten auf kommunikativ orientierten Plattformen wie auch auf produktiv orientierten Plattformen, bei denen es insbesondere um die Präsentation eigener Werke als Ausgangspunkt für Interaktion geht. Allein die unüberschaubare Anzahl von Clips auf YouTube liefert den materiellen Beweis einer neuen globalisierten Convergence bzw. Participatory Culture (vgl. Jenkins 2006). Als ein Beispiel dieser Entwicklung – und als eine zentrale Ausdrucksform des User Generated Content –, die sich im Spannungsfeld zwischen amateurhafter und professioneller Produktion bewegt, führen Jean Burgess und Joshua Green bereits 2009 Videoblogs (Kurzform: Vlogs) an. Als Vlog verstehen sie ein Kommunikationsgenre, das zu Austausch, Debatten und Diskussionen einlädt, wobei sie die direkte Reaktion durch Kommentare, Likes und Videos als zentral für dieses Format erachten (vgl. ebd.: S. 94). Diese Vlogs, welche die Zuschauer1 zum Beispiel auf Events mitnehmen oder auch Pro1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen auf die explizite Nennung beider Geschlechter verzichtet. Angesprochen sind in allen Fällen selbstverständlich beide Geschlechter. 253 https://doi.org/10.5771/9783845293844-253 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 12.06.2021, 14:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. dukttests vorstellen, sind für Heranwachsende eine wichtige Angebotsform des Identitätsmanagements im Social Web. Aktuell stehen YouTuber und sogenannte Influencer bei Heranwachsenden hoch im Kurs: Sie präsentieren auf ihren Kanälen die Ausbeute ihrer Shopping-Touren (Haul-Videos), öffnen Pakete und präsentieren die Produkte daraus (Unboxing Videos), sie produzieren Do-It-YourselfVideos und Tutorials oder führen das Spielen eines Computerspiels vor und kommentieren dies (Let’s play Videos). Auch politische Themen werden von YouTubern, wie z.B. LeFloid, aufgegriffen und kommuniziert. Vor allem junge Nutzer haben die YouTube-Kanäle populärer Webvideoproduzenten abonniert. Ein Blick in die KIM-Studie (2016) zeigt, dass es sich vor allem bei den von Kindern präferierten YouTube-Inhalten in erster Linie um YouTube-Stars handelt, die gut ein Drittel der von YouTube-Nutzern genannten Lieblingsangebote auf sich vereinen (vgl. ebd.: 46). Bereits in dieser Altersgruppe zählen für vier Prozent Modeoder Beauty-Videos zu den Highlights bei YouTube. Doch nicht nur Kinder, auch Jugendliche finden ihre Vorbilder häufig auf YouTube: „In der spontanen Nennung liegt Julien Bam (6 Prozent) an der Spitze, gefolgt von Bibis Beauty Palace (5 Prozent), Gronkh und LeFloid (je 4 Prozent)“ (JIM-Studie 2017: 45). Die YouTube-Stars und Influencer haben eine große Fangemeinde und über ihre Vorbildfunktion auch erheblichen Einfluss auf die Heranwachsenden. Das bestärken auch die Ergebnisse der Studie Kinder und Jugend in der digitalen Welt des Digitalverbands bitkom (2017). Demzufolge ist der absolute Lieblingsstar für mehr als ein Drittel der Probanden (36 Prozent) ein YouTuber (ebd.). Doch nicht nur auf YouTube, sondern auch auf Instagram kann man seinen Idolen folgen – etwa ein Viertel der Jugendlichen tut dies hinsichtlich der „Stars, die das Internet hervorgebracht hat“ (vgl. JIM-Studie 2017: 37). Bei den YouTube Stars bzw. Influencern handelt es sich zumeist um kommerziell arbeitende Produzenten von Social Media Content. Sie finanzieren sich mitunter über YouTube-Werbeeinnahmen oder Affiliate Links,2 ihnen werden Produkte zur Präsentation kostenlos zur Verfügung gestellt oder sie werden mit der Präsentation von Produkten beauftragt und entsprechend bezahlt. Inzwischen verdienen die bekanntesten YouTuber in Deutschland – wie z.B. Bianca „Bibi“ Heinicke – ihren Lebensunterhalt vollständig über ihre Tätigkeit als Webvideoproduzentin. Bei den meisten 2 Ein Affiliate Link ist ein Link auf Social-Media-Kanälen oder Webseiten, der direkt zu Online Shops oder Anbietern führt. Für jeden Klick erhält der Betreiber des Shops eine Provision vom Händler. Nina Köberer 254 https://doi.org/10.5771/9783845293844-253 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 12.06.2021, 14:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Influencern fallen Inhalte sozialer Kommunikation und ökonomische Interessen zusammen, die Grenzen von Werbung und redaktionellem Inhalt bzw. Content verschwimmen. Veränderte Medienwelten – veränderte Werbewelten Werbung ist kein neues Phänomen. In ihrer Bedeutung und in ihrer Entwicklung ist Werbung abhängig von gesellschaftlichen, soziokulturellen, ökonomischen und technologischen Bedingungen, die selbst dynamischen Prozessen unterliegen (vgl. Siegert/Brecheis 2010: 67). Wie andere Formen medialer Kommunikation, ist auch Werbung nicht nur Wirtschaftsgut, sondern immer auch Kulturgut (vgl. Altmeppen/Karmasin 2003), Motor und Seismograf des gesellschaftlichen Wandels und Quelle der Gesellschaftsbeobachtung: Werbung setzt Themen, Trends, prägt Mode und Stile und synchronisiert sich mit dem Zeitgeist, dem Geschmack und den Vorlieben ihrer Zielgruppen. Die Auswahl der Medien, über die Werbung verbreitet wird, orientiert sich immer auch an den technischen Möglichkeiten und den aktuellen Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen zeigt, dass die Werbepraxis sich unter den Bedingungen digitaler Kommunikation stetig wandelt. Einhergehend mit Prozessen der Digitalisierung haben sich gänzlich neue Formen der Multimedialität, der Interaktivität und der Kunden(ein)bindung eröffnet, das Potenzial nutzergenerierter Kommunikation wird zunehmend ausgeschöpft. Diese Entwicklung verdeutlicht beispielsweise auf den Einzelnen zugeschnittene, personalisierte Werbung. Zudem ermöglicht das Internet insbesondere über Social Media Kanäle die Weiterleitung von bereits bestehenden Seiten, Videos oder Ähnlichem (z.B. virales Marketing). Ein weiteres Phänomen, das auf den Veränderungsprozess im Werbesystem verweist, sind Werbeinhalte auf YouTube, die nicht offensichtlich als Werbung erkennbar sind, wie z.B. Haul-Videos (vgl. Köberer 2015, 2017) – diese sind dem Bereich des Influencer Marketing zuzuordnen. Unternehmen gehen immer häufiger Kooperationen mit YouTubern ein, profitieren von ihrem großen Bekanntheitsgrad und der hohen Nutzerbindung. L'Oréal Paris kooperiert nach eigenen Angaben bereits seit Anfang 2010 mit YouTuberinnen und Bloggerinnen (vgl. Haeming 2011) und die Volkswagen AG drehte in Kooperation mit dem Internet-Haul-Girl Nikkie das Tutorial-Video A crash course to shine, das als viraler Spot online gestreut wurde und auf die hohe Anzahl an Unfällen aufmerksam machen sollte, die durch das Schminken während dem Autofahren verursacht werden (vgl. Don’t make-up and drive 2012). Die Einbin1. Digitale Selbstdarstellung als Markt 255 https://doi.org/10.5771/9783845293844-253 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 12.06.2021, 14:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. dung von YouTube Stars und Influencern, die für die Rezipienten nahbar und authentisch erscheinen, ist heute ein wichtiger Baustein der Social Media Strategie von Unternehmen geworden (vgl. u.a. Jahnke 2018; Nitsche/Ganguin 2018; Schach/Lommatzsch 2018). Diese neuen Werbeformen werfen Reflexionsbedarf hinsichtlich Fragen von Datenschutz, Privatsphäre und Überwachung, aber auch von Transparenz und Authentizität auf.3 Gerade Kinder und Jugendliche sind aufgrund der asymmetrischen Kommunikationsstruktur in besonderem Maße abhängig von der Auswahl und der Darstellung von Werbeinhalten sowie der Glaubwürdigkeit der Quellen und der Transparenz der Kommunikationsformen. Anhand der asymmetrischen Beziehung erlangt die Werbekommunikation gegenüber Kindern eine moralische Qualität (vgl. Stapf 2009: 7f.). Daher sind Werbeangebote daraufhin zu befragen, was sie an Inhalten und an normativer Orientierung anbieten und an welchen Kriterien medialer Qualität sie sich orientieren sollen. Bezogen auf Beiträge von Influencern ist es aus normativer Perspektive vor allem problematisch, wenn Inhalte sozialer Kommunikation und ökonomische Interessen (Sponsoring) zusammenfallen, dies nicht offensichtlich erkennbar ist bzw. kommuniziert wird und damit die Frage nach der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Inhalte und Kommunikatoren aufkommt (vgl. Köberer 2015). Doch was genau bedeutet es eigentlich, ein „Influencer“ zu sein? Gemeinsam shoppen, informiert und beraten werden: Follow me! Das Phänomen der sogenannten Influencer wird in letzter Zeit verstärkt in den Medien aufgegriffen und thematisiert, doch der Diskurs zur Rolle von Influencern im Marketing und auch der Online-PR ist nicht neu. Vor einigen Jahren schon wurden insbesondere Blogger als Influencer und Meinungsmacher wahrgenommen (vgl. u.a. Schindler/Liller 2014; Zerfaß/Pleil 2012). Und auch Hauler, welche ihre Shopping-Einkäufe präsentieren, werden schon seit geraumer Zeit als solche verstanden (vgl. Köberer 2015). Allgemein können Influencer als Akteure gefasst werden, die zunächst vor allem innerhalb ihrer eigenen Community wirken, über hohe Reichweiten verfügen und als Kommunik","PeriodicalId":202239,"journal":{"name":"Aufwachsen mit Medien","volume":"21 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-02-07","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Aufwachsen mit Medien","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783845293844-253","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Für die Werbebranche sind in den letzten Jahren authentische und persönliche Werbebotschaften immer wichtiger geworden. Insbesondere für Kinder und Jugendliche, die seit jeher eine attraktive Konsumentengruppe darstellen, gilt das Internet als zentrales Unterhaltungsund Informationsmedium. Somit gewinnen sowohl personalisierte Werbung, virales Marketing als auch Influencerund Content-Marketing via Social Media mehr und mehr an Bedeutung. In diesem Beitrag wird aus normativer Perspektive beleuchtet, welche Herausforderungen sich im Zusammenhang mit Formaten von Influencern ergeben und inwiefern diese neuen Formen der persönlichen Produktempfehlung medienethisch problematisch sind. Die strukturellen Veränderungen medialen Handelns erweitern damit auch die Aufgaben der Medienbildung. Dieser Aspekt wird abschließend thematisiert. Das Internet bietet vielfältige Partizipationsmöglichkeiten auf kommunikativ orientierten Plattformen wie auch auf produktiv orientierten Plattformen, bei denen es insbesondere um die Präsentation eigener Werke als Ausgangspunkt für Interaktion geht. Allein die unüberschaubare Anzahl von Clips auf YouTube liefert den materiellen Beweis einer neuen globalisierten Convergence bzw. Participatory Culture (vgl. Jenkins 2006). Als ein Beispiel dieser Entwicklung – und als eine zentrale Ausdrucksform des User Generated Content –, die sich im Spannungsfeld zwischen amateurhafter und professioneller Produktion bewegt, führen Jean Burgess und Joshua Green bereits 2009 Videoblogs (Kurzform: Vlogs) an. Als Vlog verstehen sie ein Kommunikationsgenre, das zu Austausch, Debatten und Diskussionen einlädt, wobei sie die direkte Reaktion durch Kommentare, Likes und Videos als zentral für dieses Format erachten (vgl. ebd.: S. 94). Diese Vlogs, welche die Zuschauer1 zum Beispiel auf Events mitnehmen oder auch Pro1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen auf die explizite Nennung beider Geschlechter verzichtet. Angesprochen sind in allen Fällen selbstverständlich beide Geschlechter. 253 https://doi.org/10.5771/9783845293844-253 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 12.06.2021, 14:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. dukttests vorstellen, sind für Heranwachsende eine wichtige Angebotsform des Identitätsmanagements im Social Web. Aktuell stehen YouTuber und sogenannte Influencer bei Heranwachsenden hoch im Kurs: Sie präsentieren auf ihren Kanälen die Ausbeute ihrer Shopping-Touren (Haul-Videos), öffnen Pakete und präsentieren die Produkte daraus (Unboxing Videos), sie produzieren Do-It-YourselfVideos und Tutorials oder führen das Spielen eines Computerspiels vor und kommentieren dies (Let’s play Videos). Auch politische Themen werden von YouTubern, wie z.B. LeFloid, aufgegriffen und kommuniziert. Vor allem junge Nutzer haben die YouTube-Kanäle populärer Webvideoproduzenten abonniert. Ein Blick in die KIM-Studie (2016) zeigt, dass es sich vor allem bei den von Kindern präferierten YouTube-Inhalten in erster Linie um YouTube-Stars handelt, die gut ein Drittel der von YouTube-Nutzern genannten Lieblingsangebote auf sich vereinen (vgl. ebd.: 46). Bereits in dieser Altersgruppe zählen für vier Prozent Modeoder Beauty-Videos zu den Highlights bei YouTube. Doch nicht nur Kinder, auch Jugendliche finden ihre Vorbilder häufig auf YouTube: „In der spontanen Nennung liegt Julien Bam (6 Prozent) an der Spitze, gefolgt von Bibis Beauty Palace (5 Prozent), Gronkh und LeFloid (je 4 Prozent)“ (JIM-Studie 2017: 45). Die YouTube-Stars und Influencer haben eine große Fangemeinde und über ihre Vorbildfunktion auch erheblichen Einfluss auf die Heranwachsenden. Das bestärken auch die Ergebnisse der Studie Kinder und Jugend in der digitalen Welt des Digitalverbands bitkom (2017). Demzufolge ist der absolute Lieblingsstar für mehr als ein Drittel der Probanden (36 Prozent) ein YouTuber (ebd.). Doch nicht nur auf YouTube, sondern auch auf Instagram kann man seinen Idolen folgen – etwa ein Viertel der Jugendlichen tut dies hinsichtlich der „Stars, die das Internet hervorgebracht hat“ (vgl. JIM-Studie 2017: 37). Bei den YouTube Stars bzw. Influencern handelt es sich zumeist um kommerziell arbeitende Produzenten von Social Media Content. Sie finanzieren sich mitunter über YouTube-Werbeeinnahmen oder Affiliate Links,2 ihnen werden Produkte zur Präsentation kostenlos zur Verfügung gestellt oder sie werden mit der Präsentation von Produkten beauftragt und entsprechend bezahlt. Inzwischen verdienen die bekanntesten YouTuber in Deutschland – wie z.B. Bianca „Bibi“ Heinicke – ihren Lebensunterhalt vollständig über ihre Tätigkeit als Webvideoproduzentin. Bei den meisten 2 Ein Affiliate Link ist ein Link auf Social-Media-Kanälen oder Webseiten, der direkt zu Online Shops oder Anbietern führt. Für jeden Klick erhält der Betreiber des Shops eine Provision vom Händler. Nina Köberer 254 https://doi.org/10.5771/9783845293844-253 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 12.06.2021, 14:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Influencern fallen Inhalte sozialer Kommunikation und ökonomische Interessen zusammen, die Grenzen von Werbung und redaktionellem Inhalt bzw. Content verschwimmen. Veränderte Medienwelten – veränderte Werbewelten Werbung ist kein neues Phänomen. In ihrer Bedeutung und in ihrer Entwicklung ist Werbung abhängig von gesellschaftlichen, soziokulturellen, ökonomischen und technologischen Bedingungen, die selbst dynamischen Prozessen unterliegen (vgl. Siegert/Brecheis 2010: 67). Wie andere Formen medialer Kommunikation, ist auch Werbung nicht nur Wirtschaftsgut, sondern immer auch Kulturgut (vgl. Altmeppen/Karmasin 2003), Motor und Seismograf des gesellschaftlichen Wandels und Quelle der Gesellschaftsbeobachtung: Werbung setzt Themen, Trends, prägt Mode und Stile und synchronisiert sich mit dem Zeitgeist, dem Geschmack und den Vorlieben ihrer Zielgruppen. Die Auswahl der Medien, über die Werbung verbreitet wird, orientiert sich immer auch an den technischen Möglichkeiten und den aktuellen Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen zeigt, dass die Werbepraxis sich unter den Bedingungen digitaler Kommunikation stetig wandelt. Einhergehend mit Prozessen der Digitalisierung haben sich gänzlich neue Formen der Multimedialität, der Interaktivität und der Kunden(ein)bindung eröffnet, das Potenzial nutzergenerierter Kommunikation wird zunehmend ausgeschöpft. Diese Entwicklung verdeutlicht beispielsweise auf den Einzelnen zugeschnittene, personalisierte Werbung. Zudem ermöglicht das Internet insbesondere über Social Media Kanäle die Weiterleitung von bereits bestehenden Seiten, Videos oder Ähnlichem (z.B. virales Marketing). Ein weiteres Phänomen, das auf den Veränderungsprozess im Werbesystem verweist, sind Werbeinhalte auf YouTube, die nicht offensichtlich als Werbung erkennbar sind, wie z.B. Haul-Videos (vgl. Köberer 2015, 2017) – diese sind dem Bereich des Influencer Marketing zuzuordnen. Unternehmen gehen immer häufiger Kooperationen mit YouTubern ein, profitieren von ihrem großen Bekanntheitsgrad und der hohen Nutzerbindung. L'Oréal Paris kooperiert nach eigenen Angaben bereits seit Anfang 2010 mit YouTuberinnen und Bloggerinnen (vgl. Haeming 2011) und die Volkswagen AG drehte in Kooperation mit dem Internet-Haul-Girl Nikkie das Tutorial-Video A crash course to shine, das als viraler Spot online gestreut wurde und auf die hohe Anzahl an Unfällen aufmerksam machen sollte, die durch das Schminken während dem Autofahren verursacht werden (vgl. Don’t make-up and drive 2012). Die Einbin1. Digitale Selbstdarstellung als Markt 255 https://doi.org/10.5771/9783845293844-253 Generiert durch IP '54.70.40.11', am 12.06.2021, 14:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. dung von YouTube Stars und Influencern, die für die Rezipienten nahbar und authentisch erscheinen, ist heute ein wichtiger Baustein der Social Media Strategie von Unternehmen geworden (vgl. u.a. Jahnke 2018; Nitsche/Ganguin 2018; Schach/Lommatzsch 2018). Diese neuen Werbeformen werfen Reflexionsbedarf hinsichtlich Fragen von Datenschutz, Privatsphäre und Überwachung, aber auch von Transparenz und Authentizität auf.3 Gerade Kinder und Jugendliche sind aufgrund der asymmetrischen Kommunikationsstruktur in besonderem Maße abhängig von der Auswahl und der Darstellung von Werbeinhalten sowie der Glaubwürdigkeit der Quellen und der Transparenz der Kommunikationsformen. Anhand der asymmetrischen Beziehung erlangt die Werbekommunikation gegenüber Kindern eine moralische Qualität (vgl. Stapf 2009: 7f.). Daher sind Werbeangebote daraufhin zu befragen, was sie an Inhalten und an normativer Orientierung anbieten und an welchen Kriterien medialer Qualität sie sich orientieren sollen. Bezogen auf Beiträge von Influencern ist es aus normativer Perspektive vor allem problematisch, wenn Inhalte sozialer Kommunikation und ökonomische Interessen (Sponsoring) zusammenfallen, dies nicht offensichtlich erkennbar ist bzw. kommuniziert wird und damit die Frage nach der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Inhalte und Kommunikatoren aufkommt (vgl. Köberer 2015). Doch was genau bedeutet es eigentlich, ein „Influencer“ zu sein? Gemeinsam shoppen, informiert und beraten werden: Follow me! Das Phänomen der sogenannten Influencer wird in letzter Zeit verstärkt in den Medien aufgegriffen und thematisiert, doch der Diskurs zur Rolle von Influencern im Marketing und auch der Online-PR ist nicht neu. Vor einigen Jahren schon wurden insbesondere Blogger als Influencer und Meinungsmacher wahrgenommen (vgl. u.a. Schindler/Liller 2014; Zerfaß/Pleil 2012). Und auch Hauler, welche ihre Shopping-Einkäufe präsentieren, werden schon seit geraumer Zeit als solche verstanden (vgl. Köberer 2015). Allgemein können Influencer als Akteure gefasst werden, die zunächst vor allem innerhalb ihrer eigenen Community wirken, über hohe Reichweiten verfügen und als Kommunik