{"title":"Von Kindern und Wölfen","authors":"Meret Fehlmann","doi":"10.54717/kidsmedia.5.1.2015.2","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Die Bête du Gévaudan war ein Wolf oder wolfsähnliches Raubtier, das in den Jahren von 1764 bis 1767 sein Unwesen im Gebiet des Gévaudan trieb und mehr als hundert Todesopfer verursachte, überwiegend Frauen und Kinder. Diese historisch verbürgten Ereignisse scheinen wenig geeignet als Thema der Kinder- und Jugendliteratur, denn der Wolf gilt bei vielen Kindern und Erwachsenen als ausgesprochenes Angst-Tier. Dennoch findet sich besonders seit den 1990er und 2000er Jahren eine steigende Anzahl an Bearbeitungen der Geschichte rund um die Bête du Gévaudan, die sich explizit an eine junge Leserschaft richten. Mehrheitlich stammen diese Bücher aus dem französischen Sprachraum, wobei das Lokale stark betont wird. Meist findet eine Nacherzählung der historischen Ereignisse statt, manchmal auch eine Versetzung in die Gegenwart, indem die Erinnerung an die Bête dazu dient, Angst und Schrecken zu verbreiten. Auffallend ist, dass die Mehrzahl der berücksichtigten Werke versucht, den Wolf von der Täterschaft zu entlasten. Schuld tragen vielmehr exotische Tiere, Werwölfe oder von Menschen abgerichtete Hunde etc. Damit nehmen diese Bücher die im ausgehenden 20. Jahrhundert einsetzende veränderte Einschätzung des Wolfes als Inbegriff der Naturverbundenheit und Freiheit auf. Innerhalb des letzten Jahrzehnts konnte die Bête du Gévaudan ihren Bekanntheitsgrad auch auf den englisch- und deutschsprachigen Raum ausweiten. Besonders innerhalb des englischsprachigen Raums macht sich eine neue Deutungsweise bemerkbar, durch welche man die Bête du Gévaudan von ihrer geographischen und zeitlichen Herkunft löst: Ihre Geschichte wird zur Herkunfts- und Abstammungserzählung für Werwölfe und/oder Werwolfjäger.","PeriodicalId":106402,"journal":{"name":"kids+media : Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung","volume":"11 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2015-03-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"kids+media : Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.54717/kidsmedia.5.1.2015.2","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
Die Bête du Gévaudan war ein Wolf oder wolfsähnliches Raubtier, das in den Jahren von 1764 bis 1767 sein Unwesen im Gebiet des Gévaudan trieb und mehr als hundert Todesopfer verursachte, überwiegend Frauen und Kinder. Diese historisch verbürgten Ereignisse scheinen wenig geeignet als Thema der Kinder- und Jugendliteratur, denn der Wolf gilt bei vielen Kindern und Erwachsenen als ausgesprochenes Angst-Tier. Dennoch findet sich besonders seit den 1990er und 2000er Jahren eine steigende Anzahl an Bearbeitungen der Geschichte rund um die Bête du Gévaudan, die sich explizit an eine junge Leserschaft richten. Mehrheitlich stammen diese Bücher aus dem französischen Sprachraum, wobei das Lokale stark betont wird. Meist findet eine Nacherzählung der historischen Ereignisse statt, manchmal auch eine Versetzung in die Gegenwart, indem die Erinnerung an die Bête dazu dient, Angst und Schrecken zu verbreiten. Auffallend ist, dass die Mehrzahl der berücksichtigten Werke versucht, den Wolf von der Täterschaft zu entlasten. Schuld tragen vielmehr exotische Tiere, Werwölfe oder von Menschen abgerichtete Hunde etc. Damit nehmen diese Bücher die im ausgehenden 20. Jahrhundert einsetzende veränderte Einschätzung des Wolfes als Inbegriff der Naturverbundenheit und Freiheit auf. Innerhalb des letzten Jahrzehnts konnte die Bête du Gévaudan ihren Bekanntheitsgrad auch auf den englisch- und deutschsprachigen Raum ausweiten. Besonders innerhalb des englischsprachigen Raums macht sich eine neue Deutungsweise bemerkbar, durch welche man die Bête du Gévaudan von ihrer geographischen und zeitlichen Herkunft löst: Ihre Geschichte wird zur Herkunfts- und Abstammungserzählung für Werwölfe und/oder Werwolfjäger.